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Welt im Umbruch – wie finanzieren wir die Transformation?
Zusammenfassung eines Vortrages von Silke Stremlau, Vorsitzende des Sustainable-Finance-Beirates der Bundesregierung
Wie leben in einer Umbruchssituation: die ökologischen Belastungsgrenzen unseres Planeten sind zum Teil überschritten oder stehen in einigen Bereichen kurz davor. Wir brauchen eine Transformation, um das zu bewältigen. Wie aber finanzieren wir diese?
Silke Stremlau hielt im Rahmen der Mitgliederversammlung der Gemeinnützige Treuhandstelle Hamburg e.V. am 18. Juni 2024 dazu einen Vortrag.
Fotografie: Jana Mai
Silke Stremlau ist Vorsitzende des Sustainable-Finance-Beirates der Bundesregierung. Aktuell hat sie ein Senior Fellowship der Stiftung Mercator. Von 2018 bis 2013 war sie Vorständin der Hannoverschen Pensionskassen (siehe Interview mit ihr im Hinweis März 2022). Die studierte Sozialwissenschaftlerin war zuvor Generalbevollmächtigte der Bank im Bistum Essen eG. Von 2000 bis 2015 war sie für die ESG-Ratingagentur imug tätig und hat dort den Bereich Nachhaltiges Investment aufgebaut.
Wir stehen vor massiven Umwälzungen in den Bereichen: Verkehr, Energie, Landwirtschaft, Konsum, Vermögensverteilung, Migration usw. Wir haben in Paris die Ziele festgelegt: eine dekarbonisierte Wirtschaft, wir wollen unsere CO2-Emission jährlich um 6 % reduzieren.
Aber wir sind global gesehen weit hinter diesen gesteckten Zielen.
Was wir zum Beispiel brauchen sind regionale Energiekreisläufe, eine andere Mobilitätsnutzung, die mehr auf Sharing aufbaut; eine andere Bauweise, die nicht immer daraufsetzt, neu zu bauen; eine Landwirtschaft, die viel mehr auf pflanzliche als auf tierische Ernährung setzt etc.
Und es ist allen klar:
Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es noch schlimmer und noch teurer.
Alle diese Umwälzungen – die sog. Transformation – benötigen massive Investitionen. Die Finanzwirtschaft ist mit allen Sektoren, die in diesem Umbruch sind, verbunden.
Insofern ist die Finanzwende die „Wende hinter allen Wenden“. Schätzungen zufolge beträgt das Investitionsvolumen in nachhaltige Transformation, bzw. das Erreichen der Klimaziele in Deutschland zwischen 70 und 240 Milliarden Euro, weltweit sind es 3,3 bis 4, 5 Billionen Euro.
Fakt ist aber auch: Kapital für diese Investitionen ist genügend vorhanden.
Wie aber kommt das Geld an die richtigen Stellen?
Die Banken und Finanzmarktakteure sind die täglichen Entscheider über Innovations- und Zukunftskraft eines Landes: Hat das Geld eine sozial-ökologische Wirkung? Sind die Anlagen zukunftsfähig investiert und tragen sie zur Lösung unserer gesellschaftlichen Probleme bei? 10% des Geldes, das wir für die Transformation brauchen, kommen von der öffentlichen Hand, und 90% kommen von Privaten. Wir müssen Gelder umlenken von nicht-nachhaltigen Branchen zu nachhaltigen. Es gibt dafür Vorreiter, z. B. die GLS-Bank, aber so richtig in den Mainstream der Banken ist das noch nicht gekommen. Die EU hat das durch ihren Aktionsplan und durch den EU-Green Deal dafür Richtlinien geschaffen. *¹
- Die Kapitalflüsse sollen umgelenkt werden hin zu nachhaltigen Investitionen zur Erreichung nachhaltigen Wachstums
- Reduzierung finanzieller Risiken, die ausgelöst werden durch den Klimawandel, den Biodiversitätsverlust, die Ressourcenknappheit und Umweltzerstörung. Und die werden einen gewichtigen Einfluss haben auf die Portfolios der Banken, Pensionskassen und Versicherungen. Dort sind noch Vermögenswerte, die mit Gas, Kohle etc. zu tun haben. Dann hätten diese Banken zu einem bestimmten Zeitpunkt „stranded assets” (gestrandete Vermögenswerte), d. h. eine weitgehende oder vollständige Wertlosigkeit. Dieses Risiko muss man in den Griff bekommen.
- Förderung von Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit.
Man hat dafür ein großes Regelwerk entwickelt. Man fordert dazu Nachhaltigkeitsberichte von allen größeren Unternehmen und Banken. Seit August 2021 wird man auch als Anleger bei den Banken gefragt, ob einem das Thema Nachhaltigkeit wichtig ist. Dazu gibt es noch die Taxonomie, die definiert, was wirklich nachhaltige Geschäftsaktivitäten sind.
Das ist ein großes Regelwerk, was im Prinzip sehr gut ist, aber in der praktischen Umsetzung noch Mängel hat.
Es gibt einige Beispiele – hier aus dem Norden – wo das umgesetzt wird.
Die Stadt Münster und auch die Stadt Köln oder die NRW-Bank haben sog. Green Bonds und auch Social Bonds. Sie vergeben Anleihen und finanzieren damit soziale und ökologische Projekte, z. B. preisgedämpftes Wohnen, Kindergartenausbau, regenerative Energien. In Hamburg gibt es eine Initiative „Finance City Hamburg“, die das Thema Sustainable Finance von der Berliner Ebene nach Hamburg bringt: Sie bauen ein Netzwerk zwischen Akteuren in der Finanzwirtschaft, der Wissenschaft und den Hamburger Unternehmen.
Die Bundesregierung hat schon in der vorherigen Legislaturperiode einen „Sustainable Finance Beirat“ eingerichtet mit dem Ziel: „Wir wollen Nachhaltigkeit zum zentralen Element unserer Investitionsentscheidungen machen“. In diesem Beirat sind 34 Leute aus der Praxis, z. B. von REWE, Allianz, Commerzbank – eine breite Mischung. 19 Organisationen beobachten den Beirat und arbeiten auch mit: Bafin, Germanwatch, das Umweltbundesamt etc.
Wir haben im Sustainable Finance-Beirat drei Arbeitsstränge: die Finanzierung der Transformation, die Kohärenz in der Sustainable -Finance-Regulierung und das Thema „Internationales Engagement“, wo es u.a. um Entwicklungsfinanzierung geht.
Wie finanzieren wir nun diese Transformation? Es ist genügend Kapital da, staatliches und privates. Wie kommt das Geld an die richtigen Stellen? Welche Anreize müssen wir setzen, damit das Geld die transformative Wirkung erreicht?
Die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau, eine deutsche Förderbank und eine der führenden Förderbanken der Welt.) sagt, 90 % für die Investitionen kommen aus dem Privatsektor, 10% vom Staat. Die Unternehmen haben also die größte Aufgabe zu leisten, daneben kommen auch Anleger:innen, auch aus dem institutionellen Bereich, zum Beispiel Pensionskassen.
Wie kommt das Geld an die richtigen Stellen?
Wir als Beirat sind der Meinung, dass es dafür Leitplanken braucht. Die Politik muss über entsprechende Verordnungen den Rahmen dafür setzen.
Wir brauchen einen höheren CO2-Preis, am besten global. Wir brauchen aber auch eine transformative Förderung. Jedes Bundesland hat eine eigene Förderbank, diese sind bislang aber nicht klar auf das Thema Nachhaltigkeit und Transformation bezogen.
Wir brauchen Transparenz bei Finanzprodukten – wie nachhaltig sind sie? Wir im Beirat haben den Vorschlag einer „Nachhaltigkeitsampel“ eingebracht: Jedes Finanzprodukt soll eine Note von 1-5 bekommen, wie man es vom Nutri-Score kennt; dann kann jeder sehen, wie nachhaltig der Bausparvertrag, der Fonds oder anderes ist. Das liegt derzeit in Brüssel zur Debatte vor.
Seit einiger Zeit gibt es Transitionspläne: Die Firmen legen vor, wie sie klimaneutral werden wollen und was sie dafür tun. Die Finanzakteure, also z. B. Banken, können dann einschätzen, ob das Unternehmen diese Klimaziele schafft.
Damit komme ich zum Fazit. Der Spruch
„Geld regiert die Welt“
begleitet uns immer wieder.
Wir sollten die Schuldenbremse modifizieren, denn für die großen Aufgaben im Bereich der Pflege, der Verteidigung, der Bildung und der Infrastruktur braucht es große Investitionen. Dazu kommen dann die Aufgaben, die Klimakrise einzudämmen und unsere Biodiversität zu erhalten. Das viele Geld, was da ist, muss umgelenkt werden, in zukunftsfähige Bereiche.
Die derzeitigen Regulierungen aus Brüssel sind erstmal gut, brauchen aber noch Feinschliff, die Handhabung muss noch effektiver werden.
Privatmenschen als auch Firmen müssen in ihren Nachhaltigkeitsbestrebungen viel mehr unterstützt werden. Man hat die Regulierungen aufgestellt, aber noch nicht einmal eine Hotline eingerichtet, wo die Firmen nachfragen können. Es wird noch einiges gebraucht an Unterstützung, fachlicher Beratung, Weiterbildung etc.
Die Politik muss in ihren Zielen und Ambitionen klarer und stringenter sein. Ein ungutes Beispiel war das Thema „Verbrenner“, da gab es zu viel verwirrendes Hin und Her.
Das Ganze muss in einen Policy-Mix eingebettet sein,
was Steuern, Förderungen, umweltschädliche Subventionen betrifft; es werden z. B. große PKW‘s gefördert, es werden Dienstwagen steuerlich unterstützt, die Flüge sind von der Kerosin-Steuer befreit. Man könnte den Mehrwertsteuersatz auf Fleisch erhöhen und einen geringeren auf Gemüse festlegen – das alles wäre ein Anreiz. Es ist entscheidend, dass diese Dimensionen, gelenkt von der Politik, d. h. von den Ministerien, ineinandergreifen. Der Finanzmarkt alleine wird die Situation nicht retten.
Das „Warum“ all dieser Maßnahmen muss immer wieder in den Vordergrund.
Wir machen das nicht, damit irgendwelche Excel-Tabellen mit Daten ausgefüllt werden, sondern um eine andere Wirtschaft zu kreieren. Das Ziel ist, dass unsere Enkelkinder auch noch eine lebenswerte Zukunft haben.
Zusammenfassung des Vortrages:
Christine Pflug