Interview mit Dr. Jens Heisterkamp, Redakteur, Verleger, Buchautor
Der Gedanke des Karmas stammt ursprünglich aus östlichen Religionen. Inzwischen ist er aber bei uns populär bis in die Alltagssprache hinein, in Kinofilmen tauchen Reinkarnationsmotive auf etc. Auch wird er mitunter fälschlicherweise zu irrationalen Ideen, Spekulationen über letzte Leben usw. benutzt. Was aber ist Karma, so wie Rudolf Steiner es beschrieben hat? In jedem Fall ist es ein komplexes Thema, bei dem viele Aspekte und Dimensionen miteinbezogen werden müssen und wo wir noch am Anfang des Verstehens sind.
Beiträge von Wolfgang Müller und Christopher von Bar
Die anthroposophische Heilpädagogik feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. 1924 hielt Rudolf Steiner vor jungen Menschen den Heilpädagogischen Kurs. Diese jungen Menschen gründeten kurze Zeit später die ersten heilpädagogischen Einrichtungen. Seit dieser Zeit hat sich eine weltweite Bewegung mit über 650 Einrichtungen in 50 Ländern entwickelt! (Heilpädagogik für Kinder und Sozialtherapie für erwachsene Menschen mit Behinderung) „Auch wenn vieles heute sicher anders gesagt werden würde … legt der der heilpädagogische Kurs Grundlagen für die therapeutische und pädagogische Arbeit“ (C. von Bar)
Wie steht die Anthroposophie zu Menschen mit Behinderung?
Beitrag von Wolfgang Müller aus seinem Buch „Nachgefragt: Anthroposophie“ (siehe Hinweis Mai 2024)
Foto: Jens Heisterkamp
Das tiefe Interesse am jeweiligen Individuum, das die Anthroposophie charakterisiert, zeigt sich auch und gerade dort, wo es um Menschen mit bestimmten Einschränkungen oder Behinderungen geht. So forderte Steiner auch – damals ganz ungewöhnlich – einen Namen zu finden, der diese Menschen „nicht gleich abstempelt“. Seine Mitarbeiter sprachen daher von Anfang an von „Seelenpflege-bedürftigen“ Kindern bzw. Erwachsenen und lenkten den Blick weg vom Defizit zum Bedarf.
Bezeichnenderweise erkannte Steiner auch viel früher als andere die Gefahren durch die Eugenik, also durch Programme zu einer genetischen Verbesserung der Menschheit, die damals weithin als progressiv galten. Aus Sicht dieser Eugeniker waren Behinderungen nichts als eine Fehlleistung der Natur, die zu eliminieren war. „Begonnen hat ja nach dieser Richtung Verschiedenes“, sagte Steiner mit Blick auf den großen Eugenik-Kongress in London 1912. Er warnte vor den Folgen, wenn aus solchen Theorien soziale Praxis werde: „Und da wird kaum die erste Hälfte dieses Jahrhunderts zu Ende gehen, ohne dass auf diesen Gebieten dasjenige geschieht, was für den Einsichtigen ein Furchtbares ist.“ So Steiner 1917.
Die anthroposophische Medizin und Heilpädagogik versuchte eine humanere Praxis zu verwirklichen. Eines der bekanntesten Beispiele ist der Kinderarzt und Anthroposoph Karl König. Wegen seiner jüdischen Herkunft musste er nach dem deutschen Einmarsch 1938 aus Wien fliehen und gründete in Schottland die wegweisende Camphill-Bewegung. Jedes Kind, so König, „ist unser Bruder und Schwester“. „Und wie sehr auch seine Individualität verdeckt sein mag durch viele Schichten des Unvermögens, der Gelähmtheit, von unkontrollierten Gefühlen, wir müssen trotzdem versuchen, durch diese Schichten durchzubrechen, um das Heiligste jedes Menschen zu erreichen…“
Eine filmreife Geschichte ist die des Anthroposophen Hubert Bollig. Er hatte bei Karlsruhe ein Heim für „schwer erziehbare“ Kinder gegründet. Als es mit Kriegsbeginn 1939 geräumt werden musste, konnte er 33 der 40 Kinder bei deren Verwandten unterbringen. Dann begann mit den übrigen sieben eine Odyssee; ohne festen Wohnsitz zog die kleine Gruppe mitten in der Hitlerzeit durch den Schwarzwald und den Bodenseeraum. Als Bollig weitere fünf Kinder in andere Obhut geben konnte, blieben zwei, die durch die T4-Euthanasie-Aktion der Nazis bedroht waren. Für eines davon fand er ein Heim in der sicheren Schweiz. Es blieb der junge Otto Nicolai, mit Down-Syndrom. Für ihn organisierte Bollig ein ärztliches Gutachten, das ihn als unentbehrlichen Helfer für seine gehbehinderte Frau auswies. Bollig musste noch einige Wochen Gestapo-Haft überstehen, kam aber wieder frei. Der bei den Bolligs lebende Junge überlebte die NS-Zeit, er starb 1980.
Heute gibt es, auf viele Länder verteilt, mehr als siebenhundert Einrichtungen der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie. Sie versuchen ihren Bewohnerinnen und Bewohnern ein menschlich verlässliches, gut strukturiertes, anregungsreiches Zuhause zu bieten, soweit möglich auch mit Einbindung in bestimmte Arbeitsfelder. Und eben getragen von einem Geist, der alle Menschen mit ihren besonderen Eigenschaften in ihrem ureigenen Wesen zu sehen und zu fördern versucht.
Damit gehören diese Einrichtungen zu den kraftvollsten Orten, an denen eine gelebte Humanität erfahrbar wird. Manche Außenstehende, die damit persönlich in Berührung kamen, wurden zu starken Unterstützern des anthroposophischen Impulses, auch mit bedeutenden Stiftungen. Man könnte auch eine Geschichte der Anthroposophie nur unter dem Gesichtspunkt der Dankbarkeit schreiben.
„Menschen mit Assistenzbedarf können den anderen einen Spiegel vorhalten“
Interview mit Christopher v. Bar, Heilpädagoge und Geschäftsführer von Franziskus e.V. in Sülldorf
Foto: privat
Christine Pflug: Was geben diese Menschen mit Assistenzbedarf den anderen, der Gesellschaft?
Christopher von Bar: Zunächst einmal denke ich, dass Menschen mit Assistenzbedarf so individuell sind wie der Rest der Gesellschaft auch. Sie sind sozial und unsozial, fröhlich und traurig, freundlich und abweisend … Menschen mit Assistenzbedarf sind aber auch immer wieder erfrischend offen und direkt. Während ich selbst bei jeder Begegnung bewusst oder unbewusst überlege, wie ich bei dem anderen ankomme, sagt der Mensch mit Assistenzbedarf oft genau dass, was er im Augenblick fühlt! Diese Direktheit kann dem Gegenüber im ersten Augenblick irritieren, kann dann aber, da von Herzen kommend, als ehrliche Rückmeldung erlebt werden. Aber auch auf einer anderen Ebenen können Menschen mit Assistenzbedarf der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten: in einer Gesellschaft in der alles immer schneller, besser, optimierter laufen muss, bilden sie ein Gegengewicht: schaut her, es kann auch ganz anders gehen!
Die Frage für mich ist eigentlich, wie wir Menschen mit Assistenzbedarf sehen und welchen Raum wir ihnen in unserer Gesellschaft geben und einräumen wollen. Aktion Mensch hat Inklusion wie folgt beschrieben: „Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich dazu gehört. Oder anders: Inklusion ist, wenn alle mitmachen dürfen. Egal wie du aussiehst, welche Sprache du sprichst oder ob du eine Behinderung hast. Zum Beispiel: Kinder mit und ohne Behinderung lernen zusammen in der Schule. Wenn jeder Mensch überall dabei sein kann, am Arbeitsplatz, beim Wohnen oder in der Freizeit: Das ist Inklusion.“
Wenn wir das nicht nur in unseren therapeutischen Gemeinschaften erreichen würden, sondern in kleinen Schritten auch in unserem Umfeld, dann würden wir der beobachtbaren Entsolidarisierung in der Gesellschaft etwas Positives entgegensetzen.
C. P.: Wie hat sich die soziale Arbeit im Laufe der Jahrzehnte entwickelt? Was braucht es für die Zukunft?
Christopher von Bar: Ich arbeite nun seit 46 Jahren in der Heilpädagogik und Sozialtherapie. In dieser Zeit hat sich das Bild des Menschen mit Behinderung immer wieder gewandelt und weiterentwickelt. Die anthroposophische Arbeit mit Menschen mit Handicap war bis in die 1980 Jahr fortschrittlich und innovativ. In ganz Deutschland und weltweit haben sich Dorfgemeinschaften gegründet, in denen Menschen mit und ohne Handicap zusammenlebten. Dann habe ich aber die Wahrnehmung, dass in vielen anthroposophischen Einrichtungen und Gemeinschaften eine Weiterentwicklung stagnierte oder ausgeblieben ist. Eine Fokussierung auf die Selbstwirksamkeit und Individualisierung wurde in vielen Einrichtungen als Widerspruch zur Gemeinschaftsbildung empfunden, und von daher hat man eher versucht sie zu verhindern als zu fördern. Andere Träger wie z. B. die Lebenshilfe betonten die Individualisierung intensiv, weil der Gemeinschaftsgedanke nicht in ihrem Fokus stand. In den letzten Jahren, auch noch einmal impulsiert durch die UN-Behindertenrechts-Konvention, gab es aber deutliche und gute Entwicklungsschritte. Insbesondere unser Bundesverband Anthropoi hat Menschen mit Assistenzbedarf eine immer stärkere Stimme gegeben. So sind die Menschen mit Assistenzbedarf in fast allen Gremien des Verbandes als Selbstvertreter:innen mit dabei.
Es bleibt aber weiterhin eine lebendige Gratwanderung, auf der einen Seite die Menschen mit Assistenzbedarf in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken, auf der anderen Seite die Gemeinschaft zu pflegen und weiterzuentwickeln.
Das Jahr 2024 ist für alle anthroposophischen heilpädagogischen und sozialtherapeutischen Gemeinschaften ein besonderes Festjahr und gibt die Möglichkeit zu einer Retrospektive! Denn vom 25. Juni bis 7. Juli 1924 hat Rudolf Steiner vor einer kleinen Gruppe von Menschen 12 Fachvorträge in Dornach/Schweiz gehalten. Dabei standen menschenkundliche und medizinische Fragestellungen im Vordergrund. Die Vorträge bilden die Grundlage, aus der sich eine weltweite Bewegung mit 650 Einrichtungen in 50 Ländern entwickelt hat!
Auch wenn vieles heute sicher anders gesagt werden würde, der heilpädagogische Kurs vermittelt keine Rezepte, sondern legt Grundlagen für die therapeutische und pädagogische Arbeit. Wie vielfältig diese Impulse aufgegriffen wurden, sehen wir an der Vielzahl der unterschiedlichen Einrichtungen und Gemeinschaften in der ganzen Welt, ob in Pakistan, Südafrika, Neuseeland oder Amerika, überall gibt es Frühfördereinrichtungen, Schulen, Berufsschulen, verschiedenste Wohnprojekte und Gemeinschaften für ältere Menschen mit Assistenzbedarf. Der damalige Impuls von Steiner ist immer noch lebendig und führt zu neuen Formen in der Begleitung von Menschen mit Assistenzbedarf.
Interview mit Tabea Hattenhauer, Pfarrerin der Christengemeinschaft
Wir leben in einer bedrohlichen Zeit. Klimawandel, Kriege, es wird in allen Ländern aufgerüstet, es stehen Wahlen an, die keine gedeihlichen Folgen versprechen; besonders bei Jugendlichen zeigt sich, dass sie die Pandemie nicht verkraftet haben, die KI könnte uns überrollen, die Ressourcen gehen dem Ende zu – um nur einige Beispiels zu nennen. Das kann zu Ängsten führen, man kann das wiederum alles verdrängen oder ignorieren. Wie geht man damit um und stellt sich dazu? Welche Hinweise kann die Religion, das Christentum, dazu geben?
Interviewpartnerin: Tabea Hattenhauer, geb. Gössling, ist in Berlin in einer großen Musikerfamilie aufgewachsen. Sie besuchte dort die Waldorfschule und studierte zunächst Architektur. Später folgten eine Ausbildung am Waldorflehrerseminar und ein Studium am Priesterseminar der Christengemeinschaft in Hamburg. Seit 2010 ist Tabea Hattenhauer als Religionslehrerin tätig, 2017 wurde sie Pfarrerin der Christengemeinschaft. Ihre erste Berufserfahrung sammelte sie in Blankenese, seit 2018 arbeitet sie in der Markus-Gemeinde in Hamburg-Harburg. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Christine Pflug: Wie erleben Sie in Ihren Begegnungen und Gesprächen, wie Menschen mit der derzeitigen Lage umgehen?
Tabea Hattenhauer: Ja, die Weltlage ist auf vielen Ebenen eine bedrohliche geworden. Wir sprechen von einer Polykrise und meinen damit, dass es nicht nur eine einzelne Krise gibt, sondern dass sich momentan viele Bedrohungen und Probleme überlagern. Es ist schon schwer genug vorherzusagen, wie sich ein einzelnes Problem in der Zukunft entwickeln wird. Wenn aber mehrere Krisen sich durchdringen und gegenseitig beeinflussen, macht es das Ganze natürlich unendlich kompliziert und verwirrend.
Vier Beiträge aus dem gleichnamigen Buch von Wolfgang Müller
„Viele tun sich schwer mit Rudolf Steiners Schriften. Tatsächlich sind sie voller faszinierender, aber auch anspruchsvoller Gedanken. Hinzu kommen Vorwürfe, manches an Steiners Weltbild sei fragwürdig, ja sogar rassistisch. Der Publizist Wolfgang Müller nähert sich diesen Themen über ‚Häufig gestellte Fragen‘. Mit kurzen, prägnanten Antworten geht er sozusagen einmal durchs anthroposophische Gelände: Steiners zentrale Ideen kommen dabei ebenso zur Sprache wie ihre praktische Umsetzung in Waldorfpädagogik oder biodynamischer Landwirtschaft; Steiners Lebensgeschichte wird ebenso thematisiert wie sein politischer Ansatz und seine Ausblicke auf die Zukunft.“
In dieser Hinweis-Ausgabe drucken wir exemplarisch vier seiner Antworten ab.
Wolfgang Müller wurde 1957 in Heidelberg geboren und wuchs in Speyer am Rhein auf. Er studierte Geschichte und Germanistik in Heidelberg und Hamburg. Anschließend war Müller Redakteur beim Norddeutschen Rundfunk in den Ressorts Wissenschaft und Zeitgeschichte. Veröffentlichungen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in Die Zeit, der taz und im Merkur. 2021 erschien sein Buch „Zumutung Anthroposophie. Rudolf Steiners Bedeutung für die Gegenwart“. Es erreichte innerhalb kurzer Zeit mehrere Auflagen und wurde auch ins Französische übersetzt. Müller lebt er als freier Autor in Hamburg.
Wie konnte Rudolf Steiner das alles wissen?
Sehr schwierig, darauf eine konkrete Antwort zu geben! Vielleicht könnte man so ansetzen: Wenn bestimmte grundlegende, zentrale Fähigkeiten erreicht sind, dann kann dies sehr wohl ein neues Licht auf ganz unterschiedliche Felder der Erkenntnis werfen. Um es in einem Bild zu sagen: Wenn ich mich über lange Zeit und unter großen Schwierigkeiten durch eine unübersichtliche Landschaft bewegt habe und dann eines Tages von einem Berg aus das Ganze überblicken kann, dann wird mir eben – fast wie auf einen Schlag – vieles klar werden; manches, das ich „unten“ mühsam erforschen musste, und wohl auch manches, das gar nicht auf meinem Weg lag, aber von diesem Standort aus vollkommen deutlich vor Augen liegt.
Die gegenwärtigen gesellschaftlichen Krisen bringen gewohnte Sicherheiten des Lebens zum Wanken und erschüttern Vertrauen: Können wir uns angesichts der Klimakrise auf unseren Lebensraum verlassen? Können wir bei den vielen Konflikte im Zwischenmenschlichen, im Gesellschaftlichen und den kriegerischen Auseinandersetzungen auf menschliche Beziehungen bauen? Sind die zahllosen Informationen, die wir täglich erhalten, vertrauenswürdig? Zu den Krisen der Gegenwart gehört auch die Vertrauenskrise.
Dr. Matthias Girke ist Mitbegründer des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe, Klinik für Anthroposophische Medizin, und war dort über 21 Jahre Leitender Arzt der Allgemeinen Inneren Medizin. 2016 übernahm er die Leitung der Medizinischen Sektion am Goetheanum in der Schweiz und seit 2017 ist er Vorstandsmitglied der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft.
Vertrauen kann abnehmen, sogar zerstört werden. Umso mehr entsteht dann die Frage: Woher kommen neue Kräfte des Vertrauens und wie lassen sich ihre Quellen erschließen?
Zusammenfassung eines Vortrages von Bastian Barucker
In unserer Gesellschaft gibt es Gruppierungen, die konträre Ansichten vertreten, und die sich damit gegenseitig bekämpfen und diffamieren. Spätestens seit der Corona-Krise wurde das sichtbar. Diese Polarisierung setzt sich inzwischen mit anderen Themen fort, Klima, Antisemitismus, derzeitige Kriege usw. Was steht hinter dieser Polarisierung? Wie entstehen sie? Wie können wir sie überwinden?
Der Vortrag zu obigem mit anschließendem Gespräch fand statt am 1. Februar im Rudolf Steiner Haus und wurde von ca. 130 TeilnehmerInnen besucht. Es war eine Gastveranstaltung der Initiative „Mut zu Zwischentönen“; die u. a. das Thema Corona-Krise aufzuarbeiten versucht, denn „was nicht angeschaut wird, ist in Gefahr sich zu wiederholen“.
Bastian Barucker ist Wildnispädagoge, Prozessbegleiter in Gefühls- und Körperarbeit, hat Lehraufträge an Hochschulen, ist Vorstandsmitglied eines Naturkindergartens. Er hat viele Male bis zu einem Jahr mit Gruppen im Wald gelebt. Er hat Bücher geschrieben zu Themen „Wie lebt man als Gruppe zusammen? Was prägt das Verhalten des Menschen?“
Spaltung ist ein großes Thema, und wir können uns dem nur annähern. Ich stelle im Folgenden dar: Was ist meine Perspektive auf Spaltung? Wie entsteht sie? Was ist individuelle und was ist gesellschaftliche Abgespaltenheit? Was kann getan werden? Wie sieht eine Kommunikation aus, die Brücken baut?
Interview mit Jonas Rybak, Mitglied einer Gruppe zum Studium für Soziale Dreigliederung
Unser soziales und politisches Gefüge läuft immer mehr aus dem Ruder. Wie können wir sozial richtige Entscheidungen treffen und zusammenarbeiten? Was sind Grundlagen für ein Miteinander, in dem die Interessen von einzelnen Gruppen Gehör finden? Und wie kann man damit wirklich für die Gesamtgesellschaft bis hin zur Weltwirtschaft arbeiten und damit einen Nationalismus überwinden?
Interviewpartner: Jonas Rybak ist seit über einem Jahr in einer Gruppe junger Menschen aktiv, die gemeinsam ein völlig freies Studium zur Sozialen Dreigliederung aufbauen. Das soll sich inhaltlich, aber auch in der Umsetzung mit den Möglichkeiten eines zukunftsträchtigen auf sich selbst gestellten Bildungswesens befassen. In den Jahren davor drehte Jonas Rybak mit einigen jungen Anthroposoph:innen den auf YouTube verfügbaren Dokumentarfilm zur Sozialen Dreigliederung „Zusammenspiel – Anregungen zu einer Sozialen Dreigliederung des öffentlichen Lebens.“
Christine Pflug: Erstmal grundsätzlich: Was ist Soziale Dreigliederung?
Beiträge von Knut Ellenberg, Dieter Scharmer, Anna Breden
Tagtäglich die Erde und die Landschaft pflegen, für das Wohl der Tiere sorgen, die Pflanzen nachhaltig und im Einklang mit der gesamten Natur anbauen, das Leben und die Kultur auf einem Hof gestalten – es ist nicht nur eine große Aufgabe, sondern eine Art zu leben. Ich war beeindruckt und berührt, wie diese Landwirt:innen ihre ganze Biografie und Kraft dem zur Verfügung stellen. Und wie froh können wir sein, dass sie es tun. Nicht nur, weil sie uns dadurch mit hochwertigen Lebensmitteln versorgen, sondern weil sie damit einen Beitrag für unsere Erde leisten, auf der wir alle leben. (Christine Pflug)
„Seit 1924 bewirtschaften Demeter-Landwirte ihre Felder biodynamisch. Aufgrund der lebendigen Kreislaufwirtschaft gilt die Demeter-Landwirtschaft als nachhaltigste Form der Landbewirtschaftung und geht weit über die Vorgaben der EU-Öko-Verordnung hinaus. Demeter-Landwirt:innen gehen sorgsam mit dem Land und den Tieren um, die ihnen anvertraut sind. Sie gestalten Landschaft bewusst, lebenswert und nachhaltig. Das Ideal der Biodynamischen Wirtschaftsweise ist die nachhaltigste Art der Landbewirtschaftung, bei der Mensch, Pflanze, Tier und Boden zusammenwirken
In der Bäuerlichen Gesellschaft gibt es derzeit 249 biodynamische Höfe, davon in Schleswig-Holstein 72; auf der ganzen Welt existieren mehr als 7000 Höfe.“ Text und Angaben: Bäuerliche Gesellschaft e.V. – www.demeter-im-norden.de
Anthroposophische Meditation ist innerlich aktiv und konzentriert. Es geht darum, über das bloße Gedanken- und Vorstellungsbewusstsein hinauszukommen und dass die Inhalte innerlich lebendig, bildhaft und erlebbar werden. Wer regelmäßig meditiert, wird eine spürbare innere Bereicherung erfahren.
Interviewpartner: Dr. Christoph Hueck studierte Biologie und Chemie, promovierte im Fach Genetik, forschte in Deutschland und den USA. Tätigkeiten als Waldorflehrer, Dozent für Waldorfpädagogik und anthroposophische Meditation, Redakteur der Zeitschrift „Die Drei“ und Mitbegründer der Akanthos-Akademie für anthroposophische Forschung und Entwicklung in Stuttgart.
Christine Pflug: Es gibt viele Arten zu meditieren. Was ist Mediation? Was speziell ist anthroposophische Mediation?
Wie können wir eine neue Kultur des Zusammenlebens schaffen?
Zusammenfassung eines Vortrages von Christian Bartholl, Pfarrer
Die Atmosphäre in der Gesellschaft hat sich sehr verändert. Sie wird immer kälter – ganz im Gegensatz zu den äußeren Temperaturen. Wie können wir in der Gemeinschaft eine Art Klimawandel vollbringen? Wie können wir eine Atmosphäre schaffen, in der mehr Licht und Wärme entsteht?
Der Vortrag „Resonanz im Zwischenraum – Klimawandel in Gemeinschaften“ wurde gehalten am 14. September in der Lukas Kirche in der Themenreihe „Atmosphäre“. In dieser Reihe ging es um Fragen der Zukunft: wie wir leben wollen, die Wärme als Träger des Ichs, wie sich der Klimawandel in den Meeren auswirkt. Christian Bartholl wurde in Stade geboren und 2006 als Pfarrer geweiht. 5 Jahre war er in München tätig. Er arbeitet seit 12 Jahren in Hamburg-Volksdorf. Seit 6 Jahren trägt er Verantwortung für die Christengemeinschaft in Norddeutschland. Er war im früheren Beruf Grafik-Designer und arbeitete für Zeitschriften- und Buchverlage.
In der Art, wie wir derzeit zusammen leben, zeigt sich Finsternis, aber auch Licht. Unser Bild von der Welt ist geprägt von vielen das Gemüt verdunkelnden Schreckensmeldungen, die uns überwältigen. Im Kommunikationszeitalter kann fast jeder ganz einfach in alle Ecken der Welt Verbindung aufnehmen. Oft entsteht der Eindruck, dass dabei die Tiefe der Verbindung nicht stärker, sondern schwächer wird. Viel wird miteinander gesprochen, doch die Sprachlosigkeit nimmt zu. Kann ich auf den anderen hören, was er wirklich sagt, oder habe ich bereits eine so feste Meinung, dass ich etwas anderes nicht zulassen kann? Wer beispielsweise in Internet-Foren keinen Menschen mehr vor sich hat und deshalb ungehemmt all seine Wut und Frustration in Hassmails verpackt und in die Welt schickt, verdunkelt damit die geistige Atmosphäre.
Seit Kurzem steht das neueste Produkt transhumanistischer Technik auf der Tagesordnung für alle, die im gesellschaftlichen Austausch nicht abgehängt werden wollen, daran teilnehmen wollen – oder müssen: ChatGPT. Es ist seit kurzem auf Handys, Laptops oder PCs für die breite Öffentlichkeit verfügbar und benutzbar, von den einen als Bereicherung der Alltagskommunikation begrüßt, von anderen abgelehnt, weil es die Ausbildung eigenen Denkens durch Maschinen ersetze. Frage ist also, was ChatGPT ist und wie damit umgegangen werden kann.
Kai Ehlers, geb. 1944, studierte Geschichte, Publizistik und Theaterwissenschaften in Göttingen und Berlin, war aktiver Teilnehmer der außerparlamentarischen Opposition von 1968 (APO) in Berlin, lebt seit 1971 als politischer Journalist in Hamburg. Er ist als Buchautor tätig, als selbstständiger Radio- und Pressejournalist sowie Veranstalter von Vorträgen, Seminaren und Projekten www.kai-ehlers.de ; E-Mail:
Machen wir ein kleines Experiment: Wer ChatGPT auf seinem Handy, Laptops oder PC aufruft, wird von der Formel begrüßt: „Hallo Mensch, ich bin ein GPT-betriebener AI-Chatbot. Frag mich alles.“ Auf die Frage, wer das „Ich“ ist, das den Nutzer mit der Anrede „Mensch“ derart jovial anspricht, antwortet dieses „Ich“: „Hallo! ChatGPT ist ein fortschrittliches KI-Modell, das entwickelt wurde, um menschenähnliche Konversation zu führen. Es basiert auf der GPT-3-Architektur und verwendet maschinelles Lernen, um auf Fragen und Anfragen zu antworten. Es ist darauf ausgelegt, natürliche Sprache zu verstehen und kontextbezogene Antworten zu generieren. Bitte beachte jedoch, dass ich ein AI-Assistent bin und meine Antworten auf vorherigem Training basieren.“
Interview mit Annette Horster-Schepermann, Traumatherapeutin
Das Wort „Trauma“ wird seit einiger Zeit häufig verwendet. Flucht und Kriege sind häufig Ursachen von Traumatisierungen, aber auch andere Ereignisse führen zu seelischen Verletzungen. Wann aber kann man von einem Trauma sprechen und was sind Traumafolgestörungen? Die heutige Traumatherapie kann diese Verletzungen heilen oder zumindest deutlich lindern. Und: „Wir dürfen uns heute bewusst machen: Wir geben nicht nur unverarbeitete Traumatisierungen, sondern auch deren Überwindung und unsere dabei errungene Ich-Stärke und Resilienz transgenerational an unsere Kinder und zukünftige Generationen weiter!“
Interviewpartnerin: Annette Horster-Schepermann, Studium der Psychologie in den USA und Hamburg. Seither tätig als Psychologin im Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst in Eppendorf und in der waldorforientierten Psychotherapeutischen Praxisgemeinschaft Bergstedt. Weiterbildungen in Anthroposophischer Psychotherapie, Familientherapie und Kinder-, Jugendlichen- und Erwachsenen-Traumatherapie, waldorforientierte analytische Kunsttherapeutin, Sterbebegleiterin. Mitbegründerin und fachliche Leitung des Isis-Institutes Hamburg und des Pegasos-Netzwerkes für spirituell erweiterte integrative Traumatherapie. Seit 2022 fachliche Leitung der beiden Weiterbildungsgänge in waldorforientierter Traumapädagogik und Traumatherapie des Isis-Institutes Hamburg (www.isis-institut-hamburg.de), Mitautorin des Lehrbuches für waldorforientierte Trauma- und Notfallpädagogik „Kinder stärken – Zukunft gestalten“, Dozentin zur Pentagramm-Traumaarbeit im Studiengang Notfall- und Traumakunsttherapie an der Alanus-Hochschule in Alfter.
Christine Pflug: Die Begriffe Trauma und Traumatisierung werden in der letzten Zeit häufig benutzt, manchmal habe ich den Eindruck, auch unangemessen und inflationär. Was genau ist ein Trauma?Weiterlesen „Traumata“
Interview mit Ulrich Meier, Pfarrer der Christengemeinschaft und in der Leitung des Priesterseminars
Humor und Religion – zwei Dinge, die nicht zusammenpassen? Sind in der Religion nur der Ernst und das Tragische zu finden? Humor und Spaß sind wichtige Bestandteile des Lebens. An welcher Stelle haben sie auch im Religiösen ihren Platz?
Interviewpartner: Ulrich Meier, Pfarrer der Christengemeinschaft seit 1990. Davor Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher und zwei Jahre Tätigkeit im Landschulheim Schloss Hamborn. 16 Jahre Gemeindepfarrer in Hannover, seit 2006 in Hamburg Mitarbeit in der Leitung des Priesterseminars und Gemeindepfarrer in Hamburg-Mitte. Redakteur der Zeitschrift „Die Christengemeinschaft“.
Christine Pflug: Die Frage nach dem Humor und der Freude in der Religion hat sich mir regelrecht aufgedrängt, als wir vor etlichen Jahren in die Bretagne fuhren und unterwegs in kleinen Orten die Kirchen anschauten. Es war in einem anderen Land und dadurch quasi der distanzierte Blick von außen. Überall auf Bildern und Skulpturen sah ich Gräber und Tod, Menschen mit Schmerzen, weinende Frauen, Trauer, Leid, alles voller Tristesse und Verzweiflung.
Interview mit Sarah van Hamme, Oberstufenlehrerin und Dozentin
Die Jugendlichen und die Kinder sind diejenigen, die am meisten in der Corona-Zeit gelitten haben. Sogar unser Gesundheitsminister hat sich bei ihnen entschuldigt, dass die Maßnahmen zu drastisch waren. Aber auch andere Themen betreffen besonders diese „woken“, reflektierten, politisch aktiven jungen Menschen. Die „letzte Generation“ macht mit ihren Aktionen auf die Klimakrise aufmerksam. Konventionelle Geschlechtszugehörigkeiten werden infrage gestellt und aufgelöst. Und seit letztem Winter gibt es ChatGPT, das bisherige Unterrichtsmethoden obsolet macht. Herausforderungen auf vielen Ebenen, für die Jungen und auch für die „Alten“!
Interviewpartnerin Sarah van Hamme: Studium der Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte, nebenbei arbeitete sie Jahre beim Fernsehen. „Dann wollte ich eigentlich promovieren. Als ich aber im Doktoranden-Kolloquium saß, hatte ich plötzlich die Eingebung, dass ich mit Jugendlichen arbeiten möchte und Lehrerin werden will.“ So begann sie 2012 die Vollzeitausbildung am Waldorfseminar in Hamburg; absolvierte das SPJ in der Steiner Schule Bergstedt, unterrichtete anschließend 8 Jahre in Altona in der Oberstufe Deutsch, Geschichte, Philosophie, auch Sozialkunde, Kunstgeschichte. Seit 2022 ist sie freie Lehrerin mit Gastepochen an verschiedenen Rudolf Steiner Schulen und Dozentin im Waldorfseminar und an der Berufsschule für Erzieher. Neben dem Unterrichten ist sie Künstlerin.
Christine Pflug: Die Kinder und die Jugendlichen haben am meisten unter den Corona-Maßnahmen gelitten. Wie geht es ihnen?
„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Dieser weisheitsvolle Ausspruch von Albert Einstein stand für mich im Hintergrund, als ich die folgenden Autorinnen und Autoren bat, einen kleinen Beitrag zu schreiben.
Wir leben in einer Zeit vielfacher Krisen: Umwelt- und Klimaschäden, die Pandemie und ihre Folgen, es gibt Krieg in Europa, Flüchtlinge … alles das ist nur vordergründig sichtbar, es lässt sich ahnen, was im Hintergrund schwelt. „Wie kommt das Neue in die Welt?“ – diese Frage drängt sich auf. Es reicht nicht, Flickschusterei oder Aktionen zu veranstalten, „alten Wein in neuen Schläuche“ zu gießen, wie Christoph Bernhardt schreibt.
Wie aber finden wir einen Zugang zu diesem radikal Neuen?
Die Autorinnen und Autoren der folgenden Beiträge zeigen auf vielen Ebenen, wie das möglich ist. Dankenswerterweise reicht die Palette von der philosophischen, religiösen, künstlerischen Sicht bis zur ganz praktischen Ebene. Das alles braucht es. Und wie gut, dass Menschen einerseits den Ansatz für das Neue gedanklich fassen und in Sprache bringen können und andererseits Neues in der alltäglichen Arbeit mit viel Engagement und Idealismus praktizieren.
Zusammenfassung eines Vortrages von Dr. med. Wolfgang Rißmann, Psychiater
Ist die moderne Psychologie eine Naturwissenschaft, deren Ziel die Voraussage und Kontrolle des Verhaltens ist? Oder kommt es auf das Erleben des Menschen an? Welche Rolle spielt der Geist, insofern man diesen überhaupt anerkennt, in seinem Verhältnis zum Leib und zur Seele des Menschen? Es gibt dazu verschiedene Meinungen und Strömungen, die bis heute nicht geklärt sind. Wie hat sich Rudolf Steiner zu diesen Fragen geäußert? Er gibt keine Definitionen, sondern weist auf Wege hin, sich diesen Themen zu nähern.
Wolfgang Rißmann hielt diesen Vortrag am 7. September 2022, veranstaltet vom Zweig am Rudolf Steiner Haus.
Dr. med. Wolfgang Rißmann ist Facharzt für Psychiatrie und war leitender Arzt und Qualitätsmanager an der Friedrich-Husemann-Klinik in Buchenbach bei Freiburg i.Br. Er ist in der Ausbildung von Medizinstudenten, Ärzten, Pflegenden und Therapeuten tätig. Vielfältige Vortrags- und Seminartätigkeit zu den Themen der allgemeinen Anthroposophie und Prävention psychischer Krankheiten. Besonderer Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung von anthroposophischen Arzneimitteln bei psychischen Krankheiten. Seit Februar 2014 Privatpraxis für Psychiatrie in Hamburg-Volksdorf.
Den ersten Teil dieses Vortrages finden Sie im Hinweis-Heft März, in der Print-Ausgabe oder online unter www.hinweis-hamburg.de
Durch das Christentum erhielt die Frage nach der Seele eine ganz neue Wendung. Es galt, die Seele von ihren Unvollkommenheiten zu reinigen und in ihren Fähigkeiten weiterzuentwickeln im Hinblick auf den geistigen Auftrag der Menschheit. Bei dem achten ökumenischen Konzil von Konstantinopel 869 unterschied man nicht mehr zwischen Seele und Geist, sondern anerkannte nur noch die Seele. Man sprach von der Seele, die dem Leib gegenüberstehe. Damit begann der Leib-Seele-Dualismus.
Teil I. Zusammenfassung eines Vortrages von Dr. med. Wolfgang Rißmann, Psychiater
„Die Psychologie findet heute allenthalben Interesse, sie gilt als etwas, woran wir alle Anteil haben … denn wir alle sind der Stoff, von dem die Psychologie handelt.“ So die Aussage von zwei Psychologie-Professoren. Was aber ist die Seele? Die alten griechischen Philosophen sprachen von ihr, aber in der Wissenschaft der Neuzeit wird ausgeschlossen, dass eine Seele existiert.
Wolfgang Rißmann hielt diesen Vortrag am 7. September 2022, veranstaltet vom Zweig am Rudolf Steiner Haus.
Dr. med. Wolfgang Rißmann ist Facharzt für Psychiatrie und war leitender Arzt und Qualitätsmanager an der Friedrich-Husemann-Klinik in Buchenbach bei Freiburg i.Br. Er ist in der Ausbildung von Medizinstudenten, Ärzten, Pflegenden und Therapeuten tätig. Vielfältige Vortrags- und Seminartätigkeit zu den Themen der allgemeinen Anthroposophie und Prävention psychischer Krankheiten. Besonderer Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung von anthroposophischen Arzneimitteln bei psychischen Krankheiten. Seit Februar 2014 Privatpraxis für Psychiatrie in Hamburg-Volksdorf.
Interview mit Christina Henatsch, Agraringenieurin. Kulturpflanzenentwicklung und Züchtungsforschung
Pflanzen, also Gemüse, Getreide, Obst, ernähren uns. Wirkliche Ernährung geht aber über das bloße Essen hinaus, sie soll den Menschen aufbauen, erfrischen und seine konstitutionelle Entwicklung fördern. Wo stehen wir aber mit unseren heutigen Nahrungsmitteln? Und was braucht es, damit uns die Pflanzen für die Zukunft weiterbringen können?
Christina Henatsch arbeitet seit über 20 Jahren an diesen Themen. Letzten Herbst fand eine große Feier statt zu dem Jubiläum dieser Saatgutforschung.
Interviewpartnerin: Christina Henatsch hat die Schule für biologisch-dynamischen Land- und Gartenbau in Holland abgeschlossen, danach Agrarwissenschaften in Bonn studiert. Betreibt seit 21 Jahren ihre Forschung in „Kulturpflanzenentwicklung Wulfsdorf e.V.“, was eines der Projekte von „Kultursaat e.V., Verein für biologisch-dynamische Gemüsezüchtung und Kulturpflanzenerhalt auf biologisch-dynamischer Grundlage“ ist. Sie arbeitet selbständig und hat einige Mitarbeiter.
Christine Pflug: Zunächst eine ganz grundsätzliche Frage: Wofür ist Saatgutforschung gut? Wohin soll sie führen? Wer braucht das?
Interview mit Katrin von Kamen und Volker Thon, Mitarbeiter:in der Fachstellen für Gewaltprävention
Gewalt gehört zu unseren alltäglichen Erscheinungen. Leider! Wir wissen von brutaler Gewalt in weltweiten Zusammenhängen, lesen, was immer wieder in Institutionen geschieht und jede:r von uns hat mindestens Gewalt in Form von Übergriffigkeiten erlebt. Ab wann beginnt Gewalt, in welchen Stufen tritt sie auf? Und vor allem: Was braucht es, um sie zu verhindern und andere Möglichkeiten des Umgangs zu finden? Katrin von Kamen und Voker Thon berichten aus ihrer langjährigen Erfahrung in Einrichtungen.
Mit Matthias Bölts, Musiker und Ulrich Meier, Pfarrer
Gerade jetzt am Jahresende erleben wir die Zeit sehr verschieden. In unserer Zivilisation verläuft die Vorweihnachtszeit meistens hektisch, danach sollte Stille eintreten. Am Jahresende blicken wir auf das vergangene Jahr zurück und denken über die Zukunft nach. Die 12 Heiligen Nächte gelten als ein besonderer, herausgehobener Zeitraum.
Wie können wir mit Zeit schöpferisch umgehen, ihr gegenüber ein aktives Verhältnis gewinnen? Wie gehen wir angemessen mit Vergangenem, Zukünftigem und Gegenwärtigem um? Welche Dimension hat Zeit in der Meditation?
Matthias Bölts und Ulrich Meier hatten in diesem Jahr im Rudolf Steiner Haus zwei Seminare zum Thema „Zeitbewusstsein entwickeln“ gegeben. Ein drittes wird in 2023 folgen.
Interviewpartner: Ulrich Meier, Pfarrer der Christengemeinschaft seit 1990. Davor Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher und zwei Jahre Tätigkeit im Landschulheim Schloss Hamborn. 16 Jahre Gemeindepfarrer in Hannover, seit 2006 in Hamburg Mitarbeit in der Leitung des Priesterseminars und Gemeindepfarrer in Hamburg-Mitte. Redakteur der Zeitschrift „Die Christengemeinschaft“.
Matthias Bölts: Musiker; Orgel-, Chorleitungs- und Kompositionsstudium in Berlin; Mitarbeit in der Leitung von MenschMusik Hamburg; Dozent für Musikalische Phänomenologie und Musiktheorie; Seminare und Publikationen zu Fragen des inneren Lebens und der anthroposophischen Meditation; Matthias Bölts lebt mit seiner Familie in Hamburg.
Christine Pflug: Gerade jetzt am Jahresende erleben wir unterschiedliche Zeitqualitäten: Die Vorweihnachtszeit ist im Allgemeinen stressig, danach kommt Ruhe. Man kann das mit äußeren Umständen begründen, aber ist das die einzige Ursache? Wie kann man an diesem Jahresabschnitt festmachen, dass wir Zeit so verschieden erleben?
Zusammenfassung eines Vortrages von Dr. Sebastian Lorenz
Der Mensch soll optimiert werden, er soll sein Aussehen, seine physischen, seelischen Möglichkeiten selbst bestimmen, Alterung und Tod verhindern. Und das mit den Mitteln der Technologie. Die Idee von einem Jungbrunnen oder einem Lebenselixier sind uralt und gehen bis auf das Gilgamesch-Epos zurück. Die technologischen Mittel aber werden immer besser, genialer und ermöglichen eine Lebensqualität, von der wir alle profitieren. Eine Weiterentwicklung des Menschen ist auch das Ziel der Anthroposophie. Was aber ist der Unterschied zum Transhumanismus? Wie steht der einzelne Mensch darin, einerseits der technischen Entwicklung nicht ausweichen zu können, sich von dieser aber nicht überrollen zu lassen? Und inwiefern ist der Mensch in all diesem „umkämpft“?
Dr. Lorenz ging diesen Fragen nach am 15. September in der Lukas-Kirche in der Reihe: Umkämpftes Menschenbild. Transhumanismus – Die Optimierung des Menschen?
Dr. med. Sebastian Lorenz, Jg. 1968, ist Arzt, Berater und Autor mit freier Forschungstätigkeit. Er arbeitet seit 1998 psychiatrisch im Kanton St. Gallen/Schweiz und wirkt mit Seminar- und Vortragstätigkeit im deutsch- und englischsprachigen Raum zu spirituellen, christlichen und zeitaktuellen Themen. Studium der Medizin, Philosophie, Theologie, Sprachen, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten von Zürich, Freiburg (Brsg.), Stuttgart (FH) und Harvard. Gegenwärtige Arbeitsschwerpunkte sind das Christuswesen, die Künstliche Intelligenz und die seelische Gesundheit des Menschen.
Zu Beginn des 9. Kapitels des Johannesevangeliums wird erzählt, wie Jesus einen Menschen heilt, der von Geburt an blind war. Man könnte daher mit etwas Übertreibung sagen, dass Christus der „ultimative Transhumanist“ ist. Wenn man dieses Bild der Heilung eines Blinden in sich belebt, kann man begeistert sein und sich freuen an dem Erfolg der Heilung. Diese Begeisterung und die Freude über den Erfolg an einer Heilung leben heute weiter in ganz vielen Menschen, die nichts wissen vom Christus, aber voller Tatendrang sind, solche Wunder zu vollbringen. Und solche Wunder werden heute von tatkräftigen Menschen vollbracht mit den Mitteln der Technologie.
Zusammenfassung eines Vortrages von Helmut Eller, Vortragsredner und ehem. Waldorflehrer
„Wir leben in einer apokalyptischen Zeit“, so wurde der Vortrag von Herrn Eller vorgestellt. „Wie gut, dass wir in einer apokalyptischen Zeit leben. Dann sieht man die Dinge. Und nur, wenn man die Dinge sieht, kann man daran arbeiten. Apokalypse ist jugendhaft, da ist immer viel Sturm und Drang, dann hat man auch die Jugendkräfte, neu anzufangen und etwas zu ändern.“
Diese Sichtweise, die sich auf die Chancen richtet, war die Einleitung zu der Vortragsreihe der Lukas-Kirche Volksdorf: „Umkämpftes Menschenbild“. In dieser Reihe hielt Helmut Eller am 1. September seinen Vortrag, in dem er besonders auf die Dreiheit in dem anthroposophischen Verständnis über das Bild des Menschen einging.
Helmut Eller war 40 Jahre lang Waldorflehrer; während dieser Zeit hatte er parallel 25 Jahre an der Universität einen Lehrauftrag für Waldorfpädagogik. Bis heute gibt er Seminare in unterschiedlichen Zusammenhängen, hält anthroposophische Vorträge und u. a. war er dafür zehnmal in Japan. Er hat verschiedene Bücher geschrieben, u.a. ein Buch über die Entwicklung des Kindes.
Wie kann die Dreiheit, also die Dreigliederung, dazu beitragen, dass man die Welt anders verstehen kann?
Artikel von Prof. Dr. Michael Kirn, Professor emer. für Öffentliches Recht
Prof. Dr. Michael Kirn, geb. in Ravensburg 1939, Jura- und Philosophiestudium in Tübingen und Berlin (1958-64), Professur an der Helmut Schmidt Universität seit 1974; Begegnung mit der Anthroposophie 1972. Seit 30 Jahren Kurs „Philosophie der Freiheit“ im Rudolf Steiner Haus. Vom Autor ist zuletzt erschienen: „Das Ich in den Strukturen des Daseins. Rudolf Steiner, ‚Die Philosophie der Freiheit‘, 1. Teil, systemisch erläutert“, 2016, Berliner Wissenschaftsverlag
Als die PhdF (Philosophie der Freiheit) 1893 in Berlin erschien, war die Zeit der philosophischen Weltanschauungen schon lange abgelaufen. Aber das Erbe war groß. Aristoteles hatte in seinen Werken so etwas wie ein Grundbuch der realen Welt geschaffen, war jedoch an das geistige Wesen des Menschen nicht wirklich herangekommen. Immanuel Kant hatte es als Hauptaufgabe der Philosophie der Neuzeit auf sich genommen, das menschliche Erkenntnisvermögen neu zu vermessen, aber von da aus kein System mehr zustande gebracht. Hierüber setzten sich die Philosophen des Deutschen Idealismus hinweg. Sie machten sich zu „Meisterdenkern“, indem sie die Endlichkeit des Menschen als Faktor des Daseins ausblendeten, um sich so dem freien Flug der Ideen hingeben zu können. Dass dies ein geistiger Rückflug in ein abgelebtes religiöses Modell war, brachte der Dichter Franz Grillparzer in seinem Distichon „Hegel“ treffend zum Ausdruck: „Möglich, dass du uns lehrst, prophetisch das göttliche Denken; / Aber das menschliche, Freund, richtest du wahrlich zu Grund!“
Aber damit ist die ‚Fallhöhe des Geistes‘ noch nicht hinreichend vermessen, und es ist auch für den heutigen Leser notwendig, einen vorläufigen Begriff davon zu haben, aus welcher Tiefe die Freiheitsphilosophie Steiners sich und uns erhebt.
Texte aus der Werkstatt für biografisch-kreatives Schreiben
Wie kann man dem eigenen Leben auf die Spur kommen? Biografisch-kreatives Schreiben ist dafür eine Möglichkeit. Letzten Sommer begannen wir mit unserer Schreibwerkstatt, die dann in verschiedenen Formen bis April dieses Jahres fortdauerte. Die Teilnehmer:innen schrieben Geschichten aus ihrem Leben, es wurden immer wieder neue Aspekte und Aufgaben gegeben. Wir Kursleiterinnen vermittelten „Erzählelemente“, wie man beispielsweise Dialoge einbaut, Szenen ausführt, in bildhaft-sinnliche Beschreibungen eintaucht, aus verschiedenen Perspektiven schreibt und vieles mehr. Jede:r hatte eine begrenzte Zeit für die jeweilige Geschichte, im anschließenden Gespräch vertieften wir die Erfahrungen. Wir begannen mit der Kindheit („Eine Kinderfreundschaft“), wir erinnerten uns an eine wichtige Lehrerpersönlichkeit, an einen „besonderen Ort“, an ein „Wagnis“. Beim erwachsenen Leben haben wir beispielweise geschrieben über Umbrüche, prägende Impulse, eine Reise oder einen Lieblingsort, „Wo habe ich Heimat erlebt?“ „Wann ist mir Welt begegnet?“ Schreibend tauchten Erinnerungen und scheinbar Vergessenes wieder auf. Manches erschien in einem neuen Licht und konnte durch das Schreiben wie „befreit“, neu eingeordnet und mitunter sogar versöhnt werden. In dieser Werkstatt sind manchmal tiefgehende, manchmal humorvolle, erstaunliche oder abenteuerliche kleine literarische Kunstwerke entstanden. Sie sind es wert, veröffentlicht zu werden. Vielleicht, liebe Leser:innen, werden Sie durch diese Lektüre inspiriert, an einem freien Sommertag auch in Ihre biografischen Erinnerungen einzutauchen. Die Blumenbilder des Hamburger Malers Patrick Hanke mögen Sie in dieser (hoffentlich) launigen Sommerzeit ebenfalls anregen und erfreuen. (Leitung der Werkstatt: Christine Pflug und Maria Schulenburg)
Interview mit Eva Bolten, Studentin am Priesterseminar, Frank Hörtreiter, Christian Bartholl, beide Pfarrer der Christengemeinschaft
Was ist die Grundgeste von Religion? Wofür brauchen wir Menschen sie im 21. Jahrhundert? Die Christengemeinschaft hat in den letzten 100 Jahren ein religiöses Leben aufgebaut. Vieles hat sich in dieser Zeit verändert. Beginnend mit der Gründung nach dem ersten Weltkrieg, dann in den Wirrungen der Nazizeit und nach den konservativen Nachkriegsjahren hat sie sich heute zu einer paritätischen Gemeinschaft entwickelt, in der Mitglieder in Zusammenarbeit mit der Priesterschaft das Gemeindeleben gestalten. Die Freiheit des Einzelnen und ein individuell entwickeltes Verhältnis zur göttlichen Welt bilden die Grundlage für die Zusammenarbeit in einer Gemeinschaft. Dabei ist die Ausführung der Sakramente der zentrale und bleibende Kern in allen diesen Verwandlungen.
Faszination und Hindernisse auf dem Weg zu einer neuen Weltsicht
Gespräch mit Wolfgang Müller, langjähriger NDR-Redakteur, jetzt freier Autor
Die Anthroposophie „hat der Welt etwas Wichtiges, buchstäblich Not-Wendiges mitzuteilen“, so Wolfgang Müller. Andererseits scheint sie für heutige naturwissenschaftlich geprägte Menschen schwer zugänglich zu sein – eine Zumutung. Wolfgang Müller zeigt auf, wie durch die Anthroposophie auf Fragen und Probleme der heutigen Kultur eben durch diese Anstrengung ein Weg zu guten Lösungen gefunden werden kann.
Wolfgang Müller, 1957 geboren, wuchs in Speyer am Rhein auf. Er studierte Geschichte und Germanistik in Heidelberg und Hamburg. Bis 2020 war er Fachredakteur für Zeitgeschichte beim Norddeutschen Rundfunk in Hamburg, wo er jetzt als freier Autor lebt. Seine Artikel erscheinen in anthroposophischen Zeitschriften, gelegentlich auch in taz, Zeit und FAZ. Zuletzt erschien sein Buch »Zumutung Anthroposophie. Rudolf Steiners Bedeutung für die Gegenwart«.
Christine Pflug: Sie sind nicht „anthroposophisch sozialisiert“, also nicht durch Elternhaus oder Waldorfschule an die Anthroposophie herangekommen, und außerdem erst nach einem ganzen Berufsleben in einem anderen Feld, als Redakteur im NDR. Wie war dieser Prozess?
Wolfgang Müller: Die erste Begegnung mit der Anthroposophie war eigentlich doch schon vor über zwanzig Jahren, angeregt durch einen Freund. Damals habe ich auch schon mehrere Werke von Rudolf Steiner gelesen. Aber es hat bei mir nicht recht gezündet. Allein zum Beispiel, wie Steiner die geistigen Welten quasi im Breitwandformat ausmalt, als eine höchst konkrete, vielgestaltige Wirklichkeit, das fand ich eher befremdlich. Es war jedenfalls nicht die Art Spiritualität, die mir nahelag.
Artikel von Jörg Kirschmann, Pfarrer der Christengemeinschaft
Im vergangenen Jahr wurde an vielen Orten Joseph Beuys‘ und seines Werkes gedacht anlässlich der 100. Wiederkehr seines Geburtstages. Zahlreiche Ausstellungen wurden ausgerichtet, die die Möglichkeit boten, sein Werk auf Aktualität hin zu befragen. Die Ausstellungen trugen Titel wie „Joseph Beuys und die Schamanen“, „Die unsichtbare Skulptur“, „Denken ist Plastik“, „Der Erfinder der Elektrizität/Joseph Beuys und der Christusimpuls“, um nur wenige Beispiele zu nennen, die auf die Spannbreite Beuysscher „Themen“ und die damit verbundene Erweiterung des Kunstbegriffs verweisen mögen. Was bleibt?
Neben einem überaus umfangreichen zeichnerischen Werk, einer Reihe von Plastiken vor allem aus der Frühzeit seines Schaffens, kann man gerade in den Ausstellungen vielen Arbeiten begegnen, die im Zusammenhang mit Aktionen entstanden sind, die doch ursprünglich ganz von der Anwesenheit Beuys‘ und den daran teilnehmenden Menschen lebten. Nun sind sie gleichsam Relikte, die trotz intensiver Betrachtung oftmals rätselhaft erscheinen. Und doch kann das Erlebnis eintreten, dass sie aus einer gewissen Entfernung zur konkreten Wahrnehmung in einer Art Nachbild plötzlich anfangen zu „sprechen“, verständlich zu werden, wenn nicht sogar auffordern, selbst Teil dieses Kunstwerkes zu werden.
Interview mit Silke Stremlau, Sozialwissenschaftlerin und Vorständin der Hannoverschen Kassen
Unbeständig, unsicher, komplex und mehrdeutig – so erleben wir immer mehr unsere Welt. Das sind Bedingungen in unserer Gesellschaft, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, und diese spiegeln sich auch in Unternehmen und Organisationen. Die sogenannte VUCA-Welt beschreibt vier Herausforderungen, die wir in unserer Arbeit und auch im persönlichen Leben zu meistern haben. „Was gibt uns Sinn?“ und „Wie kann ich mich selbst führen?“ sind dabei wichtige Fragen.
Interviewpartnerin: Silke Stremlau (Jg. 1976) ist seit 2018 Vorständin der Hannoverschen Kassen – einer nachhaltigen Pensionskasse. Frau Stremlau verantwortet dort die Bereiche Kapitalanlage, Nachhaltigkeit und Personal. Zuvor war sie als Generalbevollmächtigte bei der BANK IM BISTUM ESSEN eG tätig. Zwischen 2000 und 2015 hat sie als Gesellschafterin bei der imug Beratungsgesellschaft den Bereich „Nachhaltiges Investment“ aufgebaut und geleitet und dort eine umfassende Expertise in Sachen Sustainable Finance entwickelt. Sie studierte an der Universität Oldenburg Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Umweltpolitik und an der Akademie deutscher Genossenschaften (ADG) erlangte sie den Grad Dipl. Bankbetriebswirtin Management. Silke Stremlau war zudem stellv. Vorsitzende des Sustainable Finance Beirates der letzten Bundesregierung und ist stellv. Aufsichtsratsvorsitzende bei der UmweltBank AG in Nürnberg
Christine Pflug: Sie haben eine Schrift verfasst in der Sie darstellen: Das, was in der Gesellschaft lebt, spiegelt sich in Unternehmen wider. Es gibt aus der Soziologie den Begriff VUCA, mit dem die derzeitige Gesellschaft beschrieben wird und der gleichzeitig auf die Unternehmenswelt zutrifft. Was ist VUCA?
Interview mit Luke Barr, Pfarrer der Christengemeinschaft
Wir alle haben in unserem Leben Rituale, auf die eine oder andere Weise. Beispielsweise wie wir morgens in den Tag kommen, familiäre Abläufe und Feiern gestalten, und gerade jetzt, in der dunklen Jahreszeit und auf das Ende des Jahres zu, begehen wir viele Rituale. Sie können einen religiösen Charakter haben, können Gewohnheiten sein, sind Brauchtum und Ausdruck verschiedener Kulturen. Diese festen Handlungsabläufe verleihen unserem Leben Struktur, geben uns ein Gefühl der Sicherheit und binden uns an etwas an, das über uns steht.
Interview mit Ulrike Steurer, Ärztin, Dr. med. Irene Stiltz, Ärztin, Jörgen Day, Pfarrer i.R.
… gib jedem seinen eignen Tod. Das Sterben, das aus jenem Leben geht, darin er Liebe hatte, Sinn und Not.“ ¹Rainer Maria Rilke
Welchen Tod wünschen wir uns? Ist in einer extremen Situation eine Selbsttötung, sei es durch eine Assistenz oder alleine durchgeführt, Ausdruck oder Verletzung der Menschenwürde? Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht die „Beihilfe zur Selbsttötung“ auf geschäftsmäßiger Grundlage für nicht mehr strafbar erklärt. Seitdem wird über den Handlungsbedarf und die Rahmenbedingungen auf gesellschaftlicher und politischer Ebene diskutiert.
Interview mit Ulrich Meier, Pfarrer der Christengemeinschaft
Die Zukunft kommt uns nicht entgegen, sie liegt nicht vor uns, sondern sie strömt von hinten über unser Haupt.
Rahel Varnhagen, Berliner Salondame des ausgehenden 18. Jahrhunderts
Wie kann ich mir als Einzelner und wie können wir uns als Gesellschaft einen positiven Zugang zur Zukunft verschaffen? Diese Frage ist gerade in der jetzigen Zeit drängend. Der Zukunftsforscher Matthias Horx hat mit der Regnose einen Weg gefunden, wie man zum Akteur der eigenen Zukunft werden kann. Dabei ist es wichtig, die Vergangenheit so zu integrieren, dass man an ihr die Ressourcen entdeckt, um einen offenen, freien Blick für die Zukunft zu finden.
Beiträge von Tille Barkhoff, Elmar Lampson, Amadeus Templeton, Joachim Heppner, Roswitha Meyer-Wahl, Ulrich Rölfing
Dass die Kunst, bzw. die KünstlerInnen in den letzten eineinhalb Jahren gelitten haben, ist uns allen bekannt. Auch wenn jetzt wieder ein Aufschwung kommt, ist es unsicher, ob das kulturelle Leben weitergehen wird. Die Umsatzeinbußen durch Corona in der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland können sich durch die Absage von zahlreichen Veranstaltungen und der Schließung von Kunst- und Kulturstätten in 2020 bis zu 28 Milliarden Euro belaufen. Wie erleben das die KünstlerInnen selbst, deren Arbeit als nicht systemrelevant eingestuft wird? Und was macht das mit uns als Gesellschaft, wenn wir die Kunst nicht mehr haben?
Zum Beispiel aus Nordafrika, Asien und Südosteuropa
Von Micaela Sauber, Erzählkünstlerin und Initiatorin von „Erzähler ohne Grenzen"
Überall auf der Welt, wo Menschen sind, sind auch Märchen, Legenden, Mythen und Sagen entstanden und wurden über Jahrhunderte weiter erzählt. Ich möchte Sie zu einem kleinen Streifzug mit zwei Märchenerzählungen in den Mittelmeerraum und nach Rumänien einladen. Es ist Sommer. Die Sehnsucht zieht mit der Sonne, den Wolken, dem Wind und den Sternen in die Ferne. Zahllos wie Sterne sind die Märchen der Welt. Der Himmel, an dem die Sterne leuchten, ist ihre gemeinsame Heimat und die Sternbilder der Fixsterne, der Charakter der Wandelsterne können vielfach gedeutet werden. Die Richtung und der Grund, von dem aus wir schauen, bestimmen die Sichtweise.
Auch dort, wo die digitalen Medien sich in den Seelen der Menschen längst breit gemacht haben, versammeln sich wieder Menschen, um direkt vom Mund ins Ohr Märchen zu erzählen, und zwar nicht nur für Kinder. In der Anthologie „Im Auge des Sturms – Schlüsselgeschichten von Erzähler ohne Grenzen“ berichten 35 AutorInnen von der Wirksamkeit des mündlichen Erzählens von Märchen.
Wie wird unser Selbstverständnis bestimmt? In der Mai-Ausgabe des Hinweis beschrieb Frau Michaela Glöckler, dass wir eine „alte“ Identität haben, die zum einen durch Erziehung und Einflüsse von außen gebildet wurde, und zum anderen darin besteht, wie wir uns selbst erleben. Beides ist sehr wechselhaft, weil die äußeren Umstände mehr oder weniger förderlich und sind und sich auch immer ändern. Erlebt der Mensch in seiner Biografie eine „zweite Geburt“, dann schafft er sich ein Selbstbewusstsein, das einen unzerstörbaren Mittelpunkt hat.
Die menschliche Biografie entwickelt sich in Gesetzmäßigkeiten. Wie verhält sich nun die biografische Entwicklung zu diesen beiden Formen der Identität?
Vorliegender Text ist eine Zusammenfassung eines online-Vortrages von Michaela Glöckler, gehalten auf einem webinar am 13./14. März, veranstaltet von der BVBA (Berufsvereinigung Biografiearbeit auf Grundlage der Anthroposophie www. biographiearbeit.de), an dem über 100 Teilnehmer*innen zuhörten. Der Titel hieß «Wer bin ich? Was ist mein Weg? Biografiearbeit als Schlüssel zu einem neuen Selbstverständnis».
Dr. med. Michaela Glöckler, Kinderärztin; bis 1987 am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke und schulärztliche Tätigkeit an der Rudolf Steiner Schule Witten; 1988 bis 2016 Leitung der Medizinischen Sektion am Goetheanum/Schweiz; Mitbegründerin der Alliance for Childhood und der Europäischen Allianz von Initiativen angewandter Anthroposophie/ELIANT; internationale Vortrags- und Seminartätigkeit; diverse Publikationen zu Fragen der Medizin, Pädagogik, Erziehung, u.a. Mitautorin der bekannten Erziehungsratgeber «Kindersprechstunde» und «Elternsprechstunde»; mit der Biografiearbeit auf Grundlage der Anthroposophie seit deren Initiierung in den 1980er-Jahren durch den Psychiater Bernard C. Lievegoed verbunden.
Wie können wir in der Biografie mit ihren Gesetzen in jedem Lebensalter neue Aspekte unserer Identität erüben und erfahren? Wie verhält sich die biografische Entwicklung zu diesen beiden Formen der Identität? Weiterlesen „Wer bin ich? Was ist mein Weg?“
Wir leben drei Leben: unser ganz persönliches Leben, unser soziales Leben und unser Leben als Zeitgenosse*in, durch das wir am Schicksal der ganzen Menschheit Anteil haben. Allen drei Wege provozieren die Frage nach der eigenen Identität: Wer bin ich? Wie werde ich von den Menschen in meinem Umkreis gesehen? Was ist der Mensch – was heißt es für mich, ein Mensch zu sein oder besser: ein Mensch zu werden? Wie kann man ein Selbstverständnis finden, das einen festen Mittelpunkt in sich selber hat, der nicht mehr zu verunsichern ist, der so stabil ist, dass man ihn sogar durch die Todespforte tragen kann? Es gibt in den spirituellen Traditionen und auch im Christentum die wunderbare Lehre von zwei Geburten und von zwei Toden, man kann zweimal geboren werden und zweimal sterben.
Vorliegender Text ist eine Zusammenfassung eines online-Vortrages von Michaela Glöckler, gehalten auf einem webinar am 13./14. März, veranstaltet von der BVBA (Berufsvereinigung Biografiearbeit auf Grundlage der Anthroposophie www. biographiearbeit.de), an dem über 100 Teilnehmer*innen zuhörten. Der Titel hieß «Wer bin ich? Was ist mein Weg? Biografiearbeit als Schlüssel zu einem neuen Selbstverständnis».
Dr. med. Michaela Glöckler, Kinderärztin; bis 1987 am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke und schulärztliche Tätigkeit an der Rudolf Steiner Schule Witten; 1988 bis 2016 Leitung der Medizinischen Sektion am Goetheanum/Schweiz; Mitbegründerin der Alliance for Childhood und der Europäischen Allianz von Initiativen angewandter Anthroposophie/ELIANT; internationale Vortrags- und Seminartätigkeit; diverse Publikationen zu Fragen der Medizin, Pädagogik, Erziehung, u.a. Mitautorin der bekannten Erziehungsratgeber «Kindersprechstunde» und «Elternsprechstunde»; mit der Biografiearbeit auf Grundlage der Anthroposophie seit deren Initiierung in den 1980er-Jahren durch den Psychiater Bernard C. Lievegoed verbunden.
„Biografiearbeit als ein Schlüssel zu einem neuen Selbstverständnis“. Wenn man diesen Titel des Vortrages bedenkt, kann man das Wort „neu“ irritierend finden: Wieso müssen wir unser Selbstverständnis in ein altes und ein neues gliedern?
Wenn wir unsere menschliche Lebenszeit, die heute ungefähr 80 Jahre dauert, vergleichen mit der Lebenszeit von Tieren und Pflanzen, können wir einen deutlichen Unterschied beobachten. Die Lebenszeit bei Tieren und Pflanzen ist von der Natur wunderbar geregelt, d. h. wer nicht lebensfähig ist, geht in den Kreislauf der Natur zurück. Da gibt es keine Geburtshilfen oder Kliniken, keine erzieherischen und entwicklungsfördernden Maßnahmen; es gibt nur die natürliche Zuwendung der Muttertiere zu den Jungen. Alles ist großartig vom Instinkt her gesteuert. Und wenn keine Katastrophen oder andere Eingriffe passieren, haben die verschiedenen Arten eine für sie typische Lebenszeit. Tieren sterben in der Regel, wenn sie sich nicht mehr ernähren können, oder sie werden gefressen, weil sie in der Nahrungskette für andere Lebenswesen Futter sind.
Unser Immunsystem ist ein Instrument, mit welchem unser Ich die leiblich-seelische Individualität ständig schützt und gegen alles Fremde verteidigt. Man könnte auch sagen: Das Ich erkennt alles Nicht-Ich. Wie funktioniert diese Abwehr? Wie wird sie im Laufe des Lebens gebildet? Was schwächt sie? Und besonders bei der Pandemie stellt sich die Frage: Kann der Mensch in seiner Ichheit so ausreichend präsent und wach sein, um sich dadurch vor dem Corona-Virus zu schützen?
Interviewpartner: Prof. Dr. med. Volker Fintelmann, geboren 1935, studierte Medizin, promovierte 1961 in Hamburg und spezialisierte sich in Gastroenterologie. Im Krankenhaus Rissen war er als Leitender Arzt tätig und für zehn Jahre dessen Ärztlicher Direktor. Sein Anliegen ist die praktische und wissenschaftliche Ausarbeitung einer Anthroposophischen Medizin auf Grundlage der naturwissenschaftlichen Medizin. Er ist Autor zahlreicher Bücher und als Vortragsredner zu medizinischen und menschenkundlichen Themen tätig.
Christine Pflug: Was ist das Immunsystem und welche Aufgabe hat es?
Prof. Dr. Volker Fintelmann: Das Immunsystem ist eine der genialsten Organisationen, die wir leiblich-seelisch haben, weil sie alles vereinigt, was dazu dient, unsere Individualität vor allem zu schützen, was nicht unmittelbar zu ihr gehört. Jeder Mensch hat eine einzigartige Immunität; ein schwedischer Immunologe sagte, er kenne von dem Immunsystem des Menschen keine Kopie. Das Immunsystem ist etwas von dem Individuellsten, was der Mensch in sich trägt. Es stellt sich immer nur die eine große Aufgabe: Ich, dieser Mensch, mein Leib und meine Seele wollen uns gegenüber allem abgrenzen und nur wir ganz selbst sein. Weiterlesen „Sei du selbst! Spirituelle Immunologie und Covid-19“
Der Entschluss zum Meditieren beinhaltet den Entschluss, sich auf einen Weg des inneren Übens zu begeben. Und wenn der Weg, wenn das Üben beginnt, dann beginnt damit auch ein Prozess, in welchem das Vor-Setzen in das Um-Setzen übergeht. Dies ist oft mit dem Zauber und Rückenwind des Anfangs, aber auch mit manchen Widerständen verbunden. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis die Motivation nachlässt und erste Anzeichen von Ermüdung auftauchen: Wie lange noch? Wann kann ich eine Pause machen? Oder anders gefragt: Woher nehme ich die Kraft, dranzubleiben, nicht aufzugeben und abzulassen von dem Vorgenommenen? Die nachfolgenden Gesichtspunkte sind aus der Überzeugung und der Erfahrung entstanden, dass Ausdauer als Kraft schrittweise ausbildbar ist. Ausdauer hat verschiedene Facetten und entspringt unterschiedlichen Quellorten. Diese Darstellung möge den Leser anregen, seine diesbezüglichen Gedanken zu überprüfen und seine eigene Ausdauerkraft Schritt für Schritt zu steigern.Weiterlesen „„Aus-Dauer“ Kraftquelle für Meditation und inneres Leben“
mit Roswitha Willmann und Annette Willand vom Bernard Lievegoed Institut
„Gewalt“, „Gewaltprävention“ und „Kinderschutz“ sind Themen, die in Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Heimen zunehmend bewegt werden. Das Bernard Lievegoed Institut beschäftigt sich seit vielen Jahren innerhalb der Elternberatung und Diagnostik, in Weiterbildungen und Kollegiumsfortbildungen für Pädagogen und Sozialtherapeuten mit dieser Thematik.
Interviewpartnerinnen:
Roswitha Willmann ist Mitglied in der Fachstelle für Gewaltprävention von Anthropoi und Dozentin im Bernard Lievegoed Institut. Sie macht darüber hinaus Entwicklungsdiagnostik und -beratung für Schulkinder, Kindertherapie, Biografie- und Paarberatung, Rhythmische Massage, Mediation und Supervision.
Annette Willand ist Diplompsychologin und Dozentin im Bernard Lievegoed Institut. Außerdem macht sie dort Entwicklungsdiagnostik und -beratung für Babys, Krippen- und Kindergartenkinder, Kindertherapie, Embodiment-Concept sowie Psychologische Diagnostik und Gutachten.
Vor 150 Jahren wurde Ernst Barlach in Wedel geboren. Gerade in Norddeutschland und speziell in Hamburg hat er seine künstlerischen Spuren hinterlassen, z. B. im Barlach-Haus im Jenisch-Park, im Ernst Barlach Museum in Wedel, die Barlach-Stele in der Nähe des Jungfernstiegs. Barlachs Arbeiten setzen sich mit dem Menschen, seinen Lebensbedingungen und seinen Haltungen zum Leben auseinander. Es sind vor allem seine markanten Holzplastiken und Bronzen, seine „Gestalten auf der Bühne des Menschseins“, die einen starken Eindruck erwecken. (Dieser Artikel enthält u. a. Auszüge aus einem Vortrag von Jörg Kirschmann, Pfarrer der Christengemeinschaft in Lübeck, der im August dieses Jahres einen Vortrag über Ernst Barlach in der Michaels-Kirche in Blankenese hielt.)
Was lebt in unserer Zeit? Was steht dahinter? Wozu werden wir herausgefordert?
Beiträge von Ulrich Meier, Maria Schulenburg, Thomas Mayer, Christine Rüter, Birgit Philipp, Matthias Bölts
Wir leben in einer sehr besonderen Zeit. Es ist die weltweite Pandemie, die unser Fühlen, Denken, Handeln, unser ganzes Leben in der Gegenwart stark beeinflusst. Es gab auch ein „Davor“, in dem man nach der Ursache für diese jetzige Lage sucht. In der Politik wird gegenwärtig heftig und kontrovers um einen angemessen Umgang gerungen. Und jeder stellt sich die Frage des „Wohin“: So, wie es davor war? Und wenn nicht: Was könnte das Neue sein? Viele von uns bemühen sich, die Bedeutung und den Hintergrund dieser besonderen Lage herauszufinden; man liest das in Zeitungen, tauscht sich in Gesprächen aus, und in kurzer Zeit sind schon einige Bücher dazu erschienen. So entstand auch die Idee, einige Menschen im Hamburger Umfeld nach ihren Erlebnissen und Gedanken zu fragen. Der Zeitgeist ist die Denk- und Fühlweise eines Zeitalters, die Eigenheit einer bestimmten Epoche. Aber interessanterweise hat nach den Forschungen Rudolf Steiners der „Zeitgeist“ auch noch eine andere Bedeutung: Es ist die Bezeichnung für ein geistiges Wesen, für einen Erzengel, der für eine Epoche die Menschheit prägt und bestimmte Entwicklungen anstößt. In diesem Spannungsfeld haben sich die sechs Autoren bemüht, auf ein „Dahinter“ zu schauen. Es war meine Bitte, sich tastend, fragend, auch fragmentarisch um einen Beitrag zu bemühen. Fertige Lösungen und schnelle Antworten wären verkürzt. So sind sehr unterschiedliche, individuelle, auch kontroverse Sichtweisen dabei zusammengekommen, und Sie können sich als Leser*in auf eine spannende Lektüre freuen. (Christine Pflug) (Die Beiträge sind im September oder Anfang Oktober geschrieben worden, die genannten Zahlen und der Sachstand beziehen sich auf diesen Zeitraum)
Artikel von Dr. Till Wagner, Vorstand der Stiftung Verantwortungseigentum
Sollte die Wirtschaft dem Menschen dienen oder der Mensch der Wirtschaft? Geht es primär um die Gewinne einzelner oder um das Wohlergehen aller? Sollte der Antrieb, Gewinne zu erwirtschaften, reiner Selbstzweck oder eher Mittel zum Zweck – nämlich dem eigentlichen Unternehmenszweck sein? Vielen ist deutlich, dass unsere Wirtschaft anders gestaltet werden muss, damit nicht „marktwirtschaftliche und damit freiheitliche Prinzipien ausgehöhlt werden“. Verantwortungseigentum kann ein passendes Instrument sein, Unternehmen in diesem Sinne auszurichten.
Dr. Till Wagner, Vorstand der Stiftung Verantwortungseigentum, studierte Wirtschaftswissenschaften und Philosophie und begleitet seit Jahren Unternehmen in Verantwortungseigentum. Er stellte die Grundsätze der Stiftung bei der Mitgliederversammlung der Gemeinnützigen Treuhandstelle Hamburg am 23.6.2020 vor.
Was haben eine führende Warenhaus- und Baumarkt-Kette, ein Bio-Lebensmittelhersteller, ein führendes Unternehmen der Optik-Industrie sowie eine Internet-Suchmaschine mit ökologischen Unternehmenszielen gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel, außer dass es sich bei allen um sehr erfolgreiche deutsche Unternehmen handelt. Doch was Globus, Alnatura, Zeiss und Ecosia und mit ihnen rund 200 weitere große und kleinere deutsche Unternehmen miteinander verbindet, ist ihr Verständnis von Firmeneigentum. Sie alle haben eine Unternehmensform gewählt, die Verbraucherinnen und Verbrauchern kaum und selbst Fachleuten in Politik und Wirtschaft nur wenig bekannt ist: Verantwortungseigentum.
Interview mit Frank Hörtreiter, Öffentlichkeitsbeauftragter der Christengemeinschaft
Queer, Transgender, Transsexualität – alles Begriffe, die in den letzten Jahren immer öfter auftauchen und zeigen, dass diese Themen in der Öffentlichkeit angekommen sind und immer mehr diskutiert werden. 2017 kam es durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Einführung eines dritten Geschlechts. Seit Anfang dieses Jahres muss auf allen behördlichen Formularen neben „männlich“ und „weiblich“ auch der Begriff „divers“ vermerkt werden. Hinter „divers“ verbergen sich vielfältige geschlechtliche Möglichkeiten, die biologischer und auch seelischer Natur sein können.
Bei der deutschen ZEIT-Vermächtnisstudie 2016 gaben von den 3.104 Befragten 3,3% an, „entweder ein anderes Geschlecht zu haben als bei ihrer Geburt zugewiesen oder sich schlicht nicht als weiblich oder männlich zu definieren. Das heißt: Knapp 2,5 Millionen Deutsche […]“. Tania Witte: Andersrum ist auch nicht besser: Willkommen im Mainstream. In: Zeit Online. 15. Juni 2017, abgerufen am 8. November 2019. In der ZEIT vom 20. Mai 2020 war in einem Artikel („Vom Recht, anders zu sein“) zu lesen, dass in „explodierenden Zahlen“ auch immer mehr Jugendliche mit ihrem Geschlecht nicht zurechtkommen. Sie lassen mit ärztlicher Behandlung eine Geschlechtsumwandlung durchführen. In Schweden stieg zwischen 2008 und 2018 die Zahl um 1.500 Prozent, in Deutschland ist der Trend ähnlich. Ein Thema, das auch bei Experten mehr Fragen als Antworten und kontroverse Positionen hervorruft.
Tritt mit dem Thema „Transidentität“ etwas in die Öffentlichkeit, was es immer schon gab, jetzt aber anerkannt wird und den Betreffenden eine neue Stimmigkeit in ihrem Körper und Leben verschafft?
Könnten es Anzeichen einer menschheitlichen Entwicklung sein, dass sich die Unterscheidung in zwei Geschlechter auflöst, wie Rudolf Steiner es für sehr zukünftige Zeiten beschrieben hat? Der Komponist Anton Webern, ein Schüler Schönbergs, sagte im letzten Jahrhundert: „Aus der Zweigeschlechtlichkeit ist ein Übergeschlecht entstanden.“ (Er sieht die Zwölftönigkeit als Fortführung der Dur-Moll-Tonalität, bei der Dur und Moll dem Männlichen und Weiblichen zugeordnet wird.) Beschleunigen sich heute Entwicklungen in einem Tempo, wie man es vor 100 Jahren nicht gedacht hätte?
Nächstes Jahr wird es von anthroposophischer Seite eine Fachtagung zu dem Thema geben „Mädchen, Junge, Divers? Das Geschlecht und seine Variationen“ (siehe am Ende des Interviews).
Wir haben es anscheinend mit einer kulturellen Entwicklung zu tun, die von uns verlangt, dass wir uns damit auseinandersetzen.
Interviewpartner: Frank Hörtreiter, geb. 1944, Studium der klassischen Philosophie und am Priesterseminar der Christengemeinschaft. Seit 1969 verheiratet, seit 1970 Priester, seit über 15 Jahren Öffentlichkeitsbeauftragter der Christengemeinschaft. Tätig als Pfarrer in Hamburg von 1970-1973 und 1996-2006, dazwischen 23 Jahre in Hannover und in Stuttgart und die letzten 14 Jahre wieder in Hannover; seit 5 Jahren emeritiert. Zurzeit schreibt er eine Studie Die Christengemeinschaft im Nationalsozialismus und ein Buch Geschichte der Christengemeinschaft. Seit ungefähr eineinhalb Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Transsexualität, seit ungefähr 25 Jahren mit gleichgeschlechtlicher Liebe.
Christine Pflug: Ich finde es interessant, dass Sie sich mit dem Thema gleichgeschlechtliche Liebe und Transsexualität nicht aus einer persönlichen Betroffenheit heraus beschäftigen (was abgesehen davon genauso gut wäre). Sie leben in einer „klassisch-konservativen“ Situation, sind seit über 50 Jahren mit derselben Ehefrau verheiratet, haben 4 Kinder, 8 Enkelkinder, wussten seit Jugendjahren, dass Sie Pfarrer werden wollen … Was ist Ihr Anliegen?
Wie Engel heute führen oder warum eine Führung „von oben“ nicht mehr klappt!
Interview mit Dr. Hans-Bernd Neumann, Pfarrer
Heute ist das Thema Engel wieder populär, nachdem es im 20. Jahrhundert nur von wenigen Literaten beachtet wurde. Seit einigen Jahrzehnten gibt es viele Bücher, Veröffentlichungen, sogar Kongresse dazu. Welche Wesen sind die Engel? Wie wirken sie? Wie können wir uns an sie wenden? Vielleicht gewinnen solche Fragen in Krisenzeiten wie der jetzigen an Bedeutung.
Der Vortrag von Herrn Dr. Neumann mit dem Titel „Engel – sie sind niemals sentimental. Wie Engel heute führen oder warum eine Führung „von oben“ nicht mehr klappt. Von der Ressourcennutzungs- zur Potentialentfaltungsgemeinschaft“ fand statt am 4. Juni 2020 in der Lukas-Kirche in Volksdorf.
Interviewpartner: Hans-Bernd Neumann, verheiratet, 4 erwachsene Kinder. 1999 wurde er zum Pfarrer geweiht, er arbeitete in Bielefeld, Tübingen und jetzt in Reutlingen. Im ersten Beruf Dr. der Physik, an sechs Universitäten studiert, „eigentlich wollte ich die Universitätskarriere durchziehen“. Als er bei DESY („Deutsches Elektronen-Synchroton“) in Hamburg als Physiker arbeitete, lernte er die Christengemeinschaft kennen. „Ich habe nie mit der Physik gebrochen, ich war dort nie frustriert, aber ich lernte in meiner Hamburger Zeit, dass es noch einen anderen Bereich des Seins zu entdecken gibt. Ich habe die Theologie mehr als eine Erweiterung der Physik erlebt und nicht als eine Begrenzung.“
Christine Pflug: Engel werden von Dichtern und in anderer Literatur mitunter als furchterregend beschrieben, z. B. heißt es bei Rilke: „Jeder Engel ist schrecklich“ oder „… und gingen wie Erzürnte durch das Haus und griffen dich als ob sie dich erschüfen und brächen dich aus deiner Form heraus.“ Wie sind Engel?
Zur Entwicklung und zum Aufbau seelischer Sinnesorgane
Zusammenfassung eines Vortrages von Steffen Hartmann
Das Thema Chakren ist populär. Wir wissen davon aus Medien, esoterischer Literatur, Yogakursen etc. Das Wissen um diese „Lotusblumen“, wie die Chakren auch genannt werden, ist uralt und wurde schon von Buddha gelehrt. Rudolf Steiner knüpfte an diese alten Traditionen an und entwickelte daraus einen Übungsweg, der für uns westliche Menschen zeitgemäß ist. Steffen Hartmann hielt dazu einen Vortrag am 27. November 2019 im Rudolf Steiner Haus
Steffen Hartmann studierte Klavier in Hamburg. 2007 gründete er zusammen mit Matthias Bölts das Institut MenschMusik Hamburg, das neue Wege in der Musikerausbildung beschreitet. Steffen Hartmann schreibt regelmäßig Aufsätze zu Grundfragen der Anthroposophie, zu Meditation und Musik. Zusammen mit Torben Maiwald gründete er die Edition Widar. Seit 2012 ist er im Zweig am Rudolf Steiner Haus Hamburg verantwortlich tätig; damit verbunden ist eine intensive, internationale Vortrags- und Seminartätigkeit.
Wie ging es Ihnen, als Sie in Ihrem Leben zum ersten Mal gehört haben, dass es Chakren gibt oder als Sie selbst erlebt haben: Ich habe Chakren, ich habe geistig-seelische Wahrnehmungsorgane? Vielleicht hat man davon gehört oder hat eigene Erlebnisse, die nicht auf den Sinnen des physischen Leibes beruhen. Wenn man von so einem Thema berührt wird, begleitet es einen viele Jahre und lässt einen nicht mehr los. Mich hat es schon als junger Mensch interessiert: Was sind das für Organe? Wie kann ich die wahrnehmen, und wie kann ich mit diesen Organen anderes wahrnehmen? Aus meiner Sicht ist es ein langer Weg, den man in der Klärung und Bearbeitung dieser Fragen gehen kann.
Was bedeutet eine Epidemie für den kulturellen und geistigen Fortschritt der Menschheit?
Einige Gedanken zu dem Thema von Dr. med. Wolfgang Rißmann, Psychiater
Bereits 1972 erstellten die Mitglieder des Club of Rome eine Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft: „Die Grenzen des Wachstums“ (Originaltitel: englisch The Limits to Growth).
Das benutzte Weltmodell diente der Untersuchung von fünf Tendenzen mit globaler Wirkung: Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoffreserven und Zerstörung von Lebensraum. So wurden Szenarien mit unterschiedlich hoch angesetzten Rohstoffvorräten der Erde berechnet, oder eine unterschiedliche Effizienz von landwirtschaftlicher Produktion, Geburtenkontrolle oder Umweltschutz angesetzt. Bis heute sind von diesem Buch über 30 Millionen Exemplare in 30 Sprachen verkauft worden.1973 wurde der Club of Rome dafür mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Trotz dieser warnenden Vorausschau können wir heute 48 Jahre später feststellen, dass diese Warnrufe wenig gehört wurden. Nach wie vor äußern sich führende Wirtschaftsfachleute und Politiker so, dass eine gesunde Wirtschaft wachsen müsse. Wie weit und wohin soll sie eigentlich wachsen?
Interview mit Dr. med. Wolfgang Rißmann, Psychiater
Es gibt immer wieder Menschen, die spontan hellsichtige Wahrnehmungen haben. Geht man einen Weg der geistigen Erkenntnis, so wie ihn Rudolf Steiner beschrieben hat, besteht der aus regelmäßigen Übungen, und eine Hellsichtigkeit kann stufenweise dazu kommen. Dieser Erkenntnisweg geht über die Stufen der normalen Wahrnehmung, dann zur Imagination, Inspiration, Intuition. Wenn wir im Alltag und im sozialen Miteinander sinnvoll und konstruktiv handeln, benutzen wir eigentlich schon, zumindest in Ansätzen, die Fähigkeiten dieser vier Stufen. Interviewpartner: Dr. med. Wolfgang Rißmann ist Facharzt für Psychiatrie und war leitender Arzt und Qualitätsmanager an der Friedrich-Husemann-Klinik in Buchenbach bei Freiburg. Er ist in der Ausbildung von Medizinstudenten, Ärzten und Therapeuten tätig. Vielfältige Vortrags- und Seminartätigkeit zu den Themen der allgemeinen Anthroposophie und Prävention psychischer Krankheiten. Besonderer Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung von anthroposophischen Arzneimitteln bei psychischen Krankheiten. Seit Februar 2014 Privatpraxis für Psychiatrie in Hamburg-Volksdorf.
Christine Pflug: Es gibt immer wieder Menschen, die hellsichtige Wahrnehmungen haben. Auch gerade in Hamburg gibt es Seminare, Vorträge, Sitzungen, die das zum Inhalt haben, z. B. Channeling, Kontakt zu geistigen Meistern, Lesen der Aura etc. Auch im Internet findet man Anleitungen, wie man so etwas macht. Welche Phänomene sind das?
Interview mit Dr. med. Irene Stiltz und Thomas Klimpel, Anthroposophische Medizin (GAÄD)
„Nicht um eine Opposition gegen die mit den anerkannten wissenschaftlichen Methoden der Gegenwart arbeitende Medizin handelt es sich. … Allein wir fügen zu dem, was man mit den heute anerkannten wissenschaftlichen Methoden über den Menschen wissen kann, noch weitere Erkenntnisse hinzu, die durch andere Methoden gefunden werden und sehen uns daher gezwungen, aus dieser erweiterten Welt- und Menschenerkenntnis auch für eine Erweiterung der ärztlichen Kunst zu arbeiten.“
aus „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“ von Rudolf Steiner u. Ita Wegman
Heute wünschen sich die meisten Menschen eine Medizin, die wissenschaftlich und gleichzeitig ganzheitlich arbeitet. Seit 100 Jahren gibt es nun die Anthroposophische Medizin, und sie verbindet Schulmedizin und ergänzende Behandlungsformen. Der Mensch wird immer als Ganzes gesehen, mit Körper, Seele und Geist und daran orientiert sich die Diagnostik und Therapie. Krankheit hat einen Sinn für den betreffenden Menschen, und in der Heilung findet er zu einem neuen Gleichgewicht.
Interviewpartner: Dr. med. Irene Stiltz, niedergelassen seit 1996 als Allgemeinärztin mit Schwerpunkt Anthroposophische Medizin; war über 20 Jahre Schulärztin an der Bergedorfer Rudolf Steiner Schule, einige Zeit auch als Ärztin in der Sozialtherapie tätig. Mitarbeit in einem Team, das schwerkranke Patienten ambulant versorgt (Palliativmedizin). Im Zusammenhang damit entstand eine Mitarbeit in der Medizinischen Sektion in Dornach für Palliativmedizin; es wird dabei erarbeitet, was die Anthroposophische Medizin über die schulmedizinische Versorgung hinaus in der Palliativmedizin beitragen kann.
Thomas Klimpel, anthroposophischer Arzt, seit 2001 gemeinsam mit seiner Frau in einer Kassen-Hausarztpraxis in Hamburg niedergelassen. Facharzt-Ausbildung in der internistisch-anthroposophischen Abteilung im Krankenhaus Rissen. Seit 2000 auch ärztliche Versorgung von Erwachsenen mit Betreuungsbedarf in der sozialtherapeutischen Einrichtung Franziskus e.V.
Neue Nachhaltigkeitsansätze in der Wirtschafts- und Finanzwelt
Interview mit Dirk Grah, Regionalleiter der GLS-Bank Hamburg
Eigentlich ist das Thema Klimawandel schon seit vielen Jahren präsent. 2015 gab es das Klimaabkommen in Paris, Wissenschaftler, einige Politiker wie Al Gore, Umweltverbände kümmerten sich um diese Probleme, aber sie wurden wenig beachtet – bis vor einem Jahr, als sich ein Mädchen mit einem Pappschild in Schweden vor das Parlament setzte. Seitdem ist eine weltweite Dynamik entstanden, die sich jetzt auch in strengeren Reglementierungen für Wirtschaft und Finanzindustrie niederschlägt.
Interviewpartner: Dirk Grah, (Volkswirt und Biologielehrer), Regionalleiter der GLS Bank Hamburg seit 1993. Vorstand im Zukunftsrat Hamburg und Mitarbeit in der Handelskammer Hamburg.
Christine Pflug: Es werden strengere Regeln für ökologische und ethische Investitionen eingeführt. Woran liegt das? Hat Fridays for Future Druck gemacht, ist die Menschheit gar vernünftiger geworden …?
Dirk Grah: Man muss sich dazu die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre anschauen. Al Gore z.B. (Albert Arnold „Al“ Gore Jr. * 31. März 1948 in Washington, D.C. ist ein US-amerikanischer Politiker (Demokratische Partei), Unternehmer sowie Umweltschützer. Von 1993 bis 2001 war er unter Präsident Bill Clinton der 45. Vizepräsident der Vereinigten Staaten. 2007 erhielt er den Friedensnobelpreis. Aus: Wikipedia) hat schon sehr früh angefangen, auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Er ist mit großem Wissen und viel Geld durch die Welt gereist, hat Filme gedreht, Unterstützer ausgebildet usw. Theoretisch war das Thema Klimawandel bei Wissenschaftlern, dann bei einigen Politikern wie Al Gore schon viele Jahre präsent, aber es war nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen; Umweltverbände, Aktivisten etc. kümmerten sich darum, aber die standen am Rande. 2015 gab es das Klimaabkommen in Paris, die Weltgesellschaft hatte intellektuell verstanden, dass etwas passieren muss, aber es fehlten die nötigen Konsequenzen. Weiterlesen „Wir müssen die gesellschaftliche Transformation schaffen!“
Interview mit Christian Bartholl, Pfarrer der Christengemeinschaft
In der Zeit zwischen dem alten und dem neuen Jahr liegt es nahe, dass wir zurückblicken. Was ist im letzten Jahr in der Welt geschehen? Gab es erfreuliche Entwicklungen, Vorbildliches, Erschreckendes, Zerstörung? Was habe ich persönlich damit zu tun? Wir alle haben zu verantworten, wie es mit uns und der Erde weitergeht. Welche Vorhaben möchten wir alleine und auch in Gemeinschaft in Zukunft realisieren?
Interviewpartner: Christian Bartholl wurde in Stade geboren, 2006 als Pfarrer geweiht, 5 Jahre war er tätig in München und seit 8 Jahren in Hamburg-Volksdorf. Seit 2 Jahren trägt er Verantwortung für die Christengemeinschaft Norddeutschland. Er war im früheren Beruf Grafik-Designer und arbeitete für Zeitschriften- und Buchverlage.
Christine Pflug: In den Gemeinden der Christengemeinschaft werden am 31. Dezember Sylvesterpredigten gehalten. Was macht so eine Sylvesterpredigt aus?
Christian Bartholl: In der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr neigt man dazu, eine Rückschau zu halten, auch für sich persönlich: Wo stehe ich in meinem Leben und was wird mir das nächste Jahr bringen? Was war substanziell im letzten Jahr? Ich versuche, auf einer gesellschaftlichen Ebene die wichtigen Motive des Jahres zu finden und zum Inhalt der Sylvesterpredigt zu machen. So ein Rückblick könnte auch eine andere Form haben, in manchen Gemeinden trifft man sich und tauscht sich gemeinsam aus.
P.: Auf was blicken Sie in 2019 zurück?
Bartholl: Mir ist als eindrückliches Bild die Waldbrände im Amazonas-Gebiet geblieben, stellvertretend dafür, wie wir heute mit der Erde umgehen. Auch in den Jahren davor war das ein wichtiges Thema, aber es spitzt sich immer mehr zu. Man merkt, wie groß die Zerstörung der Welt und ihrer Ressourcen ist. Man könnte auch sagen: Die Erde brennt! Und die Art und Weise, wie wir heute in unserer Zivilisation leben, ist auch eine übermäßige Verbrennung von Rohstoffen. Wenn man auf den Körper schaut, findet da auch Verbrennung statt: Wie verbrennen Nahrungsmittel, damit wir leben können. Man könnte sagen: Damit überhaupt geistiges Leben und Zivilisation entstehen kann, muss Verbrennung sein, aber es werden so viele Ressourcen aufgebraucht, dass für später nicht mehr viel übrig bleibt. Das Gleichgewicht geht verloren.
C. P.: Nun hängt ja in Brasilien der Amazonas-Brand, der immer noch nicht gelöscht wird, mit der dortigen Regierung zusammen, die allerdings demokratisch vom Volk gewählt wurde. Immer mehr rechtsradikale Regierungen sind in 2019 an die Macht gekommen. Auch das ist ein Symptom.
die Zerstörung der Ressourcen und politisch gesehen die Vereinzelung
C. Bartholl: Diese „Verbrennung“ wird nicht dafür eingesetzt, dass mehr heilender Geist entsteht, zu dem auch die Menschheit beitragen kann, sondern es steht Egoismus dahinter: „Mir soll es gut gehen, und wie es dem anderen geht, ist mir egal“ – das ist die Grundgeste, die man an vielen Stellen der Welt sieht. Insofern hängt das eine Phänomen mit dem anderen zusammen. Auf der einen Seite steht die Zerstörung der Ressourcen, auf der anderen Seite politisch gesehen die Vereinzelung, und wir schaffen es nicht, etwas für die Gemeinschaft entstehen zu lassen. Es ist z. B. traurig, wenn man die Wahlergebnisse im Herbst 2019 im Osten anschaut: Eine Gesellschaft driftet auseinander; viele fühlen sich nicht verstanden, und andere können es nicht richtig hören. Auch das ist ein Grundproblem: Wir können nicht richtig hinhören. Die Frage ist: Wie können wir eine vertiefte Form des Hinhörens üben, einmal im persönlichen Kontakt, aber auch im Größeren?
In der Politik haben wir eine Form der Diskussion: Ein Argument kommt auf das nächste, und der mit den scheinbar besseren Argumenten gewinnt. Häufig ist es so, dass dann ein großer Teil der Bevölkerung sich darin nicht wiederfinden kann. Das führt zu Spaltungen. Statt Diskussion sollte der Dialog geführt werden. Im Dialog geht es darum, den anderen wirklich zu verstehen und gut zuzuhören.
C. P.: Damit wären wir bei den Wünschen für die Zukunft. Welche Ereignisse fanden sie in 2019 noch bemerkenswert?
Menschen stehen ein für ihre Sache und übernehmen Verantwortung!
C. Bartholl: Zusammenhängend mit dem übermäßigen Verbrauch von Ressourcen ist die Fridays-for-Future-Bewegung entstanden. Junge Menschen sind so erschüttert von dem, was sie von Wissenschaftlern an Zukunftsszenarien hören, dass sie sich zusammengetan haben. Die Erde verwandelt sich in einem rapiden Maße so, dass die jungen Menschen nicht mehr sehen, wie sie darin ihr Leben gestalten können.
Ein weiteres Schlaglicht des letzten Jahres ist die Kapitänin der Seawatch, Carola Rakete. Daran finde ich interessant, wie jemand aus einer persönlichen Betroffenheit handelt und das auf eine sehr selbstbewusste Weise. Sie ist sehr jung, hat eine große Verantwortung, tut, was getan werden muss, um Menschenleben zu retten und fragt nicht nach den politischen und juristischen Bedingungen. Das macht mir Mut: Menschen stehen ein für ihre Sache und übernehmen Verantwortung! Und sie sind bereit, die Konsequenzen zu tragen, was in ihrem Fall nicht einfach ist. In anthroposophischen Zusammenhängen würde man das als eine michaelische Qualität bezeichnen: Ich sehe, was passiert, handle aus einem Selbstbewusstsein heraus und stehe dann dafür ein.
Dieses Prinzip vervielfältigte sich dann
C. P.: Ähnliches kann man auch von Greta Thunberg sagen …
C. Bartholl: Ein Ursprung ihres Erfolgs war, dass sie sich ganz einsam vor den schwedischen Reichstag hingestellt hat und auch die Konsequenzen, die vom Fehlen im Unterricht kommen, auf sich genommen hat. „Dies hier ist wichtiger, als die Konsequenzen, die ihr mir androht.“ Dieses Prinzip vervielfältigte sich dann auch bei den anderen Schülern.
C. P.: Ist der Brexit auch ein Phänomen der beschriebenen Vereinzelung?
C. Bartholl: Der Brexit ist der Ausstieg Groß Britanniens aus der europäischen Union. Die europäische Gemeinschaft hat sich gebildet, weil sie gemeinsam für Europa einstehen will, eine gemeinsame Außen- und Wirtschaftspolitik gestalten möchte, die starken Länder sollen die förderungsbedürftigen Regionen unterstützen – es ist ein Gemeinschaftsprojekt. Großbritannien will sich herausziehen, weil es ihnen mehr um den eigenen Vorteil in der Welt geht.
In diesem Sinne sollten wir Gemeinschaften anstreben.
C. P.: Wie sehen Sie als Pfarrer der Christengemeinschaft die Wege, aus diesen schwierigen Situationen heraus zu kommen?
C. Bartholl: Das Heilmittel würde darin liegen, eine neue Verbindung zur geistigen Welt aufzubauen, um von dort die Impulse zu bekommen. Dafür gibt es das Bild des „Salavator Mundi“, Christus als der Heiler der Welt.
Wenn wir wollen, dass die Christus-Impulse in der Welt wirksam werden, dann müssen sich Gemeinschaften bilden, damit ein Gefäß entstehen kann für die Inspirationen aus der geistigen Welt. Diese Gemeinschaften können zum Beispiel Gemeinden sein. Wir kennen das: Wenn mehrere, die sich gut abgestimmt haben, zusammen arbeiten, entsteht mehr, als wenn nur ein Einzelner etwas tut. In diesem Sinne sollten wir Gemeinschaften anstreben.
C. P.: Fridays-for-Future hat das praktiziert …
C. Bartholl: … und zwar sehr erfolgreich, es ist ja eine riesige Gemeinschaft. Eine kleinere Gemeinschaft ist sinnvoll, um wirklich neue Impulse in die Welt zu holen und zu entwickeln; das Hinhören auf das, was entstehen will, gelingt besser. Obwohl weniger Menschen beteiligt sind, können sie gute Ideen finden. Je größer eine Gemeinschaft ist, desto komplexer werden die Gemeinschaftsbeziehungen untereinander. Das Wahrnehmungsorgan großer Gemeinschaften ist dadurch diffuser.
C. P.: Was müssen diese Gemeinschaften haben, damit die beschriebene Spaltung aufhört?
C. Bartholl: Die Menschen in der Gemeinschaft sollten die Fähigkeit haben hinzuhören. Und dieser Freiraum, der dann entsteht, sollte von Sicherheit und Vertrauen geprägt sein. Wenn man so eine Gemeinschaft hat, z. B. erlebe ich das in Evangelienkreisen, kann ein Gedanke „in der Mitte entstehen“. Man hat dann das Gefühl, dass das nicht mehr der eigene Gedanke ist, sondern dass er wie in diesen Raum hinein „gebeten“ wurde. Dazu gehören bestimmte Fähigkeiten, z. B. jemanden ausreden lassen, zuhören, am Thema bleiben und nicht ein neues hineinbringen. Das muss natürlich immer wieder geübt werden. Wir machen es uns in der Gemeinde bewusst, dass wir auf diese Weise miteinander reden wollen, und es sind bestimmte Regeln, an die man sich hält. Beispielsweise gibt es solche Techniken, dass jeder eine gewisse Zeit zur Verfügung hat und die anderen hören konzentriert zu.
In der Gemeinde haben wir den Vorteil, diese Dinge ausprobieren zu können. In anderen Kontexten ist es viel schwieriger, sich auf bestimmte Formen des Gesprächs zu einigen. Ich sehe darin auch eine gesellschaftliche Aufgabe nicht nur bei der Christengemeinschaft, sondern auch in anderen Gemeinschaften, solche neuen Formen auszubilden.
das Bild des „Salavator Mundi“, Christus als der Heiler der Welt
C.P.: Salvator Mundi – der Heiler der Welt. Wie genau ist das zu verstehen in Hinblick auf die Zeitlage?
C. Bartholl: Es gibt ein Bild, das da Vinci zugeschrieben wird: Es ist der Christus abgebildet, der in der linken Hand eine Weltenkugel hält und mit der rechten Hand den Christusgruß zeigt. Es gibt aber auch verschiedene andere Künstler, die den Salvator Mundi gemalt haben.
Wir erleben, dass die Welt in Unordnung geraten ist und Krankheitssymptome trägt, im Sinne der Zerstörung der Erde. Und die Frage ist: Wie kann Gesundung eintreten? Was soll heil werden? In der Anlage der Welt, so wie die Schöpfung begann, wurde der Mensch von Gott getrennt – so ist es in der Paradiesesvertreibung geschildert. Zuvor hatten sich die Menschen mit der Gottheit eins gefühlt, und dann sind sie aus dieser Einheit herausgefallen. Wir haben seitdem eine Sehnsucht nach der Einheit, wir fühlen uns getrennt, einsam und leben nicht in einem guten Zusammenhang mit der Welt. Wie können wir diese Trennung überwinden? Durch Liebe und indem wir auf den anderen zugehen. Diese Art der Liebe beschreibt Erich Fromm in seinem Buch „Die Kunst des Liebens“. Es geht darum, dass ich den anderen nicht überwältige oder einvernehme, sondern das Wesen des anderen respektiere. Auch symbiotische Beziehungen sind keine Liebe, weil sie den anderen nicht frei lassen.
Wie können wir auch das, was als Geistiges in der Welt lebt, so einbeziehen, dass es heilend wirksam ist? Die Ursache für das, was wir heute erleben, ist eine immer größere Geistferne, weil wir zunehmend nur auf die Materie schauen.
C. P.: Wie kann die Verbindung mit dem Geistigen entstehen?
C. Bartholl: Das Christuswesen ist deshalb auf die Erde gekommen, weil er in seinem Leben der Menschheit zeigen wollte, wie diese Verbindung mit der Gottheit wieder entstehen kann. Gott wird Mensch, damit die Menschen sich in Freiheit weiterentwickeln können und eine neue Vereinigung mit der göttlichen Welt erreichen können. Das eine Bild, von dem wir kommen, ist das Paradies, und das Bild, wohin wir uns entwickeln sollen, ist das himmlische Jerusalem. Durch eigene Entwicklung gibt man Bausteine für das himmlische Jerusalem. Und die bedeutendste Lehre des Christus ist die Liebe. Wenn wir Gemeinschaften bilden, die inspirationsfähig sind, können wir aus der geistigen Welt Impulse holen, die uns helfen, an dieser aus dem Geist gebauten Stadt zu bauen.
C. P.: In der Christengemeinschaft wendet man sich direkt an den Christus als den Heilenden. Es gibt aber viele Gemeinschaften, die auch das Wohl des Ganzen im Blick haben, z. B. Greenpeace, BUND oder andere NGO´s – sind die auch von dieser Kraft inspiriert, auch wenn sie das nicht so nennen würden?
Das Christuswesen ist eine Energie, eine Kraft, die sich in den Prozessen des Lebens ausdrückt.
C. Bartholl: Das Christuswesen ist eine Energie, eine Kraft, die sich in den Prozessen des Lebens ausdrückt. Er zeigt sich auch in Situationen, die nicht seinen Namen tragen, aber diese Energie wird spürbar.
Es gibt ein Grundprinzip, nach dem auch die Menschenweihehandlung angelegt ist. Am Anfang ist die Verkündigung (Lesung einer Evangelienstelle), dann kommt die Opferung, ein Öffnungsprozess. Wenn ich in einer Krisensituation stehe, brauche ich zuerst die Bereitschaft, mir diese Situation anzuschauen und mir meine Hilflosigkeit zuzugestehen – das ist der Beginn der Öffnung. Denn da, wo ich keine Frage habe, kann sich auch keine Verwandlung bilden. Das ist die Grundlage dafür, dass dann eine Wandlung geschehen kann – es kann etwas hinzukommen, was über die eigenen Kräfte hinausgeht. In diesem nächsten Schritt der Wandlung verbinden sich die menschliche und die göttliche Hingabe. Im letzten Schritt, in der Kommunion, bekommt man die göttliche Antwort.
C. P.: Wenn man das auf die alltäglichen Verhältnisse bezieht – könnte man sagen, dass man vor einer scheinbar ausweglosen Situation steht, wie z. B. die Jugendlichen von Fridays-for-Future, in der man nicht mehr weiter weiß, dann sich dieser Ohnmacht stellt und durch diese Offenheit eine inspirierte Antwort bekommt, die man wiederum mit anderen teilt?
Diese zweite Schöpfung entsteht dadurch, dass sich Menschen verabreden und so miteinander umgehen, dass sie inspirationsfähig werden in sozialer und kultureller Form.
C. Bartholl: Das wäre der ideale Weg. Natürlich können wir auch als Einzelne so einen Prozess beschreiten: Was bin ich bereit, in meinem Leben zu ändern? Wenn man die Umweltsituation als Beispiel nimmt, muss man Altgewohntes loslassen, damit etwas Neues möglich wird. Es ist immer ein guter Weg, mit kleinen Schritten bei sich selbst anzufangen. Und doch ist es so, dass einerseits jeder Einzelne etwas tun kann, aber es braucht Verabredungen in einer Gemeinschaft. Sie werden im Rechtsleben geregelt, aber zuvor braucht es das Gespräch, und zwar einen gesellschaftlichen und politischen Dialog.
Wenn man das Ziel der Entwicklung der Welt in ein Bild bringt, so ist es ihre freie Gestaltung in Liebefähigkeit. Ein spirituelles Leben, die Entwicklung von Kultur, Musik, Kunst, das Gestalten des sozialen Miteinanders hilft, diese Prozesse zu entwickeln. Kultur ist ja letztlich, dass man gemeinschaftliche Prozesse und die Umgebung so gestaltet, dass sie das Wohl von allem einbezieht. Dazu gehört auch, mit was man sich umgibt, wie die Städte aussehen, wie die sozialen Prozesse in diesen Städten gestaltet werden usw. – das wird in Zukunft immer wichtiger werden.
Das erste Urbild in der Bibel ist ein Naturbild, nämlich das Paradies. Das Bild der zukünftigen Entwicklung ist eine Stadt, also ein Kulturgebilde, nämlich das neue Jerusalem. Gott hat in der ersten Schöpfung die Welt geschaffen, jetzt geht es um die zweite Schöpfung, die durch die Menschheit geschieht. Diese zweite Schöpfung entsteht dadurch, dass sich Menschen verabreden und so miteinander umgehen, dass sie inspirationsfähig werden in sozialer und kultureller Form.
„Gibt es eine bestimmte Sache für mich zu tun?“ Dieser Satz stammt aus dem Briefwechsel zwischen Edith Maryon und Rudolf Steiner (Brief 3 GA 363). Ganz tief aus ihrem inneren Streben heraus stellte Edith Maryon diese Frage an Rudolf Steiner. Das war der Beginn, ihren bisherigen Weg noch weiter zu vertiefen durch den neuen Kunstimpuls, der damals von der Anthroposophie ausging.
Edith Maryon war eine der ersten Mitarbeiterinnen am ersten Goetheanum, dem Bau in Dornach, der „das Haus des Wortes“ werden sollte. Menschen aus neunzehn Nationen wirkten an seiner Entstehung mit. Dieses war etwas ganz Besonderes, da die Menschen aus freien Stücken kamen, um daran zu arbeiten – obwohl die Welt um sie herum brodelte und dieses Brodeln schließlich zum ersten Weltkrieg führte.
Beginn ihres Künstlerlebens
Louisa Edith Church Maryon kam in London am 9. Februar 1872 zur Welt.
Ihr Vater John Siemeon Maryon war Schneidermeister, ebenso wie sein Vater vor ihm. Ihre Mutter Louisa Church Maryon stammt aus einer Pfarrersfamilie aus Chelsea, ein Stadtteil Londons. Edith Maryon wuchs als zweites von sechs Kindern in London auf.
Die erste Schule, die Edith Maryon besuchte, war eine Mädchenschule, nicht weit entfernt von ihrem Elternhaus im Stadtteil St. Pancras, in der Nähe des Britischen Museums. Aus der Schulzeit ist bekannt, dass sie dort Französisch gelernt hatte; auch wurden hier ihre Begabungen für Poesie und Kunst angelegt. Nach Beendigung ihrer Schulzeit schickten ihre Eltern Edith nach Genf in die französische Schweiz, damit sie dort ihre Französischkenntnisse vertiefte.
Als Edith wieder nach England zurückkehrte, ließen ihre Eltern sie auf die Central School of Design gehen, da sie ihre künstlerische Begabung erkannten. Für junge Frauen war das zur damaligen Zeit nicht selbstverständlich. Schon ihr Bruder war zuvor Bildhauer geworden. So war die Kunst nichts Fremdes in ihrem Elternhaus.
Es wurde in dieser Kunstschule sehr viel Wert auf die Erlernung von praktischen Fertigkeiten gelegt, Edith Maryon lernte dort zeichnen, modellieren, holzschnitzen, steinhauen sowie den Umgang mit Gips und anderen Materialien. Darüber hinaus konnte sie die Herstellung von Bronzeguss erlernen. Edith wurde im Stil der Neoklassik unterrichtet, dieser Stil war damals sehr modern. 1896 wurde diese Ausbildungsstätte zum „Royal College of Art“ umbenannt.
Nach ihrer Ausbildungszeit arbeitete sie als freie Bildhauerin in England und Italien.
Bekannt ist, dass Edith Maryon dreimal in Assisi weilte, um dort die Malerei Giottos zu studieren. Auch richtete sie ihr Augenmerk auf die architektonischen Besonderheiten, die diese Stadt beherbergte. Schon Goethe schwärmte von diesem schönen Städtchen, welches etwas erhöht am Hang liegt. Vom Tal kommend strahlt der Diana Tempel uns in seiner vollen Pracht entgegen. Edith Maryon setzte sich in Italien mit der Schönheit und Anmut der dortigen Kunst auseinander.
Ihren Lebensunterhalt bestritt sie durch Aufträge, Ausstellungen und Wettbewerbe. Sie konnte ihre Werke unter anderem in der Royal Academy in London und der Walker Gallery in Liverpool auch in Glasgow im Royal Institut of fine -Arts ausstellen. Alle ihre Werke sind entweder freistehende Figuren oder Reliefplastiken. Porträts fertigte sie unter anderem von Lord Alfred Tucker und Queen Victoria an.
1898 wurde in Glasgow ein Modell aus Gips von ihr für ein öffentliches Gebäude gezeigt mit dem Titel: „Bekleide dich mit der ganzen Rüstung Gottes“ (Epheser, neues Testament). Sie war 27 Jahre alt!
Ihr Aufbruch
1912 nahm ihr bisheriges Leben eine Wendung an. Auf Anregung ihres Arztes, Herr Robert William Felkin, der Esoteriker war und von Rudolf Steiners Wirken wusste, sollte sie mit Dr. Steiner Kontakt aufnehmen, da sich ihr Krankheitszustand immer mehr und mehr
verschlechterte (Erst sehr viel später wurde festgestellt, dass sie an Schwindsucht litt.) Am 16. Oktober 1912 verfasste Edith Maryon den ersten Brief, verwies darin auf Herrn Felkin und bat Rudolf Steiner um eine Unterredung. Als sie keine Antwort erhielt, forderte Herr Felkin Edith Maryon auf, Rudolf Steiner ein Foto von ihrer letzten künstlerischen Arbeit zuzusenden. Sie schickte ihm ein Foto des Frieses: „Vom Sucher nach göttlicher Weisheit“. Auf diesem Fries sind vier Säulen mit ägyptischen Kapitellen zu sehen, in der Mitte steht erhöht der segnende Christus, um ihn herum sind neun Personen gruppiert. Auffällig ist die Bildgeometrie, eine Dreiecksform, die diesem Fries zu Grunde gelegt wurde.
Nach vier Wochen etwa schickte sie den zweiten Brief. Als sie auch auf den zweiten Brief keine Antwort erhielt, wandte sie sich an Herrn Collison, der Mitglied in der Theosophischen Gesellschaft war. Bei ihm hatte Edith Maryon bereits die Grundlagen der Theosophie (Anthroposophie) erhalten. Herr Collison wandte sich an Marie von Sivers (Steiner) und bat sie, für Maryon ein Gespräch mit Rudolf Steiner zu ermöglichen. Dabei sollte Marie von Sivers dolmetschen. Darauf kam Edith Maryon am 10. Dezember 1912 in Berlin an. Dort konnte sie sich kurz mit Rudolf Steiner besprechen, um ein Datum festzulegen, an welchem das eigentliche Gespräch stattfinden konnte. Sie verabredeten sich zum 31. Dezember 1912 in Köln. Es ist nicht überliefert, was in diesem Gespräch gesagt wurde, aber kurz danach schrieb Edith in einem Briefwechsel diesen Satz an Rudolf Steiner: „Gibt es eine bestimmte Sache für mich zu tun?“
An diesem selben Tag fand ein Vortrag statt, zu dem auch Gäste aus Russland
angereist waren. Es waren Assja Turgenieff (eine russisch-schweizerische Grafikerin, Glasschleiferin und Eurythmistin) und Andrej Bjelyj (ein russischer Dichter und Theoretiker des Symbolismus). Dies war der Beginn einer interessanten künstlerischen Zusammenarbeit für die Drei.
Für Edith Maryon stand danach fest, dass sie von England nach Deutschland umsiedeln wollte, um weiter den Kontakt mit Rudolf Steiner und Marie von Sivers zu vertiefen. Sie schaffte es, in kürzester Zeit die deutsche Sprache zu erlernen. Im Winter 1912/ 1913 gründete sich die Anthroposophische Gesellschaft aus der Theosophische Gesellschaft heraus. Edith wurde Mitglied und setzte nun ihr ganzes künstlerisches Schaffen für die anthroposophische Bewegung ein. Sie spielte bei den Mysteriendramen in München mit und zog schließlich in die Motzstrasse in Berlin ein, in der damals Rudolf Steiner und auch andere Menschen aus dem anthroposophischen Umfeld wohnten.
Dornach
Am 28. Januar 1914 traf Edith Maryon in Dornach ein. Etwa dreihundert Arbeiter waren am Bau des ersten Goetheanums beteiligt. Bis Ostern blieb sie in Dornach und widmete sich in dieser Zeit den Baumodellen und der Entstehung der bunten Glasfenster. In diesem Jahr wurde Edith Maryon zweiundvierzig Jahre alt.
Aus gesundheitlichen Gründen musste sie ihren Aufenthalt in Dornach unterbrechen und reiste nach England zurück. Unter Dr. Felkins Behandlung wurde sie wieder gesund. Im Sommer 1914 war es ihr wieder möglich, nach Dornach zurückzukehren.
Dort waren die Bautätigkeiten in vollem Gange. Das Goetheanum wurde noch von einem Baugerüst umschlossen. Im Inneren hatte man begonnen, die kleine Kuppel auszumalen. Zeitgleich begann die Arbeit am Menschheitsrepräsentanten, dessen Platz in dieser kleinen Kuppel im Osten des Bühnenraums sein sollte. („Der Menschheitsrepräsentant zwischen Luzifer und Ahriman“ ist eine mehr als 8 m hohe von Rudolf Steiner entworfene und gemeinsam mit der Bildhauerin Edith Maryon für das erste Goetheanum in Dornach geschaffene Holzskulptur. Aus: Anthro Wiki)
Bevor mit den eigentlichen Schnitzarbeiten an der Holzfigurengruppe begonnen wurde, entstanden zuvor sechs Gipsmodelle. Bis auf den ersten Entwurf, der ausschließlich von Edith Maryon entworfen wurde, sind alle folgenden Gipsmodelle von Dr. Steiner und ihr signiert.
Für die Entstehung dieser Figurengruppe aus Holz waren mehr als zwanzig Tonnen Ulmenholz nötig. Dessen Beschaffung war ein Glücksfall während der herrschenden Kriegszeit. Acht Jahre ihres Lebens war Edith Maryon ununterbrochen damit beschäftigt, diese plastische Figurengruppe zu gestalten. Stets hielt sie ihre schützenden Hände über diese Gruppe, damit sie nicht zu Schaden kam. Wenn Rudolf Steiner sich auf Reisen befand, übertrug er ihr die Leitung des Ateliers. Edith Maryon standen zahlreiche Helfer zur Seite. So half ihr Herr Stuten, Assja Turgenieff, ihre Schwester Frau Pozzi und andere Menschen bei diesem großen Vorhaben. Edith Maryon alleine war es vorbehalten, an der Christusgestalt zu arbeiten.
Entstehung der Eurythmie Figuren
Die Eurythmie hatte sie das erste Mal bei den Mysterienspielen gesehen. Edith Maryon war begeistert über diese “bewegte Skulptur“. Die Idee reifte in ihr, zu der Eurythmie Figuren zu gestalten. Zuerst begann sie, die Eurythmie-Figuren, vorwiegend zu den Vokalen, dreidimensional in Gips herzustellen.
Durch die Anregung Rudolf Steiner gestaltet sie dann die Figuren zweidimensional. Während der Entstehungszeit ging sie von schwarz/weiß-Zeichnungen zu farbigen Skizzen über, so entstanden Umrissformen aus Sperrholz für die Gebärden. In dieser Darstellung der Figuren zeigen sich die Bewegung, das Gefühl und der Charakter der Geste. Die Bewegung wird sichtbar durch den physischen Leib, in dem der Lebensleib wirkt. Das Seelische zeigt sich in der Schleierbewegung und dessen Farbe, der Charakter durch die Tätigkeit des Ich im Menschen, was an der Muskelspannung der Arme abzulesen ist. Bevor Rudolf Steiner am 17. August 1923 seinen Vortrag in Ilkley begann, stellte er voller Freude die neu entstandenen Eurythmie-Figuren der Öffentlichkeit vor und dankte Edith Maryon für ihre wunderbare Arbeit.
Entstehung der Bauten in Arlesheim und Dornach
Als Edith in die missliche Lage kam, ihre Wohnung aufgeben zu müssen und sah, dass es den anderen Arbeiter des Goetheanums ähnlich ging, entschloss sie sich zu handeln. Sie fasste den Plan, für die sogenannten Eurythmiehäuser, eine Gruppe von drei Wohngebäuden unterhalb des Goetheanums gelegen, einen Entwurf anzufertigen. In diesen Häusern gibt es nur Einzelzimmer, auf jeweils einer Etage befand sich eine Küche, die von allen genutzt werden konnte. Jedes Haus hatte nur eine Badewanne im Keller. Dieser Entwurf wurde vom Schweizer Architekt Herr Bay umgesetzt. Sie heißen deswegen Eurythmiehäuser, weil die meisten Eurythmisten, die in Dornach wirkten, dort lebten. Auch sie wohnte in einem dieser Häuser, immer in einem kleinen Zimmer, bis zu ihrem Tod.
Elisabeth Vreede und Edith Maryon waren sehr gut befreundet. Sie hatten sich in den Niederlanden kennengelernt. So lag es für Frau Vreede nahe, ein Haus für sich und ihre Eltern von Edith Maryon entwerfen zu lassen, welches in Arlesheim erbaut werden sollte. Edith Maryon war zwar keine Architektin, aber Bildhauerin mit überdurchschnittlichem Sinn für die Baukunst. Durch ihre langjährige Bildhauertätigkeit hatte sie sich ein Wissen für die Baukörper und deren Proportionen angeeignet.
Ein Bild vom Baumodell ist noch vorhanden, sowie das Haus selbst, welches in Arlesheim zu finden ist. Vreedes waren sehr dankbar und ihre Freude war sehr groß. Edith gestaltete auch das Haus van Blommestein.
Ihr Bemühen
Edith Maryon nahm sich noch anderer Aufgabengebieten an, die ihre Verbundenheit mit der Geisteswissenschaft deutlich zeigten. Auf ihre Intention hin wurde es möglich, dass 1921 eine große Pädagogische Tagung am Goetheanum stattfinden konnte, zu der viele Lehrerinnen und Lehrer aus England anreisten. Aber auch das Zustandekommen von Vorträgen Rudolf Steiners in England, wie in Ilkley, Pennmaenmawr, Oxford, Torquay und London in den Jahren1922, 1923, 1924 gingen auf ihr Bemühen zurück.
Ihr Schutz
Bevor das Goetheanum ein Raub der Flammen wurde, hatte Edith Maryon kurz zuvor die Bitte Assja Turgenieffs ausgeschlagen, den Menschheitsrepräsentanten auf seinen Platz in der kleinen Kuppel zu stellen. Sie war der Ansicht, dass der Zeitpunkt für den Umzug noch nicht der richtige war. Wie Recht sie hatte, zeigte sich am Silvesterabend 1922 auf 1923, an dem durch Brandstiftung
das Goetheanum in Flammen aufging.
Edith Maryon befand sich im Vorraum in einem der Eurythmie Häuser, in dem sie wohnte. Vor Aufregung stand sie wie gelähmt! Sie ging dann in die Richtung des brennenden Goetheanums und fand Dr. Steiner vor der Schreinerei. Die Flammen waren sogar bis Freiburg zu sehen!
Der Ausklang ihres reichen Künstlerlebens
Edith Maryon sah in dieser Brandnacht fast alles zerstört, woran so viele Menschen mitgewirkt hatten; das versetzte ihr einen solchen Schock, so dass ihr altes Leiden wieder in ihr aufflammte. Über ein Jahr war sie ans Bett gefesselt. Trotzdem versuchte sie, vom Krankenlager aus noch künstlerisch tätig zu sein.
Der Charakter ihrer Zusammenarbeit wurde an der Weihnachtstagung 1923 deutlich. Dr. Steiner übertrug ihr die Leitung der Sektion für die Bildende Künste am Goetheanum. Diese Funktion war ihr inne bis zu ihrem Tod am 2. Mai 1924. Sie wurde zweiundfünfzig Jahre alt. In den letzten Tagen ihres Lebens ließ sie sich einen Spruch des Jesus Christus aus Matthäus11.28 am Bett befestigen: „Kommet zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“.
Am 6. Mai 1924 fand die Kremation statt, zu der Dr. Steiner die Ansprache für Edith hielt. Zu diesem Anlass schilderte er, was sich einmal im Atelier ereignet hatte, noch am Anfang ihres bildhauerischen Wirkens in Dornach: Sie befanden sich beide auf dem Gerüst des Menschheitsrepräsentanten, um dort am Modell zu arbeiten. Es passierte, dass Rudolf Steiner durch eine Öffnung des Gerüstes herunter zu stürzen drohte und von einer scharfen Spitze, die sich an einem Pfeiler befand, aufgespießt zu werden. Edith Maryon gelang es, seinen Fall aufzufangen. Edith Maryon schwieg und erzählte niemanden darüber etwas. Erst am Tage ihres Abschieds schilderte Rudolf Steiner diese Begebenheit.
Es war bezeichnend für sie, dass sie schwieg, denn das war ihre Wesenseigenschaft, so wie ihre besonnene, ruhige, humorvolle Art. Edith Maryons umsichtiges Verhalten und ihr treues Wirken zeichneten sie aus und die Bereitschaft, dem Wort Gottes durch die Kunst zu dienen.
Artikel von Miriam Kessler, ehemalige Studentin der Kunstakademie Hamburg, z. Zt. in Ausbildung zur Kunsttherapeutin
Interview mit Dr. Ernst Schuberth, Mitbegründer der Freien Hochschule für anthroposophische Pädagogik in Mannheim
Mehr zu erfahren als das, was ich mit meinen Sinnen wahrnehmen kann – eigentlich ist das für jeden Menschen ein verstehbares und manchmal auch wünschenswertes Erlebnis. Einweihung war schon in alten Kulturen und auch heute ein Weg, durch gezielte Schulung das eigene Bewusstsein für übersinnliche Bereiche zu erweitern. Und, so betont Rudolf Steiner immer wieder, bei manchen Menschen geschieht diese Einweihung in ihrem alltäglichen Leben, weil Erfahrungen und Lebensverhältnisse ihnen besondere Kräfte abfordern.
Interview mit Heidjer Reetz, Vorstandsmitglied von „Vivenda – leben und arbeiten in Stadt und Land“
Wem gehört der Grund und Boden? Kann er eigentlich überhaupt jemandem gehören? In unserer Gesellschaftsordnung wird Grund und Boden wie ein wirtschaftliches Produkt gehandelt, aber niemand hat dafür eine Leistung erbracht. Es gibt dafür einen Markt, und der führt zu gesellschaftlichen Missständen – Spekulationen, überteuerten Wohnungen etc. Welchen Umgang mit Recht und Kapital bräuchten wir, damit sich alle Menschen auf angemessene Weise organisieren könnten, um für sich einen erstrebenswerten Wohnraum zu schaffen? Der Verein VIVENDA zeigt dafür Modelle auf.
Interview mit Lars Grünewald, Kulturwissenschaftler
Soziale Dreigliederung – man könnte sie als das politische Konzept von Rudolf Steiner bezeichnen. Aber mitunter ist es so, dass Politik irgendwie „die Anderen“ und äußere Umstände sind. So stellt sich die Frage: Was kann man selbst machen, die Prinzipien der Sozialen Dreigliederung täglich im persönlichen Leben umzusetzen? Welche Fähigkeiten gilt es dafür zu entwickeln? Und letztlich geht es darum, wie man dadurch eine Grundlage für politische Veränderungen schaffen kann.
Interview mit Mona Doosry, Oberstufenlehrerin an der Rudolf Steiner Schule Hamburg-Wandsbek
Die heutige Jugend macht wieder von sich Reden. Hatte man vor ungefähr zehn bis zwanzig Jahren den Eindruck, soziales und politisches Engagement sei für sie bedeutungslos, zeigen die jungen Leute heute ganz andere Bestrebungen. Welche Beobachtungen kann man bei den letzten Jugend-Generationen machen? Wie wirkt sich die Digitalisierung aus? Wie ist das Verhältnis zwischen Jugendlichen und Gesellschaft? Vor welchen Herausforderungen stehen dabei der Unterricht und die Waldorfpädagogik?
Rückblick auf die Tagung in Stuttgart von Dörte von Wietersheim
„ImPuls für die Zukunft“ war das Thema einer Tagung zum 100. Jahrestag der Idee der Sozialen Dreigliederung, die von Rudolf Steiner entwickelt wurde.
Was ist aus der Sozialen Dreigliederung geworden? Was haben ihre Mitstreiter heute zu sagen? In welchen Projekten und Unternehmen wird sie verwirklicht? Weiterlesen „„ImPuls für die Zukunft““
Die meisten von uns können damit einhergehen und auch nachempfinden, dass in Landschaften, an speziellen Orten, in Räumen Stimmungen herrschen. Aber wie entstehen die? Was steht dahinter? Kann es sein, dass die Natur beseelt ist und wir durch eine meditative Aufmerksamkeit mit diesen Kräften in Beziehung treten können? Weiterlesen „Elementarwesen“
Man kann sich dem, was als das „Böse“ bezeichnet wird, von vielen Seiten nähern – philosophisch, religiös, künstlerisch, in unterschiedlichen Kulturen und Zeitepochen hat es verschiedene Färbungen. Auch die Literatur hat sich immer wieder damit beschäftigt. Spannend ist dabei die Frage: Wie und wo findet sich das Böse in der heutigen Zeit? Weiterlesen „Das Böse“
Interview mit Kai Ehlers, Autor und Vortragsredner
Wir erleben heute eine Zeitenwende in der globalen Politik, die radikale Rechte feiert weltweite Erfolge. Politiker werden gewählt, die radikal und ausschließlich die Privilegien ihres eigenen Landes durchsetzen wollen, das Nationalgefühl stärken und alte Ressentiments neu beleben. Was sind die Ursachen für diese weltweite Entwicklung?
Nach Darwin ist der Mensch das Zufallsprodukt eines blinden Naturprozesses. Nach der christlichen Tradition wurde er von Gott geschaffen und hat eine Sonderstellung in der Natur, weil er das einzige Wesen ist, das Gut und Böse, Wahrheit und Irrtum bewusst unterscheiden und danach handeln kann. Rudolf Steiner entwickelte durch Goethes Metamorphosenlehre eine Synthese, in der Darwins Sicht einen höheren, geistigen Sinn und der christliche Glaube eine empirische Faktenbasis erhält. Weiterlesen „Über die Evolution des Menschen und der Tiere“
Interview mit Roswitha Willmann und Annette Willand, Elternberatung
Nicht nur unter Eltern, sondern auch unter (Waldorf-) Pädagogen gehören Lob und Tadel zum täglichen Umgang mit den Kindern: „So ist es prima!“, „Das hast du fein gemacht!“, „Du bist ja eine ganz Gescheite!“ einerseits, andererseits „Du weißt doch, dass man nicht haut!, „Kannst du nicht mal stillsitzen!?“, „Du bist doch schon so groß, da solltest du das aber besser können!“. Nützen Tadel nichts – gibt es Konsequenzen wie „Auszeiten“, Fernseh-verbot o.ä., die zum gewünschten Erfolg … führen? Führen sollen?
Interview mit Michael Knöbel, Oberstufenlehrer für Naturwissenschaften
Advent Reichlich senkt sich der Schnee. Erde erblindet. Unter der himmlischen Last Weißer Vergessenheit Schwindet ihr Leben. Tod wird Licht.
Stiller blicken die Augen auf, Wenn Mitternachts Das überfüllte Firmament Zahllos geistige Flammen schießt. Gestirne rücken zusammen, Abermals, zu unendlichem Kräftenetz. Demütig kreist Inmitten die Erde, Der trübe, auserwählte Stern, Im scheuen Glanz noch junger Strahlen. Erde, geringe Krippe! Wieder bettet sich Gott, Das Kind, in dich, Im Angesicht der seligsten Planeten.
Karl Thylmann
Wird es Winter, haben wir das Gefühl, dass die Natur erstirbt. Aber es passiert etwas in der Erde. Die Prozesse von Salz, Schwefel und Quecksilber, so führt Rudolf Steiner in seiner Weihnachtsimagination aus, verändern sich. Und damit helfen sie dem Menschen, zu einem inneren Erleben zu kommen.
Interviewpartner: Michael Knöbel, Diplom Biologe; seit über 30 Jahren Lehrer an der Rudolf Steiner Schule Nienstedten in der Oberstufe mit den Fächern Biologie, Chemie, Geographie. Seit vielen Jahren Dozent am Lehrerseminar für Waldorfpädagogik.
Christine Pflug: Sie haben zur Veranschaulichung das Adventsgedicht von Karl Thylmann gewählt. Warum gerade dieses?
Michael Knöbel: Es sind darin verschiedene Aspekt enthalten, die ich wichtig finde: Im Winter schaut man besonders auf den Sternenhimmel, der viel deutlicher und länger da ist. Der Dichter wendet dann den Blick, dass man nämlich von außen auf die Erde schaut – es ist wie ein globales Welterleben, „die Erde kreist demütig“ im Weltraum. Dies führt dann zu der Sicht, dass in der Winterzeit eine Christgeburt stattfinden kann. Es liegt der Gedanke zugrunde, dass der Makrokosmos und der Mikrokosmos einen Bezug haben, also das Weltall und der einzelne Mensch.
Von außen auf die Welt schauen
C. P.: Dieses Gedicht bringt das auf künstlerische Weise zum Ausdruck. Rudolf Steiner hat das in seiner Weihnachtsimagination (GA 229, Vortrag vom 6. Oktober 1923) mit der Beschreibung von chemisch-alchemistische Prozessen getan. Wie kann man diese allgemeinverständlich ausdrücken?
M. Knöbel: Steiner macht zunächst etwas ganz Ähnliches: Er schaut von außen auf die Welt und sagt, sie sei eigentlich ein Wassertropfen im Weltall.
C. P.: Was heißt auf die Welt von außen schauen: Ist das imaginativ oder könnte man das beispielsweise auch von einer Raumstation, wie der ISS aus sehen?
M. Knöbel: Steiner und auch Karl Thylmann machen das imaginativ, denn damals gab es noch keine Raumfahrt. Aber es gibt ja heute tatsächlich Menschen, die dieses Erlebnis real haben und davon auch berichten. Zudem zeichnet das, was Steiner als „Wassertropfen“ beschreibt, die Erde besonders aus. Es werden viele Forschungsgelder investiert, um im Weltraum Wasser zu suchen, und bisher haben wir den Kenntnisstand, dass die Lebensprozesse, auch die geologischen Prozesse, nur mit Wasser stattfinden können. Und nur die Erde ist es, auf der das passiert.
Die drei Weltprinzipien – „tria Principia“
Dann aber geht Steiner weiter und sagt, man könne die Erde als Quecksilbertropfen bezeichnen. Dies erscheint zunächst höchst unverständlich, aber ich glaube, er bezieht sich hier auf die alten Alchemisten, z.B. Paracelsus, der drei Weltprinzipien hatte – „tria Principia“. Das erste Prinzip hängt zusammen mit Wärme, Verbrennung, Auflösung und Zerstörung – das ist der Schwefel, bzw. Sulfur. Das zweite, was mit Kälte, Verhärtung, Verfestigung, Erstarrung zusammenhängt, ist das Salprinzip, also Salz. Das sind zwei polare Prinzipien, die vermittelt werden durch das dritte, den Mercur – und das ist das Quecksilber, um das es hier besonders geht.
Alle drei Prozesse sind qualitativ zu sehen und nicht als die Stoffe, die sie sind – wobei die Stoffe sehr gute Symbole dafür sind. Schwefel ist die einzige, nichtorganische Substanz, die brennbar ist. Schwefelablagerungen aus einem Vulkan können wir einfach mit einem Streichholz anzünden. Salz ist eine chemische Verbindung, aber auch eine Manifestation von Kristallisierung und Formbildung – wie man zum Beispiel bei einem Salzwürfel sieht.
Mercur, also Quecksilber, zeigt sich in den Kräften des Wassers, die auf der Erde das Leben von Tieren, Pflanzen und Menschen ermöglichen, und es sind die verbindenden Kräfte, die zwischen den beiden anderen Polen einen Ausgleich schaffen.
Diese drei Prinzipien benutzt Steiner, um die Jahreszeiten zu betrachten: im Sommer sind sie anders als im Winter.
Diese drei Prinzipien im Sommer und im Winter
C. P.: Wie kann man das erkennen, wenn man nicht hellsichtig ist?
M. Knöbel: Beispielsweise an dem Prozess, der ganz wesentlich für unsere Erde sind, nämlich die Photosynthese. Sie ist an die grünen Blätter gebunden: Mit dem Chlorophyll wird die Energie gesammelt, und es werden unter Aufnahme von Kohlendioxid die Stoffe gebildet, die wir brauchen für die Nahrungsmittel, aber auch für das Holz, aus dem wir etwas bauen. Diese organischen, nahrhaften Stoffe bilden nur die Pflanzen, und Tier und Mensch leben davon. Für dieses Wachstum der Pflanze sind einerseits die Mineralsalze des Bodens notwendig, die müssen mit den Wurzeln mobilisiert werden. Es ist auch die Wärme nötig, damit sich die Blätter entfalten, um dann das Licht zu sammeln. Und in dem ganzen Pflanzenkörper strömt das Wasser. Rudolf Steiner führt in seiner Jahreszeiten-Imagination aus, dass diese drei Prinzipien im Sommer durchmischt sind: In der Pflanze steigen Salze auf, bzw. werden mit dem Wasser aufgenommen, Luft und Wärme gehen bis in die Wurzeln und in die Erde herein. Licht und Wärme führen zur Entfaltung der Blüten und zur Reife der Früchte. Und das Wasser verbindet das alles. Das ist eine Durchmischung, wie sie im Sommer stattfindet und die insgesamt das Leben der Erde kennzeichnet.
C. P.: Was passiert mit diesen drei Prinzipien Sulfur, Salz und Wasser, bzw. Mercur im Winter?
M. Knöbel: Rudolf Steiner zeichnet für den Winter folgendes Bild: Es trennen sich diese Prozesse. Durch die tief stehende Sonne ist keine Wärme mehr da, auch das Licht ist ganz anders. Die Pflanzen ziehen in den Boden ein, die Blätter werden dürr und fallen trocken und erstarrt ab. Die Mineralien werden nicht mehr von der Pflanze mobilisiert, sondern sammeln sich im Boden. Das Wasser kann in der Kälte die Salze nicht mehr aufzunehmen und steigt auch nicht mehr so stark auf, weil es vielleicht gefriert oder es sogar zu Schnee kommt. Gerade in der Schneedecke können wir nach Steiner etwas entdecken, wenn wir beispielsweise bei den Dächern, Zaunpfählen und Ästen auf die abgerundeten weißen Schneehauben schauen. Hier zeigt sich der Mercur, die (halb-)kugelige Form ist ein Symbolum für den sich abrundenden Quecksilbertropfen.
Es vermittelt zwischen leicht und schwer und erstarrt selbst nicht
C. P.: Was Sie zu Salz und Schwefel, bzw. Erstarrung und Auflösung sagen, ist nachvollziehbar. Aber wie kommt Rudolf Steiner darauf, dass Quecksilber in diesen Vorgängen steckt?
M. Knöbel: Er sagt zwar, dass Quecksilber überall in feinster Verteilung vorhanden ist, was ja durch unsere technische Handhabung der Stoffe heute leider durchaus zu konstatieren ist. Ich glaube aber m. E. nicht, dass Steiner das meint, und es geht auch nicht darum hier wieder etwas zu beweisen. Es geht vielmehr darum die Prozesse auf der Empfindungsebene zu verstehen: Der alte griechische Name zu Quecksilber ist auch Hydrangyrum: „flüssiges Silber“. Die Alchemisten haben in den Substanzen die physiognomische Bedeutung gesucht, d.h. welche Weltzusammenhänge sich in dem Stoff zeigen. Und da kann man feststellen: Quecksilber ist das einzige auf der Erde natürlich vorkommende chemische Element, das flüssig ist. Es ist ein ganz merkwürdiges Metall, weil es einerseits unglaublich schwer ist: 13,5 Gramm pro Kubikzentimeter, fast doppelt so schwer wie Eisen. Aber neben dieser Schwere, die eine Eisenkugel nur zur Hälfte eingetaucht in ihm schwimmen lässt, trägt es gleichzeitig eine „Leichte“ in sich, die ihm erlaubt aufzusteigen, zu verdunsten, zu sublimieren, sodass wir seine giftigen Dämpfe fürchten müssen. Hier zeigt es eine Polarität, es vermittelt zwischen leicht und schwer und erstarrt selbst nicht. Wenn wir dies nachempfinden wollen, können wir auch erfassen, dass es zwischen irdischen und geistigen Kräften vermittelt, dass es trotz seiner Schwere uns kosmische Impulse – sagen wir – spiegelt!
Was die Alchemisten versucht haben
C. P.: Können Sie zu einem besseren Verständnis an dieser Stelle noch einmal erklären, um was es den Alchemisten ging?
M. Knöbel: Die Alchemisten haben versucht, in chemischen Experimenten quasi symbolhaft Prozesse zu bewerkstelligen, die dann auch auf ihr Seelisches zurückwirkten. Beispielsweise haben sie destilliert: Aus einem vergorenen Produkt kam ein aufsteigendes, feines Gas, was dann hinterher ganz klar war. Früher nannte man Alkohol auch Geist. Diesen Prozess der Destillation suchten sie als Läuterung auch im Seelischen auf. Das andere Beispiel ist das Herstellen von Gold. Man sagt manchmal, die Alchemisten seien dekadent, weil sie das nicht hinbekommen hätten, aber eigentlich ging es auch da um das Prinzip: Wie schafft man es, aus wertlosen Substanzen etwas zu kreieren, was dann glänzt. Oder auch: wie kann ich mein seelisches Wirrwarr so läutern, dass ich als Mensch hinterher besser bin und „glänze“?
In diesem Sinne haben die Alchemisten doppelt gesucht: einerseits, was man mit den Stoffen machen kann und andererseits, wie man sich innerlich durch diese Tätigkeit verwandeln kann, und zwar in einer Korrespondenz zu den Stoffen.
In diesem Sinne verstehe ich auch das mit dem Quecksilber, dass einerseits von dem Stoff die Rede ist, andererseits von dem Wirkungsprinzip.
Hier sind aus einer anderen Sicht sehr ähnliche Weltzusammenhänge beschrieben
C. P.: Gibt es in anderen Kulturen auch solche Prinzipien?
M. Knöbel: Ja, sicher, und sie sind besser bekannt als die der Alchemie. In der alten chinesischen Medizin und Philosophie gibt es Yin und Yang: Das ist die Polarität zwischen dunkel und hell, kalt und heiß. Viele kennen das Symbol dieser sich gegenseitig bedingenden Gegensätze, und es gibt auch den Mercur – das sind die zwei Punkte in den jeweiligen Feldern. Ich glaube, hier sind aus einer anderen Sicht sehr ähnliche Weltzusammenhänge beschrieben. Heute kommt es darauf an, diese uralten Weisheiten zu verstehen und damit kulturelle Gegensätze zu überwinden. Denn wir wissen heute nur zu gut, dass wir alle auf einer Erde leben, ihre offenbaren und eher geheimen Zusammenhänge gelten für alle Menschen.
Die Wirkung auf den Menschen
C. P.: Wenn man sich dann die Vorgänge dieser drei Substanzen im Winter vorstellt, stößt man auf die Frage: Wirkt das auf den Menschen? Was kann er daran erleben?
M. Knöbel: Das, was sich draußen in der Natur als Trennung der drei Prinzipien zeigt, das finden wir auch im Menschen.
Mit unserer Sinneswahrnehmung stehen wir im Winter ganz anders in der Welt: Beispielsweise erleben wir die Sonne durch ihren tiefen Stand über dem Horizont völlig anders, sie ist uns quasi ein Gegenüber, wenn sie in unser Zimmer scheint und Schattenrisse an die Wand zeichnet. Auch unser Stoffwechsel ist verändert, was wir dadurch merken, dass wir mehr Schlaf brauchen und vielleicht auch leichter krank werden.
Besonders deutlich wird das im mittleren Menschen, dem ja das verbindende Merkurprinzip entspricht!
Im Winter lebt man mehr im Haus, geschützt vor der Kälte, hat Zeit nachzudenken, zu lesen, Kerzen anzuzünden – man ist nicht mehr so auf die Außenwelt orientiert, die Tage sind kurz. Natürlicherweise sind wir nicht mehr so mit der Welt und anderen Menschen verbunden wie im Sommer. Dadurch kommt man zu sich und hat mehr Achtsamkeit für die eigenen, inneren Empfindungen. Das Seelische ist mehr für sich. Äußerlich erleben wir den Tod der Natur, innerlich erleben wir einen Reichtum an tiefen Gedanken und Empfindungen, denen wir im Sommer gar keine Beachtung schenken konnten. Das ist für mich in der dunklen Jahreszeit mit ihren langen kalten Nächten das Urerlebnis von Weihnachten. Dem entspricht das Bild der Christ-Geburt im Stall, der Maria mit dem Kind.
In seiner Weihnachtsimagination weist Rudolf Steiner gerade auf das Bild der Sixtinischen Madonna von Raffael hin, dem er eine besonders hohe Erkenntnis der alten Zeit zuschreibt. Hier findet er in dem Gemälde die Signatur der getrennten Prinzipien von Sal und Sulfur und Mercur in der Herzregion der Maria.
Der Vorhang bei der Sixtinischen Madonna
C. P.: Wie zeigen sich diese drei Prinzipien bei der Sixtinischen Madonna?
M. Knöbel: Dieses Gemälde ist vielfältig zu deuten, aber einen Aspekt möchte ich herausgreifen. Man kann darüber nachdenken: Was bedeutet in diesem Bild der merkwürdige Vorhang, der zur Seite gezogen ist? Wenn man das äußere Tagesgeschehen ein Stück weit wegschiebt und sich dem inneren Erleben zuwendet, dann kann eine Stimmung der Zuversicht, der inneren Erneuerung und Verlebendigung stattfinden.
C. P.: Ist hier wieder die Verbindung zu dem Gedicht von Karl Thylmann?
Tod wird Licht
M. Knöbel: Er sagt: Tod wird Licht. Das heißt, die Natur erstirbt, das Grüne, Lebendige wird „zur Seite gezogen“, wir haben in der äußeren Welt nur noch diese verhärtenden, salartigen Prozesse in den dürren Blättern und den kahlen Baumsilhouetten . Im Inneren kann es im Mensch empfindsam, hell und warm werden, wie eine Geburt des inneren Kindes.
Ist das heute zeitgemäß?
C. P.: Ist das alles heute zeitgemäß? Jeder hat Erfahrungen, dass gerade in der Weihnachtszeit mitunter Gegenteiliges passiert …
M. Knöbel: Es gibt diese alten Bilder, die man als traditionell oder sogar als verkitscht ansehen kann, aber ich glaube, sie sind trotz seiner weltlichen Korrumpierung hochaktuell. Dieses Innenleben und innere Wahrnehmen wird von dem zeitgenössischen Philosophen Peter Trawny (* 17. Dezember 1964 in Gelsenkirchen) ist ein deutscher Philosoph und Hochschullehrer an der Bergischen Universität Wuppertal) in seinem Büchlein „Ins Wasser geschrieben“ gefordert: „Wenn ich mich von dem abwende, was mich nicht zu mir kommen lässt, was mich mir entzieht, mich mir entwendet, mich dir raubt. Ich bin bei dir, wenn ich bei mir bin, bei mir, wenn ich bei dir bin.“ Er bezeichnet diesen inneren Raum als Intimität, an anderer Stelle auch als „Innigkeit“, die unser wahres Menschsein ausmacht: „Das Innerste ist Ort der Gottesbegegnung“. Er zitiert Augustinus: „Geh nicht nach draußen, kehr wieder ein bei dir selbst. Im inneren Menschen wohnt die Wahrheit“ … „Dabei geht es nicht so sehr um die innere Erfahrung“, als um die Entdeckung eines „inneren Menschen“. Was der Mensch ist, lässt sich nicht draußen in der Welt erfassen, dort zerstreut er sich in und mit Tätigkeiten, die von der Wahrheit ablenken. Der Mensch ist nur zu erkennen, wenn er in sich geht.“
In der Weihnachtszeit, der Tiefwinterzeit, fällt es uns naturgemäß leichter, diesen inneren Menschen zu erleben, aber gleichzeitig ist auf der Südhalbkugel Sommer! Wir sind heute von der Natur so gelöst und emanzipiert, dass wir prinzipiell diesen Prozess in uns selbst ergreifen und hervorrufen können – und müssen, unabhängig von der Jahreszeit.
Unser gegenwärtiges Leben hat die Tendenz, und das kritisiert Trawny, dass es uns in der technisch medialen Kultur zu sehr nach draußen zieht und wir diese innere Achtsamkeit vergessen. Da kommt wieder das Mercur-Prinzip: Wir müssen aktiv wechseln zwischen der Tätigkeit in der äußeren Welt und dem Besinnen im Inneren, um selbstbewusst und verantwortlich zu handeln
Die Weihnachtsbilder, und auch die Sixtinische Madonna, sind ein Ausdruck des inneren Menschen. Gerade in der heutigen Zeit, wo sich Religionen bekämpfen, ist es wichtig, darauf einen globalen Blick zu richten. Die Erde als „Quecksilbertropfen im Weltall“ birgt die Möglichkeit, dass sich im Menschen der ganze Kosmos spiegelt, Geistiges und Physisches sich verbinden. Und wenn das geschieht, dann wird es Weihnachten.
„Wenn ein Leben abgeschlossen ist, zeigt es im Rückblick eine ganz neue Gestalt.“ Dem Hamburger Maler Ulrich Rölfing ist es gelungen, nach dem Tod seiner Mutter diese Bedeutung auf künstlerische Weise auszudrücken.
Diese Frage wird jeder Mensch anders beantworten. Doch vielleicht kennen wir alle die Situation: Wir nehmen ein Buch zur Hand und finden plötzlich darin Sätze, die uns zutiefst aus der Seele sprechen – aber niemals hätten wir es so treffend ausdrücken können.
Dichter gelten häufig als Sprachrohr für Zeitströmungen. In Ihnen offenbart sich oftmals früher, was sich an Entwicklungen in der Menschheit ankündigt.
Nur deshalb werden wir von ihren Worten berührt, weil sie uns auf der einen Seite zu neuen „Kontinenten“ führen können, und weil wir auf der anderen Seite spüren, dass wir ihre Erkenntnisse und Impulse auch in uns tragen. Durch die Dichtung lernen wir sie zu verstehen.
Der amerikanische Professor für Psychologie Kenneth Ring erlangte durch eine Nah-Todeserfahrung tiefe Einblicke in die geistige Welt. Er vertrat seither die Überzeugung, dass die Menschheit dabei ist, eine neue Menschheitsstufe zu erringen. Ein Same, so sagt er, der schon immer in den Menschen schlummerte, werde jetzt aufgehen und zum Wachsen gebracht. Dadurch käme es zu neuen Bewusstseinsformen, ja, sogar zu einem kosmischen Bewusstsein. Er spricht von einem neuen Menschen, der im Entstehen ist.
„Nur ein Unterricht, der die Formen und Inhalte kindlicher Welterkundung respektiert und zum Ausgangspunkt seiner pädagogischen Bemühungen werden lässt, gibt der Schule die nötige Rechtfertigung, Teil des Lebens der Kinder und Jugendlichen zu sein. Einseitige Belehrung macht unkenntlich, worum es eigentlich geht und entzieht den Kindern die Aufmerksamkeit dafür, worüber man sie unterrichten will.“
Martin Wagenschein, deutscher Physiker und Pädagoge
Schwingende Steine, tanzendes Wasser, geheimnisvoll tönende Röhren – besucht man Erich Bäuerles Installationen im Wendland, kommt man ins Staunen und Experimentieren. In einer großen Klangschale hüpft das Wasser tänzerisch in die Höhe, in einem Drehzylinder bildet der Sand blütenartige Muster, als Pendel aufgehängte Steine schwingen miteinander in geordneter Weise. Hinter allem stehen physikalische Gesetze. Es ist das Anliegen von Erich Bäuerle, die Menschen, vor allem die Kinder, zuerst mit Spaß und Lust ans Tun heranzuführen. Durch die sinnliche Erfahrung offenbaren sich dann die zugrunde liegenden Prinzipien.
Mit Beiträgen von Christine Pflug, Tille Barkhoff, Elmar Lampson, SchülerInnen der 11. Klasse Rudolf Steiner Schule Wandsbek
Am 5. Juni wurde in den Schnittke-Akademie das 30-jährige Jubiläum des hinweis gefeiert, zu dem Sie, als LeserInnen, auch die AnzeigenkundInnen, Interviewpartner und Vertreter der Einrichtungen eingeladen waren. Es war eine gelungene, heitere Feier mit über 100 BesucherInnen, musikalisch begleitet von dem a-cappella-Terzett Livella Kadó.
Zu dem Motto „Kultur leben“ gab es verschiedene Beiträge. Sie zeigten den großen Umfang und die Impulse des anthroposophischen Kulturlebens in Hamburg auf, von den Anfängen, kraftvollen und krisenhaften Zeiten bis in die Gegenwart und mit Wünschen für die Zukunft.
Entwicklungen im Vorgeburtlichen und Nachtodlichen
Interview mit Helmut Eller, Vortragsredner und ehem. Waldorflehrer
Passiert etwas mit uns vor der Geburt und nach dem Tod? Es gibt Berichte von Eltern, die mit ihren zukünftigen Kindern, mitunter sogar bevor sich diese physisch angekündigt haben, Kontakt haben. Und wir kennen heute von vielen Berichten aus der Nahtodesforschung, dass die Betroffenen nach dem Tod immer wieder ähnliche Erlebnisse haben.
Wir sind also in einer anderen Weise existent und durchlaufen Stufen. Man lernt das vorige Erdenleben anzuschauen, bekommt Gesichtspunkte für ein neues und nach vielen Schritten wird ein nächstes vorbereitet.
Die digitale Revolution verbaut unseren Kindern die Zukunft
Artikel von Frau Gertraud Teuchert-Noodt, Professorin emer. für Neurobiologie
Allzu verständlich sind die Ängste der Eltern, die ihre Kinder chancenlos in der digitalen Welt glauben, wenn die nicht schon im Kindergartenalter Apps programmieren. Doch ganz selten nur beginnt der Bauherr seinen Hausbau mit dem Dach. Warum nur glauben so viele kluge Pädagogen, die kindliche Entwicklung könne beschleunigt werden, indem man deren Fundament einfach weglässt? Mit den Grundsätzen der Evolution erklären Neurobiologen anschaulich, warum Eltern und Lehrer sich vehement gegen frühkindliche Nutzung von Bildschirm-Medien wehren sollten – damit es nicht zu Sucht, Lernstörungen, Aggressivität oder autistischen Störungen bei den Kleinen kommt.
Interview mit Dr. med. Wolfgang Rißmann, Psychiater
Wir erleben Grenzsituationen im Alltag, am Arbeitsplatz, im persönlichen Leben oder auch in extremen Situationen wie Krankheit, Unfällen, Tod. Man ist – zunächst – unfähig, dieser Situation zu begegnen, und die Perspektive verdunkelt sich.
Interview mit Kai Ehlers, Autor und Vortragsredner
In Europa befördern sich derzeit die zentrifugalen und zentralistischen Kräfte gegenseitig. Verschiedene Nationalstaaten streben auseinander, abgesehen vom Brexit gibt es Autonomietendenzen in Katalonien, in Schottland, in Oberitalien, Ungarn, Polen. Das ist zum einen Ausdruck davon, dass der europäische Koloss zu monopolistisch wird, zum anderen entstehen diffuse nationalegoistische Vorstellungen von „Wir“ und „Die“. Das ist der Kern des Populismus.
Was ließe sich aus der Geschichte lernen? Wir hatten zwei Weltkriege, die durch Konkurrenz und das Aufeinanderprallen der europäischen Nationalstaaten entstanden sind. Es war ein Kampf um die Weltressourcen. Heute werden die Ressourcen immer knapper und die Nationalstaaten, die darauf zugreifen wollen, sind vielfältiger geworden. Diese Entwicklung ist Katastrophen-, Krisen- und Kriegs-trächtig.
In der alten Kunst waren Kirchen die Hauptauftragsgeber für die Künstler. Die menschliche Individualität spielte keine Rolle, die Werke der Malerei und Plastik stellten religiöse Themen dar. Im 19. Jahrhundert war Éduard Manet ein großer Aufräumer alter Malgewohnheiten. Er macht uns aufmerksam darauf, dass das Ich hinter der Rolle, dem Beruf, dem Stand, der Herkunft zu erahnen ist. Er weckt Menscheninteresse, er fängt an, dem einzelnen Ich Raum zu geben und uns dafür zu interessieren. Weiterlesen „Die Emanzipation der Kunst von der Religion“
Interview zur Schüler-Mediation mit zwei Schülerinnen und zwei Ausbilderinnen
Schule ist ein wichtiger Teil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Und wie in allen sozialen Zusammenhängen gibt es dort Konflikte und Interessengegensätze. Wenn die Schüler erlernen, diese selbst zu bewältigen, stärkt das ihre Empathie, Toleranz, Selbstwahrnehmung und Kritikfähigkeit.
Mediation – vermitteln in Konflikten – wurde im schulischen Bereich in Deutschland seit Mitte der 90iger Jahre erfolgreich eingeführt und ist auch unter Peer-Mediation oder Streitschlichtung bekannt. Weiterlesen „Schüler lösen ihre Konflikte“
Interview mit Friedemann Wecker, Geschäftsführer der Bäuerlichen Gesellschaft e.V. - Demeter im Norden
Demeter hat den höchsten Rang bei dem Qualitätsversprechen – so lauten die Ergebnisse von Verbraucherumfragen in den letzten Jahren. Die Verbraucher haben ein großes Vertrauen in diese Marke, und das merkt man an dem gesteigerten Verkauf. Auch das Flächenwachstum für biologisch-dynamische Landwirtschaft ist wie im gesamten Ökolandbau auch gestiegen.
Aber das bringt Herausforderungen mit sich: Es können nicht alle Höfe betrieben werden, weil es nicht genug ausgebildete Landwirte gibt.
Auch der Klimawandel, das Aussterben der Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren stellt die biologisch-dynamische Landwirtschaft vor neue Aufgaben. Weiterlesen „Biologisch-dynamische Landwirtschaft“
Interview mit Prof. Dr. Michael Kirn, Professor emer. für Öffentliches Recht
Die heutige Justiz orientiert sich methodisch immer noch am Römischen Recht, sie bildet ihre Begriffe nach dem Muster Unverbrüchlickkeit des Eigentums und Vertragsfreiheit.
Aber bei Vielem haben wir heute völlig andere Verhältnisse. Das Klimaproblem, die Verteilung von Wasser, asymmetrische Kriege etc. sind weltweite Angelegenheiten und brauchen globale und sozial orientierte Regelungen. Beim Thema Grund und Boden werden Entscheidungen durch finanzielle Vorgaben dominiert. Besonders im digitalen Bereich entziehen sich manipulative Machenschaften der Kontrolle.
Wie kann das Rechtsleben als selbständiges Element im gesellschaftlichen Leben funktionieren und nicht mehr von wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt werden? Versachlichung in diesem Sinn heißt: Dezentralisierung. Entsprechend müssen Entscheidungsverfahren organisiert werden, die mit urteilsfähigen Bürgern rechnen. Weiterlesen „Alles was recht ist ….“
Interview mit Henning Kullak-Ublick, Vorstand und Sprecher Bund der Freien Waldorfschulen
In zweieinhalb Jahren wird „die Waldorfschule“ 100 Jahre jung! Heute ist diese Pädagogik mit rund 1.100 Waldorfschulen und fast 2.000 Waldorfkindergärten in über 80 Ländern ein weltweiter pädagogischer Impuls. Und es werden nach wie vor mehr! Das anstehende 100-jährige Jubiläum bietet die Chance, den pädagogischen Impuls Rudolf Steiners in einem globalen Austausch weiter zu entwickeln. In welcher Welt werden die Schulkinder leben, wenn sie erwachsen sind? Und wie können wir sie darauf vorbereiten? Wie wird die Waldorfpädagogik heute praktisch umgesetzt, damit sie den Anforderungen der Zeit begegnen kann?
Von jetzt an ziehen sich gemeinschaftsbildende Aktionen über die nächsten Jahre bis September 2019. Alle Aktionen folgen dem gemeinsamen Motto „Waldorf100 – Learn to change the world“. Weiterlesen „„Waldorf100 – Learn to change the world“ Teil I und II“
Interview mit Dr. Stefan Schmidt-Troschke, Arzt und Christoph Kranich, Gesundheitsmanager
Eigentlich müsste das Gesundheitssystem den Patienten in den Mittelpunkt stellen und nach seinen Bedürfnissen ausrichten! Aber seit den 90er Jahren wird die Medizin immer mehr ökonomisiert und orientiert sich an den Bedürfnissen der Kostenträger und der Leistungserbringer. Es werden in Praxen und Krankenhäusern nur noch die Dienstleistungen gerne gemacht, die Geld bringen. Wir brauchen an dieser Stelle einen Systemwechsel: weg von der ökonomischen Orientierung, mehr Mitbestimmung im Gesundheitswesen, Erprobung von Modellen, die auf einer kleineren, teilweise kommunalen Ebene gemeinsam das Gesundheits- und Sozialsystem neu gestalten. Weiterlesen „Was wünschen wir uns vom Gesundheitssystem?“
Interview mit Jörg Andrees, Regisseur und Schauspieltrainer
Gelungen ist Theater dann, wenn etwas Neues zwischen dem Zuschauer und der Bühne entsteht. Inwiefern ist der Schauspieler Künstler, wenn der Text und die Handlungen vorgegeben sind? Kann ein Schauspieler, in einer guten oder bösen Rolle, etwas vermitteln, was sein eigen-künstlerisches Verständnis der Welt und des Lebens spiegelt? Das wäre ein wesentlicher Aspekt der Kunst des Schauspielers. Weiterlesen „Ein verdichtetes Bild des Seins“
Karl Ballmer – Philosoph und Künstler, Anthroposoph und Einzelgänger. Seine Begegnung mit Rudolf Steiner 1917 war lebenserhaltend, dabei blieb er aber immer ein kritischer Individualist. Hamburg war seine Wahlheimat, bis er unter dem Nationalsozialismus in die Schweiz fliehen musste. In Hamburg schuf der Avantgardist, der sich um 1930 der Hamburgischen Sezession anschloss, eine Kunst, die nach Essenz sucht und ins Universelle weist. In ihrer eigenwilligen Verschränkung von Intellekt und Intuition faszinierte Ballmers Malerei schon namhafte Zeitgenossen: Der Schriftsteller Samuel Beckett zeigte sich bei einem Hamburgbesuch 1936 nachhaltig beeindruckt, und Max Sauerlandt, der progressive Direktor des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe, zählte schon früh zu Ballmers überzeugten Förderern und Freunden. Anerkennend schrieb er über dessen Bilder: „Die phänomenale Wirklichkeit eines Augenerlebnisses ist anschaubare Empfindung, anschaubare Idee geworden.“ Weiterlesen „Kopf und Herz“
Interview mit Peter Benkhofer, ehem. Lehrer und Jörgen Day, Pfarrer emer.
Die Flüchtlinge, die aus großer Not zu uns kommen, brauchen unsere Hilfe. Von vielen Menschen wird ehrenamtlich Flüchtlingsarbeit gemacht, auch im Rahmen der Christengemeinschaft und Anthroposophie. Wie man in schwierigen, dramatischen Lebenslagen Beistand leisten kann, als ganze Gruppe oder Einzelperson, berichten Peter Benkhofer und Jörgen Day. Weiterlesen „Flüchtlingsarbeit“
Über die Bedeutung der dialogischen Kultur in Alteneinrichtungen
Interview mit Rembert Rauchbach, Geschäftsführer und Projektbegleiter von Alterseinrichtungen
Einsamkeit im Alter – das Kernproblem, dem wir immer mehr begegnen. Wie kommt man im Alter zu Begegnungen und Beziehungen, sei es in einer betreuten Wohnform oder in der Altenpflege. „Dialogische Kultur“ ist das Stichwort, das Einrichtungen für alte Menschen ermöglichen müssen, um attraktiv und gut zu werden.
Auch für uns selbst mit unserer Angst vor dem Alter ist die beste Prophylaxe die Umdrehung der Verhältnisse: nicht das Verdrängen wovor man sich fürchtet, sondern fragend auf den Mit-Menschen zugehen. „Das Du – das andere Ich – erhält und entwickelt mich, mein ICH.“ Weiterlesen „Worum geht es im Alter?“
Am 10. Dezember werden alljährlich in Stockholm und Oslo die Nobelpreise verliehen. Am 10. Dezember 1966, ihrem 75. Geburtstag, war Nelly Sachs die erste deutschsprachige Dichterin, die den Literaturnobelpreis erhielt.
In den Jahren der NS-Herrschaft beschäftigte sie sich mit jüdischer Mystik, aus der Kabbala bezog sie wesentliche Grundelemente ihrer Dichtung und ihrer Weltsicht. Nachdem sie 1940 nach Schweden geflohen war, ging es ihr um die Neugeburt der verlorenen Sprache, aber nicht minder auch um die Erschaffung einer neuen Welt, durch eine neu gewordene Sprache.
Vom 9.- 10. Dezember, an ihrem 125. Geburtstag, geht es in einer Tagung um das Werk der jüdischen Dichterin. (Siehe Ende dieses Artikels und Terminteil.)
Am 10. Dezember werden alljährlich in Stockholm und Oslo die Nobelpreise verliehen. Insbesondere der Literatur- und der Friedensnobelpreis stehen im Fokus des öffentlichen Interesses, mit Spannung wird jedes Jahr die Bekanntgabe der Preisträger erwartet. Weiterlesen „„Ich habe kein Land und im Grunde auch keine Sprache““
Über die Produktionsverhältnisse in der Bekleidungsindustrie
Interview mit Uli Ott, Inhaberin eines Hamburger Geschäfts für Mode aus nachhaltiger Produktion.
Am anderen Ende der Welt sterben Menschen im Pestizidnebel, der auf die Baumwollfelder gesprüht wird. Textilherstellung ist überhaupt kein Nischenthema, da die Textilindustrie zum größten Umweltzerstörer der Erde gehört. Das ist uns allen hier nur nicht bewusst, da es meistens „woanders“ geschieht und wir hier nur mit den fertigen Produkten umgehen.
Viele Menschen und Gruppierungen streben eine Veränderung unserer Gesellschaft an. Wirkungsvolle Änderungen zeigen sich aber nicht in Form abstrakter Gesellschaftsstrukturen, sondern können nur auf individueller Initiative und der Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen aufbauen und daraus hervorgehen.
Unsere Gesellschaft wird von drei Grundprinzipien dominiert, aus denen sämtliche gesellschaftliche Probleme, mit denen wir es gegenwärtig zu tun haben, entstehen.
Die Dominanz dieser Prinzipien kann nur durch individuelle Selbsterziehung überwunden werden. Weiterlesen „Wie entsteht gesellschaftliche Veränderung?“
Impressionen von der Biennale in Venedig "All the World´s Futures"
Artikel von Tille Barkhoff, Eurythmistin
Umweltschutz ist ein Thema, das uns alle angeht. Jeder sollte lernen, Naturkreisläufe besser zu verstehen, um nachhaltig mit unseren Ressourcen umzugehen und unsere natürliche Umgebung zu pflegen. Neben der Natur haben wir aber auch eine reiche, von Menschen geschaffene Umwelt: die Kultur! Ist es nicht auch unser aller Aufgabe, die Kultur zu pflegen und zu schützen, über den Denkmalschutz hinaus? Ein zentraler Teil dieser vom Menschen geschaffenen Welt ist der Geldverkehr. Wie können wir damit nachhaltig so umgehen, dass unsere Kultur eine Zukunft hat? Wir alle gehen täglich mit Geld um und bestimmen dadurch, wo wir es ausgeben wie, wo und was in Zukunft damit produziert wird. Deshalb geht uns alle, besonders in Zeiten der Bankenkrise, ein gesunder Umgang mit Geld genauso etwas an wie der Umweltschutz. Vor allem die Kunst, Bildung etc., die Herzstücke unseres Kulturbetriebs, sind sehr von unserem Umgang mit Geld abhängig, weil Spenden, staatliche Zuschüsse etc. sie erst ermöglichen. Weiterlesen „… über Kunst und Geld“
Wie finden wir heute zu einer eigenen Identität, die mit den wirtschaftlichen Verhältnissen übereinstimmt? Das ist nur möglich, wenn wir den Begriff der Arbeit neu fassen. Wenn Arbeit selbstbestimmt und frei ist im Sinne der „Sozialen Plastik“, beinhaltet sie Verantwortung für die Gestaltung der Welt und auch die Erfüllung der eigenen Lebensaufgabe, mit der wir auf die Erde gekommen sind. Wir entwickeln die eigene Identität im Laufe des Lebens in Begegnung mit den Widerständen. Da wir das aber nicht alleine hervorbringen können, müssen wir uns dabei gegenseitig Hebammen-Hilfe leisten, damit dieses „Künstlertum“ geboren werden kann. Weiterlesen „Die Kunst des Schenkens und die Direkte Demokratie“
Interview mit Stephan Meyer, Pfarrer der Christengemeinschaft
Eine Signatur des 20. Jahrhunderts ist der Impuls zu immer größerer Freiheit und individueller Selbstbestimmung. Beim ersten und auch beim zweiten Weltkrieg wurde dieser Freiheitsimpuls pervertiert: Freiheit muss individuell errungen werden und darf nicht zu einer „Freiheit der Nation“ in einen instinktiven, nationalismusgebundenen Egoismus absinken.
Auch heute in den Zeiten der Globalisierung müssen Handlungen aus der Autonomie der Einzelnen kommen. Der entscheidende Punkt dabei ist, dass der Einzelne aus Verantwortung für das Ganze handelt. Nur so kann die Menschheit und Erde überleben. Weiterlesen „Signaturen des 20. Jahrhunderts“
Interview mit Gregor Hackmack, Mitarbeiter von abgeordnetenwatch.de
Unsere Demokratie ist gefährdet. Der Wille der Bevölkerung wird nicht umgesetzt, weil zunehmend wirtschaftliche Interessen Einfluss auf die Politik nehmen. Der Demokratieaktivist Gregor Hackmack und seine Mitstreiter haben in Hamburg vier Volksentscheide und zwei Verfassungsänderungen erfolgreich durchgeführt. Seitdem hat Hamburg beispielsweise das modernste Transparenzgesetz Deutschlands. Weiterlesen „Die Demokratie retten!“
Der Beginn des Ersten Weltkriegs liegt dieses Jahr hundert Jahre zurück. Schon seit etwa einem Jahr hat dieses Jubiläum seine Schatten in der deutschen Öffentlichkeit vorausgeworfen. Der Krieg ist die „Urkatstrophe des Zwanzigsten Jahrhunderts“ genannt worden. Er war ein Krieg in einem Maßstab und mit einer Zerstörungskraft, der alles weit in den Schatten stellte, was es bis dahin in der Menschheitsgeschichte gegeben hatte. Weiterlesen „Der Erste Weltkrieg – vor hundert Jahren und heute“
Interview mit Kai Ehlers, Autor, zu seinem gleichnamigen Buch
„Wir leben in einer paradoxen Zeit: In einer Welt des Überflusses und der globalen Entgrenzung werden immer mehr Menschen als „überflüssig“ bezeichnet oder fühlen sich sogar selbst so. Ein globaler Verwertungsprozess reißt uns aus unseren lokalen familiären, wirtschaftlichen und geistigen Verankerungen und spuckt uns am Ende als menschlichen Müll wieder aus. Schauen wir genau hin: Die „Überflüssigen“ sind nicht das Problem, das entsorgt werden müsste – sie sind die Lösung …“ Weiterlesen „Die Kraft der „Überflüssigen““
Interview mit Bernd Senf, Referent für Volkswirtschaftslehre
Im Rahmen der „Hamburger Utopiewochen“ wird Bernd Senf am 11. Januar einen Vortrag zu diesem Thema halten. In diesem Interview, das er uns zur Verfügung stellt, zeigt er auf, wie die grundlegend problematische Struktur und Dynamik des bestehenden Geldsystems, das 2009 zur Bankenkrise führte, immer noch nicht gelöst sind. Die Verknüpfung von Geld und Zins treibt fünf Krisentendenzen hervor, die sich immer weiter zuspitzen müssen: Die Krise der Wirtschaft, der Umwelt, der Gesellschaft, des Staates und der Dritten Welt. Weiterlesen „Zinssystem, Geldschöpfung und Weltfinanzkrise“
Notfallpädagogik in Kriegs- und Katastrophenregionen
Interview mit Bernd Ruf
Täglich werden Millionen von Kindern und Jugendlichen Opfer von Gewalt, Misshandlungen, Krieg, Vertreibung oder Naturkatastrophen. Was sie erleben, ist nahezu unbeschreiblich. Fast alle werden mit ihren Erfahrungen und Erinnerungen alleine gelassen. Wie können diese Wunden heilen?
Notfallpädagogik versucht traumatisierten Kindern in Kriegs- und Katastrophengebieten mit Methoden der Waldorfpädagogik bei der Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse zu helfen, damit sie nicht für ihr weiteres Leben schwere Störungen erleiden und wieder selbst zu Tätern werden. Weiterlesen „Erste Hilfe für die Seele“
Interviews mit Dr. med. Helmut Kirschner, Dr. med. Nicola Herion, Jörgen Day, Pfarrer
„Wollen Sie OrganspenderIn sein?“ Das wird uns unsere Krankenkasse in diesem Jahr zum ersten Mal fragen. Auch in den Medien ist die Organspende aktuelles Thema. So aus dem Bauch heraus hat jede/r schon eine Antwort gefunden. Aber sind wir wirklich gut informiert? Sind uns die verschiedenen Blickrichtungen des Themas bekannt?
„Organspende – wie entscheide ich mich? Medizinische, ethische und juristische Kriterien“ lautet der Titel einer Veranstaltung am 17. November im Rudolf Steiner Haus. Gespräche mit den drei Interviewpartnern zeigen verschiedene Blickrichtungen auf das Thema. Weiterlesen „Organspende“
Wie kann unsere Gesellschaft durch die Impulse der jungen Generation erneuert werden? Bislang ist es so, dass der Staat das Schulleben und die Bildung verordnet. Damit aber bestimmt immer ein Gewordenes über das Werdende. Mit Begriffen aus der Vergangenheit wird das Zukünftige festgelegt, und damit ist eine Entwicklung eigentlich nicht mehr möglich. Als Erzieher muss man aber Kindern gegenüber so offen sein, dass sie das ganz Neue und Unbekannte, was sie mitbringen, entfalten können. „Dann wird es möglich sein, der sozialen Ordnung immer neue Kräfte aus der heranwachsenden Generation zuzuführen“ – so Rudolf Steiner. Weiterlesen „Auf das Neue eingehen lernen“
wir können es lernen zu lieben, wenn wir den Sinn dahinter verstehen
Interview mit Linda Thomas, Reinigungsfachfrau, Gründerin einer ökologischen Putzfirma, Buchautorin
Linda Thomas ist mit ihrer Botschaft „Vom Putzen zum Pflegen“ mittlerweile weltweit bekannt und gefragt. Ihre Botschaft besteht darin, dass wir mit einer bewussten Pflege von Räumen etwas in der Welt schaffen, was heilsam wirkt. Sie lehrt in ihren Seminaren, wie man einen Raum pflegen und durchlichten kann, die Elementarwesen darin unterstützten kann, aber vor allem, mit welcher inneren Haltung man das alles bewirkt. Weiterlesen „Putzen“
Vielen Erwachsenen ist nicht klar, dass Kinder und Jugendliche heute in einer virtuellen Parallelwelt leben. Mit Plattformen wie Facebook oder SchülerVZ bilden sie soziale Netzwerke, in denen sie sich darstellen, austauschen, Fotos aller Arten veröffentlichen, aber sich auch schlecht machen und mobben. Durch dieses Nicht-Wissen der Erwachsenen ist eine Lücke zwischen den Generationen entstanden, gegen die wir ankämpfen müssen!
Das Internet bietet immense Möglichkeiten, aber es bedarf einer Reihe von Kompetenzen, um damit sinnvoll umgehen zu können. Insofern endet heute die Erziehungspflicht nicht in der realen Welt, sonder geht weiter in der virtuellen Welt. Weiterlesen „Kids und Internet“
Gespräch mit Birgit Philipp, Felicia Lampson, Joachim Heppner, Michael Werner
Am 27. Februar 1861 wurde Rudolf Steiner in Kraljevec, im heutigen Kroatien, geboren. Vieles, was er angeregt hatte, ist inzwischen über 100 Jahre weiterentwickelt worden; einiges hat erfolgreich Zugang in breiten gesellschaftlichen Kreisen gefunden, anderes wirkt erstarrt. Unbestritten spielt Rudolf Steiner eine große Rolle in biografischen und alltäglichen Auseinandersetzungen bei denjenigen, für die er wichtig ist.
Alles Anlass genug, um innezuhalten und sich zu fragen: Wie kann man Anthroposophie vergegenwärtigen? Sind wir Anthroposophen bereit zur Innovation, zur Veränderung und zu fragen, ob das Bisherige jetzt noch passt und weiterführt? Gibt es eine neue Generation, die Anthroposophie auf andere Weise realisieren möchte? Was sind die Quellen für eine neue Lebendigkeit?
Das alles sind Fragen, denen die Betreffenden im folgenden Gespräch mehr auf eine Weise des Suchens als Antwortens nachgehen.
Gesprächspartner/innen:
Birgit Philipp, geb. 1961, Buchhändlerin, tätig gewesen in verschiedenen anthroposophischen Buchhandlungen.
Felicia Lampson, geb. 1987, ehem. Waldorfschülerin, Abitur 2007, seit 2008 Lehramtsstudium an der Uni Hamburg mit den Fächern Mathematik und Französisch.
Joachim Heppner, geb. 1954, Leiter der Kunstakademie Hamburg, daneben verantwortlich tätig in der Anthroposophischen Gesellschaft im Rudolf Steiner Haus und in der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft.
Michael Werner, geb.1964, im ersten Beruf Schreiner; 1989-1993 Eurythmiestudium in Hamburg, seit 15 Jahren Eurythmielehrer in Hamburg-Bergstedt. Daneben Berater und Coach für Organisationsentwicklung. Gemeinsam mit Matthias Bölts gründete und leitet er seit 1994 den „Zweig am Montag“ in der Anthroposophischen Gesellschaft und gibt regelmäßig Einführungskurse in Anthroposophie. 2008 Gründung und Aufbau von 4.D, der Eurythmieausbildung in Hamburg.
Christine Pflug: Welche Bedeutung hatte Rudolf Steiner für Eure Biografie?
Joachim Heppner: Ich bin nicht in einem anthroposophischen oder „Waldorf“-Umkreis aufgewachsen, sondern komme aus dem tiefsten Altona, wo keiner eine Ahnung von so etwas hatte. Ich selbst hatte aber immer die Gewissheit, dass ich eine vorgeburtliche Vergangenheit habe. Als junger Mensch hatte ich Wehrdienst verweigert, damals noch mit Gerichtsverhandlung, und in dieser Zeit bin ich für innere Impulse aufgewacht. Ich lernte die Anthroposophie kennen, und das war für mich ein Wiederkennen von etwas, was ich schon in mir trug. Rudolf Steiner war dann für mich eine Art von Orientierung– als Lehrer und Freund, Mut machend, Hilfestellung gebend für mein geistiges Suchen, meinen Lebensweg und die Impulse die ich verwirklichen wollte. Das wurde mir vermittelt durch das Lesen von Büchern, vor allem aber durch Menschen. Ich lernte 1976 das Steiner Haus kennen, selbst hatte ich lange Haare bis über die Schultern und war dort ein Exot aus einer anderen Welt; wäre mir die Sache nicht wichtig gewesen, wäre ich nie geblieben. Man konnte damals an den Menschen sehr viel Kurioses und Eigentümliches finden, und trotzdem leuchtete immer auch eine Suche nach Schicksal, Geistwelt und Impulse für die Zukunft durch. Das hat mich damals – gerade bei den jüngeren Menschen – begeistert. Es gab dann in den 80-ger Jahren eine Gruppierung von jüngeren Menschen, die mit einer gewissen Revoluzzer-Mentalität das Steiner-Haus übernehmen wollten. In der Folgezeit entstanden in Hamburg viele Initiativen, z. B. die Forum-Initiative, das Seminar für Anthroposophie, die Kunstschule, die Ottensener Brücke, der Hinweis, das Musikseminar etc. Inzwischen sind wir selber in die Jahre gekommen, und ich hoffe, dass wir nicht unbemerkt selber kurios und eigentümlich geworden sind.
Birgit Philipp: Ich bin nicht unmittelbar in anthroposophischen Zusammenhängen aufgewachsen, war nicht in einer Waldorfschule, wurde aber in der Christengemeinschaft konfirmiert. Als ich Buchhändlerin werden wollte, sollte das nach meinen damaligen Vorstellungen in einem absoluten Alternativladen – mit rororoneue Frau etc. – sein, also mit einer gedanklichen Auseinandersetzung über politische und gesellschaftliche Themen. Ich wurde aber an eine andere Buchhandlung verwiesen mit dem Hinweis: „Da bekommst du eine richtig gute Ausbildung.“ Und das war die klassisch-anthroposophische Buchhandlung Engel in Stuttgart Engel. Das war damals eine Schulung für mich: Durch die Kunden und die Atmosphäre im Laden war eine tiefe Auseinandersetzung und ein ernstes Interesse an den Gedanken Rudolf Steiners spürbar. Das hatte mich berührt. So kam dann auch ich in die Auseinandersetzung mit Rudolf Steiner. Ich spürte, das ist ein Denker, dem ich begegnen kann, der mir die Zusammenhänge nicht absolut hinstellt, sondern mich frei lässt, so dass ich an ihm lernen und mich gedanklich schulen kann. Im Gegensatz zu anderen Philosophen fühlte ich mich auch seelisch aufgefordert.
Michael Werner: Ich bin in der Schweiz und in Holland aufgewachsen, und zwar in Dornach und hatte dort eine schöne und relativ normale Jugend. Mich hat damals alles, was „die auf dem Hügel“ so machten, mehr amüsiert als interessiert. Durch meine Familie gab es immer eine Konstante Beziehung zur Anthroposophie und zu Rudolf Steiner. Ich selbst habe mich für Rudolf Steiner mit 16 Jahren selbst angefangen zu interessieren, da ich mit dem Tod von Freunden in meiner Umgebung konfrontiert war. Mit ungefähr 13 Jahren las ich mein erstes Buch: „Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten“ in zwei Nächten durch, fand es irgendwie stimmig, und das war es dann auch erst mal. Das war für mich das schriftliche Tor in das geistige Gebäude der Anthroposophie. Menschlich fand ich etwas später einen Zugang über Jörgen Smit, der damalige Leiter der Pädagogischen- und der Jugendsektion. Er war ganz anders als all die anderen damaligen Vorstandsmitglieder, die ich vom sehen, aber nicht persönlich kannte. Er hatte beispielsweise immer Zeit für mich, alle anderen machten auf mich den Eindruck, nie Zeit zu haben. Der wesentliche Zugang zur Anthroposophie kam für mich durch Menschen, die mich begeisterten und überzeugten. Ich hatte damals weniger Zugang zum philosophischen Teil der Menschen, das fand ich manchmal abgedreht und etwas trocken. Aber Menschen mit Kraft und Power, die vom Herzen kam, konnten mich beeindrucken. Mit Jörgen Smit konnte ich mich stundenlang auch sehr philosophisch über meine eigenen, existentiellen Fragen unterhalten, und wir haben sehr viel gelacht dabei!
C. P.: Felicia, du bist in einem anthroposophischen Umfeld und Elternhaus aufgewachsen und hast die Steiner Schule besucht. Hast du diesen Hintergrund für dich immer als selbstverständlich erlebt?
Felicia Lampson: Ich kannte nie etwas anderes. An der Uni erlebe ich jetzt eine Welt, die überhaupt nicht von der Anthroposophie geprägt ist, und so kann ich das bisher Gewohnte mit Abstand betrachten. Die Inhalte, die man in der pädagogischen Fakultät lernt und der Umgang der Professoren mit den Studenten sind natürlich anders als an der Waldorfschule. Viel kühler und distanzierter auf der einen Seite, aber auch angenehm strukturiert.
immer ein lebendiges Geben und Nehmen
C. P.: Wie siehst du aus diesem Abstand heraus die Waldorfpädagogik?
F. Lampson: Die sehe ich jetzt sehr positiv. Es geht um die konkreten Menschen und darum, wie sie in der Welt stehen. So habe ich mich schon als Schülerin angesprochen gefühlt. Ich unterrichte gerade als Aushilfe in der 11. Klasse der Rudolf Steiner Schule Harburg. Es macht mir großen Spaß, Lehrerin in meiner alten Schule zu sein. Ich finde diese Schule toll! Was ich dort erlebe hat so wenig mit abstrakter Pädagogik zu tun, es ist immer ein lebendiges Geben und Nehmen zwischen Lehrern und Schülern und zwischen den Kollegen.
In der Uni lerne ich jetzt eine sehr theoretische Pädagogik kennen, was auch interessant ist, und ich bin gespannt, was mir die Kenntnis der verschiedenen Lerntheorien für mein späteres Unterrichten bringen wird.
C. P.: Und das ganze anthroposophische Leben einer Familie mit Kindern erlebt – kannst du darüber jetzt auch schon etwas sagen?
F. Lampson: Jetzt, wo ich quasi wie aus der Kindheit aufgewacht bin, merke ich, was früher um mich herum war. Es war eine schöne Welt. Die Jahresfeste, der Geruch des Klassenzimmers mit seinem Jahreszeitentisch und seinen ganzen Farben – das hatte und hat auch heute noch einen starken Einfluss auf mich.
Trotzdem ist es mir persönlich wichtig, Abstand dazu zu bekommen und alles von außen anzuschauen. Auch möchte ich erst mal keine Steiner-Vorträge lesen, sondern über Dinge urteilen, wie ich es selbst gerade denke.
eine anregende und präsente Kraftquelle
M. Werner: An der Baseler Waldorfschule bekam ich vielfältige Anregungen und Ermutigungen, meine Interessen und Anliegen zu verfolgen. Im Nachhinein blieben insbesondere die Klassenspiele, Choraufführungen, Praktika und die Jahresarbeiten hängen. Besonders einzelne, von mir geschätzte Lehrer machten auf mich einen tiefen und nachhaltigen Eindruck. Meine Schulzeit ist für mich heute noch eine anregende und präsente Kraftquelle, auf die ich in meinem beruflichen Alltag nicht verzichten könnte.
Erst nach meiner Schulzeit habe ich mit Erstaunen wahrgenommen, dass es auch Schulen gibt, wo man nicht als Mensch angesprochen wird, sondern nur die erbrachten Leistungen gelten.
C. P.: Könnt Ihr skizzieren, was Rudolf Steiner heute, in der Gegenwart, für Euch bedeutet?
Werke Steiners in der Kontrastierung mit zeitgenössischen Künstlern
M. Werner: Mir ist im Hinleben auf dieses Interview aufgefallen, dass ich persönlich Rudolf Steiner als Mensch sympathisch finde. Einfach so! Ich verdanke ihm viel: meinen fantastischen Beruf als Eurythmielehrer und Ausbilder! Und zum zweiten gibt es für mich eine Zeit vor und nach Wolfsburg.
(Ausstellung in 2010. Text aus dem Internet-Archiv des Museums: „Mit der Ausstellung „Rudolf Steiner und die Kunst der Gegenwart“ werden das Kunstmuseum Wolfsburg und das Kunstmuseum Stuttgart die Verbindungen und Resonanzen sichtbar machen, die im Werk zeitgenössischer Künstler zur Gedankenwelt Rudolf Steiners bestehen. In ausgewählten Werkpräsentationen und eigens konzipierten Installationen nähern sich Künstler wie Meris Angioletti, Joseph Beuys, Tony Cragg, Olafur Eliasson, Helmut Federle, Katharina Grosse, Anish Kapoor und Giuseppe Penone der ästhetischen und philosophischen Weltsicht Steiners an. Überraschende Verbindungen und unerwartete Perspektiven werden offengelegt, die die Ästhetik Steiners in einem neuen, aktuellen Licht erscheinen lassen. Dabei interessiert an Steiner nicht dessen Kunstlehre oder seine Position innerhalb der anthroposophischen Bewegung, sondern sein ganzheitliches, kreatives Denken, das der Realität des Geistes und der Präsenz des Unsichtbaren Form und Ausdruck gegeben hat.“ „… Bedeutende Künstler, angefangen von Wassily Kandinsky über Piet Mondrian bis zu Joseph Beuys, haben sich immer wieder mit der universellen Ideenwelt von Rudolf Steiner beschäftigt und daraus wertvolle Impulse für ihre Arbeit bezogen. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts erhält diese Verbindung durch das steigende Interesse von Gegenwartskünstlern an Steiner eine neue Brisanz. Gleichzeitig erlebt das ganzheitliche Weltbild wie das von Steiner vor dem Hintergrund lebhafter Debatten über ökologische Verantwortung, religiöse Sinnsuche und über ein aus den Fugen geratenes Wirtschaftssystem wieder stärkere Beachtung. In einem ersten Teil behandelt die vom Vitra Design Museum zusammengestellte Ausstellung „Die Alchemie des Alltags“ das Wirken dieses bedeutenden Reformers im 20. Jahrhundert in Architektur, Design, Kunst und Gesellschaft. Sie ist die weltweit erste umfassende Retrospektive Steiners außerhalb eines anthroposophischen Kontextes.“)
Das war für mich wie: Vorhang auf – und dann begann ein neuer Akt und eine längst überfällige Debatte zum Thema! Bis dahin war mir nicht bewusst, dass so viele international renommierte Künstler und Kuratoren sich so eingehend mit Rudolf Steiner beschäftigen, und zwar in einer autonomen Art. Ich fand dort Werke Steiners in der Kontrastierung mit zeitgenössischen Künstlern sehr überzeugend und inspirierend präsentiert. Im Museum stand ich auf einmal vor Stühlen, auf denen ich als Kind viel gesessen und die ich als Schreiner bereits repariert hatte – ein abgefahrenes Erlebnis! Für mich war etliches dort ein Eye-opener, z. B. der Ausspruch von Tony Cragg „Denke an ein zwanzigstes Jahrhundert ohne Rudolf Steiner- das wäre eine Katastrophe“. Das sagt ein international arbeitender Künstler über Rudolf Steiner!
sie stellen ihn auf ein Podest
Für mich persönlich ist das Wesentliche an Rudolf Steiner seine Rolle als Ideen- und Impulsgeber. Er bearbeitete Themen, die mich heute auch interessieren, und hat einige originelle Ansätze, die mir sehr einleuchten. Er wirkte wie ein „Kraftwerk“ seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Genau in diesem Zeitfenster, als in der Kultur Europas eine neue, offene Dynamik entstand, die bis heute international weiterwirkt und vielfältige Innovationen in Schulen, Banken, auf Höfen, Krankenhäusern etc. auslöste und Teil der heutigen Zivilgesellschaft ist, trat er mit seinem ungeheuer dynamischen Denken auf. Im Gegensatz dazu wundert mich, wie einige Anthroposophen bis heute mit Rudolf Steiner umgehen: Sie verehren ihn, stellen ihn auf ein Podest, gehen teilweise völlig unkritisch mit seinen Aussagen um, kennen seine Zeitumstände und die damit verbundenen ästhetischen und intellektuellen Stilprägungen nicht, leben in einer dualen Welt von „wir“ und „die“… Aber zum Glück ist das in den letzten Jahren deutlich weniger geworden und eine neue Steiner-Verarbeitung aufgekommen. Viele Menschen ringen heute um eine individuelle, geistige Entwicklung und manche viel ausgeprägter als in einigen anthroposophischen „Zirkeln“. Ich selbst habe z.B. das Meditieren im Rahmen meiner Beraterausbildung gelernt; während des Eurythmiestudiums war damals noch nicht die Rede davon! Das hat sich verändert seitdem.
„Mensch Steiner, kann man das nicht auch einfacher sagen?“
J. Heppner: Rudolf Steiner ist mir zum einen Teil vertraut, denn vieles was er sagt, kann ich in mir wieder finden, zum anderen ist er mir fremd. Er spricht eine Sprache, die ich umständlich finde und die ich immer wieder in meine Gegenwart übersetzen muss. Dann denke ich: „Mensch Steiner, kann man das nicht auch einfacher sagen?“ Aber immer wieder provoziert er mich auch mit völlig unerwarteten Gedanken und Bildern und mit tiefen Einblicken in die Realität der Geistwelt. So ist er mir Anlass für meine persönliche Entwicklung und ist auch Hintergrund meiner beruflichen Arbeit. Auch ein Großteil der etwa 50 Studenten in der Kunstakademie fragt nach dem, wo er Orientierung oder Anregungen geben kann. Er ist nach wie vor aktuell – wenn man ihn vergegenwärtigt und in das Verständnis der heutigen Zeit übersetzt. Das begeistert mich.
… dass damit eine Epoche zu Ende geht und dass das, was Form geworden ist, sich wieder umwandeln muss
B. Philipp: Ich könnte in gewisser Weise den vorhin beschriebenen Ansatz fortsetzen. Es verdichtet sich immer mehr: Je mehr ich mich mit Rudolf Steiner und der Anthroposophie beschäftige, ist er mir nah und ich kann, wie Michael Werner, sagen, dass ich ihn mag.
Als Buchhändlerin stehe ich in gewisser Weise immer auf der Schwelle von „außen und innen“. Ich habe mich immer als Mensch dieser Welt und als Zeitgenossin empfunden und bin auch so groß geworden. In Wolfsburg war der erste Teil der Ausstellung „ Die Alchemie des Alltags“ (s. o.); in dem Katalog dieser Ausstellung ist alles von „innerhalb“, also was die anthroposophische Szene in ihrer Gestaltung ausmachte, abgebildet wie z. B. Stühle, Türklinken etc. in anthroposophischem Design. Ich würde sagen, dass damit eine Epoche zu Ende geht und dass das, was Form geworden ist, sich wieder umwandeln muss. Viel mehr Menschen haben und suchen die Begegnung mit Rudolf Steiner und setzen sich in einer anderen Art damit auseinander, als man das bisher kannte. Als Buchhändlerin erlebe ich eine andere Gesprächsmöglichkeit durch die Begegnung mit vielen verschiedenen Menschen, die in den Laden kommen: Eine suchende, noch nicht wissende Bewegung im Zusammenhang mit Rudolf Steiner und Anthroposophie.
Für mich selbst bin ich daran interessiert, immer mehr mit den Vorträgen von Rudolf Steiner selbst zu tun zu haben und nur noch partiell mit der Sekundärliteratur. Früher war es noch interessant, welcher Mensch sich gerade etwas erarbeitet hatte und das als Sekundärliteratur veröffentlichte; mittlerweile ist es aber so schnell, so viel und vielfältig geworden, dass ich mehr das Bedürfnis habe, mich stärker der Quelle zuzuwenden. Für mich ist Anthroposophie keine Lehre, die ich als Gesprächspartnerin oder Buchhändlerin vermitteln möchte, sondern ich möchte es so verinnerlichen und damit in einen Prozess kommen, dass ich es bin.
C. P.: Felicia, Du hast die Michaeli-Tagung, die in Dornach stattfand, von Hamburg aus mit vorbereitet. Wie war das dort für dich?
eine sehr abgeschlossene Welt?
F. Lampson: Die Vorbereitungszeit war sehr schön und bereichernd für mich, weil wir in der Vorbereitungsgruppe intensiv darüber nachgedacht haben, wie aus dieser Tagung etwas Besonderes werden könnte. Mit der Tagung in Dornach hatte ich dann aber Schwierigkeiten. Ich weiß nicht, ob es an mir lag oder an der Tagung, aber ich hatte das Gefühl, in eine sehr abgeschlossene Welt zu kommen. Allerdings haben die munteren Kinder, die auf dem Gelände des Goetheanums gespielt haben, einen besonderen Eindruck auf mich gemacht.
C. P.: Wenn man das zusammenfasst, kann man feststellen, dass die 80-er Jahre Zeiten des Aufbruchs waren, in denen die damals jungen Menschen viele Initiativen begonnen haben. Jetzt, in 2011, scheint die Sachlage eine andere zu sein. Was haben wir Anthroposophen erreicht, was haben wir versäumt, in der Kultur, im Sozialen etc.?
B. Philipp: Im Positiven könnte man sagen, dass die Anthroposophie Anstöße gegeben hat für die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die Waldorfpädagogik, die Medizin, Heilpädagogik, auch bis in die Architektur hinein etc. Jetzt, in unserer Zeit, haben wir es aber unter Umständen mit dem Klischee der damals gefundenen Formen zu tun. Wir stehen an einem Punkt, wo wir uns nochmal neu besinnen sollten, was dran ist und ob wir bei den Strukturen etc. bleiben wollen oder ob wir aus dem Ideellen heraus uns noch einmal umgestalten.
das ist bei einer breiten Menge der Bevölkerung inzwischen irgendwie angekommen
J. Heppner: Anthroposophie ist in der Gegenwart unterschwellig präsent. Man kann Menschen treffen, von denen man nie glauben würde, dass sie etwas mit Anthroposophie zu tun haben, und doch gibt es oft Berührungspunkte. Diese Berührungspunkte sind heute so vielfältig, dass es mich immer wundert, wo und wie etwas von Rudolf Steiner im Denken der Menschen auftaucht. Da spielen die Ausbildungen und Einrichtungen in der Pädagogik, Landwirtschaft, Medizin etc., aber auch die große Sekundärliteratur eine wichtige Rolle. Und es ist nicht immer als Anthroposophie etikettiert was den Inhalten nach verbreitet wird.
Es sind ja immer Menschen, nicht „die Anthroposophie als solche“, die etwas erreicht haben. Wenn man beispielsweise die Wirksamkeit von Joseph Beuys anschaut, ist die sehr breit: Es wurde soziale Dreigliederung intensiv diskutiert und dass Kunst ein Quellort für Zukunft ist etc. Das ist bei einer breiten Menge der Bevölkerung inzwischen irgendwie angekommen.
M. Werner: Auf die Frage „Was haben wir erreicht?“ würde ich sagen: ein nicht abreißender konstruktiver Diskussionsprozess der Kulturerneuerung. Wir bewegen uns gesellschaftlich einerseits in einer gewissen Nische, weil es in Masse nicht so viele Anthroposophen gibt. Die fachlichen Diskussionen von Architekten, Pädagogen, Medizinern, Künstlern, Ökonomen in der Zivilgesellschaft laufen ruhig weiter, auch wenn gleichzeitig im Eliant-Projekt eine Million Unterschriften in Europa gesammelt werden! Die Fachdiskussionen sind so gesehen subversiv-dynamisch, und sie werden, wie in anderen Branchen auch, von Spezialisten in einem eigenen Vokabular geführt. Allein von Eurythmisten wurden in den letzten fünf Jahren über 80 wissenschaftliche und künstlerische Publikationen verfasst. So etwas war vor wenigen Jahren noch gar nicht auf der Agenda. Hier läuft auf der Fachebene ein spannender, neuer Diskurs. Da ist richtig was los, auch wenn man das leider öffentlich noch nicht deutlich genug sieht und wir noch nicht dort sind, wo wir hinwollen!
die Form-Konservativität im Verhältnis zu Innovation
Im Gegensatz dazu sind die Waldorfschulen ein Beispiel für einen sehr erfolgreichen und öffentlich gut sichtbaren Zweig der Anthroposophie. In Deutschland arbeiten heute ca. 207 Waldorf-Schulen, die praktisch alle mit Steiners Anregungen zur Pädagogik umgehen und diese kontinuierlich weiterentwickeln. Das ist ohne Frage ein Erfolg in der Breite, auch wenn Steiner selbst nicht die Intention hatte, eine spezielle pädagogische Szene mit eigenen Seminaren zu begründen, sondern vielmehr das pädagogische Denken selbst zu erweiterten trachtete. Natürlich ist hier das Verhältnis von Verharrungsvermögen, die Form-Konservativität im Verhältnis zu Innovation ein echtes Problemfeld, ohne Frage. Andrerseits wird man als Lehrer von den Kindern und Jugendlichen ja immer wieder frisch gemacht und bekommt auch gelegentlich den Kopf gewaschen. Die Waldorfpädagogik ist heute gesellschaftlich nicht mehr in derselben Nische wie in den 70-igern, als ich zur Schule ging, es ist viel offener geworden. Damals haben nur Anthroposophen ihre Kinder in diese Schule geschickt, das ist heute gar nicht mehr so. Es hat heute jeder einigermaßen gebildete Mensch in Deutschland von Waldorf gehört, und sei es nur, dass die dort „ihren Namen tanzen“ können. Auch viele bekannte Unternehmen wie Weleda, Hauschka, dm setzen ausdrücklich auf Steiners Anregungen, treten in der breiten Öffentlichkeit auf und setzen ebenfalls in ihren Bereichen jeweils Maßstäbe. Die Probleme sind nicht unbedingt weniger geworden, aber angesichts der Größe der Szene eben andere als früher.
C. P.: Trotz der breiten Öffentlichkeit: Der Altersdurchschnitt der Anthroposophischen Gesellschaft ist etwa Mitte 60, die Zahl der Studenten in den Ausbildungsstätten geht zurück, manche Ausbildungsstätten müssen schließen, die finanziellen Mittel sinken immer mehr. Was ist los? Wie geht es weiter?
Es steht ein massiver Generationswechsel an
M. Werner: Wir sind heute intern vielfach in einer Phase des Innehaltens und Neubesinnens. Es vollzieht sich ein massiver Umbruch in unserer gesamten westlichen Kultur und daran arbeiten auch Anthroposophen engagiert mit, nicht nur in Ägypten. Vieles, was früher einfach so lief, geht eben nicht mehr, auch das betrifft nicht nur Anthroposophen, da sind wir alle im gleichen Boot und wissen noch nicht, wie es ausgeht!
Es steht ein massiver Generationswechsel an. In den Waldorfschulen gehen in den nächsten Jahren über die Hälfte der Lehrerschaft in Rente, in manchen Schulen auch mehr! Die jüngere Generation ist da, ist aber in Bezug auf das Einsteigen in „etablierte“ anthroposophische Einrichtungen durchaus wählerisch, da es auch an anderer Stelle viele interessante Möglichkeiten gibt. Man wird heute nicht mehr so schnell Mitglied in einem Verein, das Problem hat Food-Watch übrigens auch. Es ist unternehmerisch herausfordernd, eine gesellschaftliche Unterstützung für Projekte zu mobilisieren und junge Leute, Nachfolger aufzubauen.
Zum Beispiel in den Eurythmieausbildungen gingen vor 10 Jahren die Studentenzahlen weltweit massiv nach unten, die Anzahl der Aufführungen nahm ab, die Waldorfschulen können den Bedarf nicht recht decken… In Hamburg haben wir vor einigen Jahren Konsequenzen gezogen, ein ganz neues Ausbildungskonzept entwickelt und die Ausbildung bei 4.D auf ganz neue Füße gestellt. Eine neue Generation Eurythmisten ist jetzt auch da, ist sehr anders, stellt neue Fragen, will und kann was! Aber andrerseits können grundlegende Dinge nicht auf die Schnelle verändert werden, auch wenn das wünschenswert wäre, das braucht Zeit und viel Nerven. Die Dozenten sind, neben dem Aufbau und dem Unterrichten, auch mit der eigenen MA-Qualifikation beschäftigt, und die muss aber auch erst mal verdaut werden. Manche Prozesse dauern viel länger als es einem recht ist, aber man muss sie trotzdem leben!
es kann sein, dass man dann eine ganz neue Form dafür findet
B. Philipp: Man kann es auch noch etwas drastischer sagen: Es ist ein Sterbevorgang. In gewisser Hinsicht ist es ein Sterbevorgang einer Pioniergeneration; solche starken Persönlichkeiten, wie beispielsweise Jörgen Smit, haben wir nicht mehr. Man hat sie anderswo auch nicht mehr, beispielsweise in der Politik, als Vorbilder oder „Macher“.
In der Anthroposophie gab es früher dieses, wie Felicia andeutete, Gelehrtentum; man hat die Dinge gelesen und studiert, aber heute wollen die Menschen am Anderen eine Authentizität erleben. In vielen Institutionen lebt vieles aus der Form: „das macht man so!“ Man muss aber noch einmal an die Urgründe und an die Motivation gehen: warum eigentlich?! Es kann sein, dass man dann eine ganz neue Form dafür findet, dass die Form nicht das Wesentliche ist, sondern dass sie sich ergibt, wie die einzelnen Menschen es für richtig halten. Die Frage, wie schaffe ich etwas um, wie ernsthaft gehe ich dabei an die Wurzeln, wie radikal und authentisch bin ich darin – das sind die Forderungen.
offen für alles und für jeden sein und in einer Auseinandersetzung mit allem leben
C. P.: Felicia, was müssten „wir Anthroposophen“ machen, damit es dich begeistern würde, du es überzeugend fändest?
F. Lampson: „Ihr“ solltet offen für alles und jeden sein und in einer Auseinandersetzung mit allem leben. So, wie ich die Anthroposophische Gesellschaft in Dornach kennengelernt habe, ist sie mir fremd. Ich habe die Inhalte der Anthroposophie selbst noch wenig studiert, habe sie aber als Lebenshaltung kennen gelernt. Das finde ich im Moment viel interessanter. Ich ertappe mich manchmal dabei, wenn ich in einer öffentlichen Schule unterrichte, dass ich die Waldorfschule ja viel „besser“ finde. Aber es interessiert mich auch zu sehen, was eine andere Schule gut macht, und das vielleicht mit Waldorfpädagogik zusammenzubringen.
J. Heppner: Man muss unterscheiden zwischen Anthroposophischer Gesellschaft und anthroposophischer Bewegung. Anthroposophische Gesellschaft ist etwas Begrenztes und Bewahrendes geworden und hat vielleicht in der Zukunft die Aufgabe, eine Art Kernbildung zu sein. Das wird dann einfach zahlenmäßig nicht groß werden. Aber die anthroposophische Bewegung, und damit meine ich jetzt auch die Hochschule und die Sektionen – die soll groß werden. Die ist vielfältig und taucht überall unter oder auch auf, aus den Menschen und aus den Arbeitsfeldern. Das Problem ist, dass man die Anthroposophie nur mit der Anthroposophischen Gesellschaft identifiziert und dann glaubt, es sei absterbend. Vielleicht ist das Gesellschaftsdenken absterbend, weil es formal ist oder weil das Modell eines e.V. heute nicht mehr adäquat ist – aber die Bewegung ist nicht absterbend, die ist zukünftig und je mehr sich die Anthroposophische Gesellschaft ändert, wird sie an dieser Zukunft teilhaben.
mit 60 Jahren machte er noch mal einen Neustart
C. P.: Welche Ideen und Aspekte habt Ihr für die Zukunft?
M. Werner: Was ich an Rudolf Steiner menschlich und intellektuell richtig gut finde, ist, dass er viele Male neu angefangen hat, Rückschläge einstecken konnte und auch mit 60 Jahren noch mal einen Neustart machte und die Anthroposophie und seine Initiativen ganz neu formulierte! Darin drückt sich für mich ein dynamischer Kerngedanke aus: Bin ich bereit zum Innehalten und zu fragen, was jetzt noch passt und weiterführt und was nicht? Oder ist jetzt etwas ganz Neues angesagt? Manche Dinge, die mir bisher Sicherheit gegeben haben, die ich vielleicht auch mag, muss ich loslassen und dann den neuen Weg konsequent und entspannt gehen.
Ich glaube, dass in der Zukunft dabei innerer Mut eine immer größere Rolle spielen wird. Aus dieser Quelle heraus ist ein Neuanfang einer neuen Generation möglich und ich bin zuversichtlich dass der auch kommt. Ich für meinen Teil arbeite daran!
Worauf begründet sich ein Neuanfang?
B. Philipp: Ich finde das wunderschön beschrieben, aber für mich wäre noch die Quelle eines solchen Neuanfangs wichtig. Worauf begründet sich ein Neuanfang? Der muss sich auf etwas stellen. Das ist das, was ich anfangs meinte: Wie werde ich das? Wie bringe ich das Wissen, das außerhalb von mir ist, in ein lebendiges Werden, so dass sich der Neuanfang daraus schöpft? Hat man das schon so zu fassen bekommen, dass man dazu die adäquate Form finden kann?
Kann ich das Geistige real erfassen?
J. Heppner: Essentiell ist doch die Frage: Schaffe ich es, zum Geistigen in mir durchzudringen? Kann ich mich als geistiger Mensch real verstehen und das leben? Damit hängen alle Fragen und aller Neuanfang zusammen. Kann man das konkret nehmen, dass der Mensch ein geistiges Wesen ist? Dann habe ich eine Revolution in mir selbst und auch in der Gesellschaft. Dann kann Medizin, Pädagogik, Kunst nicht so weitergehen, wie sie war. Quelle ist für mich immer die Frage: Kann ich das Geistige real erfassen? Das ist zukünftig!
Nachhaltiges Konfliktmanagement durch metanoische Mediation
Zusammenfassung eines Vortrages von Prof. Dr. Friedrich Glasl
Manche Konflikte lösen sich von alleine durch eine vernünftige Vereinbarung. Wenn der Streit aber eskaliert ist und die Betroffenen weiterhin in einer Beziehung miteinander bleiben, muss noch zusätzlich etwas getan werden. Wie kann man beiden Parteien aus ihrem schwarz-weiß-Denken dem andern gegenüber heraushelfen, so dass sie ihren verengten Blick wieder weiten können? Wie können sie sogar selbst mitfühlen, was sie dem anderen an Leid angetan haben? Ist das erreicht, haben sie eine tiefgehende Wandlung durchgemacht, die auch für die Beziehung eine nachhaltige Grundlage schafft. Weiterlesen „Wie Konflikt zur Wandlung führt“
Stress, Motivationsverlust, Burnout – diese Schlagworte gehören inzwischen zu unserer Umgangssprache. In den 70er Jahren tauchten diese Begriffe in der Sozialwissenschaft auf, mittlerweile sind immer mehr Menschen von einer chronischen körperlichen und seelischen Erschöpfung betroffen. Diese Krankheiten sind eindeutig Zivilisationskrankheiten der westlich geprägten Welt. Weiterlesen „Burnout, Erschöpfungsdepression, Müdigkeitssyndrom …“
Zusammenfassung eines Vortrages von Dr. med. Christoph Meinecke, Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, Berlin
Sie können sich schlecht konzentrieren, können ihre Aufmerksamkeit nicht ausreichend fokussieren, können aus Fehlern nicht lernen, sind zappelig, können sich im sozialen Rahmen nicht adäquat verhalten, reden viel, stören einfach – dies alles sind Symptome von Kindern, die unter ADHS leiden – dem sog. Aufmerksamkeits-Defizit-/Hyperaktivitäts-Syndrom. Mit ihnen und wegen ihnen leiden Eltern und Pädagogen, die an die Grenzen ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten kommen. Ist das alles so, weil den Kindern ein Botenstoff (Transmitter) im Gehirn fehlt, den man durch Ritalin® und Co. ersetzen kann – und dann kommt alles wieder in Ordnung? Oder gibt es (auch) andere Gründe, warum unsere Kinder heute be-unruhigter sind als das früher der Fall war? Weiterlesen „AD(H)S – ist Prävention möglich? Teil I und II“
Interview mit Wolfgang Weirauch, Herausgeber der Flensburger Hefte
Die Naturwesen sagen: Wir müssen wieder mit den Menschen sprechen! Durch die Vermittlung einer Frau, die es über Jahre gelernt hat, mit Naturgeistern zu sprechen, konnten in Interviews verschiedenste Wesen befragt werden. Wolfgang Weirauch interviewt auf diese Weise seit mehreren Jahren viele Naturgeister. Ihnen ist die Weiterentwicklung der Erde und die Zusammenarbeit mit den Menschen ein dringendes Anliegen. „Es gibt keine Gruppen, die gegeneinander arbeiten, hier die Menschen und dort die geistigen Wesen, sondern wir alle wirken mit am Projekt Erde und an der Menschheitsentwicklung. Von daher ist es nahezu unstatthaft, dass wir aneinander vorbeireden.“ Weiterlesen „Mit Naturgeistern sprechen“
Was macht heute eine gute Beziehung zwischen Mann und Frau aus? Was ist eigentlich Menschlichkeit und welche Rolle spielt die Liebe dabei? Inwiefern ist dieses Mann-Frau-Spannungsfeld (un-)geeignet, Menschlichkeit zu entwickeln? Diese Fragen gehören zu den wichtigsten Themen unserer Zeit, und Michaela Glöckler beleuchtete sie in ihrem Vortrag unter verschiedenen Gesichtspunkten. Vor allem ging sie dabei auf die konstitutionellen Unterschiede zwischen Mann und Frau, auf heute wichtige Beziehungsqualitäten und die spirituellen Dimensionen ein. Weiterlesen „Mann und Frau, Liebe – Macht und Ohnmacht Teil I und II“
Anfang 2009 hat eine Gruppe junger Menschen die Ideenschmiede „f13 | zukunft ist jetzt“ ins Leben gerufen. „Das Label f13 verbindet junge Menschen, die Fragen stellen, und unterstützt diejenigen, die sich eine Fragefähigkeit erarbeiten wollen.“ Vor allem Fragen nach neuen Wegen in Schule und Bildung und somit nach gesellschaftlicher Gestaltungsmöglichkeit stehen im Mittelpunkt. Weiterlesen „Die Macher von Morgen“
Kann das bedingungslose Grundeinkommen unsere wirtschaftlichen und sozialen Probleme lösen? Immer wieder gibt es dazu engagierte und emotionale Diskussionen, im September wurde in etlichen Ländern eine Woche des Grundeinkommens veranstaltet und Vielen scheint es ein Ausweg aus einer prekären Lebenssituation zu sein. Deutschland ist reich wie nie zuvor, aber die Schere von sozialer Bedürftigkeit einerseits und hochproduzierender Gesellschaft andererseits klafft immer weiter auseinander. Wie kann das vorhandene Geld auf sinnvolle Weise verteilt werden? Das folgende Gespräch zeigt Hintergründe, mögliche Konsequenzen und auch, wie umfassend die Diskussion über das Grundeinkommen angelegt sein muss, wenn ein wirklich gesellschaftlicher Fortschritt damit verbunden sein soll. Weiterlesen „Der HINWEIS-DIALOG: Das bedingungslose Grundeinkommen“
Interview mit Dr. med. Heidje Duhme, Feldenkrais-Pädagogin, Christiane Hagemann, Heileurythmistin, Michael Werner, Schuleurythmist und Berater
„Der Mensch entsteht durch Bewegung“ – das ist ein Grundsatz in der Eurythmie. „ Über die Bewegung kann der Mensch sein Selbstkonzept und seine Lebens-Haltung ändern“ – davon geht man in Feldenkrais aus. Diese beiden Bewegungsarten helfen dem Menschen sich zu revitalisieren, zu heilen oder eigene Bewegungsfreiheiten zu erkunden und auszuprobieren.
Feldenkrais arbeitet mehr auf der Grundlage der gesetzmäßigen Wirkung der Schwerkraft auf die Bewegung, in der Eurythmie ist die gestaltete Bewegung der Laute ein wichtiges Moment. Trotz dieser unterschiedlichen Ausprägungen entsteht beides aus ähnlicher Quelle. Ebenfalls auf ähnliche Beobachtungen stoßen die drei Interviewpartner, wenn sie feststellen, auf welche Weise heute Kinder und Erwachsene Unterstützung bei ihren Bewegungsabläufen brauchen.
InterviewpartnerInnen:
Dr. med. Heidje Duhme, Ärztin, seit 1984 mit Feldenkrais beschäftigt. Seit 1988 Feldenkraislehrerin für Gruppen und Einzelpersonen, bietet feldenkraisbezogene Fortbildungen an. Ist außerdem tätig in einer psychosozialen Beratungsstelle, in der sie systemisch arbeitet.
Christiane Hagemann: arbeitet seit 1981 mit der Eurythmie, mittlerweile als Heileurythmistin mit Kindern und Erwachsenen; gibt Kurse in Vital-Eurythmie; Dozentin in der Eurythmie-Ausbildung 4.D.
Michael Werner: in der Eurythmie tätig seit 1989, unterrichtet Eurythmie in der Rudolf Steiner Schule Hamburg Bergstedt, ist Berater für Organisationsentwicklung und Dozent in der Eurythmieausbildung 4.D.
Christine Pflug: Was macht man bei Feldenkrais?
Dr. med. Heidje Duhme: Essenziel geht es darum, sich zu bewegen und dabei zu spüren, wie das geschieht. Das gehört untrennbar zusammen. Die Bewegung selbst ist das Medium, um herauszufinden, wie bei einem selbst die Klarheit und Leichtigkeit des Ablaufes, das Denken und im weitesten Sinne das Handeln zusammenpasst. Wir haben einen Kanon mit vorgegebenen Bewegungen, z. B. geht es um die phylogenetische Entwicklung von Bewegung (die Stammesgeschichte von Lebewesen betreffend; auf die biologisch-ökologische Entwicklungsgeschichte der Menschheit, menschlicher Rassen und Völkerstämme bezogen. Aus: Wikipedia). Wie hat sich die Bewegung des Menschen stammesgeschichtlich entwickelt, z. B. rollen, robben, kriechen, krabbeln, wie kommt man von da aus zum Sitzen und zum Stehen? Das sind Entwicklungen in der Bewegung, die jeder Mensch stammesgeschichtlich durchgemacht hat und auch individuell in Abhängigkeit von der jeweiligen Umgebung. Damit beschäftigen wir uns, das untersuchen wir auf unser individuelles Muster hin, erleben es nach und entdecken Variationsmöglichkeiten dazu, die dem gegenwärtigen Bedürfnissen gerechter werden. Damit können schmerzfreie Bewegungsabläufe und geschmeidigere Haltungen sich neu im Zentralnervensystem bahnen.
Feldenkrais ist aber auch für die berufliche Situation hilfreich: Was braucht man als Musiker, Sportler, Schauspieler, Friseur etc. um den Körper, bzw. sich selbst, optimal einzusetzen? Wie kann sich eine bessere Stressbewältigung etablieren?
Es gibt eine aktive Form der Feldenkraisarbeit, in der wir Bewegungsformen wie Zeitlupenstudien anleiten. Wie macht man es beispielsweise, sich im Sitzen aufzurichten? Welche Stellung hat dabei das Becken, was machen die Füße am Boden? Gibt es dabei Verhärtungen, die verhindern, dass man die Aufrichte findet? Es gibt Vereinseitigungen in der Bewegung, Verhärtungen, Blockaden, die sich durch aufmerksame Eigenbeobachtung auflösen können.
Meistens arbeiten wir im Liegen, weil der Körper dabei vom Kopf bis zu den Füssen Unterstützung findet und nicht mit seinen gewohnten Gleichgewichtsreaktionen antwortet. Das gibt dem Menschen viel Sicherheit und die nötige Lernfreiheit.
Wenn ein Mensch ein Bewusstsein von dem eigenen körperlichen Schwerpunkt hat, kann er sich halten und erhalten
C. P.: Wie ist die Feldenkrais-Methode entstanden?
H. Duhme: Sie ist nicht im Labor, sondern aus eigener Betroffenheit entstanden. Moshé Feldenkrais Moshé Feldenkrais (* 6. Mai 1904 in Slawuta, Ukraine; † 1. Juli 1984 in Tel Aviv, Israel, war Physiker und Judolehrer. Er ging davon aus, dass ein Mensch nach dem Bild handelt, das er sich von sich macht. Er sagt, dass dieses Bild („self image“) teils ererbt, teils anerzogen und zu einem dritten Teil durch Selbsterziehung zustande kommt. Aus: Wikipedia) hatte durch einen Unfall am Knie einen Defekt, und es war nicht sicher, ob eine Operation erfolgreich sein würde. Er hat als Naturwissenschaftler erst mal nur unter physikalischen Gesichtspunkten beobachtet: Wie gehe ich mit der Schwerkraft um, wie wirkt die Biomechanik und welche Bedeutung hat das Skelett für die Aufrichtung und Bewegung usw.? Über die feine Beobachtung seiner selbst hat er so geforscht mit dem Resultat, dass er wieder schmerzfrei war. Da war für ihn eine Verknüpfung naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeit und deren konkrete Anwendung auf das sich selbst wahrnehmende Subjekt gegeben, die ihn zu weiterem Forschen motiviert hat. Er war auch Judo-Kämpfer und von daher war ihm vertraut, dass Bewegung und Angst eine sehr tiefe Verbindung haben und dass derjenige, der Angst hat, seine Beweglichkeit bzw. seine persönlichen Potentiale nicht entfalten kann. Wenn ein Mensch ein Bewusstsein von dem eigenen körperlichen Schwerpunkt hat, bleibt er im Gleichgewicht flexibel, kann sich spüren, halten und auch er-halten.
Christiane Hagemann: Vor etwa 15 Jahren hatte ich einen Bandscheibenvorfall und war bei einer Feldenkrais-Pädagogin in Behandlung. Bedingt durch den Bandscheibenvorfall hatte ich vor bestimmten Bewegungen Angst. Ich fand es eine bereichernde Erfahrung, in diese Körperbereiche hineinzuspüren, alternative Bewegungen auszuprobieren, dabei die Unterschiede der einzelnen Körperpartien genau zu spüren etc. Das Strömende, das dabei entstehen kann, empfand ich als sehr eindrucksvoll.
H. Duhme: Hinter dem, was Sie beschreiben, verbirgt sich auch das didaktische Konzept. Lernen ist, so Feldenkrais, bewusst Unterschiede wahrzunehmen. Z.B. das Bild der einen Körperhälfte zu erkennen und dann über das aufmerksame Tun oder das Tun in der Vorstellung auf die andere Körperseite zu übertragen. Unsere Hirnstrukturen sind so, dass sie die bewusste Wahrnehmung von der einen Seite durch Bewegung auf die andere Seite übertragen.
C. Hagemann: Wir gehen in der Eurythmie davon aus, dass der Mensch aus dem urschöpferischen Kräfte-Prinzip von Bewegung entstanden ist. Diese Bewegungen sind permanent als Bildekräfte und Vitalität in der menschlichen Gestalt enthalten und wirksam. Damit arbeiten und gestalten wir in der Eurythmie. Es gibt Kräfte, die in ihrer Dynamik zum Beispiel etwas in Fluss bringen und anregen. Andere Kräfte grenzen ab, regen eine Differenzierung an oder beruhigen einen Prozess. Für mich sind diese Lebenskräfte das, was Paracelsus als den ‚inwendigen Arzt‘ bezeichnet hat. Diese Gestaltungskräfte des Lebendigen äußern sich in den Bewegungen der Laute, wie wir die Kraftseite der Buchstaben nennen.
Ich hatte damals bei Feldenkrais das Gefühl, dass meine strömenden Kräfte angesprochen wurden, was mir gut getan hat.
C. Hagemann: In der Eurythmie werden diese Kräfte bewusst gestaltet. Wir bewegen verschiedene Laute: „t“ klingt anders als „m“, drückt sich also durch eine ganz andere Bewegung aus. Es gibt Laute, die sind hart oder weich, bringen ins Fließen, stocken ab, bringen den Menschen zu sich, lösen usw. In der Heileurythmie wird diese lebendige und regenerierende Kraft der einzelnen Laute gezielt eingesetzt.
Außer in der Therapie wird Eurythmie in der Pädagogik, im darstellenden und im sozialen Bereich angewendet.
Außerdem gibt es den Bereich der Vital-Eurythmie. Sie ist speziell dafür entwickelt worden, Stress zu verarbeiten, die Vitalität und Regenerationsprozesse gezielt zu unterstützen und wird präventiv eingesetzt.
Stress verarbeiten
Michael Werner: So ein Thema kann beispielsweise Stress sein. Wenn man Druck von außen oder auch von innen nicht bewältigt bekommt, können geführte, langsame Bewegungen – ein ähnliches Phänomen wie bei Feldenkrais – uns die eigenen Bewegungsmuster wieder neu zugänglich und sichtbar werden. Man geht dann mit dem eigenen Bewusstsein sozusagen in die Bewegung rein die man konkret ausführt. Bei vielen körperlichen Symptomen, die von Stress oder auch mit Haltungsschäden des Körpers zu tun haben, kann man mit Lauten und anderen eurythmischen Elementen systematisch anregen und revitalisieren und somit die Regeneration und Erholung eigenaktiv fördern.
C. P.: Was wird im Eurythmieunterricht in der Schule gemacht?
M. Werner: Das ist sehr vielfältig, da das Fach die ganze Schulzeit über unterrichtet wird und jeweils altersspezifisch sehr unterschiedliche Ziele, Aufgaben und Methoden zum Einsatz kommen. Grundsätzlich sitzen die Schüler während ihrer Schulkarriere und vollziehen dabei viel Kopfarbeit. Das ist auch in der Waldorfschule so, trotz vieler künstlerischer Fächer und Elemente, die dort den Schulalltag durchdringen. Der Eurythmieunterricht ist in diesem Zusammenhang Bewegung- pur. Auch für Schüler (übrigens auch für Lehrer!) ist das Thema Stressabbau, Regeneration und Revitalisierung ein zunehmend wichtiger Punkt. Speziell dafür habe ich in den letzten Jahren Vitaleurythmie- Übungen für die Pädagogik entwickelt und erprobt.
In unserer Zeit herrscht allgemein eine körperlich ungesunde Bewegungsarmut. Einige Schüler können schon nicht mehr richtig stehen und kommen dabei in eine verspannte Körperhaltung und Ungeschicklichkeit. Leider müssen heute immer mehr Kinder in den unteren Klassen sogar das Geradeaus-Laufen erst lernen! Dabei kommt auch der Eurythmieunterricht zum Zuge. Hilfreich kann dabei ein gemeinsames, entspanntes und konzentriert ausgeführtes Gehen zu Musik sein.
In der Schule erleben Schüler auch immer wieder, dass sie bestimmte Dinge nicht oder noch nicht können. Daher ist hier eine zentrale Aufgabe, dem eigenen Lernen auf die Spur zu kommen, wozu sich bestimmte Elemente des Eurythmie ganz besonders eignen.
Einige Ergebnisse des Eurythmieunterrichts werden an Monatsfeiern auf der Bühne präsentiert. Dabei geht es dann speziell um einen künstlerischen Ausdruck im Sinne des Werkes. Doch gerade bei dem Thema Lernen kann die Eurythmie, das dort gepflegte achtsame Verfolgen der eigenen Bewegungen, ein sehr hilfreicher Partner sein.
einen inneren Dialog mit sich selbst anregen
H. Duhme: Eine Gemeinsamkeit zwischen Feldenkrais und Eurythmie scheint mir zu sein, einen inneren Dialog mit sich selbst anzuregen, wobei die Fragestellungen sich explizit auf die Art des Bewegens richten, implizit geht es auf der Metaebene um das Selbstbild und das Selbsterleben und darüber stellt sich auch die Frage nach dem Dialog, den der Einzelne mit den Menschen in seiner Umgebung entwickeln kann oder wie er sein Handeln gestaltet.
Ich finde das mit dem Bewegen der Buchstaben auch sehr interessant, und auch da scheint eine Analogie zu Feldenkrais zu liegen: die alten Anatomen haben die Gelenke als „Articulatio“ bezeichnet. Im medizinischen Sprachgebrauch ist das Schultergelenk z.B. die Articulatio humeroscapularis, und wir artikulieren unsere Gedanken letztlich durch Sprache. Aus einer klareren Beweglichkeit kommen auch klarere Gedankengänge und eine klare Sprache ist wesentlich Bestandteil des Selbstausdrucks.
C. Hagemann: Es gibt diesbezüglich in der Eurythmie zwei Ausprägungen: einzelnen Laute werden in der Heileurythmie und auch in der Vital-Eurythmie gemacht. Aber bei eurythmischen Bühnenaufführungen sind das nicht einzelne Buchstaben, sondern ganze Gedichte, bei denen nicht buchstabiert, sondern die Gesamtheit der Sprache in eurythmischer Bewegung ausgedrückt wird. Das ist dann eine andere seelische Aktivität, als wenn man mit den einzelnen Lauten achtsam umgeht.
C. P.: Michael, welche Übungen machst Du im Eurythmieunterricht in der Schule?
M. Werner: Dabei ist grundsätzlich wesentlich, dass man viel bewegt und sich übt anhand von Rhythmen der Sprache und life- Musik, dazu ist auch immer ein Pianist im Unterricht anwesend. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Gehörschulung, d. h. die Schüler verfolgen Stimmen, klatschten und gehen und gestalten diese. Dabei ist eine präzise Bewegungsführung und passender Ausdruck essentiell. Dann muss man während des Bewegens auch aktuell hörend in den Bewegungsstrom der Gruppe einsteigen. Das erfordert in hohem Maße eine Teamfähigkeit.
Sie merken, Eurythmie ist für die Schüler ein sehr komplexes und sehr anspruchsvolles Fach! Man sieht besonders bei den Quereinsteigern, die bisher keine Eurythmie hatten, was dieses Fach im Bewegungsvermögen bei den Schülern bewirken kann.
Zum Beispiel ist das eurythmische Alphabet, ein sehr vielfältiger, komplexer Bewegungskanon: für jeden Buchstaben (Laut) eine spezifische Bewegung, die man allerdings unterschiedlich ausführen kann. Man kann sie „klassisch“ darstellen oder variieren, wie man es eben situativ im Unterricht einer Klassenstufe braucht (wir haben in Bergstedt ein Eurythmieposter gemacht mit allen Buchstaben). Die Schüler lernen sich bei einer traurigen oder ernsten Geschichte mental in diese hineinzuversetzen und sie dann bewegend lautlich differenziert zu artikulieren.
Oder: Im Hauptunterricht einer fünften Klasse wird die Kulturgeschichte des alten Indien behandelt. Im Eurythmieunterricht gestalten wir dann ein entsprechendes Gedicht aus den Upanischaden.
man kann zur Unterstützung des Konzentrationsvermögens und des Selbstbewusstseins eurythmisch viel beitragen
Oder in der Pubertät wird von den Jugendlichen alles hinterfragt, neu entdeckt und eben auch ihre eigene Bewegungen. Man kann in diesem Alter zur Unterstützung des Konzentrationsvermögens und des Selbstbewusstseins eurythmisch viel beitragen, indem man sich einen zunehmend komplexen Bewegungskanon aufbaut und daran übt am Faden zu bleiben. Das alles sind Beispiele dafür, wie der Eurythmieunterricht die Entwicklung der Kinder und Jungendlichen und auch den sonstigen Unterricht mit Bewegung aufgreift und so mit andren Fächern korrespondiert.
Seit einigen Jahren mache ich phasenweise spezielle Übungen auf dem Boden, das gab es früher gar nicht. Hier sind ganz andere, Bewegungssequenzen möglich als im Stehen oder Gehen. Auf dem Boden kann man anders auf sich und sein Gleichgewicht achten, kann auf dem Rücken liegend anders auf seine Armbewegungen achten und auch spezielle Muskelpartien stärken (z.B. den Rücken, Schultern, Arme und Beine) und gleichzeitig andere bewusst entspannen. Das erscheint mir unter Anderem dafür geeignet, um mit dem Thema Angst umzugehen. Das Entspannen und Loslassen- Können ist im Stehen oder Gehen viel schwieriger als im Liegen und ein wesentliches Element eurythmischer Bewegung.
H. Duhme: Das ist etwas, was die Kinder heute mehr denn je brauchen: die Sicherheit des Bodens und die Erfahrung von vielfältiger Beweglichkeit. Neurologisch geht es dabei um die Stimulierung der Propriozeptoren. (Propriozeptoren gewährleisten die Wahrnehmung der Stellung und Bewegung des Körpers im Raum. Durch sie gelangen Informationen über Muskelspannung, Muskellänge, Gelenkstellung und Bewegung zum Kleinhirn und zum Cortex wo diese unbewusst verarbeitet werden. Aus: Wikipedia) Über die neurologischen Strukturen werden dem Gehirn Informationen gegeben über die Beziehung der Körperteile zueinander. Das bedeutet, dass im alltäglichen Tun des Kindes ein Sich- selbst- Begreifen geschieht, das ein Kind in gutem Sinn selbstbewusst werden lässt. Im Feldenkrais lässt man diese Erfahrung spürbar werden durch Langsamkeit oder auch durch eine vorgestellte Bewegung bei geschlossenen Augen. Die Nähe von Denken und Tun wird dadurch bewusst. Das ist für viele Menschen ein großer Lernschritt, bei dem sie auch ihr Selbstbild überprüfen und ändern können. Sie merken, dass die eigene Bewegungsentwicklung nicht mit dem abgeschlossen ist, was sie in der Kindheit Familie gelernt haben, sondern sie können jetzt etwas Eigenes finden und ausprobieren.
uns interessiert es, die Selbstheilungskräfte anzuregen
C. P.: Frau Duhme, wer kommt zu Ihnen und warum?
H. Duhme: Das ist verschieden bei Gruppen- und Einzelstunden. In die Einzelstunden kommen Menschen mit akuten Beschwerden, z. B. Schmerzen an Rücken, Schulter, Hüfte, Knie usw. Ihre Versuche mit anderen Verfahren sind oft schon gescheitert. Sie haben gehört, dass sie bei Feldenkrais die ihnen passend erscheinenden individuellen Möglichkeiten ausprobieren können, weil gerade das Ergebnisoffene, Absichtsfreie neue Lösungen zutage treten lässt. Ca 20% kommen, um ihre persönliche Entwicklung fortzusetzen.
In die Gruppe kommen Teilnehmer, die nicht so schwerwiegende Bewegungseinschränkungen haben und die für sich etwas Neues ausprobieren wollen, beispielsweise Stress bewältigen, sich sammeln, eine neue Beziehung zu sich selbst zu finden etc. Wir arbeiten nicht am Problem oder Symptom; uns interessiert es, die Selbstheilungskräfte anzuregen. Es wird mit alten Menschen, mit Kleinkindern und Kindern gearbeitet, auch solche mit ADHS-Störungen.
C. P.: Welche Beispiele lassen sich aus der Heileurythmie darstellen?
C. Hagemann: Ich schaue auf den ganzen Menschen: wie ist zum Beispiel das Verhältnis von oben – unten, innen – außen, gespannt – locker? Ist das jemand, der sehr in der Peripherie und außer sich lebt und nicht mehr in seiner Senkrechten, seinem äußeren oder inneren Lot ist? Da könnte man helfen, eine Grenze zu bilden: „Wo höre ich eigentlich auf?“ Oft lebt diese Fragestellung, die sich im Physischen zeigt, auch im Seelischen. In der Eurythmie gibt es Übungen, die dann unterstützen, dass sich ein Mensch zum Beispiel an seinen hinteren Raum anschließen kann, dann wird er nicht mehr so stark nach vorne aus sich rausgehen. Das kann man beispielsweise über den Laut „B“ machen: der gibt Hülle und bildet eine Grenze.
In der Heileurythmie arbeitet man mit einem Arzt zusammen. Als Heileurythmistin sehe ich besonders auf die Bewegungen eines Menschen und bemühe mich, dadurch zu einem Bild, zu einem Verständnis dafür zu kommen, welche Kraft- Dynamiken durch das Eurythmisieren bestimmter Laute anzuregen, zu aktivieren sind. Der Arzt stellt von der medizinischen Seite das, was sich in dem Krankheitsbild dieses individuellen Menschen ausspricht, dazu.
So dass von diesen beiden und zusammen mit dem Patienten daran gearbeitet wird, diese aus einem harmonischen Zusammenspiel der Lebenskräfte vereinseitigten Tendenzen, die sich noch als funktionelle Störung oder schon in einer manifesten Erkrankung zeigen, zu einem körperlichen und/oder seelischen Heilungsprozess zu führen.
C. P.: Zunächst basiert Feldenkrais auf einer geschulten, sorgsamen, gezielten Wahrnehmung. Steht außerdem ein bestimmtes Menschenbild dahinter?
„Wir handeln dem Bild nach, das wir uns von uns machen.“
H. Duhme: Der zentrale einleitende Satz in dem Standardbuch von Moshé Feldenkrais heißt: „Wir handeln dem Bild nach, das wir uns von uns machen.“ Und wir halten dieses Bild meistens für stabil. Wenn der Mensch dieses Bild stabil hält, wird er nur die Situationen aufsuchen, die ihm vertraut sind und sich von daher auf einen immer schmaleren Pfad begeben. Die Alternative ist, dass er aufsucht, welche Fähigkeiten er noch entwickeln kann und wer er außerdem noch ist. „The sky is open“, sagt meine Trainerin. Alles, was man bewegen kann, kann man auch bewusst bewegen, d. h. man kann es erforschen. Es beschreibt die Vielfalt dessen, was wir als Potential in uns tragen und was wir entfalten können. Dieses Erforschen verursacht eine tiefgreifende Veränderung des Selbstbildes und verbessert die Qualität der Gerichtetheit des Selbst.
Feldenkrais trennt nie das körperliche Ich vom Fühlen und Denken. Jeder wählt aus seinen Erfahrungen das für seine Denk- und Vorstellungswelt aus, was in ihm jetzt die stärkste Resonanz erzeugt.
M. Werner: In der Eurythmie und im anthroposophischen Verständnis begreift man den Menschen als ganzheitliches Wesen – so wie ich einige anregende Aspekte der Vielfältigkeit von Ihnen bei Feldenkrais gehört habe. Wir unterscheiden eine Körperlichkeit, eine seelische und auch geistige Verfasstheit und gehen in der Eurythmie davon aus, dass das alles miteinander kommuniziert, sich gegenseitig beeinflusst. Körperlichkeit wird ebenfalls nicht isoliert für sich betrachtet, sondern kontextbezogen, wie er mit dem inneren Selbstbild, Empfinden, Erleben, Begreifen-können zusammenhängt. Eurythmisten können daher dazu beitragen, diese verschiedenen Dimensionen zu erfassen und damit zu gestalten.
In unserem derzeitigen Finanzsystem ist Geld zur Ware geworden. Es ist nicht mehr ein Gegenwert für reale Güter, sondern wird selbst als Gut betrachtet und hat so einen Markt produziert. Die Fixierung auf das Geld hat zur Aufblähung der Finanzmärkte geführt, die mit Devisen, Krediten und Schulden Handel betreiben. Diese Blase ist geplatzt, mit immer größeren Folgen für die reale Wirtschaft.
Wie kann man Entschuldungen großen Stils einleiten, damit in der Wirtschaft wieder Produktivkräfte frei gesetzt werden können? Wie muss die strategische Rolle der Banken neu bestimmt werden? Wie kann man zu neuen Einsichten gelangen, damit in der Volkswirtschaft nicht weiterhin mit dem gleichen Egoismus wie in der Betriebswirtschaft gehandelt wird? Diese und weitere Themen werden im folgenden Interview behandelt. Weiterlesen „Die Finanzkrise als Bewusstseinskrise“
Auszüge aus dem Buch von Kai Ehlers, Hamburger Autor und Russlandforscher
„In einer Zeit, in der Ratlosigkeit in der Welt um sich greift, wird es immer wichtiger, nach Kräften Ausschau zu halten, die Zukunft bilden können. Lassen sich solche Kräfte allen Ängsten, Warnungen und Kritiken zum Trotz im heutigen Russland entdecken?“ Mit diesem Anliegen erforscht Kai Ehlers die Situation Russlands, durch Reisen und vor allem Gespräche mit den Menschen, die dort leben. Sein Gesprächspartner in diesem Buch ist der Russe Jefim Berschin, ein Zeitzeuge der sowjetischen Wandlungen der letzten Jahrzehnte. Beide führen in einer Etagenwohnung in einem Moskauer Vorort Dialoge über die nachsowjetische Ära, über Grundmotive russischer Mentalität, Geschichte und Kultur und über die geografische und politische Entwicklung Russlands. Diese Gespräche, sowie ein Briefwechsel und Artikel von Kai Ehlers sind in dem Buch „Russland – Herzschlag einer Weltmacht“ veröffentlicht und geben intime Einblicke in die russische Seele und das Leben in dieser Region.
Auf den folgenden Seiten sind einige Leseproben, unter jeweiligen Überschriften, abgedruckt. Weiterlesen „„Russland – Herzschlag einer Weltmacht““
Interview über Sexualkundeunterricht mit Dr. med. Christine Klemm, Simone Hoffmann, Dr. med. Jost Deerberg
In unserer aufgeklärten Kultur werden wir von den Medien mit Informationen zum Thema Sexualität überhäuft, aber die Frage ist: Wie lebensgemäß sind diese für junge Menschen? Gerade weil es so viele Vorlagen gibt, ist es schwer, das angemessene Wissen für sich zu finden und die Intimsphäre selbst zu gestalten.
Die drei ÄrztInnen geben Unterricht, zu zweit oder alleine, in Beziehungs- und Sexualkunde in einigen Waldorfschulen. Immer wieder wird die Bitte an die drei ÄrztInnen herangetragen, Themen aus dem Umkreis der Sexualität im Unterricht zu vertreten. Dabei geht es nicht nur um sachliche Informationen, sondern auch darum, die Schüler und Schülerinnen auf ihrem Weg in eine individuelle Intimsphäre zu unterstützen.
Interviewpartner:
Dr. med. Christine Klemm, geb. 1971, Ärztin, derzeit in Elternzeit, ehem. Waldorfschülerin, 3 Kinder; arbeitet in der Hamburger Beratungsstelle der „Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD)“; beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Sexualität und gibt seit 3 Jahren dazu in den Waldorfschulen Unterricht; seit 10 Jahren u.a. Dozentin für Gynäkologie in der Ausbildung für Physiotherapie.
Simone Hoffmann, Ärztin, geb. 1974, 2 Kinder. Autorin und Medizinjournalistin, jetzt halbtags Frauenärztin in der Praxisklinik Barmbek (konventionelle und anthroposophisch erweiterte Medizin). Außerdem Wissenschaftlerin am Institut für Sexualwissenschaft, UKE. Unterricht in Rudolf Steiner Schulen zum Thema Sexualität, Weiblichkeit, Schwangerschaft und Geburt.
Dr. med. Jost Christian Deerberg, geb. 1969, 1 Kind und zwei Zweittöchter, seit 2005 niedergelassener Kinderarzt in privater Praxis in Altona/Ottensen. Ebenfalls seit 2005 Schul- und Kindergartenarzt in den Rudolf-Steiner Schulen Altona und Wandsbek. Dozent in der berufsbegleitenden Ausbildung zum Heilpädagogen. Vortragstätigkeit.
Christine Pflug: Von wem werden Sie eingeladen, und wie gestaltet sich der äußere Rahmen Ihres Unterrichtes?
Simone Hoffmann: Bisher verläuft das noch ungeordnet. Wir arbeiten zur Zeit an einem Vorschlag für ein Konzept – denn bisher ist das Thema „Sexualität“ an den Waldorfschulen nicht verankert. Irgendwo entsteht der Bedarf an professioneller Aufklärungsarbeit in einer Klasse. Und dann werden wir angesprochen. Je nach Fragestellung kommen wir dann zu zweit oder auch alleine.
Dr. med. Jost Christian Deerberg: Der Ablauf ist normalerweise so, dass von Lehrer, Eltern oder Schülern der Impuls ausgeht, bestimmte Aspekte der Sexualität zu thematisieren. Dann werden wir als Ärzte angesprochen. Meistens findet zunächst ein Elternabend statt, dann wird der Unterricht geplant. Mehr als 2 – 4 Unterrichtsstunden haben wir leider selten.
Simone Hoffmann: Wenn wir dann als Mann und Frau in den Unterricht kommen, können wir uns aufteilen: Zuerst schauen wir uns gemeinsam das Allgemeine an, und dann trennen wir nach Jungen und Mädchen, um spezielle Fragen zu besprechen, die dann oft auch sehr schnell persönlich und individuell werden. Ich bin nicht dafür, so etwas wie den weiblichen Zyklus nur mit den Mädchen zu besprechen: Das geht alle etwas an. Aber die Qualität, die Gespräche bekommen, die Dringlichkeiten, sind anders, wenn man nur die Jungs oder nur die Mädchen unterrichtet.
der Umgang mit den sich verändernden Körpern ist eine echte Herausforderung
C. P.: Warum werden Sie in eine Klasse gerufen?
Dr. med. Christine Klemm: Von den Eltern kommen Fragen über das soziale Miteinander zwischen Mädchen und Jungen in der Pubertät, aber auch Konkurrenzsituationen von Mädchen untereinander werden mit Sorge gesehen. Der Umgang mit den sich verändernden Körpern ist eine echte Herausforderung; manchen Jugendlichen gelingt das gut und sie wirken sehr souverän, für andere wiederum ist dies (noch) gar kein Thema, einigen fällt es sichtlich schwer. Möglicherweise sorgen sich besonders Mädcheneltern um sich entwickelnde Magersucht.
J. Deerberg: Werden wir „gerufen“, geht es im Prinzip um sexuelle Aufklärung. Einmal wurde ich beispielsweise vor der Klassenreise der 8. Klasse, also für Schüler im Alter von 14 – 15 Jahren, gebeten noch schnell den Schülern zu erklären, wie „gefährlich“ sexueller Kontakt ist, d. h. dass Sex zu Schwangerschaften führen kann und wie man verhüten soll. Das war vor allem ein Anliegen der Eltern.
C. P.: Welche Fragen stellen Ihnen die Schülerinnen und Schüler?
C. Klemm: Sie haben Fragen zu vielen Themen: Schwangerschaft und Geburt; HIV, Verhütung, warum Zwillinge gleich aussehen, ob sie an verschiedenen Tagen geboren werden können etc. Es werden manchmal sensationelle oder auch verrückte Sachen gefragt – einfach, weil jemand Kompetentes da ist, der das beantworten kann. Das Interesse an der Entwicklung menschlichen Lebens ist riesengroß.
J. Deerberg: Angst ist ein großes Thema, z.B. die Angst vor einer Schwangerschaft (die ja meistens erstmal die Angst der Eltern ist). Da stößt man gleich auf ein Paradoxon, mit dem wir es zu tun haben: Wir sprechen von etwas Wunderschönem, von dem wir alle abstammen und was elementar wichtig ist und auf der anderen Seite mit großen Ängsten belegt ist.
S. Hoffmann: Solche Ängste sind ja einerseits traurig, aber eben auch berechtigt. Ich erlebe in meiner Praxis monatlich zwei bis vier unter 15 Jahre alte Mädchen, die schwanger sind. Und eigentlich alle entscheiden sich für einen Schwangerschaftsabbruch. Früh ausgelebte Sexualität ist in unserer Zeit sehr präsent – aber die mögliche Folge, nämlich als Jugendliche Mutter zu werden, ist in unserer Gesellschaft ein großes Stigma, das vom Umfeld in der Regel nicht getragen wird. Die vielen Teenagerschwangerschaften machen auch deutlich, dass übliche Aufklärungsmedien, z. B. die „Bravo“, auch viele Elternhäuser, entscheidende Dinge oft nicht vermitteln können.
Sicherheit auf Rezept statt Vertrauen und Information
Ich erlebe in meiner Mädchensprechstunde viele Mütter, die mit ihrer Tochter nach dem 13. Geburtstag zum Frauenarzt geben, um ihr die Pille verschreiben lassen, egal ob die Tochter überhaupt schon sexuelle Kontakte hat. Also: Sicherheit auf Rezept statt Vertrauen und Information. Das halte ich auch für dramatisch und einen wichtigen Grund für unseren Unterricht.
C. P.: Sind die Schüler der 8. Klasse nicht aufgeklärt?
die Zahl der Teenagerschwangerschaften steigt stark an
Dr. Christine Klemm: Sie sind technisch aufgeklärt darüber, wie es zur Schwangerschaft kommt. Das reicht aber nicht immer, um im konkreten Fall das theoretische Wissen über Verhütung in die Tat umzusetzen – schließlich geht es ja bei einer ersten intimen Begegnung um besonders aufregende Empfindungen und nicht in erster Linie um einen technischen Vorgang. Gerade weil Sexualität in den Medien eine so große Rolle spielt, haben Jugendliche (und Erwachsene oft nicht anders!) ein Gefühl, wie „es sein muss“, und das ist eine Belastung. Die Verhütung macht alles noch komplizierter, und trotzdem sind es nur 12% der Mädchen und 15% der Jungen, die beim ersten Mal gar nicht verhüten (BZgA, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung). Die meisten Jugendlichen gehen verantwortungsbewusst mit ihrer Sexualität um, doch steigt die Zahl der Teenagerschwangerschaften laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA stark an.
J. Deerberg: Die Schüler kennen alles – wirklich alles – über die sogenannte Straßenaufklärung. Das geht von Mund zu Mund. Sie kennen jedes Jargonwort, aber haben kein inneres Erleben von dem sie sprechen, und es verschafft ihnen auch keinen Zugang zur Sexualität. Noch weniger verschafft es ihnen einen Zugang zu Partnerschaft und Beziehung … . Meistens sind die Kinder und Jugendlichen noch nicht von einer kompetenten Person „aufgeklärt worden“, also ohne Hemmungen mit diesem Thema konfrontiert worden – und dieses Thema ist eben viel größer – als „nur“ Sexualität.
C. P.: Auf welchem Wertehintergund sehen nach Ihrer Wahrnehmung die Jugendlichen das Thema Sexualität und Schwangerschaft?
J. Deerberg: Die letzte Shell-Studie von 2006 besagt, dass die Werte der Jugend sehr moralisch, bis hin zu konservativ sind: Wenn man zum ersten Mal mit jemand schläft, will man ihn lieben und mit ihm in einer guten und festen Beziehung stehen.
C. Klemm: Wenn man sie fragt, wollen sie später fast alle Kinder haben. Doch besonders für Frauen scheint dieser Wunsch nach Ausbildung und ersten Berufsjahren nicht so einfach zu verwirklichen zu sein – ein Fünftel der heute 40-49jährigen Frauen hat keine Kinder, bei Akademikerinnen in Westdeutschland sind es sogar 42%. Es passiert da also etwas auf dem Weg in die Erwachsenenzeit. Mir ist wichtig, Aufklärung so zu vermitteln, dass sie einerseits vor ungewollten Schwangerschaften bewahrt. Andererseits ist es schade, wenn sie so ins Blut übergeht, dass dann auch später Kinder eher als Gefahr, nicht als Bereicherung für die Biographie erlebt werden und der Mut sinkt, Elternschaft und die individuelle Entwicklung miteinander vereinen zu können. Die Frage ist doch: Wie kann ich selbst gestalten, wann, mit wem und unter welchen Umständen ich Kinder bekommen will?
S. Hoffmann: Genau. Und dazu gehört auch, zu vermitteln, dass Kinder bekommen ein Geheimnis ist, dass man nur bedingt planen kann. Jedes siebte Paar bleibt ungewollt kinderlos. Heute ist nur jede dritte Schwangerschaft, die in Deutschland entsteht, geplant. Kinder kann man nicht „machen“ – das ist vielen nicht bewusst.
C. P.: Ist Ihr Unterricht offiziell im Lehrplan enthalten?
nur 24 % der Männer vor dem 25 Lebensjahr ziehen aus dem Elternhaus aus
J. Deerberg: Es geht uns momentan darum, dass für jede Schule ein Konzept erarbeitet wird, bei dem die Lehrer dahinter stehen, mit der Unterstützung der Eltern. Aber es gibt noch kein allgemeines Konzept, wir schaffen mit unserer Unterrichtspraxis die Anfänge eines Bewusstseinsprozesses, der alle betrifft: Lehrer, Eltern und Schüler. Unser Unterricht ist häufig in die Biologie- und Menschenkundeepochen integriert. Meine Meinung ist, den Unterricht nicht „Sexualkunde“ zu nennen, sondern „Beziehungskunde“. Sexualität ist ein spezielles Phänomen der Beziehung zwischen zwei Menschen. Man muss mit den jungen Menschen ganz stark an der Beziehungsseite lernen und üben. So fordert, wie eben schon einmal erwähnt, Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, der Soziologe in Bielefeld, eine Lebenskunde an Schulen. Prof. Hurrelmann bezieht sich auf die Tatsache, daß nur 24 % der Männer vor dem 25 Lebensjahr aus dem Elternhaus ausziehen!!
C. P.: Wie wird der Sexualkundeunterricht an Staatschulen gemacht?
S. Hoffmann: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stellt Material zur Aufklärung zur Verfügung, das man sich im Internet bestellen kann. Das am häufigsten verwendete Instrument ist der sog. Verhütungskoffer, in dem verschiedenste Verhütungsmittel enthalten sind. Beispielsweise gibt es darin Kondome, und jeder darf dann mal ein Kondom aufrollen über einen Holzstab. Das ist auch nicht verkehrt, und die Schüler sind trotz Gekicher froh, das einmal erklärt zu bekommen. Aus meiner Praxis weiß ich, dass viele das nicht wissen.
Das Wissen ist zwar zugänglich, aber es wird sehr selektiv wahrgenommen
C. P.: Es ist doch erstaunlich, was in unserer mit Informationen beladenen Welt alles nicht gewusst wird!?
S. Hoffmann: Das sind Punkte, die können einem regelrecht weh tun: Das Wissen ist zwar zugänglich, aber es wird sehr selektiv wahrgenommen. Was fast alle Leute – jung wie alt – wissen z. B., wie häufig Männer und Frauen miteinander schlafen, wie alt man im Durchschnitt beim ersten Mal ist, wie man sich richtig die Schamhaare rasiert usw. Diese „Leistungsmerkmale“ werden stark wahrgenommen und sind auch präsent – aber denen entspricht kaum ein Jugendlicher und auch kein Erwachsener.
Deshalb frage ich mich, ob man unseren Unterricht nicht doch Sexualkunde nennen muss: Beziehung ist ein großes Thema und wird auch im Deutschunterricht usw. behandelt. Aber da gibt es bisher einen Bruch: Ein pädagogischer Zugang über diese bestimmte Beziehung, die wir „Sexualität“ nennen und die für Biographien zentral ist – z. B. gäbe es uns nicht, wenn unsere Eltern diese bestimmte Beziehung nicht vor Jahren eingegangen wären –, wird bisher kaum als schulische Aufgabe angenommen.
J. Deerberg: Mein Anliegen ist, dass man dieses Thema – und jetzt zitiere ich Christian Breme – nicht von „unten nach oben“, sondern von „oben nach unten“ vermittelt. Von unten nach oben wäre, dass man auf der technischen Ebene von Sexualität schaut, wie die Mechanik und die Biologie funktioniert und wie man auf dieser Ebene verhüten kann. So arbeitet hauptsächlich Pro Familia; sie verlieren den Beziehungsaspekt nicht aus dem Blick, aber der Schwerpunkt liegt auf den Techniken und auf dem Vermitteln von Wissen. Es gibt Studien darüber, dass nach 30 Jahren Aufklärungsunterricht in Deutschland, also nach den 70-er Jahren das Wissen der Jugendlichen danach stagnierte: 20% haben ein abrufbares Wissen und die restlichen 80% wissen immer noch nicht, wann eine Frau fruchtbar ist, wie man Kinder gebärt etc. Deshalb finde ich, dass dieses Prinzip „von oben nach unten“ bei dem Thema „Beziehung“ beginnt und dann zu dem Spezialfeld Sexualität kommt.
Wenn wir in die Schulen kommen, ist das frühestens in der 5. Klasse, also bei 11-jährigen, und die Schüler sind mit einer erwachenden Sexualität konfrontiert. Auch in der 8. Klasse haben die meisten noch keine sexuellen Erfahrungen. Man ist also immer noch in dem Bereich: Wie kommt es überhaupt zu so einer Begegnung? Erst wenn das im Ansatz geklärt ist und z. B. die Besonderheiten von Frau und Mann, auch im Seelischen, angesprochen sind und ein Staunen im Raum entstanden ist, lassen sich die Details begründet über Anatomie, Physiologie, wie z.B. den weiblichen Zyklus und Hormone vermitteln.
C. P.: Wir haben in den letzten Jahrzehnten enorme Umschwünge in den moralischen Werten in Bezug auf Sexualität erlebt. Noch bis in die Nachkriegszeit bekam man als Mädchen von den Eltern vermittelt, man müsse als Jungfrau in die Ehe gehen, ab den 68-ern gab es dann Parolen wie „Wer zweimal mit der Selben pennt, gehört schon zum Establishment“. Ab den 80-ern tauchte AIDS auf, und dieser liberale Umgang wurde eingeschränkt, aus Angst vor Ansteckung. Wie kommen die Jugendlichen heute zu ihren Werten?
Die SchülerInnen haben einen inneren Zugang zu dem, was falsch oder richtig sein könnte
S. Hoffmann: Ich habe eine Situation erlebt, die mich sehr berührt hat. In der 12. Klasse habe ich über verschiedene Arten, geboren zu werden erzählt, auch darüber, wie Kinder mit einem geplanten Kaiserschnitt zur Welt kommen. Es ging dann schnell um die Frage: Wer legt dafür eigentlich den Termin fest? Es hat die Schüler sehr bewegt und empört, dass ein Krankenhaus so einen Termin einfach nach organisatorischen Gesichtspunkten plant, anstatt danach zu fragen: Wann ist eigentlich für dieses Kind der richtige Moment, um geboren zu werden? In solchen Momenten spürt man: Die SchülerInnen haben einen inneren Zugang zu dem, was falsch oder richtig sein könnte. In solchen Momenten werden dann auch Werte formuliert, die etwas ganz Großes haben und weit über die eigentlich besprochene Situation hinaus gehen. Es geht nicht um Werte wie „kein Sex vor der Ehe“, sondern darum, was Liebe ist, was Menschsein bedeutet und wie man dies mit Leben füllen kann. Und natürlich geht man aus solchen Unterrichtsstunden ganz anders heraus, als man hinein gegangen ist: sehr dankbar, sehr beglückt. Denn diese Sicherheit muss man sich ja sonst immer wieder erarbeiten – und hier kriegt man sie einfach geschenkt.
J. Deerberg: Die Statistiken besagen, auch bei den Erwachsenen, dass die Deutschen immer die Familie an erste Stelle setzen. Das sind die gleichen Deutschen, die sich dann zu 50% scheiden lassen. Darin steckt schon die Antwort: Die Jugendlichen spüren diese Ideale immer mehr, aber nicht weil sie gegeben sind, sondern weil sie fehlen. So wie wir uns nach Familie sehnen, nach Sicherheit, Geborgenheit und Liebe, aber keiner weiß, wie man das erreichen kann – wir müssen das Feld vollständig neu entwickeln.
In den 68-ern wollte man sich von dem Muff der Traditionen befreien. Es wäre schön, wenn man den Jugendlichen heute dabei helfen könnte, aus ihren Idealen heraus ihren Lebensweg zu finden und nicht dem Druck zu erliegen, dass man beispielsweise mit 15 Jahren entjungfert sein muss. Heute stehen wir kulturell mit der Sexualität in einem Gleichmaß zwischen Euphorie und Depression – die sexuelle Revolution der 68’er ist vorbei und die Panik vor AIDS ist abgeflaut und einer nüchternen Betrachtung der Gefahren gewichen. Und somit haben wir die Möglichkeit einen eigenen Weg zu finden.
C. P.: Was ist Ihnen selbst ein Anliegen in Ihrem Unterricht?
S. Hoffmann: Als ich nach einem zentralen Bild gesucht habe, was mir für diesen Unterricht wichtig ist, fielen mir die 12- bis 14-jährigen Mädchen ein, die von ihren Müttern zur Frauenärztin gebracht werden. Normalerweise – ich handhabe das etwas anders – kommt dann gleich die erste gynäkologische Untersuchung und dann das Pillenrezept. Ab dann werden sie alle 6 Monate zur „Kontrolle“ einbestellt. Es entsteht eine Selbstverständlichkeit, dass die Sexualität, die Fruchtbarkeit und die intimen weiblichen Organe pharmakologisch – also durch die Pille – reguliert werden müssen, dass sie kontrollbedürftig sind und immer wieder von Ärzten unter die Lupe genommen werden müssen.
Dem möchte ich rechtzeitig etwas entgegen setzen: Freude und Sicherheit mit dem eigenen Körper, Langsamkeit und Entdeckerfreude in intimen Beziehungen. Wissen, auf das man vertrauen kann, statt Gefahren, die drohen. Genug innere Wachheit, um im Guten miteinander zu schlafen…
C. Klemm: Die Jugendlichen sind in diesen Momenten, das eigene Leben zu gestalten, sehr alleine. Es gibt so viele Freiheiten und man weiß nicht wohin. Der Ansatz der Feministinnen, sich mit dem eigenen Körper auszukennen und ein Wissen über ihn zu haben, ist heute verloren. Es geht nicht mehr darum, den eigenen Körper kennen zu lernen, um mit ihm als Werkzeug, so wie er eben ist, das Leben zu gestalten und auch anderen Menschen zu begegnen bis hin zur Sexualität. Im Gegenteil sieht es für viele junge Menschen heute eher so aus, dass der Körper, so wie er ist, korrigierungsbedürftig ist, eben nach den Vorlagen aus Film, Fernsehen, Zeitschriften, Internet. Jeden Tag in der Hamburger U-Bahn kann man Werbung dafür sehen, den Körper der jeweils aktuellen Norm entsprechend zu verändern, von der Komplettkörperenthaarung bis hin zur Chirurgie der weiblichen Geschlechtsorgane (z.B. Beschneiden der inneren Schamlippen, die oft unterschiedlich „lang“ sind). Die Hochachtung vor dem Körper als „Tempel Gottes“ und damit die Sicherheit, richtig zu sein, so wie man ist, ist vielen Menschen ganz verloren gegangen. Wir leben in einer sehr visuell betonten Kultur. Gerade in der Sexualität geht es aber auch um andere, letztlich um alle Sinne, nicht nur darum „wie sieht es, wie sehe ich, aus?“
die Fixierung auf das Visuelle und der Wunsch, körperlich Normen zu entsprechen, will ich mit den Schülern gemeinsam kritisch ansehen
Als Menschen machen wir die Reise der Menschheitsentwicklung im Kleinen noch einmal. In der Pubertät wird die Begegnung dringend gesucht, als erwachendes Weltinteresse und natürlich auch mit anderen Menschen, auch mit dem anderen Geschlecht. So gibt Rudolf Steiner für dieses Lebensalter z. B. an, dass ein spannender Unterricht, der die Lust der Jugendlichen auf die Welt weiter fördert und befriedigt, vor zu starkem und zu frühen Eintauchen in das erotische Erleben bewahren kann. Für den Lebensweg, für Arbeit und für die Begegnung mit anderen Menschen brauchen wir alle Sinne, nicht nur das Auge. Das „Wie sehe ich aus?“ und die Konzentration auf alles Visuelle ist heute für viele Menschen eine echte Hürde, die Welt und andere Menschen auch mit anderen Sinnen zu begegnen und dadurch eine umfassendere und tief befriedigende Empfindung zu bekommen, sei es in der Sexualität, in Beziehungen, bei der Arbeit etc…. Für den „Sexualkunde“- oder Lebenskundeunterricht halte ich es daher für wichtig, die Fixierung auf das Visuelle und den Wunsch, körperlich Normen zu entsprechen, mit den Schülern gemeinsam kritisch anzusehen.
Die Schüler sind dann oft sehr offen für das Wunderbare, das sich auch im Körperlichen des Menschen, in der Entwicklung zeigt.
J. Deerberg: Mir ist ein Anliegen eine Stimmung zu schaffen, die den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gibt mit ganz neuen Augen auf dieses Thema menschlicher Beziehungen zu schauen: So könnte – ein Gedanke von Henning Köhler aufgegriffen – der oben erwähnte Bewusstseinsprozeß dazu führen, Sexualität und Liebe als eine Kraft zu erleben, die zwei Menschen miteinander verbindet, die sie erfahren dürfen, die sie teilen – und jetzt kommt das Neue: durch welche sie sich selbst ein Stück näherkommen, d. h. ihrem wahren Ich! Das ist ein revolutionärer Gedanke, den Henning Köhler etwa so formuliert: „Du bist das Subjekt meiner Liebe“ – und nicht das Objekt – und ich ergänze!
Literatur:
Simone Hoffmann: Verhütung, Zyklus, Kinderwunsch; Knauer, Mens sana 2007. 6,95 im Buchhandel
Bart Maris Buch über Sexualkunde in der Waldpädagogik; Hrsg. Bart Maris/ Michael Zech: 1. Aufl. 2006 in Edition Waldorfschulen
Henning Köhler: „Eros als Qualität des Verstehens – über das erotische Erwachen im Jugendalter und den gemeinsamen Ursprung von Kreativität und Zärtlichkeit“ FIU-Verlag 1998
Christian Breme: siehe die Homepage von C. Breme unter www.ikaros.cc.
Merkblätter zur Pille etc. unter www.gaed.de und genau unter www.gaed.de/fileadmin/gaad/PDF/Aktuelles/Merkbl%C3%A4tter/Merkblatt-Pille.pdf
Prof. Dr. Klaus Hurrelmann: Hamburger Abendblatt vom 3.1.2009:
Shell Jugendstudie 2006 im Fischer Taschenbuch Verlag oder unter www.shell.de/jugendstudie
Dr. Jan Uhlmann: Kleiner Fahrplan für Pioniere und Menschen, die ihre Einrichtung voranbringen wollen
Artikel von Dr. Jan Uhlmann
Wer hat nicht schon davon geträumt, sich allein oder mit anderen gemeinsam selbständig zu machen, eine Einrichtung, ein Unternehmen oder ein Institut ganz nach den eigenen Vorstellungen zu gründen? Manchen gelingt es, andere scheitern, die Dritten fangen erst gar nicht an. Warum sind manche Bemühungen von Erfolg gekrönt? Warum verschwinden Gründungsimpulse wieder ganz von der Bildfläche? Entscheidend sind nicht nur Idee und Tatkraft der Gründer sondern auch die Art und Weise, wie sich der Impuls in die Welt einlebt, die Resonanz, das Mittun der anderen: Mitstreiter, Kunden, Nutzer. Weiterlesen „Initiativ werden, gründen und entwickeln I und II“
Zusammenfassung eines Vortrages von Dr. med. Olaf Koob
Angst ist ein Gefühl, das heute in unserer westlichen Kultur in verschiedenen Bereichen auftaucht. Sie kann gesellschaftliche oder persönliche Ursachenhaben. Die Anlässe sind vielschichtig: politische Ereignisse und die Auseinandersetzung mit Zerstörung können Auslöser sein. Oft steht das Ohnmachtsgefühl dahinter, die Dinge nicht mehr in den Griff zu bekommen, und letztlich gibt es auch leibliche Ursachen für die Angst.
Scham gehört in polarer Weise zur Angst dazu. Scham entsteht, wenn der Mensch zu einer Individualität wird und aus der Harmonie mit den anderen heraustritt. Angst und Scham können in einer pathologischen und in einer gesunden Funktion auftreten.
In der Auseinandersetzung mit der Angst kann und soll der Mensch das Böse, „die Widersachermächte“, verwandeln. Das ist die Signatur für die der Zukunft und die eigentliche Aufgabe der Angst. Weiterlesen „„Angst und Scham – zur Psychopathologie der Gegenwart““
Interview mit Dennis Pauschinger, ehemaliger Waldorfschüler
Was macht ein junger Mensch nach dem Abitur? Vor allem, wenn er mit viel Idealismus anderen Menschen helfen will … . Dennis Pauschinger ging in das Armenviertel Monte Azul, am Rande von São Paulo in Brasilien. Dort leistet die Associação Comunitária Monte Azul, gegründet von Ute Craemer, schon seit über 25 Jahren Sozialarbeit. Der ehemalige Hamburger Waldorfschüler hatte zunächst etliche Bewährungsproben inmitten der sozialen Probleme der Favelas zu bestehen. Begeistert berichtet er von der lebendigen und immer wieder neu sich erschaffenden „sozialen Plastik“ Monte Azul, wo Menschen trotz schwieriger Bedingungen mit Heiterkeit und Lebensfreude an ihrem Projekt arbeiten. Weiterlesen „Die Favela Monte Azul“
„Jede Persönlichkeit repräsentiert eine geistige Potenz, eine Summe von Kräften, die nach der Möglickeit zu wirken suchen. Jedermann muss deshalb den Platz finden, wo sich sein Wirken in der zweckmäßigsten Weise in seinen Volksorganismus eingliedern kann. Es darf nicht dem Zufalle überlassen bleiben, ob er diesen Platz findet. Die Staatsverfassung hat keinen anderen Zweck, als dafür zu sorgen, dass jeder einen angemessenen Wirkungskreis findet“ (Rudolf Steiner GA 1, tb S. 209).Weiterlesen „Die Zukunft der Arbeit“
Gespräch mit Engelbert Fischer, Pfarrer der Christengemeinschaft und Jürgen Wisch, evangelischer Pastor
Der Frühling kommt und es naht der Wonnemonat Mai – traditionell eine Zeit, in der Paare heiraten. Aber warum sollte man das tun? Oder warum kann man es tun? … zumal heute eine bunte Palette an Lebensformen zwischen Partnern möglich ist.
Trotzdem haben Menschen immer wieder den Wunsch – mehr oder weniger klar – ihrer Partnerschaft eine religiöse Dimension hinzuzufügen.
Wie ist diese spirituelle Tat einer Eheschließung zu sehen? Welche Möglichkeiten gibt es dafür? Wie streng sollte man das handhaben oder wie weit den aktuellen Verhältnissen entgegen kommen? In welchem Kontext steht die Ehe als Sakrament in der Christengemeinschaft oder als Kasualie – Kirche bei Gelegenheit – in der evangelischen Landeskirche? Das alles sind bewegende Fragen, nicht nur für Frau und Mann, sondern auch für die Kirchen und die Pfarrer selbst. Weiterlesen „DER HINWEIS-DIALOG: Ehe – mit Ritualen, Segen oder Sakrament? Teil I und II“
Interview mit Joachim Bauck, Landwirt und Sprecher der Bäuerlichen Gesellschaft
In den letzten Jahren, besonders nach der BSE-Krise, sind wir Verbraucher mit dem Kauf unserer Lebensmittel bewusster geworden. Der Umsatz von Bio-Ware im Handel ist in den letzten Jahren um ca. 15% gestiegen. Bis 2007 waren die EU-Kontrollkriterien für Bio-Ware relativ lasch, d. h. es durften konventionelle Stoffe dazu gemischt werden. Ab diesem Jahr gelten strengere Richtlinien – erfreulicherweise. „Es ist uns durch eine sehr intensive Arbeit gelungen, dass bei den EU-Richtlinien das Niveau geblieben ist und zum Teil hat es sich noch gebessert“, so Joachim Bauck.
Dennoch gibt es in dem Bio-Bereich weiterhin qualitative Unterschiede. Die Landwirte gehen gemäß ihrem unterschiedlichen Hintergrund mit ihrem Hof und der Natur anders um. Das wirkt sich auf die Produkte und Lebensmittel aus. Weiterlesen „Von Nahrungsmitteln zu Lebensmitteln“
Hamburger Waldorfschüler und Istanbuler Gymnasiasten im Austausch
Haben die Deutschen Vorurteile gegenüber den Türken? Falls dem so ist, konnten über 450 Schüler der Rudolf Steiner Schule Bergstedt diese ausräumen. Und inzwischen sind sie alle begeistert, die deutschen und die türkischen Schüler.
Im Sommer 2006 waren ca. 150 Mittelstufenschülerinnen und Schüler eines deutschsprachigen Gymnasiums in Istanbul (Istanbul Erkek Lisesi) und der Rudolf-Steiner-Schule Hamburg-Bergstedt an einem Schüleraustausch beteiligt.
Dieses Jahr war dann die Oberstufe an der Reihe: im Rahmen der Vermessungsepoche flog die 10. Klasse – inzwischen 11. Klasse – im Mai nach Istanbul. Gemeinsam mit 30 gleichaltrigen Mitschülern des naturwissenschaftlich orientierten Gymnasiums ‚Istanbul Lisesi’ vermaßen sie das Geländes der Istanbuler Technischen Universität. Jetzt im September fand dann der Gegenbesuch der Istanbuler statt.
Ich traf die Schüler im Thalia Theater bei den Proben für das Stück „Nathan der Weise“, was auch ein Teil des gemeinsamen Programms ist. Weiterlesen „Deutsch-türkische Begegnungen“
Unterstützung für Menschen in Schwangerschaften – die Novalis-Stiftung von 2001
Interview mit Anna von Oertzen, Barbara Herling, Tobias Langer
Immer wieder kommen Schwangere und ihre Partner in seelische oder wirtschaftliche Notsituationen. In den Räumen der Novalis Stiftung von 2001 können sie Hilfe erhalten. Die Mitarbeiter unterstützen mit Beratungsgesprächen. Hat sich die schwangere Frau für das Kind entschieden, wird sie von einer „Patin“ begleitet. Auch wirtschaftliche Hilfen oder Vermittlung zu anderen Institutionen, Kurse, Publikationen sorgen dafür, dass das ungeborene Kind und die Mutter entlastet werden und dass ein gesellschaftliches Milieu entsteht, in dem Kinder willkommen sind. Weiterlesen „„Wo Kinder sind, da ist ein goldenes Zeitalter““
Interview über Jungenpädagogik mit Ulrich Meier, Pfarrer der Christengemeinschaft
„Jungen brauchen eine andere Pädagogik als Mädchen“ – diese Erkenntnis wird in den letzten Jahren immer populärer. Etwa seit 1990 ist bemerkt worden, dass Jungen in ihrer Kindheit und Jugend nicht nur mehr Schwierigkeiten machen, sondern sie auch haben. Alle Störungen, die ein Kind in der Zeit des Heranwachsens haben kann, sind bei Jungen bis zu zehnmal häufiger vertreten als bei Mädchen – was Eltern und Pädagogen häufig an den Rand ihrer Fähigkeiten bringt. Doch wie fasst man Jungen anders an? Was steckt dahinter, wenn sie cool, aggressiv, beängstigend sind? Welche Orientierung können sie heute bekommen durch die Welt der erwachsenen Männer, die ebenfalls in einem Umbruch ist? Weiterlesen „Junge sein und Mann werden – Abenteuer oder Katastrophe? (Teil I und II)“
Rupert Neudeck in Hamburger Rudolf Steiner Schulen
Wer hat nicht schon von ihm gehört – von Rupert Neudeck und von dem Schiff Cap Anamur, mit dem er vor mehr als 25 Jahren die vietnamesischen Flüchtlinge rettete? Immer wieder berichtete Rupert Neudeck als Journalist aus den schlimmsten Krisengebieten dieser Welt. 2003 gründete er die GRÜNHELME e.V.: Junge Menschen gehen in Länder der dritten Welt, „da, wo die Arbeit getan wird“.
Ende September hatte der Nienstedter Waldorflehrer Dominique Zeylmans van Emmichoven Herrn Neudeck eingeladen für die Schüler in die Rudolf Steiner Schulen nach Nienstedten und Altona sowie für das öffentliche Publikum zu einem Abendvortrag. „Mut“, so Herr Zeylmans, „das ist es, was die Schüler von Herrn Neudeck lernen können.“ Sein unermüdlicher Tatendrang, sein Humor und sein unkonventionelles Handeln überzeugte die Schüler und auch Erwachsene. Weiterlesen „„Nach den Kriegen – vor dem Frieden““
Zusammenfassung eines Vortrages von Götz W. Werner und Prof. Dr. Thomas Straubhaar
„Was heißt ’Bedingungsloses Grundeinkommen’ – ist es wirklich eine Lösung für viele gesellschaftliche Probleme, wie vielen meinen, oder eine nicht finanzierbare Traumvorstellung?“ Zu diesem Thema veranstaltete die GLS-Bank in Kooperation mit der Kulturinitiative am Rudolf Steiner Haus am 15. September einen Abend mit Prof. Werner und Prof. Dr. Straubhaar im Hamburger CCH. Weiterlesen „„Bedingungsloses Grundeinkommen“ (I und II)“
oder: „Der Mensch braucht es, für andere von Bedeutung zu sein“
Zusammenfassung eines Vortrages von Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner
Wir stehen das erste Mal in der Menschheitsgeschichte vor der Frage, wie wir mit der wachsenden Gruppe der alten Menschen umgehen werden. Das bisherige System, nämlich Altern in den eigenen vier Wänden oder im Heim, hat etwa 100 Jahre getragen, lässt sich aber nicht fortsetzen. Die gesellschaftliche Entwicklung hat uns heute dahin geführt, dass wir frei und selbstbestimmt leben wollen und uns nicht die Lasten anderer Menschen aufbürden möchten. Scheinbar … . Weiterlesen „„Unsere Gesellschaft altert““