Interview mit Dr. Jens Heisterkamp, Redakteur, Verleger, Buchautor
Der Gedanke des Karmas stammt ursprünglich aus östlichen Religionen. Inzwischen ist er aber bei uns populär bis in die Alltagssprache hinein, in Kinofilmen tauchen Reinkarnationsmotive auf etc. Auch wird er mitunter fälschlicherweise zu irrationalen Ideen, Spekulationen über letzte Leben usw. benutzt. Was aber ist Karma, so wie Rudolf Steiner es beschrieben hat? In jedem Fall ist es ein komplexes Thema, bei dem viele Aspekte und Dimensionen miteinbezogen werden müssen und wo wir noch am Anfang des Verstehens sind.
Beiträge von Wolfgang Müller und Christopher von Bar
Die anthroposophische Heilpädagogik feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. 1924 hielt Rudolf Steiner vor jungen Menschen den Heilpädagogischen Kurs. Diese jungen Menschen gründeten kurze Zeit später die ersten heilpädagogischen Einrichtungen. Seit dieser Zeit hat sich eine weltweite Bewegung mit über 650 Einrichtungen in 50 Ländern entwickelt! (Heilpädagogik für Kinder und Sozialtherapie für erwachsene Menschen mit Behinderung) „Auch wenn vieles heute sicher anders gesagt werden würde … legt der der heilpädagogische Kurs Grundlagen für die therapeutische und pädagogische Arbeit“ (C. von Bar)
Wie steht die Anthroposophie zu Menschen mit Behinderung?
Beitrag von Wolfgang Müller aus seinem Buch „Nachgefragt: Anthroposophie“ (siehe Hinweis Mai 2024)
Foto: Jens Heisterkamp
Das tiefe Interesse am jeweiligen Individuum, das die Anthroposophie charakterisiert, zeigt sich auch und gerade dort, wo es um Menschen mit bestimmten Einschränkungen oder Behinderungen geht. So forderte Steiner auch – damals ganz ungewöhnlich – einen Namen zu finden, der diese Menschen „nicht gleich abstempelt“. Seine Mitarbeiter sprachen daher von Anfang an von „Seelenpflege-bedürftigen“ Kindern bzw. Erwachsenen und lenkten den Blick weg vom Defizit zum Bedarf.
Bezeichnenderweise erkannte Steiner auch viel früher als andere die Gefahren durch die Eugenik, also durch Programme zu einer genetischen Verbesserung der Menschheit, die damals weithin als progressiv galten. Aus Sicht dieser Eugeniker waren Behinderungen nichts als eine Fehlleistung der Natur, die zu eliminieren war. „Begonnen hat ja nach dieser Richtung Verschiedenes“, sagte Steiner mit Blick auf den großen Eugenik-Kongress in London 1912. Er warnte vor den Folgen, wenn aus solchen Theorien soziale Praxis werde: „Und da wird kaum die erste Hälfte dieses Jahrhunderts zu Ende gehen, ohne dass auf diesen Gebieten dasjenige geschieht, was für den Einsichtigen ein Furchtbares ist.“ So Steiner 1917.
Die anthroposophische Medizin und Heilpädagogik versuchte eine humanere Praxis zu verwirklichen. Eines der bekanntesten Beispiele ist der Kinderarzt und Anthroposoph Karl König. Wegen seiner jüdischen Herkunft musste er nach dem deutschen Einmarsch 1938 aus Wien fliehen und gründete in Schottland die wegweisende Camphill-Bewegung. Jedes Kind, so König, „ist unser Bruder und Schwester“. „Und wie sehr auch seine Individualität verdeckt sein mag durch viele Schichten des Unvermögens, der Gelähmtheit, von unkontrollierten Gefühlen, wir müssen trotzdem versuchen, durch diese Schichten durchzubrechen, um das Heiligste jedes Menschen zu erreichen…“
Eine filmreife Geschichte ist die des Anthroposophen Hubert Bollig. Er hatte bei Karlsruhe ein Heim für „schwer erziehbare“ Kinder gegründet. Als es mit Kriegsbeginn 1939 geräumt werden musste, konnte er 33 der 40 Kinder bei deren Verwandten unterbringen. Dann begann mit den übrigen sieben eine Odyssee; ohne festen Wohnsitz zog die kleine Gruppe mitten in der Hitlerzeit durch den Schwarzwald und den Bodenseeraum. Als Bollig weitere fünf Kinder in andere Obhut geben konnte, blieben zwei, die durch die T4-Euthanasie-Aktion der Nazis bedroht waren. Für eines davon fand er ein Heim in der sicheren Schweiz. Es blieb der junge Otto Nicolai, mit Down-Syndrom. Für ihn organisierte Bollig ein ärztliches Gutachten, das ihn als unentbehrlichen Helfer für seine gehbehinderte Frau auswies. Bollig musste noch einige Wochen Gestapo-Haft überstehen, kam aber wieder frei. Der bei den Bolligs lebende Junge überlebte die NS-Zeit, er starb 1980.
Heute gibt es, auf viele Länder verteilt, mehr als siebenhundert Einrichtungen der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie. Sie versuchen ihren Bewohnerinnen und Bewohnern ein menschlich verlässliches, gut strukturiertes, anregungsreiches Zuhause zu bieten, soweit möglich auch mit Einbindung in bestimmte Arbeitsfelder. Und eben getragen von einem Geist, der alle Menschen mit ihren besonderen Eigenschaften in ihrem ureigenen Wesen zu sehen und zu fördern versucht.
Damit gehören diese Einrichtungen zu den kraftvollsten Orten, an denen eine gelebte Humanität erfahrbar wird. Manche Außenstehende, die damit persönlich in Berührung kamen, wurden zu starken Unterstützern des anthroposophischen Impulses, auch mit bedeutenden Stiftungen. Man könnte auch eine Geschichte der Anthroposophie nur unter dem Gesichtspunkt der Dankbarkeit schreiben.
„Menschen mit Assistenzbedarf können den anderen einen Spiegel vorhalten“
Interview mit Christopher v. Bar, Heilpädagoge und Geschäftsführer von Franziskus e.V. in Sülldorf
Foto: privat
Christine Pflug: Was geben diese Menschen mit Assistenzbedarf den anderen, der Gesellschaft?
Christopher von Bar: Zunächst einmal denke ich, dass Menschen mit Assistenzbedarf so individuell sind wie der Rest der Gesellschaft auch. Sie sind sozial und unsozial, fröhlich und traurig, freundlich und abweisend … Menschen mit Assistenzbedarf sind aber auch immer wieder erfrischend offen und direkt. Während ich selbst bei jeder Begegnung bewusst oder unbewusst überlege, wie ich bei dem anderen ankomme, sagt der Mensch mit Assistenzbedarf oft genau dass, was er im Augenblick fühlt! Diese Direktheit kann dem Gegenüber im ersten Augenblick irritieren, kann dann aber, da von Herzen kommend, als ehrliche Rückmeldung erlebt werden. Aber auch auf einer anderen Ebenen können Menschen mit Assistenzbedarf der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten: in einer Gesellschaft in der alles immer schneller, besser, optimierter laufen muss, bilden sie ein Gegengewicht: schaut her, es kann auch ganz anders gehen!
Die Frage für mich ist eigentlich, wie wir Menschen mit Assistenzbedarf sehen und welchen Raum wir ihnen in unserer Gesellschaft geben und einräumen wollen. Aktion Mensch hat Inklusion wie folgt beschrieben: „Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich dazu gehört. Oder anders: Inklusion ist, wenn alle mitmachen dürfen. Egal wie du aussiehst, welche Sprache du sprichst oder ob du eine Behinderung hast. Zum Beispiel: Kinder mit und ohne Behinderung lernen zusammen in der Schule. Wenn jeder Mensch überall dabei sein kann, am Arbeitsplatz, beim Wohnen oder in der Freizeit: Das ist Inklusion.“
Wenn wir das nicht nur in unseren therapeutischen Gemeinschaften erreichen würden, sondern in kleinen Schritten auch in unserem Umfeld, dann würden wir der beobachtbaren Entsolidarisierung in der Gesellschaft etwas Positives entgegensetzen.
C. P.: Wie hat sich die soziale Arbeit im Laufe der Jahrzehnte entwickelt? Was braucht es für die Zukunft?
Christopher von Bar: Ich arbeite nun seit 46 Jahren in der Heilpädagogik und Sozialtherapie. In dieser Zeit hat sich das Bild des Menschen mit Behinderung immer wieder gewandelt und weiterentwickelt. Die anthroposophische Arbeit mit Menschen mit Handicap war bis in die 1980 Jahr fortschrittlich und innovativ. In ganz Deutschland und weltweit haben sich Dorfgemeinschaften gegründet, in denen Menschen mit und ohne Handicap zusammenlebten. Dann habe ich aber die Wahrnehmung, dass in vielen anthroposophischen Einrichtungen und Gemeinschaften eine Weiterentwicklung stagnierte oder ausgeblieben ist. Eine Fokussierung auf die Selbstwirksamkeit und Individualisierung wurde in vielen Einrichtungen als Widerspruch zur Gemeinschaftsbildung empfunden, und von daher hat man eher versucht sie zu verhindern als zu fördern. Andere Träger wie z. B. die Lebenshilfe betonten die Individualisierung intensiv, weil der Gemeinschaftsgedanke nicht in ihrem Fokus stand. In den letzten Jahren, auch noch einmal impulsiert durch die UN-Behindertenrechts-Konvention, gab es aber deutliche und gute Entwicklungsschritte. Insbesondere unser Bundesverband Anthropoi hat Menschen mit Assistenzbedarf eine immer stärkere Stimme gegeben. So sind die Menschen mit Assistenzbedarf in fast allen Gremien des Verbandes als Selbstvertreter:innen mit dabei.
Es bleibt aber weiterhin eine lebendige Gratwanderung, auf der einen Seite die Menschen mit Assistenzbedarf in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken, auf der anderen Seite die Gemeinschaft zu pflegen und weiterzuentwickeln.
Das Jahr 2024 ist für alle anthroposophischen heilpädagogischen und sozialtherapeutischen Gemeinschaften ein besonderes Festjahr und gibt die Möglichkeit zu einer Retrospektive! Denn vom 25. Juni bis 7. Juli 1924 hat Rudolf Steiner vor einer kleinen Gruppe von Menschen 12 Fachvorträge in Dornach/Schweiz gehalten. Dabei standen menschenkundliche und medizinische Fragestellungen im Vordergrund. Die Vorträge bilden die Grundlage, aus der sich eine weltweite Bewegung mit 650 Einrichtungen in 50 Ländern entwickelt hat!
Auch wenn vieles heute sicher anders gesagt werden würde, der heilpädagogische Kurs vermittelt keine Rezepte, sondern legt Grundlagen für die therapeutische und pädagogische Arbeit. Wie vielfältig diese Impulse aufgegriffen wurden, sehen wir an der Vielzahl der unterschiedlichen Einrichtungen und Gemeinschaften in der ganzen Welt, ob in Pakistan, Südafrika, Neuseeland oder Amerika, überall gibt es Frühfördereinrichtungen, Schulen, Berufsschulen, verschiedenste Wohnprojekte und Gemeinschaften für ältere Menschen mit Assistenzbedarf. Der damalige Impuls von Steiner ist immer noch lebendig und führt zu neuen Formen in der Begleitung von Menschen mit Assistenzbedarf.
Interview mit Tabea Hattenhauer, Pfarrerin der Christengemeinschaft
Wir leben in einer bedrohlichen Zeit. Klimawandel, Kriege, es wird in allen Ländern aufgerüstet, es stehen Wahlen an, die keine gedeihlichen Folgen versprechen; besonders bei Jugendlichen zeigt sich, dass sie die Pandemie nicht verkraftet haben, die KI könnte uns überrollen, die Ressourcen gehen dem Ende zu – um nur einige Beispiels zu nennen. Das kann zu Ängsten führen, man kann das wiederum alles verdrängen oder ignorieren. Wie geht man damit um und stellt sich dazu? Welche Hinweise kann die Religion, das Christentum, dazu geben?
Interviewpartnerin: Tabea Hattenhauer, geb. Gössling, ist in Berlin in einer großen Musikerfamilie aufgewachsen. Sie besuchte dort die Waldorfschule und studierte zunächst Architektur. Später folgten eine Ausbildung am Waldorflehrerseminar und ein Studium am Priesterseminar der Christengemeinschaft in Hamburg. Seit 2010 ist Tabea Hattenhauer als Religionslehrerin tätig, 2017 wurde sie Pfarrerin der Christengemeinschaft. Ihre erste Berufserfahrung sammelte sie in Blankenese, seit 2018 arbeitet sie in der Markus-Gemeinde in Hamburg-Harburg. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Christine Pflug: Wie erleben Sie in Ihren Begegnungen und Gesprächen, wie Menschen mit der derzeitigen Lage umgehen?
Tabea Hattenhauer: Ja, die Weltlage ist auf vielen Ebenen eine bedrohliche geworden. Wir sprechen von einer Polykrise und meinen damit, dass es nicht nur eine einzelne Krise gibt, sondern dass sich momentan viele Bedrohungen und Probleme überlagern. Es ist schon schwer genug vorherzusagen, wie sich ein einzelnes Problem in der Zukunft entwickeln wird. Wenn aber mehrere Krisen sich durchdringen und gegenseitig beeinflussen, macht es das Ganze natürlich unendlich kompliziert und verwirrend.
Vier Beiträge aus dem gleichnamigen Buch von Wolfgang Müller
„Viele tun sich schwer mit Rudolf Steiners Schriften. Tatsächlich sind sie voller faszinierender, aber auch anspruchsvoller Gedanken. Hinzu kommen Vorwürfe, manches an Steiners Weltbild sei fragwürdig, ja sogar rassistisch. Der Publizist Wolfgang Müller nähert sich diesen Themen über ‚Häufig gestellte Fragen‘. Mit kurzen, prägnanten Antworten geht er sozusagen einmal durchs anthroposophische Gelände: Steiners zentrale Ideen kommen dabei ebenso zur Sprache wie ihre praktische Umsetzung in Waldorfpädagogik oder biodynamischer Landwirtschaft; Steiners Lebensgeschichte wird ebenso thematisiert wie sein politischer Ansatz und seine Ausblicke auf die Zukunft.“
In dieser Hinweis-Ausgabe drucken wir exemplarisch vier seiner Antworten ab.
Wolfgang Müller wurde 1957 in Heidelberg geboren und wuchs in Speyer am Rhein auf. Er studierte Geschichte und Germanistik in Heidelberg und Hamburg. Anschließend war Müller Redakteur beim Norddeutschen Rundfunk in den Ressorts Wissenschaft und Zeitgeschichte. Veröffentlichungen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in Die Zeit, der taz und im Merkur. 2021 erschien sein Buch „Zumutung Anthroposophie. Rudolf Steiners Bedeutung für die Gegenwart“. Es erreichte innerhalb kurzer Zeit mehrere Auflagen und wurde auch ins Französische übersetzt. Müller lebt er als freier Autor in Hamburg.
Wie konnte Rudolf Steiner das alles wissen?
Sehr schwierig, darauf eine konkrete Antwort zu geben! Vielleicht könnte man so ansetzen: Wenn bestimmte grundlegende, zentrale Fähigkeiten erreicht sind, dann kann dies sehr wohl ein neues Licht auf ganz unterschiedliche Felder der Erkenntnis werfen. Um es in einem Bild zu sagen: Wenn ich mich über lange Zeit und unter großen Schwierigkeiten durch eine unübersichtliche Landschaft bewegt habe und dann eines Tages von einem Berg aus das Ganze überblicken kann, dann wird mir eben – fast wie auf einen Schlag – vieles klar werden; manches, das ich „unten“ mühsam erforschen musste, und wohl auch manches, das gar nicht auf meinem Weg lag, aber von diesem Standort aus vollkommen deutlich vor Augen liegt.
Die gegenwärtigen gesellschaftlichen Krisen bringen gewohnte Sicherheiten des Lebens zum Wanken und erschüttern Vertrauen: Können wir uns angesichts der Klimakrise auf unseren Lebensraum verlassen? Können wir bei den vielen Konflikte im Zwischenmenschlichen, im Gesellschaftlichen und den kriegerischen Auseinandersetzungen auf menschliche Beziehungen bauen? Sind die zahllosen Informationen, die wir täglich erhalten, vertrauenswürdig? Zu den Krisen der Gegenwart gehört auch die Vertrauenskrise.
Dr. Matthias Girke ist Mitbegründer des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe, Klinik für Anthroposophische Medizin, und war dort über 21 Jahre Leitender Arzt der Allgemeinen Inneren Medizin. 2016 übernahm er die Leitung der Medizinischen Sektion am Goetheanum in der Schweiz und seit 2017 ist er Vorstandsmitglied der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft.
Vertrauen kann abnehmen, sogar zerstört werden. Umso mehr entsteht dann die Frage: Woher kommen neue Kräfte des Vertrauens und wie lassen sich ihre Quellen erschließen?
Beiträge von Knut Ellenberg, Dieter Scharmer, Anna Breden
Tagtäglich die Erde und die Landschaft pflegen, für das Wohl der Tiere sorgen, die Pflanzen nachhaltig und im Einklang mit der gesamten Natur anbauen, das Leben und die Kultur auf einem Hof gestalten – es ist nicht nur eine große Aufgabe, sondern eine Art zu leben. Ich war beeindruckt und berührt, wie diese Landwirt:innen ihre ganze Biografie und Kraft dem zur Verfügung stellen. Und wie froh können wir sein, dass sie es tun. Nicht nur, weil sie uns dadurch mit hochwertigen Lebensmitteln versorgen, sondern weil sie damit einen Beitrag für unsere Erde leisten, auf der wir alle leben. (Christine Pflug)
„Seit 1924 bewirtschaften Demeter-Landwirte ihre Felder biodynamisch. Aufgrund der lebendigen Kreislaufwirtschaft gilt die Demeter-Landwirtschaft als nachhaltigste Form der Landbewirtschaftung und geht weit über die Vorgaben der EU-Öko-Verordnung hinaus. Demeter-Landwirt:innen gehen sorgsam mit dem Land und den Tieren um, die ihnen anvertraut sind. Sie gestalten Landschaft bewusst, lebenswert und nachhaltig. Das Ideal der Biodynamischen Wirtschaftsweise ist die nachhaltigste Art der Landbewirtschaftung, bei der Mensch, Pflanze, Tier und Boden zusammenwirken
In der Bäuerlichen Gesellschaft gibt es derzeit 249 biodynamische Höfe, davon in Schleswig-Holstein 72; auf der ganzen Welt existieren mehr als 7000 Höfe.“ Text und Angaben: Bäuerliche Gesellschaft e.V. – www.demeter-im-norden.de
Anthroposophische Meditation ist innerlich aktiv und konzentriert. Es geht darum, über das bloße Gedanken- und Vorstellungsbewusstsein hinauszukommen und dass die Inhalte innerlich lebendig, bildhaft und erlebbar werden. Wer regelmäßig meditiert, wird eine spürbare innere Bereicherung erfahren.
Interviewpartner: Dr. Christoph Hueck studierte Biologie und Chemie, promovierte im Fach Genetik, forschte in Deutschland und den USA. Tätigkeiten als Waldorflehrer, Dozent für Waldorfpädagogik und anthroposophische Meditation, Redakteur der Zeitschrift „Die Drei“ und Mitbegründer der Akanthos-Akademie für anthroposophische Forschung und Entwicklung in Stuttgart.
Christine Pflug: Es gibt viele Arten zu meditieren. Was ist Mediation? Was speziell ist anthroposophische Mediation?
Wie können wir eine neue Kultur des Zusammenlebens schaffen?
Zusammenfassung eines Vortrages von Christian Bartholl, Pfarrer
Die Atmosphäre in der Gesellschaft hat sich sehr verändert. Sie wird immer kälter – ganz im Gegensatz zu den äußeren Temperaturen. Wie können wir in der Gemeinschaft eine Art Klimawandel vollbringen? Wie können wir eine Atmosphäre schaffen, in der mehr Licht und Wärme entsteht?
Der Vortrag „Resonanz im Zwischenraum – Klimawandel in Gemeinschaften“ wurde gehalten am 14. September in der Lukas Kirche in der Themenreihe „Atmosphäre“. In dieser Reihe ging es um Fragen der Zukunft: wie wir leben wollen, die Wärme als Träger des Ichs, wie sich der Klimawandel in den Meeren auswirkt. Christian Bartholl wurde in Stade geboren und 2006 als Pfarrer geweiht. 5 Jahre war er in München tätig. Er arbeitet seit 12 Jahren in Hamburg-Volksdorf. Seit 6 Jahren trägt er Verantwortung für die Christengemeinschaft in Norddeutschland. Er war im früheren Beruf Grafik-Designer und arbeitete für Zeitschriften- und Buchverlage.
In der Art, wie wir derzeit zusammen leben, zeigt sich Finsternis, aber auch Licht. Unser Bild von der Welt ist geprägt von vielen das Gemüt verdunkelnden Schreckensmeldungen, die uns überwältigen. Im Kommunikationszeitalter kann fast jeder ganz einfach in alle Ecken der Welt Verbindung aufnehmen. Oft entsteht der Eindruck, dass dabei die Tiefe der Verbindung nicht stärker, sondern schwächer wird. Viel wird miteinander gesprochen, doch die Sprachlosigkeit nimmt zu. Kann ich auf den anderen hören, was er wirklich sagt, oder habe ich bereits eine so feste Meinung, dass ich etwas anderes nicht zulassen kann? Wer beispielsweise in Internet-Foren keinen Menschen mehr vor sich hat und deshalb ungehemmt all seine Wut und Frustration in Hassmails verpackt und in die Welt schickt, verdunkelt damit die geistige Atmosphäre.
Interview mit Annette Horster-Schepermann, Traumatherapeutin
Das Wort „Trauma“ wird seit einiger Zeit häufig verwendet. Flucht und Kriege sind häufig Ursachen von Traumatisierungen, aber auch andere Ereignisse führen zu seelischen Verletzungen. Wann aber kann man von einem Trauma sprechen und was sind Traumafolgestörungen? Die heutige Traumatherapie kann diese Verletzungen heilen oder zumindest deutlich lindern. Und: „Wir dürfen uns heute bewusst machen: Wir geben nicht nur unverarbeitete Traumatisierungen, sondern auch deren Überwindung und unsere dabei errungene Ich-Stärke und Resilienz transgenerational an unsere Kinder und zukünftige Generationen weiter!“
Interviewpartnerin: Annette Horster-Schepermann, Studium der Psychologie in den USA und Hamburg. Seither tätig als Psychologin im Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst in Eppendorf und in der waldorforientierten Psychotherapeutischen Praxisgemeinschaft Bergstedt. Weiterbildungen in Anthroposophischer Psychotherapie, Familientherapie und Kinder-, Jugendlichen- und Erwachsenen-Traumatherapie, waldorforientierte analytische Kunsttherapeutin, Sterbebegleiterin. Mitbegründerin und fachliche Leitung des Isis-Institutes Hamburg und des Pegasos-Netzwerkes für spirituell erweiterte integrative Traumatherapie. Seit 2022 fachliche Leitung der beiden Weiterbildungsgänge in waldorforientierter Traumapädagogik und Traumatherapie des Isis-Institutes Hamburg (www.isis-institut-hamburg.de), Mitautorin des Lehrbuches für waldorforientierte Trauma- und Notfallpädagogik „Kinder stärken – Zukunft gestalten“, Dozentin zur Pentagramm-Traumaarbeit im Studiengang Notfall- und Traumakunsttherapie an der Alanus-Hochschule in Alfter.
Christine Pflug: Die Begriffe Trauma und Traumatisierung werden in der letzten Zeit häufig benutzt, manchmal habe ich den Eindruck, auch unangemessen und inflationär. Was genau ist ein Trauma?Weiterlesen „Traumata“
Interview mit Ulrich Meier, Pfarrer der Christengemeinschaft und in der Leitung des Priesterseminars
Humor und Religion – zwei Dinge, die nicht zusammenpassen? Sind in der Religion nur der Ernst und das Tragische zu finden? Humor und Spaß sind wichtige Bestandteile des Lebens. An welcher Stelle haben sie auch im Religiösen ihren Platz?
Interviewpartner: Ulrich Meier, Pfarrer der Christengemeinschaft seit 1990. Davor Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher und zwei Jahre Tätigkeit im Landschulheim Schloss Hamborn. 16 Jahre Gemeindepfarrer in Hannover, seit 2006 in Hamburg Mitarbeit in der Leitung des Priesterseminars und Gemeindepfarrer in Hamburg-Mitte. Redakteur der Zeitschrift „Die Christengemeinschaft“.
Christine Pflug: Die Frage nach dem Humor und der Freude in der Religion hat sich mir regelrecht aufgedrängt, als wir vor etlichen Jahren in die Bretagne fuhren und unterwegs in kleinen Orten die Kirchen anschauten. Es war in einem anderen Land und dadurch quasi der distanzierte Blick von außen. Überall auf Bildern und Skulpturen sah ich Gräber und Tod, Menschen mit Schmerzen, weinende Frauen, Trauer, Leid, alles voller Tristesse und Verzweiflung.
„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Dieser weisheitsvolle Ausspruch von Albert Einstein stand für mich im Hintergrund, als ich die folgenden Autorinnen und Autoren bat, einen kleinen Beitrag zu schreiben.
Wir leben in einer Zeit vielfacher Krisen: Umwelt- und Klimaschäden, die Pandemie und ihre Folgen, es gibt Krieg in Europa, Flüchtlinge … alles das ist nur vordergründig sichtbar, es lässt sich ahnen, was im Hintergrund schwelt. „Wie kommt das Neue in die Welt?“ – diese Frage drängt sich auf. Es reicht nicht, Flickschusterei oder Aktionen zu veranstalten, „alten Wein in neuen Schläuche“ zu gießen, wie Christoph Bernhardt schreibt.
Wie aber finden wir einen Zugang zu diesem radikal Neuen?
Die Autorinnen und Autoren der folgenden Beiträge zeigen auf vielen Ebenen, wie das möglich ist. Dankenswerterweise reicht die Palette von der philosophischen, religiösen, künstlerischen Sicht bis zur ganz praktischen Ebene. Das alles braucht es. Und wie gut, dass Menschen einerseits den Ansatz für das Neue gedanklich fassen und in Sprache bringen können und andererseits Neues in der alltäglichen Arbeit mit viel Engagement und Idealismus praktizieren.
Zusammenfassung eines Vortrages von Dr. med. Wolfgang Rißmann, Psychiater
Ist die moderne Psychologie eine Naturwissenschaft, deren Ziel die Voraussage und Kontrolle des Verhaltens ist? Oder kommt es auf das Erleben des Menschen an? Welche Rolle spielt der Geist, insofern man diesen überhaupt anerkennt, in seinem Verhältnis zum Leib und zur Seele des Menschen? Es gibt dazu verschiedene Meinungen und Strömungen, die bis heute nicht geklärt sind. Wie hat sich Rudolf Steiner zu diesen Fragen geäußert? Er gibt keine Definitionen, sondern weist auf Wege hin, sich diesen Themen zu nähern.
Wolfgang Rißmann hielt diesen Vortrag am 7. September 2022, veranstaltet vom Zweig am Rudolf Steiner Haus.
Dr. med. Wolfgang Rißmann ist Facharzt für Psychiatrie und war leitender Arzt und Qualitätsmanager an der Friedrich-Husemann-Klinik in Buchenbach bei Freiburg i.Br. Er ist in der Ausbildung von Medizinstudenten, Ärzten, Pflegenden und Therapeuten tätig. Vielfältige Vortrags- und Seminartätigkeit zu den Themen der allgemeinen Anthroposophie und Prävention psychischer Krankheiten. Besonderer Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung von anthroposophischen Arzneimitteln bei psychischen Krankheiten. Seit Februar 2014 Privatpraxis für Psychiatrie in Hamburg-Volksdorf.
Den ersten Teil dieses Vortrages finden Sie im Hinweis-Heft März, in der Print-Ausgabe oder online unter www.hinweis-hamburg.de
Durch das Christentum erhielt die Frage nach der Seele eine ganz neue Wendung. Es galt, die Seele von ihren Unvollkommenheiten zu reinigen und in ihren Fähigkeiten weiterzuentwickeln im Hinblick auf den geistigen Auftrag der Menschheit. Bei dem achten ökumenischen Konzil von Konstantinopel 869 unterschied man nicht mehr zwischen Seele und Geist, sondern anerkannte nur noch die Seele. Man sprach von der Seele, die dem Leib gegenüberstehe. Damit begann der Leib-Seele-Dualismus.
Teil I. Zusammenfassung eines Vortrages von Dr. med. Wolfgang Rißmann, Psychiater
„Die Psychologie findet heute allenthalben Interesse, sie gilt als etwas, woran wir alle Anteil haben … denn wir alle sind der Stoff, von dem die Psychologie handelt.“ So die Aussage von zwei Psychologie-Professoren. Was aber ist die Seele? Die alten griechischen Philosophen sprachen von ihr, aber in der Wissenschaft der Neuzeit wird ausgeschlossen, dass eine Seele existiert.
Wolfgang Rißmann hielt diesen Vortrag am 7. September 2022, veranstaltet vom Zweig am Rudolf Steiner Haus.
Dr. med. Wolfgang Rißmann ist Facharzt für Psychiatrie und war leitender Arzt und Qualitätsmanager an der Friedrich-Husemann-Klinik in Buchenbach bei Freiburg i.Br. Er ist in der Ausbildung von Medizinstudenten, Ärzten, Pflegenden und Therapeuten tätig. Vielfältige Vortrags- und Seminartätigkeit zu den Themen der allgemeinen Anthroposophie und Prävention psychischer Krankheiten. Besonderer Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung von anthroposophischen Arzneimitteln bei psychischen Krankheiten. Seit Februar 2014 Privatpraxis für Psychiatrie in Hamburg-Volksdorf.
Interview mit Christina Henatsch, Agraringenieurin. Kulturpflanzenentwicklung und Züchtungsforschung
Pflanzen, also Gemüse, Getreide, Obst, ernähren uns. Wirkliche Ernährung geht aber über das bloße Essen hinaus, sie soll den Menschen aufbauen, erfrischen und seine konstitutionelle Entwicklung fördern. Wo stehen wir aber mit unseren heutigen Nahrungsmitteln? Und was braucht es, damit uns die Pflanzen für die Zukunft weiterbringen können?
Christina Henatsch arbeitet seit über 20 Jahren an diesen Themen. Letzten Herbst fand eine große Feier statt zu dem Jubiläum dieser Saatgutforschung.
Interviewpartnerin: Christina Henatsch hat die Schule für biologisch-dynamischen Land- und Gartenbau in Holland abgeschlossen, danach Agrarwissenschaften in Bonn studiert. Betreibt seit 21 Jahren ihre Forschung in „Kulturpflanzenentwicklung Wulfsdorf e.V.“, was eines der Projekte von „Kultursaat e.V., Verein für biologisch-dynamische Gemüsezüchtung und Kulturpflanzenerhalt auf biologisch-dynamischer Grundlage“ ist. Sie arbeitet selbständig und hat einige Mitarbeiter.
Christine Pflug: Zunächst eine ganz grundsätzliche Frage: Wofür ist Saatgutforschung gut? Wohin soll sie führen? Wer braucht das?
Mit Matthias Bölts, Musiker und Ulrich Meier, Pfarrer
Gerade jetzt am Jahresende erleben wir die Zeit sehr verschieden. In unserer Zivilisation verläuft die Vorweihnachtszeit meistens hektisch, danach sollte Stille eintreten. Am Jahresende blicken wir auf das vergangene Jahr zurück und denken über die Zukunft nach. Die 12 Heiligen Nächte gelten als ein besonderer, herausgehobener Zeitraum.
Wie können wir mit Zeit schöpferisch umgehen, ihr gegenüber ein aktives Verhältnis gewinnen? Wie gehen wir angemessen mit Vergangenem, Zukünftigem und Gegenwärtigem um? Welche Dimension hat Zeit in der Meditation?
Matthias Bölts und Ulrich Meier hatten in diesem Jahr im Rudolf Steiner Haus zwei Seminare zum Thema „Zeitbewusstsein entwickeln“ gegeben. Ein drittes wird in 2023 folgen.
Interviewpartner: Ulrich Meier, Pfarrer der Christengemeinschaft seit 1990. Davor Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher und zwei Jahre Tätigkeit im Landschulheim Schloss Hamborn. 16 Jahre Gemeindepfarrer in Hannover, seit 2006 in Hamburg Mitarbeit in der Leitung des Priesterseminars und Gemeindepfarrer in Hamburg-Mitte. Redakteur der Zeitschrift „Die Christengemeinschaft“.
Matthias Bölts: Musiker; Orgel-, Chorleitungs- und Kompositionsstudium in Berlin; Mitarbeit in der Leitung von MenschMusik Hamburg; Dozent für Musikalische Phänomenologie und Musiktheorie; Seminare und Publikationen zu Fragen des inneren Lebens und der anthroposophischen Meditation; Matthias Bölts lebt mit seiner Familie in Hamburg.
Christine Pflug: Gerade jetzt am Jahresende erleben wir unterschiedliche Zeitqualitäten: Die Vorweihnachtszeit ist im Allgemeinen stressig, danach kommt Ruhe. Man kann das mit äußeren Umständen begründen, aber ist das die einzige Ursache? Wie kann man an diesem Jahresabschnitt festmachen, dass wir Zeit so verschieden erleben?
Zusammenfassung eines Vortrages von Dr. Sebastian Lorenz
Der Mensch soll optimiert werden, er soll sein Aussehen, seine physischen, seelischen Möglichkeiten selbst bestimmen, Alterung und Tod verhindern. Und das mit den Mitteln der Technologie. Die Idee von einem Jungbrunnen oder einem Lebenselixier sind uralt und gehen bis auf das Gilgamesch-Epos zurück. Die technologischen Mittel aber werden immer besser, genialer und ermöglichen eine Lebensqualität, von der wir alle profitieren. Eine Weiterentwicklung des Menschen ist auch das Ziel der Anthroposophie. Was aber ist der Unterschied zum Transhumanismus? Wie steht der einzelne Mensch darin, einerseits der technischen Entwicklung nicht ausweichen zu können, sich von dieser aber nicht überrollen zu lassen? Und inwiefern ist der Mensch in all diesem „umkämpft“?
Dr. Lorenz ging diesen Fragen nach am 15. September in der Lukas-Kirche in der Reihe: Umkämpftes Menschenbild. Transhumanismus – Die Optimierung des Menschen?
Dr. med. Sebastian Lorenz, Jg. 1968, ist Arzt, Berater und Autor mit freier Forschungstätigkeit. Er arbeitet seit 1998 psychiatrisch im Kanton St. Gallen/Schweiz und wirkt mit Seminar- und Vortragstätigkeit im deutsch- und englischsprachigen Raum zu spirituellen, christlichen und zeitaktuellen Themen. Studium der Medizin, Philosophie, Theologie, Sprachen, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten von Zürich, Freiburg (Brsg.), Stuttgart (FH) und Harvard. Gegenwärtige Arbeitsschwerpunkte sind das Christuswesen, die Künstliche Intelligenz und die seelische Gesundheit des Menschen.
Zu Beginn des 9. Kapitels des Johannesevangeliums wird erzählt, wie Jesus einen Menschen heilt, der von Geburt an blind war. Man könnte daher mit etwas Übertreibung sagen, dass Christus der „ultimative Transhumanist“ ist. Wenn man dieses Bild der Heilung eines Blinden in sich belebt, kann man begeistert sein und sich freuen an dem Erfolg der Heilung. Diese Begeisterung und die Freude über den Erfolg an einer Heilung leben heute weiter in ganz vielen Menschen, die nichts wissen vom Christus, aber voller Tatendrang sind, solche Wunder zu vollbringen. Und solche Wunder werden heute von tatkräftigen Menschen vollbracht mit den Mitteln der Technologie.
Zusammenfassung eines Vortrages von Helmut Eller, Vortragsredner und ehem. Waldorflehrer
„Wir leben in einer apokalyptischen Zeit“, so wurde der Vortrag von Herrn Eller vorgestellt. „Wie gut, dass wir in einer apokalyptischen Zeit leben. Dann sieht man die Dinge. Und nur, wenn man die Dinge sieht, kann man daran arbeiten. Apokalypse ist jugendhaft, da ist immer viel Sturm und Drang, dann hat man auch die Jugendkräfte, neu anzufangen und etwas zu ändern.“
Diese Sichtweise, die sich auf die Chancen richtet, war die Einleitung zu der Vortragsreihe der Lukas-Kirche Volksdorf: „Umkämpftes Menschenbild“. In dieser Reihe hielt Helmut Eller am 1. September seinen Vortrag, in dem er besonders auf die Dreiheit in dem anthroposophischen Verständnis über das Bild des Menschen einging.
Helmut Eller war 40 Jahre lang Waldorflehrer; während dieser Zeit hatte er parallel 25 Jahre an der Universität einen Lehrauftrag für Waldorfpädagogik. Bis heute gibt er Seminare in unterschiedlichen Zusammenhängen, hält anthroposophische Vorträge und u. a. war er dafür zehnmal in Japan. Er hat verschiedene Bücher geschrieben, u.a. ein Buch über die Entwicklung des Kindes.
Wie kann die Dreiheit, also die Dreigliederung, dazu beitragen, dass man die Welt anders verstehen kann?
Artikel von Prof. Dr. Michael Kirn, Professor emer. für Öffentliches Recht
Prof. Dr. Michael Kirn, geb. in Ravensburg 1939, Jura- und Philosophiestudium in Tübingen und Berlin (1958-64), Professur an der Helmut Schmidt Universität seit 1974; Begegnung mit der Anthroposophie 1972. Seit 30 Jahren Kurs „Philosophie der Freiheit“ im Rudolf Steiner Haus. Vom Autor ist zuletzt erschienen: „Das Ich in den Strukturen des Daseins. Rudolf Steiner, ‚Die Philosophie der Freiheit‘, 1. Teil, systemisch erläutert“, 2016, Berliner Wissenschaftsverlag
Als die PhdF (Philosophie der Freiheit) 1893 in Berlin erschien, war die Zeit der philosophischen Weltanschauungen schon lange abgelaufen. Aber das Erbe war groß. Aristoteles hatte in seinen Werken so etwas wie ein Grundbuch der realen Welt geschaffen, war jedoch an das geistige Wesen des Menschen nicht wirklich herangekommen. Immanuel Kant hatte es als Hauptaufgabe der Philosophie der Neuzeit auf sich genommen, das menschliche Erkenntnisvermögen neu zu vermessen, aber von da aus kein System mehr zustande gebracht. Hierüber setzten sich die Philosophen des Deutschen Idealismus hinweg. Sie machten sich zu „Meisterdenkern“, indem sie die Endlichkeit des Menschen als Faktor des Daseins ausblendeten, um sich so dem freien Flug der Ideen hingeben zu können. Dass dies ein geistiger Rückflug in ein abgelebtes religiöses Modell war, brachte der Dichter Franz Grillparzer in seinem Distichon „Hegel“ treffend zum Ausdruck: „Möglich, dass du uns lehrst, prophetisch das göttliche Denken; / Aber das menschliche, Freund, richtest du wahrlich zu Grund!“
Aber damit ist die ‚Fallhöhe des Geistes‘ noch nicht hinreichend vermessen, und es ist auch für den heutigen Leser notwendig, einen vorläufigen Begriff davon zu haben, aus welcher Tiefe die Freiheitsphilosophie Steiners sich und uns erhebt.
Interview mit Eva Bolten, Studentin am Priesterseminar, Frank Hörtreiter, Christian Bartholl, beide Pfarrer der Christengemeinschaft
Was ist die Grundgeste von Religion? Wofür brauchen wir Menschen sie im 21. Jahrhundert? Die Christengemeinschaft hat in den letzten 100 Jahren ein religiöses Leben aufgebaut. Vieles hat sich in dieser Zeit verändert. Beginnend mit der Gründung nach dem ersten Weltkrieg, dann in den Wirrungen der Nazizeit und nach den konservativen Nachkriegsjahren hat sie sich heute zu einer paritätischen Gemeinschaft entwickelt, in der Mitglieder in Zusammenarbeit mit der Priesterschaft das Gemeindeleben gestalten. Die Freiheit des Einzelnen und ein individuell entwickeltes Verhältnis zur göttlichen Welt bilden die Grundlage für die Zusammenarbeit in einer Gemeinschaft. Dabei ist die Ausführung der Sakramente der zentrale und bleibende Kern in allen diesen Verwandlungen.
Faszination und Hindernisse auf dem Weg zu einer neuen Weltsicht
Gespräch mit Wolfgang Müller, langjähriger NDR-Redakteur, jetzt freier Autor
Die Anthroposophie „hat der Welt etwas Wichtiges, buchstäblich Not-Wendiges mitzuteilen“, so Wolfgang Müller. Andererseits scheint sie für heutige naturwissenschaftlich geprägte Menschen schwer zugänglich zu sein – eine Zumutung. Wolfgang Müller zeigt auf, wie durch die Anthroposophie auf Fragen und Probleme der heutigen Kultur eben durch diese Anstrengung ein Weg zu guten Lösungen gefunden werden kann.
Wolfgang Müller, 1957 geboren, wuchs in Speyer am Rhein auf. Er studierte Geschichte und Germanistik in Heidelberg und Hamburg. Bis 2020 war er Fachredakteur für Zeitgeschichte beim Norddeutschen Rundfunk in Hamburg, wo er jetzt als freier Autor lebt. Seine Artikel erscheinen in anthroposophischen Zeitschriften, gelegentlich auch in taz, Zeit und FAZ. Zuletzt erschien sein Buch »Zumutung Anthroposophie. Rudolf Steiners Bedeutung für die Gegenwart«.
Christine Pflug: Sie sind nicht „anthroposophisch sozialisiert“, also nicht durch Elternhaus oder Waldorfschule an die Anthroposophie herangekommen, und außerdem erst nach einem ganzen Berufsleben in einem anderen Feld, als Redakteur im NDR. Wie war dieser Prozess?
Wolfgang Müller: Die erste Begegnung mit der Anthroposophie war eigentlich doch schon vor über zwanzig Jahren, angeregt durch einen Freund. Damals habe ich auch schon mehrere Werke von Rudolf Steiner gelesen. Aber es hat bei mir nicht recht gezündet. Allein zum Beispiel, wie Steiner die geistigen Welten quasi im Breitwandformat ausmalt, als eine höchst konkrete, vielgestaltige Wirklichkeit, das fand ich eher befremdlich. Es war jedenfalls nicht die Art Spiritualität, die mir nahelag.
Artikel von Jörg Kirschmann, Pfarrer der Christengemeinschaft
Im vergangenen Jahr wurde an vielen Orten Joseph Beuys‘ und seines Werkes gedacht anlässlich der 100. Wiederkehr seines Geburtstages. Zahlreiche Ausstellungen wurden ausgerichtet, die die Möglichkeit boten, sein Werk auf Aktualität hin zu befragen. Die Ausstellungen trugen Titel wie „Joseph Beuys und die Schamanen“, „Die unsichtbare Skulptur“, „Denken ist Plastik“, „Der Erfinder der Elektrizität/Joseph Beuys und der Christusimpuls“, um nur wenige Beispiele zu nennen, die auf die Spannbreite Beuysscher „Themen“ und die damit verbundene Erweiterung des Kunstbegriffs verweisen mögen. Was bleibt?
Neben einem überaus umfangreichen zeichnerischen Werk, einer Reihe von Plastiken vor allem aus der Frühzeit seines Schaffens, kann man gerade in den Ausstellungen vielen Arbeiten begegnen, die im Zusammenhang mit Aktionen entstanden sind, die doch ursprünglich ganz von der Anwesenheit Beuys‘ und den daran teilnehmenden Menschen lebten. Nun sind sie gleichsam Relikte, die trotz intensiver Betrachtung oftmals rätselhaft erscheinen. Und doch kann das Erlebnis eintreten, dass sie aus einer gewissen Entfernung zur konkreten Wahrnehmung in einer Art Nachbild plötzlich anfangen zu „sprechen“, verständlich zu werden, wenn nicht sogar auffordern, selbst Teil dieses Kunstwerkes zu werden.
Interview mit Ulrike Steurer, Ärztin, Dr. med. Irene Stiltz, Ärztin, Jörgen Day, Pfarrer i.R.
… gib jedem seinen eignen Tod. Das Sterben, das aus jenem Leben geht, darin er Liebe hatte, Sinn und Not.“ ¹Rainer Maria Rilke
Welchen Tod wünschen wir uns? Ist in einer extremen Situation eine Selbsttötung, sei es durch eine Assistenz oder alleine durchgeführt, Ausdruck oder Verletzung der Menschenwürde? Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht die „Beihilfe zur Selbsttötung“ auf geschäftsmäßiger Grundlage für nicht mehr strafbar erklärt. Seitdem wird über den Handlungsbedarf und die Rahmenbedingungen auf gesellschaftlicher und politischer Ebene diskutiert.
Interview mit Ulrich Meier, Pfarrer der Christengemeinschaft
Die Zukunft kommt uns nicht entgegen, sie liegt nicht vor uns, sondern sie strömt von hinten über unser Haupt.
Rahel Varnhagen, Berliner Salondame des ausgehenden 18. Jahrhunderts
Wie kann ich mir als Einzelner und wie können wir uns als Gesellschaft einen positiven Zugang zur Zukunft verschaffen? Diese Frage ist gerade in der jetzigen Zeit drängend. Der Zukunftsforscher Matthias Horx hat mit der Regnose einen Weg gefunden, wie man zum Akteur der eigenen Zukunft werden kann. Dabei ist es wichtig, die Vergangenheit so zu integrieren, dass man an ihr die Ressourcen entdeckt, um einen offenen, freien Blick für die Zukunft zu finden.
Zum Beispiel aus Nordafrika, Asien und Südosteuropa
Von Micaela Sauber, Erzählkünstlerin und Initiatorin von „Erzähler ohne Grenzen"
Überall auf der Welt, wo Menschen sind, sind auch Märchen, Legenden, Mythen und Sagen entstanden und wurden über Jahrhunderte weiter erzählt. Ich möchte Sie zu einem kleinen Streifzug mit zwei Märchenerzählungen in den Mittelmeerraum und nach Rumänien einladen. Es ist Sommer. Die Sehnsucht zieht mit der Sonne, den Wolken, dem Wind und den Sternen in die Ferne. Zahllos wie Sterne sind die Märchen der Welt. Der Himmel, an dem die Sterne leuchten, ist ihre gemeinsame Heimat und die Sternbilder der Fixsterne, der Charakter der Wandelsterne können vielfach gedeutet werden. Die Richtung und der Grund, von dem aus wir schauen, bestimmen die Sichtweise.
Auch dort, wo die digitalen Medien sich in den Seelen der Menschen längst breit gemacht haben, versammeln sich wieder Menschen, um direkt vom Mund ins Ohr Märchen zu erzählen, und zwar nicht nur für Kinder. In der Anthologie „Im Auge des Sturms – Schlüsselgeschichten von Erzähler ohne Grenzen“ berichten 35 AutorInnen von der Wirksamkeit des mündlichen Erzählens von Märchen.
Wie wird unser Selbstverständnis bestimmt? In der Mai-Ausgabe des Hinweis beschrieb Frau Michaela Glöckler, dass wir eine „alte“ Identität haben, die zum einen durch Erziehung und Einflüsse von außen gebildet wurde, und zum anderen darin besteht, wie wir uns selbst erleben. Beides ist sehr wechselhaft, weil die äußeren Umstände mehr oder weniger förderlich und sind und sich auch immer ändern. Erlebt der Mensch in seiner Biografie eine „zweite Geburt“, dann schafft er sich ein Selbstbewusstsein, das einen unzerstörbaren Mittelpunkt hat.
Die menschliche Biografie entwickelt sich in Gesetzmäßigkeiten. Wie verhält sich nun die biografische Entwicklung zu diesen beiden Formen der Identität?
Vorliegender Text ist eine Zusammenfassung eines online-Vortrages von Michaela Glöckler, gehalten auf einem webinar am 13./14. März, veranstaltet von der BVBA (Berufsvereinigung Biografiearbeit auf Grundlage der Anthroposophie www. biographiearbeit.de), an dem über 100 Teilnehmer*innen zuhörten. Der Titel hieß «Wer bin ich? Was ist mein Weg? Biografiearbeit als Schlüssel zu einem neuen Selbstverständnis».
Dr. med. Michaela Glöckler, Kinderärztin; bis 1987 am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke und schulärztliche Tätigkeit an der Rudolf Steiner Schule Witten; 1988 bis 2016 Leitung der Medizinischen Sektion am Goetheanum/Schweiz; Mitbegründerin der Alliance for Childhood und der Europäischen Allianz von Initiativen angewandter Anthroposophie/ELIANT; internationale Vortrags- und Seminartätigkeit; diverse Publikationen zu Fragen der Medizin, Pädagogik, Erziehung, u.a. Mitautorin der bekannten Erziehungsratgeber «Kindersprechstunde» und «Elternsprechstunde»; mit der Biografiearbeit auf Grundlage der Anthroposophie seit deren Initiierung in den 1980er-Jahren durch den Psychiater Bernard C. Lievegoed verbunden.
Wie können wir in der Biografie mit ihren Gesetzen in jedem Lebensalter neue Aspekte unserer Identität erüben und erfahren? Wie verhält sich die biografische Entwicklung zu diesen beiden Formen der Identität? Weiterlesen „Wer bin ich? Was ist mein Weg?“
Wir leben drei Leben: unser ganz persönliches Leben, unser soziales Leben und unser Leben als Zeitgenosse*in, durch das wir am Schicksal der ganzen Menschheit Anteil haben. Allen drei Wege provozieren die Frage nach der eigenen Identität: Wer bin ich? Wie werde ich von den Menschen in meinem Umkreis gesehen? Was ist der Mensch – was heißt es für mich, ein Mensch zu sein oder besser: ein Mensch zu werden? Wie kann man ein Selbstverständnis finden, das einen festen Mittelpunkt in sich selber hat, der nicht mehr zu verunsichern ist, der so stabil ist, dass man ihn sogar durch die Todespforte tragen kann? Es gibt in den spirituellen Traditionen und auch im Christentum die wunderbare Lehre von zwei Geburten und von zwei Toden, man kann zweimal geboren werden und zweimal sterben.
Vorliegender Text ist eine Zusammenfassung eines online-Vortrages von Michaela Glöckler, gehalten auf einem webinar am 13./14. März, veranstaltet von der BVBA (Berufsvereinigung Biografiearbeit auf Grundlage der Anthroposophie www. biographiearbeit.de), an dem über 100 Teilnehmer*innen zuhörten. Der Titel hieß «Wer bin ich? Was ist mein Weg? Biografiearbeit als Schlüssel zu einem neuen Selbstverständnis».
Dr. med. Michaela Glöckler, Kinderärztin; bis 1987 am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke und schulärztliche Tätigkeit an der Rudolf Steiner Schule Witten; 1988 bis 2016 Leitung der Medizinischen Sektion am Goetheanum/Schweiz; Mitbegründerin der Alliance for Childhood und der Europäischen Allianz von Initiativen angewandter Anthroposophie/ELIANT; internationale Vortrags- und Seminartätigkeit; diverse Publikationen zu Fragen der Medizin, Pädagogik, Erziehung, u.a. Mitautorin der bekannten Erziehungsratgeber «Kindersprechstunde» und «Elternsprechstunde»; mit der Biografiearbeit auf Grundlage der Anthroposophie seit deren Initiierung in den 1980er-Jahren durch den Psychiater Bernard C. Lievegoed verbunden.
„Biografiearbeit als ein Schlüssel zu einem neuen Selbstverständnis“. Wenn man diesen Titel des Vortrages bedenkt, kann man das Wort „neu“ irritierend finden: Wieso müssen wir unser Selbstverständnis in ein altes und ein neues gliedern?
Wenn wir unsere menschliche Lebenszeit, die heute ungefähr 80 Jahre dauert, vergleichen mit der Lebenszeit von Tieren und Pflanzen, können wir einen deutlichen Unterschied beobachten. Die Lebenszeit bei Tieren und Pflanzen ist von der Natur wunderbar geregelt, d. h. wer nicht lebensfähig ist, geht in den Kreislauf der Natur zurück. Da gibt es keine Geburtshilfen oder Kliniken, keine erzieherischen und entwicklungsfördernden Maßnahmen; es gibt nur die natürliche Zuwendung der Muttertiere zu den Jungen. Alles ist großartig vom Instinkt her gesteuert. Und wenn keine Katastrophen oder andere Eingriffe passieren, haben die verschiedenen Arten eine für sie typische Lebenszeit. Tieren sterben in der Regel, wenn sie sich nicht mehr ernähren können, oder sie werden gefressen, weil sie in der Nahrungskette für andere Lebenswesen Futter sind.
Der Entschluss zum Meditieren beinhaltet den Entschluss, sich auf einen Weg des inneren Übens zu begeben. Und wenn der Weg, wenn das Üben beginnt, dann beginnt damit auch ein Prozess, in welchem das Vor-Setzen in das Um-Setzen übergeht. Dies ist oft mit dem Zauber und Rückenwind des Anfangs, aber auch mit manchen Widerständen verbunden. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis die Motivation nachlässt und erste Anzeichen von Ermüdung auftauchen: Wie lange noch? Wann kann ich eine Pause machen? Oder anders gefragt: Woher nehme ich die Kraft, dranzubleiben, nicht aufzugeben und abzulassen von dem Vorgenommenen? Die nachfolgenden Gesichtspunkte sind aus der Überzeugung und der Erfahrung entstanden, dass Ausdauer als Kraft schrittweise ausbildbar ist. Ausdauer hat verschiedene Facetten und entspringt unterschiedlichen Quellorten. Diese Darstellung möge den Leser anregen, seine diesbezüglichen Gedanken zu überprüfen und seine eigene Ausdauerkraft Schritt für Schritt zu steigern.Weiterlesen „„Aus-Dauer“ Kraftquelle für Meditation und inneres Leben“
Vor 150 Jahren wurde Ernst Barlach in Wedel geboren. Gerade in Norddeutschland und speziell in Hamburg hat er seine künstlerischen Spuren hinterlassen, z. B. im Barlach-Haus im Jenisch-Park, im Ernst Barlach Museum in Wedel, die Barlach-Stele in der Nähe des Jungfernstiegs. Barlachs Arbeiten setzen sich mit dem Menschen, seinen Lebensbedingungen und seinen Haltungen zum Leben auseinander. Es sind vor allem seine markanten Holzplastiken und Bronzen, seine „Gestalten auf der Bühne des Menschseins“, die einen starken Eindruck erwecken. (Dieser Artikel enthält u. a. Auszüge aus einem Vortrag von Jörg Kirschmann, Pfarrer der Christengemeinschaft in Lübeck, der im August dieses Jahres einen Vortrag über Ernst Barlach in der Michaels-Kirche in Blankenese hielt.)
Was lebt in unserer Zeit? Was steht dahinter? Wozu werden wir herausgefordert?
Beiträge von Ulrich Meier, Maria Schulenburg, Thomas Mayer, Christine Rüter, Birgit Philipp, Matthias Bölts
Wir leben in einer sehr besonderen Zeit. Es ist die weltweite Pandemie, die unser Fühlen, Denken, Handeln, unser ganzes Leben in der Gegenwart stark beeinflusst. Es gab auch ein „Davor“, in dem man nach der Ursache für diese jetzige Lage sucht. In der Politik wird gegenwärtig heftig und kontrovers um einen angemessen Umgang gerungen. Und jeder stellt sich die Frage des „Wohin“: So, wie es davor war? Und wenn nicht: Was könnte das Neue sein? Viele von uns bemühen sich, die Bedeutung und den Hintergrund dieser besonderen Lage herauszufinden; man liest das in Zeitungen, tauscht sich in Gesprächen aus, und in kurzer Zeit sind schon einige Bücher dazu erschienen. So entstand auch die Idee, einige Menschen im Hamburger Umfeld nach ihren Erlebnissen und Gedanken zu fragen. Der Zeitgeist ist die Denk- und Fühlweise eines Zeitalters, die Eigenheit einer bestimmten Epoche. Aber interessanterweise hat nach den Forschungen Rudolf Steiners der „Zeitgeist“ auch noch eine andere Bedeutung: Es ist die Bezeichnung für ein geistiges Wesen, für einen Erzengel, der für eine Epoche die Menschheit prägt und bestimmte Entwicklungen anstößt. In diesem Spannungsfeld haben sich die sechs Autoren bemüht, auf ein „Dahinter“ zu schauen. Es war meine Bitte, sich tastend, fragend, auch fragmentarisch um einen Beitrag zu bemühen. Fertige Lösungen und schnelle Antworten wären verkürzt. So sind sehr unterschiedliche, individuelle, auch kontroverse Sichtweisen dabei zusammengekommen, und Sie können sich als Leser*in auf eine spannende Lektüre freuen. (Christine Pflug) (Die Beiträge sind im September oder Anfang Oktober geschrieben worden, die genannten Zahlen und der Sachstand beziehen sich auf diesen Zeitraum)
Interview mit Frank Hörtreiter, Öffentlichkeitsbeauftragter der Christengemeinschaft
Queer, Transgender, Transsexualität – alles Begriffe, die in den letzten Jahren immer öfter auftauchen und zeigen, dass diese Themen in der Öffentlichkeit angekommen sind und immer mehr diskutiert werden. 2017 kam es durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Einführung eines dritten Geschlechts. Seit Anfang dieses Jahres muss auf allen behördlichen Formularen neben „männlich“ und „weiblich“ auch der Begriff „divers“ vermerkt werden. Hinter „divers“ verbergen sich vielfältige geschlechtliche Möglichkeiten, die biologischer und auch seelischer Natur sein können.
Bei der deutschen ZEIT-Vermächtnisstudie 2016 gaben von den 3.104 Befragten 3,3% an, „entweder ein anderes Geschlecht zu haben als bei ihrer Geburt zugewiesen oder sich schlicht nicht als weiblich oder männlich zu definieren. Das heißt: Knapp 2,5 Millionen Deutsche […]“. Tania Witte: Andersrum ist auch nicht besser: Willkommen im Mainstream. In: Zeit Online. 15. Juni 2017, abgerufen am 8. November 2019. In der ZEIT vom 20. Mai 2020 war in einem Artikel („Vom Recht, anders zu sein“) zu lesen, dass in „explodierenden Zahlen“ auch immer mehr Jugendliche mit ihrem Geschlecht nicht zurechtkommen. Sie lassen mit ärztlicher Behandlung eine Geschlechtsumwandlung durchführen. In Schweden stieg zwischen 2008 und 2018 die Zahl um 1.500 Prozent, in Deutschland ist der Trend ähnlich. Ein Thema, das auch bei Experten mehr Fragen als Antworten und kontroverse Positionen hervorruft.
Tritt mit dem Thema „Transidentität“ etwas in die Öffentlichkeit, was es immer schon gab, jetzt aber anerkannt wird und den Betreffenden eine neue Stimmigkeit in ihrem Körper und Leben verschafft?
Könnten es Anzeichen einer menschheitlichen Entwicklung sein, dass sich die Unterscheidung in zwei Geschlechter auflöst, wie Rudolf Steiner es für sehr zukünftige Zeiten beschrieben hat? Der Komponist Anton Webern, ein Schüler Schönbergs, sagte im letzten Jahrhundert: „Aus der Zweigeschlechtlichkeit ist ein Übergeschlecht entstanden.“ (Er sieht die Zwölftönigkeit als Fortführung der Dur-Moll-Tonalität, bei der Dur und Moll dem Männlichen und Weiblichen zugeordnet wird.) Beschleunigen sich heute Entwicklungen in einem Tempo, wie man es vor 100 Jahren nicht gedacht hätte?
Nächstes Jahr wird es von anthroposophischer Seite eine Fachtagung zu dem Thema geben „Mädchen, Junge, Divers? Das Geschlecht und seine Variationen“ (siehe am Ende des Interviews).
Wir haben es anscheinend mit einer kulturellen Entwicklung zu tun, die von uns verlangt, dass wir uns damit auseinandersetzen.
Interviewpartner: Frank Hörtreiter, geb. 1944, Studium der klassischen Philosophie und am Priesterseminar der Christengemeinschaft. Seit 1969 verheiratet, seit 1970 Priester, seit über 15 Jahren Öffentlichkeitsbeauftragter der Christengemeinschaft. Tätig als Pfarrer in Hamburg von 1970-1973 und 1996-2006, dazwischen 23 Jahre in Hannover und in Stuttgart und die letzten 14 Jahre wieder in Hannover; seit 5 Jahren emeritiert. Zurzeit schreibt er eine Studie Die Christengemeinschaft im Nationalsozialismus und ein Buch Geschichte der Christengemeinschaft. Seit ungefähr eineinhalb Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Transsexualität, seit ungefähr 25 Jahren mit gleichgeschlechtlicher Liebe.
Christine Pflug: Ich finde es interessant, dass Sie sich mit dem Thema gleichgeschlechtliche Liebe und Transsexualität nicht aus einer persönlichen Betroffenheit heraus beschäftigen (was abgesehen davon genauso gut wäre). Sie leben in einer „klassisch-konservativen“ Situation, sind seit über 50 Jahren mit derselben Ehefrau verheiratet, haben 4 Kinder, 8 Enkelkinder, wussten seit Jugendjahren, dass Sie Pfarrer werden wollen … Was ist Ihr Anliegen?
Wie Engel heute führen oder warum eine Führung „von oben“ nicht mehr klappt!
Interview mit Dr. Hans-Bernd Neumann, Pfarrer
Heute ist das Thema Engel wieder populär, nachdem es im 20. Jahrhundert nur von wenigen Literaten beachtet wurde. Seit einigen Jahrzehnten gibt es viele Bücher, Veröffentlichungen, sogar Kongresse dazu. Welche Wesen sind die Engel? Wie wirken sie? Wie können wir uns an sie wenden? Vielleicht gewinnen solche Fragen in Krisenzeiten wie der jetzigen an Bedeutung.
Der Vortrag von Herrn Dr. Neumann mit dem Titel „Engel – sie sind niemals sentimental. Wie Engel heute führen oder warum eine Führung „von oben“ nicht mehr klappt. Von der Ressourcennutzungs- zur Potentialentfaltungsgemeinschaft“ fand statt am 4. Juni 2020 in der Lukas-Kirche in Volksdorf.
Interviewpartner: Hans-Bernd Neumann, verheiratet, 4 erwachsene Kinder. 1999 wurde er zum Pfarrer geweiht, er arbeitete in Bielefeld, Tübingen und jetzt in Reutlingen. Im ersten Beruf Dr. der Physik, an sechs Universitäten studiert, „eigentlich wollte ich die Universitätskarriere durchziehen“. Als er bei DESY („Deutsches Elektronen-Synchroton“) in Hamburg als Physiker arbeitete, lernte er die Christengemeinschaft kennen. „Ich habe nie mit der Physik gebrochen, ich war dort nie frustriert, aber ich lernte in meiner Hamburger Zeit, dass es noch einen anderen Bereich des Seins zu entdecken gibt. Ich habe die Theologie mehr als eine Erweiterung der Physik erlebt und nicht als eine Begrenzung.“
Christine Pflug: Engel werden von Dichtern und in anderer Literatur mitunter als furchterregend beschrieben, z. B. heißt es bei Rilke: „Jeder Engel ist schrecklich“ oder „… und gingen wie Erzürnte durch das Haus und griffen dich als ob sie dich erschüfen und brächen dich aus deiner Form heraus.“ Wie sind Engel?
Zur Entwicklung und zum Aufbau seelischer Sinnesorgane
Zusammenfassung eines Vortrages von Steffen Hartmann
Das Thema Chakren ist populär. Wir wissen davon aus Medien, esoterischer Literatur, Yogakursen etc. Das Wissen um diese „Lotusblumen“, wie die Chakren auch genannt werden, ist uralt und wurde schon von Buddha gelehrt. Rudolf Steiner knüpfte an diese alten Traditionen an und entwickelte daraus einen Übungsweg, der für uns westliche Menschen zeitgemäß ist. Steffen Hartmann hielt dazu einen Vortrag am 27. November 2019 im Rudolf Steiner Haus
Steffen Hartmann studierte Klavier in Hamburg. 2007 gründete er zusammen mit Matthias Bölts das Institut MenschMusik Hamburg, das neue Wege in der Musikerausbildung beschreitet. Steffen Hartmann schreibt regelmäßig Aufsätze zu Grundfragen der Anthroposophie, zu Meditation und Musik. Zusammen mit Torben Maiwald gründete er die Edition Widar. Seit 2012 ist er im Zweig am Rudolf Steiner Haus Hamburg verantwortlich tätig; damit verbunden ist eine intensive, internationale Vortrags- und Seminartätigkeit.
Wie ging es Ihnen, als Sie in Ihrem Leben zum ersten Mal gehört haben, dass es Chakren gibt oder als Sie selbst erlebt haben: Ich habe Chakren, ich habe geistig-seelische Wahrnehmungsorgane? Vielleicht hat man davon gehört oder hat eigene Erlebnisse, die nicht auf den Sinnen des physischen Leibes beruhen. Wenn man von so einem Thema berührt wird, begleitet es einen viele Jahre und lässt einen nicht mehr los. Mich hat es schon als junger Mensch interessiert: Was sind das für Organe? Wie kann ich die wahrnehmen, und wie kann ich mit diesen Organen anderes wahrnehmen? Aus meiner Sicht ist es ein langer Weg, den man in der Klärung und Bearbeitung dieser Fragen gehen kann.
Was bedeutet eine Epidemie für den kulturellen und geistigen Fortschritt der Menschheit?
Einige Gedanken zu dem Thema von Dr. med. Wolfgang Rißmann, Psychiater
Bereits 1972 erstellten die Mitglieder des Club of Rome eine Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft: „Die Grenzen des Wachstums“ (Originaltitel: englisch The Limits to Growth).
Das benutzte Weltmodell diente der Untersuchung von fünf Tendenzen mit globaler Wirkung: Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoffreserven und Zerstörung von Lebensraum. So wurden Szenarien mit unterschiedlich hoch angesetzten Rohstoffvorräten der Erde berechnet, oder eine unterschiedliche Effizienz von landwirtschaftlicher Produktion, Geburtenkontrolle oder Umweltschutz angesetzt. Bis heute sind von diesem Buch über 30 Millionen Exemplare in 30 Sprachen verkauft worden.1973 wurde der Club of Rome dafür mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Trotz dieser warnenden Vorausschau können wir heute 48 Jahre später feststellen, dass diese Warnrufe wenig gehört wurden. Nach wie vor äußern sich führende Wirtschaftsfachleute und Politiker so, dass eine gesunde Wirtschaft wachsen müsse. Wie weit und wohin soll sie eigentlich wachsen?
Interview mit Dr. med. Wolfgang Rißmann, Psychiater
Es gibt immer wieder Menschen, die spontan hellsichtige Wahrnehmungen haben. Geht man einen Weg der geistigen Erkenntnis, so wie ihn Rudolf Steiner beschrieben hat, besteht der aus regelmäßigen Übungen, und eine Hellsichtigkeit kann stufenweise dazu kommen. Dieser Erkenntnisweg geht über die Stufen der normalen Wahrnehmung, dann zur Imagination, Inspiration, Intuition. Wenn wir im Alltag und im sozialen Miteinander sinnvoll und konstruktiv handeln, benutzen wir eigentlich schon, zumindest in Ansätzen, die Fähigkeiten dieser vier Stufen. Interviewpartner: Dr. med. Wolfgang Rißmann ist Facharzt für Psychiatrie und war leitender Arzt und Qualitätsmanager an der Friedrich-Husemann-Klinik in Buchenbach bei Freiburg. Er ist in der Ausbildung von Medizinstudenten, Ärzten und Therapeuten tätig. Vielfältige Vortrags- und Seminartätigkeit zu den Themen der allgemeinen Anthroposophie und Prävention psychischer Krankheiten. Besonderer Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung von anthroposophischen Arzneimitteln bei psychischen Krankheiten. Seit Februar 2014 Privatpraxis für Psychiatrie in Hamburg-Volksdorf.
Christine Pflug: Es gibt immer wieder Menschen, die hellsichtige Wahrnehmungen haben. Auch gerade in Hamburg gibt es Seminare, Vorträge, Sitzungen, die das zum Inhalt haben, z. B. Channeling, Kontakt zu geistigen Meistern, Lesen der Aura etc. Auch im Internet findet man Anleitungen, wie man so etwas macht. Welche Phänomene sind das?
Interview mit Christian Bartholl, Pfarrer der Christengemeinschaft
In der Zeit zwischen dem alten und dem neuen Jahr liegt es nahe, dass wir zurückblicken. Was ist im letzten Jahr in der Welt geschehen? Gab es erfreuliche Entwicklungen, Vorbildliches, Erschreckendes, Zerstörung? Was habe ich persönlich damit zu tun? Wir alle haben zu verantworten, wie es mit uns und der Erde weitergeht. Welche Vorhaben möchten wir alleine und auch in Gemeinschaft in Zukunft realisieren?
Interviewpartner: Christian Bartholl wurde in Stade geboren, 2006 als Pfarrer geweiht, 5 Jahre war er tätig in München und seit 8 Jahren in Hamburg-Volksdorf. Seit 2 Jahren trägt er Verantwortung für die Christengemeinschaft Norddeutschland. Er war im früheren Beruf Grafik-Designer und arbeitete für Zeitschriften- und Buchverlage.
Christine Pflug: In den Gemeinden der Christengemeinschaft werden am 31. Dezember Sylvesterpredigten gehalten. Was macht so eine Sylvesterpredigt aus?
Christian Bartholl: In der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr neigt man dazu, eine Rückschau zu halten, auch für sich persönlich: Wo stehe ich in meinem Leben und was wird mir das nächste Jahr bringen? Was war substanziell im letzten Jahr? Ich versuche, auf einer gesellschaftlichen Ebene die wichtigen Motive des Jahres zu finden und zum Inhalt der Sylvesterpredigt zu machen. So ein Rückblick könnte auch eine andere Form haben, in manchen Gemeinden trifft man sich und tauscht sich gemeinsam aus.
P.: Auf was blicken Sie in 2019 zurück?
Bartholl: Mir ist als eindrückliches Bild die Waldbrände im Amazonas-Gebiet geblieben, stellvertretend dafür, wie wir heute mit der Erde umgehen. Auch in den Jahren davor war das ein wichtiges Thema, aber es spitzt sich immer mehr zu. Man merkt, wie groß die Zerstörung der Welt und ihrer Ressourcen ist. Man könnte auch sagen: Die Erde brennt! Und die Art und Weise, wie wir heute in unserer Zivilisation leben, ist auch eine übermäßige Verbrennung von Rohstoffen. Wenn man auf den Körper schaut, findet da auch Verbrennung statt: Wie verbrennen Nahrungsmittel, damit wir leben können. Man könnte sagen: Damit überhaupt geistiges Leben und Zivilisation entstehen kann, muss Verbrennung sein, aber es werden so viele Ressourcen aufgebraucht, dass für später nicht mehr viel übrig bleibt. Das Gleichgewicht geht verloren.
C. P.: Nun hängt ja in Brasilien der Amazonas-Brand, der immer noch nicht gelöscht wird, mit der dortigen Regierung zusammen, die allerdings demokratisch vom Volk gewählt wurde. Immer mehr rechtsradikale Regierungen sind in 2019 an die Macht gekommen. Auch das ist ein Symptom.
die Zerstörung der Ressourcen und politisch gesehen die Vereinzelung
C. Bartholl: Diese „Verbrennung“ wird nicht dafür eingesetzt, dass mehr heilender Geist entsteht, zu dem auch die Menschheit beitragen kann, sondern es steht Egoismus dahinter: „Mir soll es gut gehen, und wie es dem anderen geht, ist mir egal“ – das ist die Grundgeste, die man an vielen Stellen der Welt sieht. Insofern hängt das eine Phänomen mit dem anderen zusammen. Auf der einen Seite steht die Zerstörung der Ressourcen, auf der anderen Seite politisch gesehen die Vereinzelung, und wir schaffen es nicht, etwas für die Gemeinschaft entstehen zu lassen. Es ist z. B. traurig, wenn man die Wahlergebnisse im Herbst 2019 im Osten anschaut: Eine Gesellschaft driftet auseinander; viele fühlen sich nicht verstanden, und andere können es nicht richtig hören. Auch das ist ein Grundproblem: Wir können nicht richtig hinhören. Die Frage ist: Wie können wir eine vertiefte Form des Hinhörens üben, einmal im persönlichen Kontakt, aber auch im Größeren?
In der Politik haben wir eine Form der Diskussion: Ein Argument kommt auf das nächste, und der mit den scheinbar besseren Argumenten gewinnt. Häufig ist es so, dass dann ein großer Teil der Bevölkerung sich darin nicht wiederfinden kann. Das führt zu Spaltungen. Statt Diskussion sollte der Dialog geführt werden. Im Dialog geht es darum, den anderen wirklich zu verstehen und gut zuzuhören.
C. P.: Damit wären wir bei den Wünschen für die Zukunft. Welche Ereignisse fanden sie in 2019 noch bemerkenswert?
Menschen stehen ein für ihre Sache und übernehmen Verantwortung!
C. Bartholl: Zusammenhängend mit dem übermäßigen Verbrauch von Ressourcen ist die Fridays-for-Future-Bewegung entstanden. Junge Menschen sind so erschüttert von dem, was sie von Wissenschaftlern an Zukunftsszenarien hören, dass sie sich zusammengetan haben. Die Erde verwandelt sich in einem rapiden Maße so, dass die jungen Menschen nicht mehr sehen, wie sie darin ihr Leben gestalten können.
Ein weiteres Schlaglicht des letzten Jahres ist die Kapitänin der Seawatch, Carola Rakete. Daran finde ich interessant, wie jemand aus einer persönlichen Betroffenheit handelt und das auf eine sehr selbstbewusste Weise. Sie ist sehr jung, hat eine große Verantwortung, tut, was getan werden muss, um Menschenleben zu retten und fragt nicht nach den politischen und juristischen Bedingungen. Das macht mir Mut: Menschen stehen ein für ihre Sache und übernehmen Verantwortung! Und sie sind bereit, die Konsequenzen zu tragen, was in ihrem Fall nicht einfach ist. In anthroposophischen Zusammenhängen würde man das als eine michaelische Qualität bezeichnen: Ich sehe, was passiert, handle aus einem Selbstbewusstsein heraus und stehe dann dafür ein.
Dieses Prinzip vervielfältigte sich dann
C. P.: Ähnliches kann man auch von Greta Thunberg sagen …
C. Bartholl: Ein Ursprung ihres Erfolgs war, dass sie sich ganz einsam vor den schwedischen Reichstag hingestellt hat und auch die Konsequenzen, die vom Fehlen im Unterricht kommen, auf sich genommen hat. „Dies hier ist wichtiger, als die Konsequenzen, die ihr mir androht.“ Dieses Prinzip vervielfältigte sich dann auch bei den anderen Schülern.
C. P.: Ist der Brexit auch ein Phänomen der beschriebenen Vereinzelung?
C. Bartholl: Der Brexit ist der Ausstieg Groß Britanniens aus der europäischen Union. Die europäische Gemeinschaft hat sich gebildet, weil sie gemeinsam für Europa einstehen will, eine gemeinsame Außen- und Wirtschaftspolitik gestalten möchte, die starken Länder sollen die förderungsbedürftigen Regionen unterstützen – es ist ein Gemeinschaftsprojekt. Großbritannien will sich herausziehen, weil es ihnen mehr um den eigenen Vorteil in der Welt geht.
In diesem Sinne sollten wir Gemeinschaften anstreben.
C. P.: Wie sehen Sie als Pfarrer der Christengemeinschaft die Wege, aus diesen schwierigen Situationen heraus zu kommen?
C. Bartholl: Das Heilmittel würde darin liegen, eine neue Verbindung zur geistigen Welt aufzubauen, um von dort die Impulse zu bekommen. Dafür gibt es das Bild des „Salavator Mundi“, Christus als der Heiler der Welt.
Wenn wir wollen, dass die Christus-Impulse in der Welt wirksam werden, dann müssen sich Gemeinschaften bilden, damit ein Gefäß entstehen kann für die Inspirationen aus der geistigen Welt. Diese Gemeinschaften können zum Beispiel Gemeinden sein. Wir kennen das: Wenn mehrere, die sich gut abgestimmt haben, zusammen arbeiten, entsteht mehr, als wenn nur ein Einzelner etwas tut. In diesem Sinne sollten wir Gemeinschaften anstreben.
C. P.: Fridays-for-Future hat das praktiziert …
C. Bartholl: … und zwar sehr erfolgreich, es ist ja eine riesige Gemeinschaft. Eine kleinere Gemeinschaft ist sinnvoll, um wirklich neue Impulse in die Welt zu holen und zu entwickeln; das Hinhören auf das, was entstehen will, gelingt besser. Obwohl weniger Menschen beteiligt sind, können sie gute Ideen finden. Je größer eine Gemeinschaft ist, desto komplexer werden die Gemeinschaftsbeziehungen untereinander. Das Wahrnehmungsorgan großer Gemeinschaften ist dadurch diffuser.
C. P.: Was müssen diese Gemeinschaften haben, damit die beschriebene Spaltung aufhört?
C. Bartholl: Die Menschen in der Gemeinschaft sollten die Fähigkeit haben hinzuhören. Und dieser Freiraum, der dann entsteht, sollte von Sicherheit und Vertrauen geprägt sein. Wenn man so eine Gemeinschaft hat, z. B. erlebe ich das in Evangelienkreisen, kann ein Gedanke „in der Mitte entstehen“. Man hat dann das Gefühl, dass das nicht mehr der eigene Gedanke ist, sondern dass er wie in diesen Raum hinein „gebeten“ wurde. Dazu gehören bestimmte Fähigkeiten, z. B. jemanden ausreden lassen, zuhören, am Thema bleiben und nicht ein neues hineinbringen. Das muss natürlich immer wieder geübt werden. Wir machen es uns in der Gemeinde bewusst, dass wir auf diese Weise miteinander reden wollen, und es sind bestimmte Regeln, an die man sich hält. Beispielsweise gibt es solche Techniken, dass jeder eine gewisse Zeit zur Verfügung hat und die anderen hören konzentriert zu.
In der Gemeinde haben wir den Vorteil, diese Dinge ausprobieren zu können. In anderen Kontexten ist es viel schwieriger, sich auf bestimmte Formen des Gesprächs zu einigen. Ich sehe darin auch eine gesellschaftliche Aufgabe nicht nur bei der Christengemeinschaft, sondern auch in anderen Gemeinschaften, solche neuen Formen auszubilden.
das Bild des „Salavator Mundi“, Christus als der Heiler der Welt
C.P.: Salvator Mundi – der Heiler der Welt. Wie genau ist das zu verstehen in Hinblick auf die Zeitlage?
C. Bartholl: Es gibt ein Bild, das da Vinci zugeschrieben wird: Es ist der Christus abgebildet, der in der linken Hand eine Weltenkugel hält und mit der rechten Hand den Christusgruß zeigt. Es gibt aber auch verschiedene andere Künstler, die den Salvator Mundi gemalt haben.
Wir erleben, dass die Welt in Unordnung geraten ist und Krankheitssymptome trägt, im Sinne der Zerstörung der Erde. Und die Frage ist: Wie kann Gesundung eintreten? Was soll heil werden? In der Anlage der Welt, so wie die Schöpfung begann, wurde der Mensch von Gott getrennt – so ist es in der Paradiesesvertreibung geschildert. Zuvor hatten sich die Menschen mit der Gottheit eins gefühlt, und dann sind sie aus dieser Einheit herausgefallen. Wir haben seitdem eine Sehnsucht nach der Einheit, wir fühlen uns getrennt, einsam und leben nicht in einem guten Zusammenhang mit der Welt. Wie können wir diese Trennung überwinden? Durch Liebe und indem wir auf den anderen zugehen. Diese Art der Liebe beschreibt Erich Fromm in seinem Buch „Die Kunst des Liebens“. Es geht darum, dass ich den anderen nicht überwältige oder einvernehme, sondern das Wesen des anderen respektiere. Auch symbiotische Beziehungen sind keine Liebe, weil sie den anderen nicht frei lassen.
Wie können wir auch das, was als Geistiges in der Welt lebt, so einbeziehen, dass es heilend wirksam ist? Die Ursache für das, was wir heute erleben, ist eine immer größere Geistferne, weil wir zunehmend nur auf die Materie schauen.
C. P.: Wie kann die Verbindung mit dem Geistigen entstehen?
C. Bartholl: Das Christuswesen ist deshalb auf die Erde gekommen, weil er in seinem Leben der Menschheit zeigen wollte, wie diese Verbindung mit der Gottheit wieder entstehen kann. Gott wird Mensch, damit die Menschen sich in Freiheit weiterentwickeln können und eine neue Vereinigung mit der göttlichen Welt erreichen können. Das eine Bild, von dem wir kommen, ist das Paradies, und das Bild, wohin wir uns entwickeln sollen, ist das himmlische Jerusalem. Durch eigene Entwicklung gibt man Bausteine für das himmlische Jerusalem. Und die bedeutendste Lehre des Christus ist die Liebe. Wenn wir Gemeinschaften bilden, die inspirationsfähig sind, können wir aus der geistigen Welt Impulse holen, die uns helfen, an dieser aus dem Geist gebauten Stadt zu bauen.
C. P.: In der Christengemeinschaft wendet man sich direkt an den Christus als den Heilenden. Es gibt aber viele Gemeinschaften, die auch das Wohl des Ganzen im Blick haben, z. B. Greenpeace, BUND oder andere NGO´s – sind die auch von dieser Kraft inspiriert, auch wenn sie das nicht so nennen würden?
Das Christuswesen ist eine Energie, eine Kraft, die sich in den Prozessen des Lebens ausdrückt.
C. Bartholl: Das Christuswesen ist eine Energie, eine Kraft, die sich in den Prozessen des Lebens ausdrückt. Er zeigt sich auch in Situationen, die nicht seinen Namen tragen, aber diese Energie wird spürbar.
Es gibt ein Grundprinzip, nach dem auch die Menschenweihehandlung angelegt ist. Am Anfang ist die Verkündigung (Lesung einer Evangelienstelle), dann kommt die Opferung, ein Öffnungsprozess. Wenn ich in einer Krisensituation stehe, brauche ich zuerst die Bereitschaft, mir diese Situation anzuschauen und mir meine Hilflosigkeit zuzugestehen – das ist der Beginn der Öffnung. Denn da, wo ich keine Frage habe, kann sich auch keine Verwandlung bilden. Das ist die Grundlage dafür, dass dann eine Wandlung geschehen kann – es kann etwas hinzukommen, was über die eigenen Kräfte hinausgeht. In diesem nächsten Schritt der Wandlung verbinden sich die menschliche und die göttliche Hingabe. Im letzten Schritt, in der Kommunion, bekommt man die göttliche Antwort.
C. P.: Wenn man das auf die alltäglichen Verhältnisse bezieht – könnte man sagen, dass man vor einer scheinbar ausweglosen Situation steht, wie z. B. die Jugendlichen von Fridays-for-Future, in der man nicht mehr weiter weiß, dann sich dieser Ohnmacht stellt und durch diese Offenheit eine inspirierte Antwort bekommt, die man wiederum mit anderen teilt?
Diese zweite Schöpfung entsteht dadurch, dass sich Menschen verabreden und so miteinander umgehen, dass sie inspirationsfähig werden in sozialer und kultureller Form.
C. Bartholl: Das wäre der ideale Weg. Natürlich können wir auch als Einzelne so einen Prozess beschreiten: Was bin ich bereit, in meinem Leben zu ändern? Wenn man die Umweltsituation als Beispiel nimmt, muss man Altgewohntes loslassen, damit etwas Neues möglich wird. Es ist immer ein guter Weg, mit kleinen Schritten bei sich selbst anzufangen. Und doch ist es so, dass einerseits jeder Einzelne etwas tun kann, aber es braucht Verabredungen in einer Gemeinschaft. Sie werden im Rechtsleben geregelt, aber zuvor braucht es das Gespräch, und zwar einen gesellschaftlichen und politischen Dialog.
Wenn man das Ziel der Entwicklung der Welt in ein Bild bringt, so ist es ihre freie Gestaltung in Liebefähigkeit. Ein spirituelles Leben, die Entwicklung von Kultur, Musik, Kunst, das Gestalten des sozialen Miteinanders hilft, diese Prozesse zu entwickeln. Kultur ist ja letztlich, dass man gemeinschaftliche Prozesse und die Umgebung so gestaltet, dass sie das Wohl von allem einbezieht. Dazu gehört auch, mit was man sich umgibt, wie die Städte aussehen, wie die sozialen Prozesse in diesen Städten gestaltet werden usw. – das wird in Zukunft immer wichtiger werden.
Das erste Urbild in der Bibel ist ein Naturbild, nämlich das Paradies. Das Bild der zukünftigen Entwicklung ist eine Stadt, also ein Kulturgebilde, nämlich das neue Jerusalem. Gott hat in der ersten Schöpfung die Welt geschaffen, jetzt geht es um die zweite Schöpfung, die durch die Menschheit geschieht. Diese zweite Schöpfung entsteht dadurch, dass sich Menschen verabreden und so miteinander umgehen, dass sie inspirationsfähig werden in sozialer und kultureller Form.
„Gibt es eine bestimmte Sache für mich zu tun?“ Dieser Satz stammt aus dem Briefwechsel zwischen Edith Maryon und Rudolf Steiner (Brief 3 GA 363). Ganz tief aus ihrem inneren Streben heraus stellte Edith Maryon diese Frage an Rudolf Steiner. Das war der Beginn, ihren bisherigen Weg noch weiter zu vertiefen durch den neuen Kunstimpuls, der damals von der Anthroposophie ausging.
Edith Maryon war eine der ersten Mitarbeiterinnen am ersten Goetheanum, dem Bau in Dornach, der „das Haus des Wortes“ werden sollte. Menschen aus neunzehn Nationen wirkten an seiner Entstehung mit. Dieses war etwas ganz Besonderes, da die Menschen aus freien Stücken kamen, um daran zu arbeiten – obwohl die Welt um sie herum brodelte und dieses Brodeln schließlich zum ersten Weltkrieg führte.
Beginn ihres Künstlerlebens
Louisa Edith Church Maryon kam in London am 9. Februar 1872 zur Welt.
Ihr Vater John Siemeon Maryon war Schneidermeister, ebenso wie sein Vater vor ihm. Ihre Mutter Louisa Church Maryon stammt aus einer Pfarrersfamilie aus Chelsea, ein Stadtteil Londons. Edith Maryon wuchs als zweites von sechs Kindern in London auf.
Die erste Schule, die Edith Maryon besuchte, war eine Mädchenschule, nicht weit entfernt von ihrem Elternhaus im Stadtteil St. Pancras, in der Nähe des Britischen Museums. Aus der Schulzeit ist bekannt, dass sie dort Französisch gelernt hatte; auch wurden hier ihre Begabungen für Poesie und Kunst angelegt. Nach Beendigung ihrer Schulzeit schickten ihre Eltern Edith nach Genf in die französische Schweiz, damit sie dort ihre Französischkenntnisse vertiefte.
Als Edith wieder nach England zurückkehrte, ließen ihre Eltern sie auf die Central School of Design gehen, da sie ihre künstlerische Begabung erkannten. Für junge Frauen war das zur damaligen Zeit nicht selbstverständlich. Schon ihr Bruder war zuvor Bildhauer geworden. So war die Kunst nichts Fremdes in ihrem Elternhaus.
Es wurde in dieser Kunstschule sehr viel Wert auf die Erlernung von praktischen Fertigkeiten gelegt, Edith Maryon lernte dort zeichnen, modellieren, holzschnitzen, steinhauen sowie den Umgang mit Gips und anderen Materialien. Darüber hinaus konnte sie die Herstellung von Bronzeguss erlernen. Edith wurde im Stil der Neoklassik unterrichtet, dieser Stil war damals sehr modern. 1896 wurde diese Ausbildungsstätte zum „Royal College of Art“ umbenannt.
Nach ihrer Ausbildungszeit arbeitete sie als freie Bildhauerin in England und Italien.
Bekannt ist, dass Edith Maryon dreimal in Assisi weilte, um dort die Malerei Giottos zu studieren. Auch richtete sie ihr Augenmerk auf die architektonischen Besonderheiten, die diese Stadt beherbergte. Schon Goethe schwärmte von diesem schönen Städtchen, welches etwas erhöht am Hang liegt. Vom Tal kommend strahlt der Diana Tempel uns in seiner vollen Pracht entgegen. Edith Maryon setzte sich in Italien mit der Schönheit und Anmut der dortigen Kunst auseinander.
Ihren Lebensunterhalt bestritt sie durch Aufträge, Ausstellungen und Wettbewerbe. Sie konnte ihre Werke unter anderem in der Royal Academy in London und der Walker Gallery in Liverpool auch in Glasgow im Royal Institut of fine -Arts ausstellen. Alle ihre Werke sind entweder freistehende Figuren oder Reliefplastiken. Porträts fertigte sie unter anderem von Lord Alfred Tucker und Queen Victoria an.
1898 wurde in Glasgow ein Modell aus Gips von ihr für ein öffentliches Gebäude gezeigt mit dem Titel: „Bekleide dich mit der ganzen Rüstung Gottes“ (Epheser, neues Testament). Sie war 27 Jahre alt!
Ihr Aufbruch
1912 nahm ihr bisheriges Leben eine Wendung an. Auf Anregung ihres Arztes, Herr Robert William Felkin, der Esoteriker war und von Rudolf Steiners Wirken wusste, sollte sie mit Dr. Steiner Kontakt aufnehmen, da sich ihr Krankheitszustand immer mehr und mehr
verschlechterte (Erst sehr viel später wurde festgestellt, dass sie an Schwindsucht litt.) Am 16. Oktober 1912 verfasste Edith Maryon den ersten Brief, verwies darin auf Herrn Felkin und bat Rudolf Steiner um eine Unterredung. Als sie keine Antwort erhielt, forderte Herr Felkin Edith Maryon auf, Rudolf Steiner ein Foto von ihrer letzten künstlerischen Arbeit zuzusenden. Sie schickte ihm ein Foto des Frieses: „Vom Sucher nach göttlicher Weisheit“. Auf diesem Fries sind vier Säulen mit ägyptischen Kapitellen zu sehen, in der Mitte steht erhöht der segnende Christus, um ihn herum sind neun Personen gruppiert. Auffällig ist die Bildgeometrie, eine Dreiecksform, die diesem Fries zu Grunde gelegt wurde.
Nach vier Wochen etwa schickte sie den zweiten Brief. Als sie auch auf den zweiten Brief keine Antwort erhielt, wandte sie sich an Herrn Collison, der Mitglied in der Theosophischen Gesellschaft war. Bei ihm hatte Edith Maryon bereits die Grundlagen der Theosophie (Anthroposophie) erhalten. Herr Collison wandte sich an Marie von Sivers (Steiner) und bat sie, für Maryon ein Gespräch mit Rudolf Steiner zu ermöglichen. Dabei sollte Marie von Sivers dolmetschen. Darauf kam Edith Maryon am 10. Dezember 1912 in Berlin an. Dort konnte sie sich kurz mit Rudolf Steiner besprechen, um ein Datum festzulegen, an welchem das eigentliche Gespräch stattfinden konnte. Sie verabredeten sich zum 31. Dezember 1912 in Köln. Es ist nicht überliefert, was in diesem Gespräch gesagt wurde, aber kurz danach schrieb Edith in einem Briefwechsel diesen Satz an Rudolf Steiner: „Gibt es eine bestimmte Sache für mich zu tun?“
An diesem selben Tag fand ein Vortrag statt, zu dem auch Gäste aus Russland
angereist waren. Es waren Assja Turgenieff (eine russisch-schweizerische Grafikerin, Glasschleiferin und Eurythmistin) und Andrej Bjelyj (ein russischer Dichter und Theoretiker des Symbolismus). Dies war der Beginn einer interessanten künstlerischen Zusammenarbeit für die Drei.
Für Edith Maryon stand danach fest, dass sie von England nach Deutschland umsiedeln wollte, um weiter den Kontakt mit Rudolf Steiner und Marie von Sivers zu vertiefen. Sie schaffte es, in kürzester Zeit die deutsche Sprache zu erlernen. Im Winter 1912/ 1913 gründete sich die Anthroposophische Gesellschaft aus der Theosophische Gesellschaft heraus. Edith wurde Mitglied und setzte nun ihr ganzes künstlerisches Schaffen für die anthroposophische Bewegung ein. Sie spielte bei den Mysteriendramen in München mit und zog schließlich in die Motzstrasse in Berlin ein, in der damals Rudolf Steiner und auch andere Menschen aus dem anthroposophischen Umfeld wohnten.
Dornach
Am 28. Januar 1914 traf Edith Maryon in Dornach ein. Etwa dreihundert Arbeiter waren am Bau des ersten Goetheanums beteiligt. Bis Ostern blieb sie in Dornach und widmete sich in dieser Zeit den Baumodellen und der Entstehung der bunten Glasfenster. In diesem Jahr wurde Edith Maryon zweiundvierzig Jahre alt.
Aus gesundheitlichen Gründen musste sie ihren Aufenthalt in Dornach unterbrechen und reiste nach England zurück. Unter Dr. Felkins Behandlung wurde sie wieder gesund. Im Sommer 1914 war es ihr wieder möglich, nach Dornach zurückzukehren.
Dort waren die Bautätigkeiten in vollem Gange. Das Goetheanum wurde noch von einem Baugerüst umschlossen. Im Inneren hatte man begonnen, die kleine Kuppel auszumalen. Zeitgleich begann die Arbeit am Menschheitsrepräsentanten, dessen Platz in dieser kleinen Kuppel im Osten des Bühnenraums sein sollte. („Der Menschheitsrepräsentant zwischen Luzifer und Ahriman“ ist eine mehr als 8 m hohe von Rudolf Steiner entworfene und gemeinsam mit der Bildhauerin Edith Maryon für das erste Goetheanum in Dornach geschaffene Holzskulptur. Aus: Anthro Wiki)
Bevor mit den eigentlichen Schnitzarbeiten an der Holzfigurengruppe begonnen wurde, entstanden zuvor sechs Gipsmodelle. Bis auf den ersten Entwurf, der ausschließlich von Edith Maryon entworfen wurde, sind alle folgenden Gipsmodelle von Dr. Steiner und ihr signiert.
Für die Entstehung dieser Figurengruppe aus Holz waren mehr als zwanzig Tonnen Ulmenholz nötig. Dessen Beschaffung war ein Glücksfall während der herrschenden Kriegszeit. Acht Jahre ihres Lebens war Edith Maryon ununterbrochen damit beschäftigt, diese plastische Figurengruppe zu gestalten. Stets hielt sie ihre schützenden Hände über diese Gruppe, damit sie nicht zu Schaden kam. Wenn Rudolf Steiner sich auf Reisen befand, übertrug er ihr die Leitung des Ateliers. Edith Maryon standen zahlreiche Helfer zur Seite. So half ihr Herr Stuten, Assja Turgenieff, ihre Schwester Frau Pozzi und andere Menschen bei diesem großen Vorhaben. Edith Maryon alleine war es vorbehalten, an der Christusgestalt zu arbeiten.
Entstehung der Eurythmie Figuren
Die Eurythmie hatte sie das erste Mal bei den Mysterienspielen gesehen. Edith Maryon war begeistert über diese “bewegte Skulptur“. Die Idee reifte in ihr, zu der Eurythmie Figuren zu gestalten. Zuerst begann sie, die Eurythmie-Figuren, vorwiegend zu den Vokalen, dreidimensional in Gips herzustellen.
Durch die Anregung Rudolf Steiner gestaltet sie dann die Figuren zweidimensional. Während der Entstehungszeit ging sie von schwarz/weiß-Zeichnungen zu farbigen Skizzen über, so entstanden Umrissformen aus Sperrholz für die Gebärden. In dieser Darstellung der Figuren zeigen sich die Bewegung, das Gefühl und der Charakter der Geste. Die Bewegung wird sichtbar durch den physischen Leib, in dem der Lebensleib wirkt. Das Seelische zeigt sich in der Schleierbewegung und dessen Farbe, der Charakter durch die Tätigkeit des Ich im Menschen, was an der Muskelspannung der Arme abzulesen ist. Bevor Rudolf Steiner am 17. August 1923 seinen Vortrag in Ilkley begann, stellte er voller Freude die neu entstandenen Eurythmie-Figuren der Öffentlichkeit vor und dankte Edith Maryon für ihre wunderbare Arbeit.
Entstehung der Bauten in Arlesheim und Dornach
Als Edith in die missliche Lage kam, ihre Wohnung aufgeben zu müssen und sah, dass es den anderen Arbeiter des Goetheanums ähnlich ging, entschloss sie sich zu handeln. Sie fasste den Plan, für die sogenannten Eurythmiehäuser, eine Gruppe von drei Wohngebäuden unterhalb des Goetheanums gelegen, einen Entwurf anzufertigen. In diesen Häusern gibt es nur Einzelzimmer, auf jeweils einer Etage befand sich eine Küche, die von allen genutzt werden konnte. Jedes Haus hatte nur eine Badewanne im Keller. Dieser Entwurf wurde vom Schweizer Architekt Herr Bay umgesetzt. Sie heißen deswegen Eurythmiehäuser, weil die meisten Eurythmisten, die in Dornach wirkten, dort lebten. Auch sie wohnte in einem dieser Häuser, immer in einem kleinen Zimmer, bis zu ihrem Tod.
Elisabeth Vreede und Edith Maryon waren sehr gut befreundet. Sie hatten sich in den Niederlanden kennengelernt. So lag es für Frau Vreede nahe, ein Haus für sich und ihre Eltern von Edith Maryon entwerfen zu lassen, welches in Arlesheim erbaut werden sollte. Edith Maryon war zwar keine Architektin, aber Bildhauerin mit überdurchschnittlichem Sinn für die Baukunst. Durch ihre langjährige Bildhauertätigkeit hatte sie sich ein Wissen für die Baukörper und deren Proportionen angeeignet.
Ein Bild vom Baumodell ist noch vorhanden, sowie das Haus selbst, welches in Arlesheim zu finden ist. Vreedes waren sehr dankbar und ihre Freude war sehr groß. Edith gestaltete auch das Haus van Blommestein.
Ihr Bemühen
Edith Maryon nahm sich noch anderer Aufgabengebieten an, die ihre Verbundenheit mit der Geisteswissenschaft deutlich zeigten. Auf ihre Intention hin wurde es möglich, dass 1921 eine große Pädagogische Tagung am Goetheanum stattfinden konnte, zu der viele Lehrerinnen und Lehrer aus England anreisten. Aber auch das Zustandekommen von Vorträgen Rudolf Steiners in England, wie in Ilkley, Pennmaenmawr, Oxford, Torquay und London in den Jahren1922, 1923, 1924 gingen auf ihr Bemühen zurück.
Ihr Schutz
Bevor das Goetheanum ein Raub der Flammen wurde, hatte Edith Maryon kurz zuvor die Bitte Assja Turgenieffs ausgeschlagen, den Menschheitsrepräsentanten auf seinen Platz in der kleinen Kuppel zu stellen. Sie war der Ansicht, dass der Zeitpunkt für den Umzug noch nicht der richtige war. Wie Recht sie hatte, zeigte sich am Silvesterabend 1922 auf 1923, an dem durch Brandstiftung
das Goetheanum in Flammen aufging.
Edith Maryon befand sich im Vorraum in einem der Eurythmie Häuser, in dem sie wohnte. Vor Aufregung stand sie wie gelähmt! Sie ging dann in die Richtung des brennenden Goetheanums und fand Dr. Steiner vor der Schreinerei. Die Flammen waren sogar bis Freiburg zu sehen!
Der Ausklang ihres reichen Künstlerlebens
Edith Maryon sah in dieser Brandnacht fast alles zerstört, woran so viele Menschen mitgewirkt hatten; das versetzte ihr einen solchen Schock, so dass ihr altes Leiden wieder in ihr aufflammte. Über ein Jahr war sie ans Bett gefesselt. Trotzdem versuchte sie, vom Krankenlager aus noch künstlerisch tätig zu sein.
Der Charakter ihrer Zusammenarbeit wurde an der Weihnachtstagung 1923 deutlich. Dr. Steiner übertrug ihr die Leitung der Sektion für die Bildende Künste am Goetheanum. Diese Funktion war ihr inne bis zu ihrem Tod am 2. Mai 1924. Sie wurde zweiundfünfzig Jahre alt. In den letzten Tagen ihres Lebens ließ sie sich einen Spruch des Jesus Christus aus Matthäus11.28 am Bett befestigen: „Kommet zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“.
Am 6. Mai 1924 fand die Kremation statt, zu der Dr. Steiner die Ansprache für Edith hielt. Zu diesem Anlass schilderte er, was sich einmal im Atelier ereignet hatte, noch am Anfang ihres bildhauerischen Wirkens in Dornach: Sie befanden sich beide auf dem Gerüst des Menschheitsrepräsentanten, um dort am Modell zu arbeiten. Es passierte, dass Rudolf Steiner durch eine Öffnung des Gerüstes herunter zu stürzen drohte und von einer scharfen Spitze, die sich an einem Pfeiler befand, aufgespießt zu werden. Edith Maryon gelang es, seinen Fall aufzufangen. Edith Maryon schwieg und erzählte niemanden darüber etwas. Erst am Tage ihres Abschieds schilderte Rudolf Steiner diese Begebenheit.
Es war bezeichnend für sie, dass sie schwieg, denn das war ihre Wesenseigenschaft, so wie ihre besonnene, ruhige, humorvolle Art. Edith Maryons umsichtiges Verhalten und ihr treues Wirken zeichneten sie aus und die Bereitschaft, dem Wort Gottes durch die Kunst zu dienen.
Artikel von Miriam Kessler, ehemalige Studentin der Kunstakademie Hamburg, z. Zt. in Ausbildung zur Kunsttherapeutin
Interview mit Dr. Ernst Schuberth, Mitbegründer der Freien Hochschule für anthroposophische Pädagogik in Mannheim
Mehr zu erfahren als das, was ich mit meinen Sinnen wahrnehmen kann – eigentlich ist das für jeden Menschen ein verstehbares und manchmal auch wünschenswertes Erlebnis. Einweihung war schon in alten Kulturen und auch heute ein Weg, durch gezielte Schulung das eigene Bewusstsein für übersinnliche Bereiche zu erweitern. Und, so betont Rudolf Steiner immer wieder, bei manchen Menschen geschieht diese Einweihung in ihrem alltäglichen Leben, weil Erfahrungen und Lebensverhältnisse ihnen besondere Kräfte abfordern.
Rückblick auf die Tagung in Stuttgart von Dörte von Wietersheim
„ImPuls für die Zukunft“ war das Thema einer Tagung zum 100. Jahrestag der Idee der Sozialen Dreigliederung, die von Rudolf Steiner entwickelt wurde.
Was ist aus der Sozialen Dreigliederung geworden? Was haben ihre Mitstreiter heute zu sagen? In welchen Projekten und Unternehmen wird sie verwirklicht? Weiterlesen „„ImPuls für die Zukunft““
Die meisten von uns können damit einhergehen und auch nachempfinden, dass in Landschaften, an speziellen Orten, in Räumen Stimmungen herrschen. Aber wie entstehen die? Was steht dahinter? Kann es sein, dass die Natur beseelt ist und wir durch eine meditative Aufmerksamkeit mit diesen Kräften in Beziehung treten können? Weiterlesen „Elementarwesen“
Man kann sich dem, was als das „Böse“ bezeichnet wird, von vielen Seiten nähern – philosophisch, religiös, künstlerisch, in unterschiedlichen Kulturen und Zeitepochen hat es verschiedene Färbungen. Auch die Literatur hat sich immer wieder damit beschäftigt. Spannend ist dabei die Frage: Wie und wo findet sich das Böse in der heutigen Zeit? Weiterlesen „Das Böse“
Interview mit Michael Knöbel, Oberstufenlehrer für Naturwissenschaften
Advent Reichlich senkt sich der Schnee. Erde erblindet. Unter der himmlischen Last Weißer Vergessenheit Schwindet ihr Leben. Tod wird Licht.
Stiller blicken die Augen auf, Wenn Mitternachts Das überfüllte Firmament Zahllos geistige Flammen schießt. Gestirne rücken zusammen, Abermals, zu unendlichem Kräftenetz. Demütig kreist Inmitten die Erde, Der trübe, auserwählte Stern, Im scheuen Glanz noch junger Strahlen. Erde, geringe Krippe! Wieder bettet sich Gott, Das Kind, in dich, Im Angesicht der seligsten Planeten.
Karl Thylmann
Wird es Winter, haben wir das Gefühl, dass die Natur erstirbt. Aber es passiert etwas in der Erde. Die Prozesse von Salz, Schwefel und Quecksilber, so führt Rudolf Steiner in seiner Weihnachtsimagination aus, verändern sich. Und damit helfen sie dem Menschen, zu einem inneren Erleben zu kommen.
Interviewpartner: Michael Knöbel, Diplom Biologe; seit über 30 Jahren Lehrer an der Rudolf Steiner Schule Nienstedten in der Oberstufe mit den Fächern Biologie, Chemie, Geographie. Seit vielen Jahren Dozent am Lehrerseminar für Waldorfpädagogik.
Christine Pflug: Sie haben zur Veranschaulichung das Adventsgedicht von Karl Thylmann gewählt. Warum gerade dieses?
Michael Knöbel: Es sind darin verschiedene Aspekt enthalten, die ich wichtig finde: Im Winter schaut man besonders auf den Sternenhimmel, der viel deutlicher und länger da ist. Der Dichter wendet dann den Blick, dass man nämlich von außen auf die Erde schaut – es ist wie ein globales Welterleben, „die Erde kreist demütig“ im Weltraum. Dies führt dann zu der Sicht, dass in der Winterzeit eine Christgeburt stattfinden kann. Es liegt der Gedanke zugrunde, dass der Makrokosmos und der Mikrokosmos einen Bezug haben, also das Weltall und der einzelne Mensch.
Von außen auf die Welt schauen
C. P.: Dieses Gedicht bringt das auf künstlerische Weise zum Ausdruck. Rudolf Steiner hat das in seiner Weihnachtsimagination (GA 229, Vortrag vom 6. Oktober 1923) mit der Beschreibung von chemisch-alchemistische Prozessen getan. Wie kann man diese allgemeinverständlich ausdrücken?
M. Knöbel: Steiner macht zunächst etwas ganz Ähnliches: Er schaut von außen auf die Welt und sagt, sie sei eigentlich ein Wassertropfen im Weltall.
C. P.: Was heißt auf die Welt von außen schauen: Ist das imaginativ oder könnte man das beispielsweise auch von einer Raumstation, wie der ISS aus sehen?
M. Knöbel: Steiner und auch Karl Thylmann machen das imaginativ, denn damals gab es noch keine Raumfahrt. Aber es gibt ja heute tatsächlich Menschen, die dieses Erlebnis real haben und davon auch berichten. Zudem zeichnet das, was Steiner als „Wassertropfen“ beschreibt, die Erde besonders aus. Es werden viele Forschungsgelder investiert, um im Weltraum Wasser zu suchen, und bisher haben wir den Kenntnisstand, dass die Lebensprozesse, auch die geologischen Prozesse, nur mit Wasser stattfinden können. Und nur die Erde ist es, auf der das passiert.
Die drei Weltprinzipien – „tria Principia“
Dann aber geht Steiner weiter und sagt, man könne die Erde als Quecksilbertropfen bezeichnen. Dies erscheint zunächst höchst unverständlich, aber ich glaube, er bezieht sich hier auf die alten Alchemisten, z.B. Paracelsus, der drei Weltprinzipien hatte – „tria Principia“. Das erste Prinzip hängt zusammen mit Wärme, Verbrennung, Auflösung und Zerstörung – das ist der Schwefel, bzw. Sulfur. Das zweite, was mit Kälte, Verhärtung, Verfestigung, Erstarrung zusammenhängt, ist das Salprinzip, also Salz. Das sind zwei polare Prinzipien, die vermittelt werden durch das dritte, den Mercur – und das ist das Quecksilber, um das es hier besonders geht.
Alle drei Prozesse sind qualitativ zu sehen und nicht als die Stoffe, die sie sind – wobei die Stoffe sehr gute Symbole dafür sind. Schwefel ist die einzige, nichtorganische Substanz, die brennbar ist. Schwefelablagerungen aus einem Vulkan können wir einfach mit einem Streichholz anzünden. Salz ist eine chemische Verbindung, aber auch eine Manifestation von Kristallisierung und Formbildung – wie man zum Beispiel bei einem Salzwürfel sieht.
Mercur, also Quecksilber, zeigt sich in den Kräften des Wassers, die auf der Erde das Leben von Tieren, Pflanzen und Menschen ermöglichen, und es sind die verbindenden Kräfte, die zwischen den beiden anderen Polen einen Ausgleich schaffen.
Diese drei Prinzipien benutzt Steiner, um die Jahreszeiten zu betrachten: im Sommer sind sie anders als im Winter.
Diese drei Prinzipien im Sommer und im Winter
C. P.: Wie kann man das erkennen, wenn man nicht hellsichtig ist?
M. Knöbel: Beispielsweise an dem Prozess, der ganz wesentlich für unsere Erde sind, nämlich die Photosynthese. Sie ist an die grünen Blätter gebunden: Mit dem Chlorophyll wird die Energie gesammelt, und es werden unter Aufnahme von Kohlendioxid die Stoffe gebildet, die wir brauchen für die Nahrungsmittel, aber auch für das Holz, aus dem wir etwas bauen. Diese organischen, nahrhaften Stoffe bilden nur die Pflanzen, und Tier und Mensch leben davon. Für dieses Wachstum der Pflanze sind einerseits die Mineralsalze des Bodens notwendig, die müssen mit den Wurzeln mobilisiert werden. Es ist auch die Wärme nötig, damit sich die Blätter entfalten, um dann das Licht zu sammeln. Und in dem ganzen Pflanzenkörper strömt das Wasser. Rudolf Steiner führt in seiner Jahreszeiten-Imagination aus, dass diese drei Prinzipien im Sommer durchmischt sind: In der Pflanze steigen Salze auf, bzw. werden mit dem Wasser aufgenommen, Luft und Wärme gehen bis in die Wurzeln und in die Erde herein. Licht und Wärme führen zur Entfaltung der Blüten und zur Reife der Früchte. Und das Wasser verbindet das alles. Das ist eine Durchmischung, wie sie im Sommer stattfindet und die insgesamt das Leben der Erde kennzeichnet.
C. P.: Was passiert mit diesen drei Prinzipien Sulfur, Salz und Wasser, bzw. Mercur im Winter?
M. Knöbel: Rudolf Steiner zeichnet für den Winter folgendes Bild: Es trennen sich diese Prozesse. Durch die tief stehende Sonne ist keine Wärme mehr da, auch das Licht ist ganz anders. Die Pflanzen ziehen in den Boden ein, die Blätter werden dürr und fallen trocken und erstarrt ab. Die Mineralien werden nicht mehr von der Pflanze mobilisiert, sondern sammeln sich im Boden. Das Wasser kann in der Kälte die Salze nicht mehr aufzunehmen und steigt auch nicht mehr so stark auf, weil es vielleicht gefriert oder es sogar zu Schnee kommt. Gerade in der Schneedecke können wir nach Steiner etwas entdecken, wenn wir beispielsweise bei den Dächern, Zaunpfählen und Ästen auf die abgerundeten weißen Schneehauben schauen. Hier zeigt sich der Mercur, die (halb-)kugelige Form ist ein Symbolum für den sich abrundenden Quecksilbertropfen.
Es vermittelt zwischen leicht und schwer und erstarrt selbst nicht
C. P.: Was Sie zu Salz und Schwefel, bzw. Erstarrung und Auflösung sagen, ist nachvollziehbar. Aber wie kommt Rudolf Steiner darauf, dass Quecksilber in diesen Vorgängen steckt?
M. Knöbel: Er sagt zwar, dass Quecksilber überall in feinster Verteilung vorhanden ist, was ja durch unsere technische Handhabung der Stoffe heute leider durchaus zu konstatieren ist. Ich glaube aber m. E. nicht, dass Steiner das meint, und es geht auch nicht darum hier wieder etwas zu beweisen. Es geht vielmehr darum die Prozesse auf der Empfindungsebene zu verstehen: Der alte griechische Name zu Quecksilber ist auch Hydrangyrum: „flüssiges Silber“. Die Alchemisten haben in den Substanzen die physiognomische Bedeutung gesucht, d.h. welche Weltzusammenhänge sich in dem Stoff zeigen. Und da kann man feststellen: Quecksilber ist das einzige auf der Erde natürlich vorkommende chemische Element, das flüssig ist. Es ist ein ganz merkwürdiges Metall, weil es einerseits unglaublich schwer ist: 13,5 Gramm pro Kubikzentimeter, fast doppelt so schwer wie Eisen. Aber neben dieser Schwere, die eine Eisenkugel nur zur Hälfte eingetaucht in ihm schwimmen lässt, trägt es gleichzeitig eine „Leichte“ in sich, die ihm erlaubt aufzusteigen, zu verdunsten, zu sublimieren, sodass wir seine giftigen Dämpfe fürchten müssen. Hier zeigt es eine Polarität, es vermittelt zwischen leicht und schwer und erstarrt selbst nicht. Wenn wir dies nachempfinden wollen, können wir auch erfassen, dass es zwischen irdischen und geistigen Kräften vermittelt, dass es trotz seiner Schwere uns kosmische Impulse – sagen wir – spiegelt!
Was die Alchemisten versucht haben
C. P.: Können Sie zu einem besseren Verständnis an dieser Stelle noch einmal erklären, um was es den Alchemisten ging?
M. Knöbel: Die Alchemisten haben versucht, in chemischen Experimenten quasi symbolhaft Prozesse zu bewerkstelligen, die dann auch auf ihr Seelisches zurückwirkten. Beispielsweise haben sie destilliert: Aus einem vergorenen Produkt kam ein aufsteigendes, feines Gas, was dann hinterher ganz klar war. Früher nannte man Alkohol auch Geist. Diesen Prozess der Destillation suchten sie als Läuterung auch im Seelischen auf. Das andere Beispiel ist das Herstellen von Gold. Man sagt manchmal, die Alchemisten seien dekadent, weil sie das nicht hinbekommen hätten, aber eigentlich ging es auch da um das Prinzip: Wie schafft man es, aus wertlosen Substanzen etwas zu kreieren, was dann glänzt. Oder auch: wie kann ich mein seelisches Wirrwarr so läutern, dass ich als Mensch hinterher besser bin und „glänze“?
In diesem Sinne haben die Alchemisten doppelt gesucht: einerseits, was man mit den Stoffen machen kann und andererseits, wie man sich innerlich durch diese Tätigkeit verwandeln kann, und zwar in einer Korrespondenz zu den Stoffen.
In diesem Sinne verstehe ich auch das mit dem Quecksilber, dass einerseits von dem Stoff die Rede ist, andererseits von dem Wirkungsprinzip.
Hier sind aus einer anderen Sicht sehr ähnliche Weltzusammenhänge beschrieben
C. P.: Gibt es in anderen Kulturen auch solche Prinzipien?
M. Knöbel: Ja, sicher, und sie sind besser bekannt als die der Alchemie. In der alten chinesischen Medizin und Philosophie gibt es Yin und Yang: Das ist die Polarität zwischen dunkel und hell, kalt und heiß. Viele kennen das Symbol dieser sich gegenseitig bedingenden Gegensätze, und es gibt auch den Mercur – das sind die zwei Punkte in den jeweiligen Feldern. Ich glaube, hier sind aus einer anderen Sicht sehr ähnliche Weltzusammenhänge beschrieben. Heute kommt es darauf an, diese uralten Weisheiten zu verstehen und damit kulturelle Gegensätze zu überwinden. Denn wir wissen heute nur zu gut, dass wir alle auf einer Erde leben, ihre offenbaren und eher geheimen Zusammenhänge gelten für alle Menschen.
Die Wirkung auf den Menschen
C. P.: Wenn man sich dann die Vorgänge dieser drei Substanzen im Winter vorstellt, stößt man auf die Frage: Wirkt das auf den Menschen? Was kann er daran erleben?
M. Knöbel: Das, was sich draußen in der Natur als Trennung der drei Prinzipien zeigt, das finden wir auch im Menschen.
Mit unserer Sinneswahrnehmung stehen wir im Winter ganz anders in der Welt: Beispielsweise erleben wir die Sonne durch ihren tiefen Stand über dem Horizont völlig anders, sie ist uns quasi ein Gegenüber, wenn sie in unser Zimmer scheint und Schattenrisse an die Wand zeichnet. Auch unser Stoffwechsel ist verändert, was wir dadurch merken, dass wir mehr Schlaf brauchen und vielleicht auch leichter krank werden.
Besonders deutlich wird das im mittleren Menschen, dem ja das verbindende Merkurprinzip entspricht!
Im Winter lebt man mehr im Haus, geschützt vor der Kälte, hat Zeit nachzudenken, zu lesen, Kerzen anzuzünden – man ist nicht mehr so auf die Außenwelt orientiert, die Tage sind kurz. Natürlicherweise sind wir nicht mehr so mit der Welt und anderen Menschen verbunden wie im Sommer. Dadurch kommt man zu sich und hat mehr Achtsamkeit für die eigenen, inneren Empfindungen. Das Seelische ist mehr für sich. Äußerlich erleben wir den Tod der Natur, innerlich erleben wir einen Reichtum an tiefen Gedanken und Empfindungen, denen wir im Sommer gar keine Beachtung schenken konnten. Das ist für mich in der dunklen Jahreszeit mit ihren langen kalten Nächten das Urerlebnis von Weihnachten. Dem entspricht das Bild der Christ-Geburt im Stall, der Maria mit dem Kind.
In seiner Weihnachtsimagination weist Rudolf Steiner gerade auf das Bild der Sixtinischen Madonna von Raffael hin, dem er eine besonders hohe Erkenntnis der alten Zeit zuschreibt. Hier findet er in dem Gemälde die Signatur der getrennten Prinzipien von Sal und Sulfur und Mercur in der Herzregion der Maria.
Der Vorhang bei der Sixtinischen Madonna
C. P.: Wie zeigen sich diese drei Prinzipien bei der Sixtinischen Madonna?
M. Knöbel: Dieses Gemälde ist vielfältig zu deuten, aber einen Aspekt möchte ich herausgreifen. Man kann darüber nachdenken: Was bedeutet in diesem Bild der merkwürdige Vorhang, der zur Seite gezogen ist? Wenn man das äußere Tagesgeschehen ein Stück weit wegschiebt und sich dem inneren Erleben zuwendet, dann kann eine Stimmung der Zuversicht, der inneren Erneuerung und Verlebendigung stattfinden.
C. P.: Ist hier wieder die Verbindung zu dem Gedicht von Karl Thylmann?
Tod wird Licht
M. Knöbel: Er sagt: Tod wird Licht. Das heißt, die Natur erstirbt, das Grüne, Lebendige wird „zur Seite gezogen“, wir haben in der äußeren Welt nur noch diese verhärtenden, salartigen Prozesse in den dürren Blättern und den kahlen Baumsilhouetten . Im Inneren kann es im Mensch empfindsam, hell und warm werden, wie eine Geburt des inneren Kindes.
Ist das heute zeitgemäß?
C. P.: Ist das alles heute zeitgemäß? Jeder hat Erfahrungen, dass gerade in der Weihnachtszeit mitunter Gegenteiliges passiert …
M. Knöbel: Es gibt diese alten Bilder, die man als traditionell oder sogar als verkitscht ansehen kann, aber ich glaube, sie sind trotz seiner weltlichen Korrumpierung hochaktuell. Dieses Innenleben und innere Wahrnehmen wird von dem zeitgenössischen Philosophen Peter Trawny (* 17. Dezember 1964 in Gelsenkirchen) ist ein deutscher Philosoph und Hochschullehrer an der Bergischen Universität Wuppertal) in seinem Büchlein „Ins Wasser geschrieben“ gefordert: „Wenn ich mich von dem abwende, was mich nicht zu mir kommen lässt, was mich mir entzieht, mich mir entwendet, mich dir raubt. Ich bin bei dir, wenn ich bei mir bin, bei mir, wenn ich bei dir bin.“ Er bezeichnet diesen inneren Raum als Intimität, an anderer Stelle auch als „Innigkeit“, die unser wahres Menschsein ausmacht: „Das Innerste ist Ort der Gottesbegegnung“. Er zitiert Augustinus: „Geh nicht nach draußen, kehr wieder ein bei dir selbst. Im inneren Menschen wohnt die Wahrheit“ … „Dabei geht es nicht so sehr um die innere Erfahrung“, als um die Entdeckung eines „inneren Menschen“. Was der Mensch ist, lässt sich nicht draußen in der Welt erfassen, dort zerstreut er sich in und mit Tätigkeiten, die von der Wahrheit ablenken. Der Mensch ist nur zu erkennen, wenn er in sich geht.“
In der Weihnachtszeit, der Tiefwinterzeit, fällt es uns naturgemäß leichter, diesen inneren Menschen zu erleben, aber gleichzeitig ist auf der Südhalbkugel Sommer! Wir sind heute von der Natur so gelöst und emanzipiert, dass wir prinzipiell diesen Prozess in uns selbst ergreifen und hervorrufen können – und müssen, unabhängig von der Jahreszeit.
Unser gegenwärtiges Leben hat die Tendenz, und das kritisiert Trawny, dass es uns in der technisch medialen Kultur zu sehr nach draußen zieht und wir diese innere Achtsamkeit vergessen. Da kommt wieder das Mercur-Prinzip: Wir müssen aktiv wechseln zwischen der Tätigkeit in der äußeren Welt und dem Besinnen im Inneren, um selbstbewusst und verantwortlich zu handeln
Die Weihnachtsbilder, und auch die Sixtinische Madonna, sind ein Ausdruck des inneren Menschen. Gerade in der heutigen Zeit, wo sich Religionen bekämpfen, ist es wichtig, darauf einen globalen Blick zu richten. Die Erde als „Quecksilbertropfen im Weltall“ birgt die Möglichkeit, dass sich im Menschen der ganze Kosmos spiegelt, Geistiges und Physisches sich verbinden. Und wenn das geschieht, dann wird es Weihnachten.
Diese Frage wird jeder Mensch anders beantworten. Doch vielleicht kennen wir alle die Situation: Wir nehmen ein Buch zur Hand und finden plötzlich darin Sätze, die uns zutiefst aus der Seele sprechen – aber niemals hätten wir es so treffend ausdrücken können.
Dichter gelten häufig als Sprachrohr für Zeitströmungen. In Ihnen offenbart sich oftmals früher, was sich an Entwicklungen in der Menschheit ankündigt.
Nur deshalb werden wir von ihren Worten berührt, weil sie uns auf der einen Seite zu neuen „Kontinenten“ führen können, und weil wir auf der anderen Seite spüren, dass wir ihre Erkenntnisse und Impulse auch in uns tragen. Durch die Dichtung lernen wir sie zu verstehen.
Der amerikanische Professor für Psychologie Kenneth Ring erlangte durch eine Nah-Todeserfahrung tiefe Einblicke in die geistige Welt. Er vertrat seither die Überzeugung, dass die Menschheit dabei ist, eine neue Menschheitsstufe zu erringen. Ein Same, so sagt er, der schon immer in den Menschen schlummerte, werde jetzt aufgehen und zum Wachsen gebracht. Dadurch käme es zu neuen Bewusstseinsformen, ja, sogar zu einem kosmischen Bewusstsein. Er spricht von einem neuen Menschen, der im Entstehen ist.
Entwicklungen im Vorgeburtlichen und Nachtodlichen
Interview mit Helmut Eller, Vortragsredner und ehem. Waldorflehrer
Passiert etwas mit uns vor der Geburt und nach dem Tod? Es gibt Berichte von Eltern, die mit ihren zukünftigen Kindern, mitunter sogar bevor sich diese physisch angekündigt haben, Kontakt haben. Und wir kennen heute von vielen Berichten aus der Nahtodesforschung, dass die Betroffenen nach dem Tod immer wieder ähnliche Erlebnisse haben.
Wir sind also in einer anderen Weise existent und durchlaufen Stufen. Man lernt das vorige Erdenleben anzuschauen, bekommt Gesichtspunkte für ein neues und nach vielen Schritten wird ein nächstes vorbereitet.
Interview mit Dr. med. Wolfgang Rißmann, Psychiater
Wir erleben Grenzsituationen im Alltag, am Arbeitsplatz, im persönlichen Leben oder auch in extremen Situationen wie Krankheit, Unfällen, Tod. Man ist – zunächst – unfähig, dieser Situation zu begegnen, und die Perspektive verdunkelt sich.
Versuch einer grundlegenden Beschreibung von Matthias Bölts
Der folgende Artikel ist aus meiner Beschäftigung mit Idee und Praxis der Meditation auf Grundlage der Anthroposophie entstanden. Es ist mein Anliegen, im Hinblick auf die große Vielfalt an individuellen Zugängen und Ansätzen auf diesem Feld einen gemeinsamen Bezugspunkt aufzuzeigen.
Daraus hat sich die folgende tableauartige Darstellung ergeben. Der Leser mag sie als Anregung nehmen, seine eigene Sichtweise neu zu beleuchten oder zu ergänzen. Weiterlesen „Meditation nach Rudolf Steiner“
Am 10. Dezember werden alljährlich in Stockholm und Oslo die Nobelpreise verliehen. Am 10. Dezember 1966, ihrem 75. Geburtstag, war Nelly Sachs die erste deutschsprachige Dichterin, die den Literaturnobelpreis erhielt.
In den Jahren der NS-Herrschaft beschäftigte sie sich mit jüdischer Mystik, aus der Kabbala bezog sie wesentliche Grundelemente ihrer Dichtung und ihrer Weltsicht. Nachdem sie 1940 nach Schweden geflohen war, ging es ihr um die Neugeburt der verlorenen Sprache, aber nicht minder auch um die Erschaffung einer neuen Welt, durch eine neu gewordene Sprache.
Vom 9.- 10. Dezember, an ihrem 125. Geburtstag, geht es in einer Tagung um das Werk der jüdischen Dichterin. (Siehe Ende dieses Artikels und Terminteil.)
Am 10. Dezember werden alljährlich in Stockholm und Oslo die Nobelpreise verliehen. Insbesondere der Literatur- und der Friedensnobelpreis stehen im Fokus des öffentlichen Interesses, mit Spannung wird jedes Jahr die Bekanntgabe der Preisträger erwartet. Weiterlesen „„Ich habe kein Land und im Grunde auch keine Sprache““
Im November ist das Gedenken an die Verstorbenen allgemeines christliches Kulturgut. Wie aber kann man auf die richtige Art und Weise Kontakt zu einem Verstorbenen aufbauen, ohne medialen Mitteln oder Spökenkiekereien zu verfallen? Das entscheidende Motiv ist, dass man davon ausgeht, den Verstorbenen hilfreich zu begleiten auf seinem Werdegang im Nachtodlichen.
Gleichzeitig können aber die Verstorbenen ihrerseits uns auf der Erde Lebenden Impulse vermitteln. Das ist ein behutsamer Prozess, der Aufmerksamkeit erfordert und dem man Raum geben muss. Weiterlesen „Der Toten gedenken“
Artikel von Christine Pflug, Biografieberaterin, HP für Psychotherapie
Wir alle haben mitunter den Wunsch, hinter die Kulissen des (eigenen) Schicksals zu schauen. Vielleicht hat man ein rein wissenschaftliches Interesse an der Erforschung des Karmas, vielleicht will man seine Leben besser verstehen oder Erleichterung in einer bedrängenden Lage finden; mitunter sind auch allzumenschliche Regungen wie Neugier, Sensationslust, Gedankenspielerei dabei. Weiterlesen „Karma – Aspekte und Gedanken“
Interview mit Steffen Hartmann, Pianist, Autor und Seminarleiter
Immer wieder gebrauchen wir im Alltag Worte wie „das inspiriert mich“, „meine Intuition ist …“, „ich imaginiere etwas“. Nach Rudolf Steiner sind Imagination, Inspiration und Intuition Erkenntnisstufen auf dem meditativen Weg, die auf einem normalen und gesunden Bewusstsein aufbauen.
Imaginatives Bewusstsein ist ein intensiviertes Vermögen, etwas so in die innere Anschauung zu bringen, dass man die bildende Kraft dahinter bemerkt. Die Inspiration ist ein umgearbeitetes Hören, so dass man tiefer lauscht auf das, was sich eigentlich aussprechen möchte. Bei der Intuition handelt es sich um eine „umgewandelte Liebesfähigkeit“, man erkennt die Aufgabe, die man hier und jetzt zu tun hat. Weiterlesen „Imagination, Inspiration, Intuition“
Bedeutet Freiheit, dass man machen kann, was man will? Laut Wikipedia benennt die Philosophie Freiheit als einen „Zustand der Autonomie eines Subjekts“. Rudolf Steiner schrieb 1894 „frei ist nur der Mensch, insofern er in jedem Augenblicke seines Lebens sich selbst zu folgen in der Lage ist“.
Wie erringt man sich Freiheit? Was ist eine freie Handlung? Wie wirkt sich diese auf andere und auf die Gesellschaft aus? Wie weit darf Selbstbestimmung gehen, zum Beispiel beim Auswählen des eigenen Todeszeitpunktes? Was ist Erziehung zur Freiheit? Weiterlesen „Freiheitsfragen“
Interview mit den Meditationslehrern Agnes Hardorp und Thomas Mayer
Meditieren hilft heute zum Überleben: um mehr bei sich anzukommen, sich selbst besser kennenzulernen, mehr Ausgeglichenheit und Seelenruhe zu erreichen etc.
Es kann ein weiteres Ziel sein, durch anthroposophische Meditation die Wahrnehmungen zu verfeinern und die übersinnliche Welt differenziert zu erleben. Agnes Hardorp und Thomas Mayer haben alleine in Hamburg seit 9 Jahren über 30 Seminare angeboten, in denen sie Meditationstechniken lehren. Das gemeinsame Meditieren in Gruppen hilft, sich gegenseitig anzuregen und zu korrigieren.
Interviewpartner:
Agnes Hardorp, Meditationslehrerin, Musikerin, Eurythmistin. Geb. 1959 in Hamburg, verbrachte über die Hälfte ihres Lebens in den USA, Diplom in Kodaly-Musikpädagogik, Magister in Geschichte, Kenntnisse in Alexandertechnik. Sie gibt seit 2004 zusammen mit Thomas Mayer Kurse zur anthroposophischen Meditation.
Thomas Mayer, Meditationslehrer, Bürgerrechtler, Autor. Geb. 1965 in Kempten, 1988 Mitbegründer von Mehr Demokratie e.V. , bis 2001 Büroleiter bzw. Geschäftsführer von Mehr Demokratie e.V., ab 1997 Konzeption und Vorbereitung von Regiogeldern, bis 2006 Gesellschafter des OMNIBUS FÜR DIREKTE DEMOKRATIE, seit 2004 zusammen mit Agnes Hardorp Kurse in Anthroposophischer Meditation, mehrere Buchveröffentlichungen.
Kontakt:
Christine Pflug: Dieses Seminar, das Ihr im Dezember geleitet habt, war mindestens das dritte von unterschiedlichen Meditationsseminaren, die innerhalb des letzten Quartals im Rudolf Steiner Haus angeboten wurden. Euer Seminar war von 35 TeilnehmerInnen besucht; viele üben nachher in selbstorganisierten Gruppen weiter. Warum ist dieses Thema so aktuell?
Agnes Hardorp: Ich denke, die Menschen kommen immer mehr weg von Konsumveranstaltungen, in denen sie Informationen aufnehmen, vielleicht auch wunderschöne Kunst erleben, aber danach nicht wirklich in ihre eigene Kraft gekommen sind. Sie möchten sich selbst schulen, transformieren, um einen eigenen Zugang zur geistigen Welt zu bekommen.
Thomas Mayer: Ich glaube, das wird noch zunehmen, denn meditieren ist eigentlich eine Frage des Überlebens. Ich wundere mich, wie man es schafft, heute ohne Meditation seelisch und geistig gesund zu bleiben. Es ist völlig selbstverständlich, dass man zum Erhalt des physischen Körpers essen und trinken muss, und genau so braucht es eine Grundernährung für die Seele und den Geist. Die Menschen werden immer sensibler – Rudolf Steiner sprach davon, dass die Menschheit als Ganzes über die Schwelle geht – und so muss man sich im Geistigen neu greifen.
C. P.: Habt Ihr selbst übersinnliche Wahrnehmungen? Und falls ja, wie seid Ihr dazu gekommen?
A. Hardorp: Ich würde sagen, dass jeder Mensch übersinnliche Wahrnehmungen hat, aber das nicht unbedingt so einordnet. Für mich ist es wichtig zu unterscheiden: Wann fühle ich mich selbst – ich nenne das Eigengefühl – und wann erlaube ich der geistigen Welt, dem Elementarwesen oder was immer ich auch wahrnehme, sich durch mich „hindurchzufühlen“?
Es ist nicht mein subjektives Gefühl, sondern es ist ein objektives Gefühl
Es ist eine Art Umschalten: Es ist nicht mein subjektives Gefühl, sondern es ist ein objektives Gefühl, es hat eine andere Qualität. Es ist wie ein hörendes, lauschendes Achten. Die Aufmerksamkeit in diesem „umgeschalteten Modus“ wird auf ganz feine Gefühle gelenkt, die ins Herz fließen. Meine Ätheraura wird von einem Elementarwesen jeweils ganz anders konfiguriert, wenn ich mich „in es hineinstelle“. Heutzutage haben viele Menschen Bilder von etwas Geistigem, regelrechte Filme, die ablaufen. Ich halte es für interpretationsoffen, wo das herkommt, vielleicht aus dem eigenen Astralleib – das ist schwierig einzuordnen. Wenn man aber auf dem beschriebenen Gefühlsniveau bleibt, hat man gute Unterscheidungsmöglichkeiten.
Wir leben wir in einer Kultur, in der einem das ausgeredet wird
T. Mayer: Ich habe sozusagen ständig übersinnliche Wahrnehmungen, aber das ist etwas völlig Normales. Es ist für mich normal, mit Verstorbenen umzugehen oder Engelskräfte zu spüren, und natürlich sind die Elementarwesen auch immer um uns herum. Jedes Kind lebt mit den Elementarwesen. Das ist aber auch nichts Besonderes, es gehört dazu, wie wenn man einen Toaster anstellt, den Boden kehrt etc. Das erlebt meiner Ansicht nach auch jeder so, . Die Frage ist meines Erachtens nicht, ob Menschen übersinnliche Wahrnehmungen haben, sondern ob sie diese erkennen und weiterhin, ob sie diese verfeinern, kultivieren, differenzieren. Das ist die heutige Aufgabe: in ein reines Wahrnehmen zu kommen, den ganzen intellektuellen Überbau für einen Moment fallen zu lassen und dann die Wahrnehmungen wieder mit dem Denken zu ergreifen.
C. P.: Wie kann man diese Wahrnehmungen schulen und kultivieren?
A. Hardorp: Beispielsweise machen wir in den Kursen eine Meditation mit einem Stein als Basisübung, dann Chakra-Übungen, Aura-Übungen, wo wir uns auf unsere Wahrnehmungsorgane, auch die übersinnlichen, besinnen. Die Chakren sind die ätherisch-astralen Wahrnehmungsorgane, die wir zur Verfügung haben. Wir lenken die Aufmerksamkeit darauf, was sie tun, wenn es keinen Inhalt gibt. Und dann achten wir darauf, was passiert, wenn man einen Inhalt hineingibt, z. B. einen Text, ein Bild etc.
Man merkt dabei, welches Instrumentarium man hat, bzw. wie man dieses weiterentwickeln kann. Ich bin persönlich durch die Mediationskurse viel sicherer geworden mit meinen eigenen Wahrnehmungen, vorher hatte ich geistige Erlebnisse mehr zufällig und dann auch wieder nicht. Die regelmäßige Mediation gibt eine solide Basis.
Die Grundlage ist, dass ich mich seelisch immer im Lot halte
T. Mayer: Die Schulung ist ein ständiger Prozess; es geht dabei auch darum, die eigenen Blockaden, biografischen und seelischen Hindernisse kennenzulernen. Das muss man ständig aufarbeiten, denn wenn man das nicht macht, geht eine feinere Wahrnehmungsfähigkeit verloren. Ich kann es mir beispielsweise gar nicht leisten, mit jemandem in einem längeren Streit zu sein ohne diesen zu lösen, weil dann meine Wahrnehmungsfähigkeit nachlässt. Die Grundlage ist, dass ich mich seelisch immer im Lot halte. Dazu kommt ein dauerndes Studium, ein fortwährender Austausch mit Kollegen, weil man nur in einem sozialen Kontext die Erlebnisse klären kann. Es ist eine falsche Vorstellung, dass jemand übersinnliche Wahrnehmungen hat und dann „kann“ er das. Das stimmt überhaupt nicht: Man sieht vielleicht eine kleine Ecke, aber um das Feld zu erweitern, muss man dauerhaft etwas dazugewinnen. Man nimmt nur eingeschränkt wahr entsprechend der eigenen Möglichkeiten. Wenn man sich darin geschult hat, bestimmte Erd-Elementarwesen wahrzunehmen, sieht man diese und sonst keine. Man muss erstmal kennenlernen und darin vertraut werden, wie sich ein Wasser-Elementarwesen anfühlt. Stück für Stück erobert man sich dieses Gebiet. Manche meinen, so etwas ginge schnell, aber es ist meistens eine jahrzehntelange Arbeit.
Und immer braucht man dabei die Korrektur von anderen Menschen.
C. P.: Ich war selbst auf dem Seminar dabei und fand, dass die Teilnehmer einerseits seelisch-subjektive Erfahrungen beschrieben haben, andererseits kamen immer wieder übereinstimmende Aussagen, beispielsweise beim Wahrnehmen von Elementarwesen an der Alster. Wann beginnt eine übersinnliche Wahrnehmung und wann ist es eine rein persönliche Erfahrung?
T. Mayer: Den Unterschied kann man meiner Ansicht nach so nicht machen. Eine übersinnliche Wahrnehmung beginnt dann, wenn etwas mit den physischen Sinnen nicht wahrzunehmen ist. Wenn ich in einen Raum hineinkomme und die Atmosphäre spüre, beispielsweise dass die Stimmung angespannt ist oder dass Freude in der Luft liegt, ist das eine übersinnliche Wahrnehmung. Und dann ist die Frage, wie weit man den eigenen subjektiven Standpunkt mit hineinmischt, aber vermeiden lässt sich das nicht, weil man immer einen Standpunkt hat. Es gibt keine Wahrnehmung ohne einen Wahrnehmenden, es gibt immer ein Subjekt zum Objekt. Wenn ich auf der einen Seite vom Elefanten stehe, sehe ich seinen Rüssel, und ich muss einen anderen Standpunkt einnehmen, um sein Hinterteil zu sehen. Je mehr ich gelernt habe, verschiedene Standpunkte einzunehmen, desto besser.
Leider wird einem in der Erziehung und in der Schule nicht beigebracht, objektiv fühlen zu lernen
Im Grunde ist das alles nicht kompliziert, es ist nur unsere kulturelle Prägung, in der immer gesagt wird, das Seelische sei subjektiv und hätte nichts mit der objektiven Welt zu tun. Es ist der Ausdruck des Materialismus, dass man das Seelische wegradiert hat, und wenn sich Menschen nicht gerade in einer persönlichen Krise befinden, sind wahrscheinlich 70-80% der Gefühle objektiv, d. h. anderes fühlt sich durch sie durch. Wenn man darauf achtet, kann man das fein erkennen und unterscheiden. Das Problem ist, wenn dabei das Selbstbewusstsein fehlt; das wurde uns ausgeredet. Leider wird einem in der Erziehung und in der Schule nicht beigebracht, objektiv fühlen zu lernen.
A. Hardorp: Es kommt noch etwas dazu. Thomas ist ein „Naturtalent“, z. B. Elementarwesen wahrzunehmen. Mir war das zunächst nicht so gegeben, und ich habe seine Übungen lange Zeit einfach nur mitgemacht wie eine Teilnehmerin. Irgendwann hatten wir eine große Gruppe von 30 Teilnehmern, und es blieb mir nichts anderes übrig, als die Hälfte der Gruppe zu nehmen. In dem Moment, wo ich mich in diese Rolle gestellt hatte, für die anderen etwas zu ermöglichen, quasi ein Gefäß zu sein, konnte ich plötzlich die Elementarwesen wahrnehmen. Es hatte sich eine andere Ebene eröffnet. So lange ich es nur für mich machen wollte um etwas zu erleben, war eine gewisse Tür zu.
T. Mayer: Das ist ein Grundgesetz: Übersinnliche Wahrnehmung braucht immer einen moralischen-sozialen Kontext. Die geistige Welt gibt etwas frei, und wenn man nur aus reiner Neugier etwas erleben will, funktioniert das nicht.
Es ist ein Irrtum, dass Wissenschaft dann beginnt, wenn der Mensch und das Moralische außen vor sind. Vielleicht gilt das für die Physik, aber für alles Seelisch-Geistige gilt das überhaupt nicht; man braucht einen ethischen Kontext.
C. P.: Was ist das Spezielle an anthroposophischer Mediation?
A. Hardorp: In der anthroposophischen Mediation gehen wir immer durch eine Formkraft, d. h. wir gehen entweder von einem Gegenstand, einem Satz, einem Bild aus. Wir geben etwas in das Bewusstsein und „holen es damit ab“. Wir gehen durch diese Formkraft durch, lassen uns davon prägen, dann lassen wir den Inhalt wegfließen, bleiben in der Konzentration und sehen dann, was sich daraus ergibt. Das ist eine Leere, die durch die Form gegangen ist, und die Form bleibt in gewisser Weise erhalten; sie „zieht etwas an“, vielleicht ein Geistwesen, das sich ausdrücken möchte. Gedanken gehören zum Werkzeug, sie sind nicht Illusionen, die wir wie Wolken vorbeiziehen lassen und die man möglichst schnell aus dem Weg haben will.
Es ist eine Errungenschaft der westlichen Kultur, dass man die Gedanken quasi an den Hörnern anpackt
Es ist eine Errungenschaft der westlichen Kultur, dass man die Gedanken quasi an den Hörnern anpackt: Man geht durch den Verstand, durch eine Phase des Besinnens, die eine Bedeutung hat, um dann in die Meditation vorzustoßen.
C. P.: Wären Gedanken in diesem Sinne Wortmeditationen, wenn Ihr beispielsweise den Prolog des Johannes-Evangeliums vorlest?
A. Hardorp: Gerade der Prolog aus dem Johannes-Evangelium ist dafür ein gutes Beispiel: Rein auf der Verstandesebene dringt man nicht zu der Bedeutung vor; es muss etwas anderes dazu kommen.
„Aha, da ist eine Blockade“
T. Mayer: Um fein wahrzunehmen muss man die Wahrnehmungen mit Gedanken durchdringen. Beispielsweise stellt jemand fest, dass er im Herzchakra eine Blockade hat; dazu muss er erstmal denken: „Aha, da ist eine Blockade“. Man bemerkt es, kann dann weiter hinein gehen mit der Frage, was der Grund der Blockade ist. Es kommen noch weitere Gedanken, die einem vielleicht die Ursache der Blockade verdeutlichen. Man macht das Denken zu einem Wahrnehmungsorgan.
Die Idee des anthroposophischen Meditierens ist, die Wahrnehmungen zu verfeinern und die übersinnliche Welt differenziert zu erleben.
Das steht aber nicht im Gegensatz zu allen anderen seriösen Meditationsschulen, sondern es ergänzt sich. Man braucht die Herzensbildung des Sufismus – ohne die geht gar nichts –auch nicht in der Anthroposophie. Und man braucht als Basis unbedingt das leere Bewusstsein, was im Zen-Buddhismus geschult wird. Wenn man das nicht zur Verfügung hat und immer mit dem Intellekt voranredet, kommt man auch zu nichts.
Wenn man die Schulungswege weltweit betrachtet, setzen sie Schwerpunkte, aber die einzelnen Elemente gehören zusammen.
Wichtig ist auch zu erwähnen, dass es beim Meditieren um übersinnliche Wahrnehmungen gehen kann, das muss es aber nicht. Es kann auch sinnvoll sein, um mehr bei sich selbst anzukommen, sich selbst besser kennenzulernen, zu mehr Ausgeglichenheit, Seelenruhe zu kommen etc. Dafür ist es auch da. Die übersinnliche Wahrnehmung, bzw. Geistesforschung ist ein Ziel, das man dabei erreichen kann, aber überhaupt nicht muss. Meditation ist etwas für Jedermann, bzw. Jederfrau.
C. P.: Ich kann aber persönlich sagen, dass ich auf dem Seminar, z. B. bei der Arbeit mit den Chakren, eigene Schwächen bemerkt habe. Das war für mich mehr zum Schrecken als zur Seelenruhe …
A. Hardorp: Es ist das allerwichtigste, das zu bemerken. Erst dann kann wirklich eine Veränderung anfangen. Wenn man immer nur darüber hinweggeht, kommt man nicht weiter. Die Wahrnehmung dessen, was ist, ist schon die halbe Miete.
C. P.: Und wäre es dann ein Weg, es mit Hilfe der Meditation zu verändern?
A. Hardorp: Beispielsweise bemerken Kursteilnehmer, dass im Bereich des Solarplexus alles stumpf ist. Sie merken aber auch, dass sie in einer anderen Region Kraft haben, die sie dann in den Solarplexus hinleiten können. Auch wenn es in minimalen Schritten passiert, haben sie es in der Hand etwas zu ändern. Das wäre beispielsweise ein Ansatz.
T. Mayer: Oder es wird einem klar, welche biografischen oder seelischen Themen damit zusammen hängen. Dann weiß man, an welcher Stelle man „dran bleiben“ muss. Man darf nicht erwarten, dass mit ein paarmal meditieren etwas erreicht ist. Aber alleine das Wahrnehmen von diesen Schwächen verändert etwas. Das ist vergleichbar damit, wenn man mit einem anderen Menschen einen Konflikt bespricht, verändert das schon die Situation und macht es leichter.
C. P.: Es ist eine anspruchsvolle Angelegenheit, dass alles mit sich alleine zu machen, ohne beispielsweise die Hilfe eines Therapeuten …
A. Hardorp: Es gibt beispielsweise eine Meditationsübung zum eigenen höheren Selbst. Ich erlebe die wie eine „Münchhausen-Übung“, bei der man sich am eigenen Schopf ergreift. Das ist nicht eine Anfängerübung und nicht für Jedermann auf der Straße so schnell zu machen, aber das Prinzip ist in allen Übungen vorhanden: Alles was man macht, geschieht durch die eigene Ich-Aktivität. Und das ist stärkend.
Außerdem bietet Thomas für die Teilnehmer der Meditationskurse individuelle Sitzungen an, wenn bestimmte biografische Themen hochkommen, um diese aufzuarbeiten.
T. Mayer: Meditation ist kein Ersatz für eine Therapie. Aber man kann schauen, wie weit man kommt, und dann kann man auch viel besser mit einem Therapeuten arbeiten.
Perspektiven und Praxis aus Sufitum, Anthroposophie und moderner Herzforschung
Interview mit Dr. Seyed Mostafa Azmayesh, Sufimeister, und Markus Peters, Arzt
Mystische Traditionen und moderne wissenschaftliche Erkenntnisse kommen zu gleichen Ergebnissen. Das Herz ist das Zentralorgan, welches eine wesentliche Rolle in der Salutogenese spielt und darüber hinaus in seiner tiefsten Dimension einen Zugang zum Schöpferischen, zum Übersinnlichen bereithält.
Das Interview ist ein Vorausblick auf die gleichnamige Veranstaltung, die am Freitag, 7. Februar um 19.00 im Rudolf Steiner Haus stattfinden wird. Weiterlesen „Herzensweisheiten“
Interview mit Rüdiger Sünner, Filmemacher und Frank Hörtreiter, Pfarrer der Christengemeinschaft
„Mystik und Widerstand“ ist der Titel des neuen Films von Rüdiger Sünner über die evangelische Theologin Dorothee Sölle (1929-2003). Sie war nicht nur bekannt für ihr politisches und feministisches Engagement, sondern beschäftigte sich auch zeitlebens mit den großen Mystikern. Als zeitgemäße Spiritualität konnte sie sich nur eine individuelle Gotteserfahrung jenseits von blind übernommenen Traditionen vorstellen. Mystik und Widerstand, so Sölles Entdeckung, müssen keine Gegensätze sein: gerade die Erfahrung des „göttlichen Funkens“ kann ein Impuls für soziales und politisches Engagement werden. Weiterlesen „Mystik und Widerstand“
Interview mit Tom Tritschel, Pfarrer, Künstler, Dozent für Sozialgestaltung
Tod und Leben gehören unabdingbar zusammen. Es gibt keinen Schöpfungsprozess, welcher Art auch immer, der ohne Todespunkte funktioniert. Das Bewegungselement, das wir Leben nennen und was Wachstum und Fortpflanzung enthält, braucht selbst die Todeselemente, um überhaupt in Gang zu bleiben. Sie führen zu einem „Aufhören“ und ermöglichen damit Neues. Weiterlesen „Tod und Leben“
Zusammenfassung eines Vortrages von Milan Horák, Prag
Als das Christentum in die Welt kam, sahen die Christen darin die Vollendung aller Religionen. Als sechshundert Jahre später der Islam entstand, erhob er einen gleichen Universalitätsanspruch.
Es ist beinahe unmöglich, über den Islam zu sprechen, ohne dass man zugleich auch über das Christentum spricht. Der Islam ist für die Christen – oder für uns Christen – ein grundsätzliches Problem. Begegnen wir dem Islam, wird unser christliches Selbstverständnis angezweifelt. Wir fühlen uns auf bestimmte Weise für die ganze Welt zuständig – und die Muslime eben auch. Wie können wir damit fertig werden? Weiterlesen „Regt uns Christen der Islam an oder auf? Teil I und II“
Interview mit Gabriele Keitel-Borth, Lars-Ulrich Cortes Rosa, Arzt und Jochen Pajunk, Pfarrer i. R.
Man kann es sehen und sieht es doch irgendwie nicht, weil der Verstand es gar nicht aushält: Ohne Sterilisation der Geräte und mit einem einfachen Messer werden die Augenpupillen geschabt, vor den eigenen Augen werden Menschen operiert, indem ihnen ohne Narkose mit dem Messer in den Leib eingefahren wird. Und sie verlassen alle geheilt diesen Ort. Es passieren Dinge, die es in unserer westlichen Welt und nach unseren Vorstellungen nicht gibt. Das sind Erlebnisse der Interviewpartner, die einen Heiler in Brasilien besuchten. Weiterlesen „Geistiges Heilen, Teil I und II“
Vortrag von Anand Mandaiker, Priester der Christengemeinschaft
Der achtgliedrige Pfad ist das Herzstück des buddhistischen Weges. Rudolf Steiner greift in seinem Werk auf, was der Buddha gegeben hat und entwickelt daraus alltägliche Übungen. Es ist immer noch Buddhismus, aber Rudolf Steiner bereichert ihn durch das Christentum auf die Weise, dass es nicht darum geht, von dem Leid loszukommen, sondern es zu verwandeln. Weiterlesen „Rudolf Steiner und Buddha“
wir können es lernen zu lieben, wenn wir den Sinn dahinter verstehen
Interview mit Linda Thomas, Reinigungsfachfrau, Gründerin einer ökologischen Putzfirma, Buchautorin
Linda Thomas ist mit ihrer Botschaft „Vom Putzen zum Pflegen“ mittlerweile weltweit bekannt und gefragt. Ihre Botschaft besteht darin, dass wir mit einer bewussten Pflege von Räumen etwas in der Welt schaffen, was heilsam wirkt. Sie lehrt in ihren Seminaren, wie man einen Raum pflegen und durchlichten kann, die Elementarwesen darin unterstützten kann, aber vor allem, mit welcher inneren Haltung man das alles bewirkt. Weiterlesen „Putzen“
Rüdiger Sünner zu seinem Film über Carl Gustav Jung
Anlässlich des 50. Todesjahres von Carl Gustav Jung präsentiert der Filmemacher Rüdiger Sünner einen Film über die Biographie und das Werk von Jung. „In vielen Mythen muss der Held eine „Nachtmeerfahrt“ durchmachen, in der er rätselhafte Wesen und gefährliche Situationen begegnet. Der Psychologe Carl Gustav Jung (1875-1961) ging selbst auf eine solche Entdeckungsreise und befragte die Welt der Symbole und Archetypen auf ihre Bedeutung für unser Leben. Wie sehen heutige Nachtmeerfahrten aus? Welche Gefährdungen liegen auf ihrem Weg und welche Potentiale? Was erzählt unsere „Anima“ und unser „Schatten“ dabei? Enthalten die Bilder des Unbewussten auch spirituelle Botschaften? Eine filmische Reise in die Biographie C. G. Jungs und in die wirkmächtige Welt der Mythen, Träume und Symbole.“ (Aus dem Vorspann des Filmes). Weiterlesen „Nachtmeerfahrten“
Muss Naturwissenschaft und Spiritualität ein Gegensatz sein? Auch wenn das in Schulbüchern so dargestellt wird und die meisten Naturwissenschaftler davon ausgehen, haben heute einige seriöse Forscher auf ihren Gebieten erarbeitet, dass in der Evolution ein geistiger Sinn liegt. Der Filmemacher Rüdiger Sünner lässt 14 Wissenschaftler auf ihren unterschiedlichen Gebieten darstellen, wie ein „Gott“ oder „Geist“ innerhalb der Entwicklungsprozesse wirksam ist. Es sind Christen darunter, Anthroposophen, Sympathisanten des Buddhismus, aber auch Forscher, die in der Natur selbst eine alles Rationale übersteigende „heilige“ Kreativität erblicken. Der Film zeigt auch, wie die Natur selbst in ihren Farben und Formen eine Künstlerin ist und wie dieses Mysterium des Schöpferischen Gefühle von Staunen und Achtung wach ruft. Weiterlesen „„Das kreative Universum““
Gespräch mit Birgit Philipp, Felicia Lampson, Joachim Heppner, Michael Werner
Am 27. Februar 1861 wurde Rudolf Steiner in Kraljevec, im heutigen Kroatien, geboren. Vieles, was er angeregt hatte, ist inzwischen über 100 Jahre weiterentwickelt worden; einiges hat erfolgreich Zugang in breiten gesellschaftlichen Kreisen gefunden, anderes wirkt erstarrt. Unbestritten spielt Rudolf Steiner eine große Rolle in biografischen und alltäglichen Auseinandersetzungen bei denjenigen, für die er wichtig ist.
Alles Anlass genug, um innezuhalten und sich zu fragen: Wie kann man Anthroposophie vergegenwärtigen? Sind wir Anthroposophen bereit zur Innovation, zur Veränderung und zu fragen, ob das Bisherige jetzt noch passt und weiterführt? Gibt es eine neue Generation, die Anthroposophie auf andere Weise realisieren möchte? Was sind die Quellen für eine neue Lebendigkeit?
Das alles sind Fragen, denen die Betreffenden im folgenden Gespräch mehr auf eine Weise des Suchens als Antwortens nachgehen.
Gesprächspartner/innen:
Birgit Philipp, geb. 1961, Buchhändlerin, tätig gewesen in verschiedenen anthroposophischen Buchhandlungen.
Felicia Lampson, geb. 1987, ehem. Waldorfschülerin, Abitur 2007, seit 2008 Lehramtsstudium an der Uni Hamburg mit den Fächern Mathematik und Französisch.
Joachim Heppner, geb. 1954, Leiter der Kunstakademie Hamburg, daneben verantwortlich tätig in der Anthroposophischen Gesellschaft im Rudolf Steiner Haus und in der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft.
Michael Werner, geb.1964, im ersten Beruf Schreiner; 1989-1993 Eurythmiestudium in Hamburg, seit 15 Jahren Eurythmielehrer in Hamburg-Bergstedt. Daneben Berater und Coach für Organisationsentwicklung. Gemeinsam mit Matthias Bölts gründete und leitet er seit 1994 den „Zweig am Montag“ in der Anthroposophischen Gesellschaft und gibt regelmäßig Einführungskurse in Anthroposophie. 2008 Gründung und Aufbau von 4.D, der Eurythmieausbildung in Hamburg.
Christine Pflug: Welche Bedeutung hatte Rudolf Steiner für Eure Biografie?
Joachim Heppner: Ich bin nicht in einem anthroposophischen oder „Waldorf“-Umkreis aufgewachsen, sondern komme aus dem tiefsten Altona, wo keiner eine Ahnung von so etwas hatte. Ich selbst hatte aber immer die Gewissheit, dass ich eine vorgeburtliche Vergangenheit habe. Als junger Mensch hatte ich Wehrdienst verweigert, damals noch mit Gerichtsverhandlung, und in dieser Zeit bin ich für innere Impulse aufgewacht. Ich lernte die Anthroposophie kennen, und das war für mich ein Wiederkennen von etwas, was ich schon in mir trug. Rudolf Steiner war dann für mich eine Art von Orientierung– als Lehrer und Freund, Mut machend, Hilfestellung gebend für mein geistiges Suchen, meinen Lebensweg und die Impulse die ich verwirklichen wollte. Das wurde mir vermittelt durch das Lesen von Büchern, vor allem aber durch Menschen. Ich lernte 1976 das Steiner Haus kennen, selbst hatte ich lange Haare bis über die Schultern und war dort ein Exot aus einer anderen Welt; wäre mir die Sache nicht wichtig gewesen, wäre ich nie geblieben. Man konnte damals an den Menschen sehr viel Kurioses und Eigentümliches finden, und trotzdem leuchtete immer auch eine Suche nach Schicksal, Geistwelt und Impulse für die Zukunft durch. Das hat mich damals – gerade bei den jüngeren Menschen – begeistert. Es gab dann in den 80-ger Jahren eine Gruppierung von jüngeren Menschen, die mit einer gewissen Revoluzzer-Mentalität das Steiner-Haus übernehmen wollten. In der Folgezeit entstanden in Hamburg viele Initiativen, z. B. die Forum-Initiative, das Seminar für Anthroposophie, die Kunstschule, die Ottensener Brücke, der Hinweis, das Musikseminar etc. Inzwischen sind wir selber in die Jahre gekommen, und ich hoffe, dass wir nicht unbemerkt selber kurios und eigentümlich geworden sind.
Birgit Philipp: Ich bin nicht unmittelbar in anthroposophischen Zusammenhängen aufgewachsen, war nicht in einer Waldorfschule, wurde aber in der Christengemeinschaft konfirmiert. Als ich Buchhändlerin werden wollte, sollte das nach meinen damaligen Vorstellungen in einem absoluten Alternativladen – mit rororoneue Frau etc. – sein, also mit einer gedanklichen Auseinandersetzung über politische und gesellschaftliche Themen. Ich wurde aber an eine andere Buchhandlung verwiesen mit dem Hinweis: „Da bekommst du eine richtig gute Ausbildung.“ Und das war die klassisch-anthroposophische Buchhandlung Engel in Stuttgart Engel. Das war damals eine Schulung für mich: Durch die Kunden und die Atmosphäre im Laden war eine tiefe Auseinandersetzung und ein ernstes Interesse an den Gedanken Rudolf Steiners spürbar. Das hatte mich berührt. So kam dann auch ich in die Auseinandersetzung mit Rudolf Steiner. Ich spürte, das ist ein Denker, dem ich begegnen kann, der mir die Zusammenhänge nicht absolut hinstellt, sondern mich frei lässt, so dass ich an ihm lernen und mich gedanklich schulen kann. Im Gegensatz zu anderen Philosophen fühlte ich mich auch seelisch aufgefordert.
Michael Werner: Ich bin in der Schweiz und in Holland aufgewachsen, und zwar in Dornach und hatte dort eine schöne und relativ normale Jugend. Mich hat damals alles, was „die auf dem Hügel“ so machten, mehr amüsiert als interessiert. Durch meine Familie gab es immer eine Konstante Beziehung zur Anthroposophie und zu Rudolf Steiner. Ich selbst habe mich für Rudolf Steiner mit 16 Jahren selbst angefangen zu interessieren, da ich mit dem Tod von Freunden in meiner Umgebung konfrontiert war. Mit ungefähr 13 Jahren las ich mein erstes Buch: „Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten“ in zwei Nächten durch, fand es irgendwie stimmig, und das war es dann auch erst mal. Das war für mich das schriftliche Tor in das geistige Gebäude der Anthroposophie. Menschlich fand ich etwas später einen Zugang über Jörgen Smit, der damalige Leiter der Pädagogischen- und der Jugendsektion. Er war ganz anders als all die anderen damaligen Vorstandsmitglieder, die ich vom sehen, aber nicht persönlich kannte. Er hatte beispielsweise immer Zeit für mich, alle anderen machten auf mich den Eindruck, nie Zeit zu haben. Der wesentliche Zugang zur Anthroposophie kam für mich durch Menschen, die mich begeisterten und überzeugten. Ich hatte damals weniger Zugang zum philosophischen Teil der Menschen, das fand ich manchmal abgedreht und etwas trocken. Aber Menschen mit Kraft und Power, die vom Herzen kam, konnten mich beeindrucken. Mit Jörgen Smit konnte ich mich stundenlang auch sehr philosophisch über meine eigenen, existentiellen Fragen unterhalten, und wir haben sehr viel gelacht dabei!
C. P.: Felicia, du bist in einem anthroposophischen Umfeld und Elternhaus aufgewachsen und hast die Steiner Schule besucht. Hast du diesen Hintergrund für dich immer als selbstverständlich erlebt?
Felicia Lampson: Ich kannte nie etwas anderes. An der Uni erlebe ich jetzt eine Welt, die überhaupt nicht von der Anthroposophie geprägt ist, und so kann ich das bisher Gewohnte mit Abstand betrachten. Die Inhalte, die man in der pädagogischen Fakultät lernt und der Umgang der Professoren mit den Studenten sind natürlich anders als an der Waldorfschule. Viel kühler und distanzierter auf der einen Seite, aber auch angenehm strukturiert.
immer ein lebendiges Geben und Nehmen
C. P.: Wie siehst du aus diesem Abstand heraus die Waldorfpädagogik?
F. Lampson: Die sehe ich jetzt sehr positiv. Es geht um die konkreten Menschen und darum, wie sie in der Welt stehen. So habe ich mich schon als Schülerin angesprochen gefühlt. Ich unterrichte gerade als Aushilfe in der 11. Klasse der Rudolf Steiner Schule Harburg. Es macht mir großen Spaß, Lehrerin in meiner alten Schule zu sein. Ich finde diese Schule toll! Was ich dort erlebe hat so wenig mit abstrakter Pädagogik zu tun, es ist immer ein lebendiges Geben und Nehmen zwischen Lehrern und Schülern und zwischen den Kollegen.
In der Uni lerne ich jetzt eine sehr theoretische Pädagogik kennen, was auch interessant ist, und ich bin gespannt, was mir die Kenntnis der verschiedenen Lerntheorien für mein späteres Unterrichten bringen wird.
C. P.: Und das ganze anthroposophische Leben einer Familie mit Kindern erlebt – kannst du darüber jetzt auch schon etwas sagen?
F. Lampson: Jetzt, wo ich quasi wie aus der Kindheit aufgewacht bin, merke ich, was früher um mich herum war. Es war eine schöne Welt. Die Jahresfeste, der Geruch des Klassenzimmers mit seinem Jahreszeitentisch und seinen ganzen Farben – das hatte und hat auch heute noch einen starken Einfluss auf mich.
Trotzdem ist es mir persönlich wichtig, Abstand dazu zu bekommen und alles von außen anzuschauen. Auch möchte ich erst mal keine Steiner-Vorträge lesen, sondern über Dinge urteilen, wie ich es selbst gerade denke.
eine anregende und präsente Kraftquelle
M. Werner: An der Baseler Waldorfschule bekam ich vielfältige Anregungen und Ermutigungen, meine Interessen und Anliegen zu verfolgen. Im Nachhinein blieben insbesondere die Klassenspiele, Choraufführungen, Praktika und die Jahresarbeiten hängen. Besonders einzelne, von mir geschätzte Lehrer machten auf mich einen tiefen und nachhaltigen Eindruck. Meine Schulzeit ist für mich heute noch eine anregende und präsente Kraftquelle, auf die ich in meinem beruflichen Alltag nicht verzichten könnte.
Erst nach meiner Schulzeit habe ich mit Erstaunen wahrgenommen, dass es auch Schulen gibt, wo man nicht als Mensch angesprochen wird, sondern nur die erbrachten Leistungen gelten.
C. P.: Könnt Ihr skizzieren, was Rudolf Steiner heute, in der Gegenwart, für Euch bedeutet?
Werke Steiners in der Kontrastierung mit zeitgenössischen Künstlern
M. Werner: Mir ist im Hinleben auf dieses Interview aufgefallen, dass ich persönlich Rudolf Steiner als Mensch sympathisch finde. Einfach so! Ich verdanke ihm viel: meinen fantastischen Beruf als Eurythmielehrer und Ausbilder! Und zum zweiten gibt es für mich eine Zeit vor und nach Wolfsburg.
(Ausstellung in 2010. Text aus dem Internet-Archiv des Museums: „Mit der Ausstellung „Rudolf Steiner und die Kunst der Gegenwart“ werden das Kunstmuseum Wolfsburg und das Kunstmuseum Stuttgart die Verbindungen und Resonanzen sichtbar machen, die im Werk zeitgenössischer Künstler zur Gedankenwelt Rudolf Steiners bestehen. In ausgewählten Werkpräsentationen und eigens konzipierten Installationen nähern sich Künstler wie Meris Angioletti, Joseph Beuys, Tony Cragg, Olafur Eliasson, Helmut Federle, Katharina Grosse, Anish Kapoor und Giuseppe Penone der ästhetischen und philosophischen Weltsicht Steiners an. Überraschende Verbindungen und unerwartete Perspektiven werden offengelegt, die die Ästhetik Steiners in einem neuen, aktuellen Licht erscheinen lassen. Dabei interessiert an Steiner nicht dessen Kunstlehre oder seine Position innerhalb der anthroposophischen Bewegung, sondern sein ganzheitliches, kreatives Denken, das der Realität des Geistes und der Präsenz des Unsichtbaren Form und Ausdruck gegeben hat.“ „… Bedeutende Künstler, angefangen von Wassily Kandinsky über Piet Mondrian bis zu Joseph Beuys, haben sich immer wieder mit der universellen Ideenwelt von Rudolf Steiner beschäftigt und daraus wertvolle Impulse für ihre Arbeit bezogen. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts erhält diese Verbindung durch das steigende Interesse von Gegenwartskünstlern an Steiner eine neue Brisanz. Gleichzeitig erlebt das ganzheitliche Weltbild wie das von Steiner vor dem Hintergrund lebhafter Debatten über ökologische Verantwortung, religiöse Sinnsuche und über ein aus den Fugen geratenes Wirtschaftssystem wieder stärkere Beachtung. In einem ersten Teil behandelt die vom Vitra Design Museum zusammengestellte Ausstellung „Die Alchemie des Alltags“ das Wirken dieses bedeutenden Reformers im 20. Jahrhundert in Architektur, Design, Kunst und Gesellschaft. Sie ist die weltweit erste umfassende Retrospektive Steiners außerhalb eines anthroposophischen Kontextes.“)
Das war für mich wie: Vorhang auf – und dann begann ein neuer Akt und eine längst überfällige Debatte zum Thema! Bis dahin war mir nicht bewusst, dass so viele international renommierte Künstler und Kuratoren sich so eingehend mit Rudolf Steiner beschäftigen, und zwar in einer autonomen Art. Ich fand dort Werke Steiners in der Kontrastierung mit zeitgenössischen Künstlern sehr überzeugend und inspirierend präsentiert. Im Museum stand ich auf einmal vor Stühlen, auf denen ich als Kind viel gesessen und die ich als Schreiner bereits repariert hatte – ein abgefahrenes Erlebnis! Für mich war etliches dort ein Eye-opener, z. B. der Ausspruch von Tony Cragg „Denke an ein zwanzigstes Jahrhundert ohne Rudolf Steiner- das wäre eine Katastrophe“. Das sagt ein international arbeitender Künstler über Rudolf Steiner!
sie stellen ihn auf ein Podest
Für mich persönlich ist das Wesentliche an Rudolf Steiner seine Rolle als Ideen- und Impulsgeber. Er bearbeitete Themen, die mich heute auch interessieren, und hat einige originelle Ansätze, die mir sehr einleuchten. Er wirkte wie ein „Kraftwerk“ seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Genau in diesem Zeitfenster, als in der Kultur Europas eine neue, offene Dynamik entstand, die bis heute international weiterwirkt und vielfältige Innovationen in Schulen, Banken, auf Höfen, Krankenhäusern etc. auslöste und Teil der heutigen Zivilgesellschaft ist, trat er mit seinem ungeheuer dynamischen Denken auf. Im Gegensatz dazu wundert mich, wie einige Anthroposophen bis heute mit Rudolf Steiner umgehen: Sie verehren ihn, stellen ihn auf ein Podest, gehen teilweise völlig unkritisch mit seinen Aussagen um, kennen seine Zeitumstände und die damit verbundenen ästhetischen und intellektuellen Stilprägungen nicht, leben in einer dualen Welt von „wir“ und „die“… Aber zum Glück ist das in den letzten Jahren deutlich weniger geworden und eine neue Steiner-Verarbeitung aufgekommen. Viele Menschen ringen heute um eine individuelle, geistige Entwicklung und manche viel ausgeprägter als in einigen anthroposophischen „Zirkeln“. Ich selbst habe z.B. das Meditieren im Rahmen meiner Beraterausbildung gelernt; während des Eurythmiestudiums war damals noch nicht die Rede davon! Das hat sich verändert seitdem.
„Mensch Steiner, kann man das nicht auch einfacher sagen?“
J. Heppner: Rudolf Steiner ist mir zum einen Teil vertraut, denn vieles was er sagt, kann ich in mir wieder finden, zum anderen ist er mir fremd. Er spricht eine Sprache, die ich umständlich finde und die ich immer wieder in meine Gegenwart übersetzen muss. Dann denke ich: „Mensch Steiner, kann man das nicht auch einfacher sagen?“ Aber immer wieder provoziert er mich auch mit völlig unerwarteten Gedanken und Bildern und mit tiefen Einblicken in die Realität der Geistwelt. So ist er mir Anlass für meine persönliche Entwicklung und ist auch Hintergrund meiner beruflichen Arbeit. Auch ein Großteil der etwa 50 Studenten in der Kunstakademie fragt nach dem, wo er Orientierung oder Anregungen geben kann. Er ist nach wie vor aktuell – wenn man ihn vergegenwärtigt und in das Verständnis der heutigen Zeit übersetzt. Das begeistert mich.
… dass damit eine Epoche zu Ende geht und dass das, was Form geworden ist, sich wieder umwandeln muss
B. Philipp: Ich könnte in gewisser Weise den vorhin beschriebenen Ansatz fortsetzen. Es verdichtet sich immer mehr: Je mehr ich mich mit Rudolf Steiner und der Anthroposophie beschäftige, ist er mir nah und ich kann, wie Michael Werner, sagen, dass ich ihn mag.
Als Buchhändlerin stehe ich in gewisser Weise immer auf der Schwelle von „außen und innen“. Ich habe mich immer als Mensch dieser Welt und als Zeitgenossin empfunden und bin auch so groß geworden. In Wolfsburg war der erste Teil der Ausstellung „ Die Alchemie des Alltags“ (s. o.); in dem Katalog dieser Ausstellung ist alles von „innerhalb“, also was die anthroposophische Szene in ihrer Gestaltung ausmachte, abgebildet wie z. B. Stühle, Türklinken etc. in anthroposophischem Design. Ich würde sagen, dass damit eine Epoche zu Ende geht und dass das, was Form geworden ist, sich wieder umwandeln muss. Viel mehr Menschen haben und suchen die Begegnung mit Rudolf Steiner und setzen sich in einer anderen Art damit auseinander, als man das bisher kannte. Als Buchhändlerin erlebe ich eine andere Gesprächsmöglichkeit durch die Begegnung mit vielen verschiedenen Menschen, die in den Laden kommen: Eine suchende, noch nicht wissende Bewegung im Zusammenhang mit Rudolf Steiner und Anthroposophie.
Für mich selbst bin ich daran interessiert, immer mehr mit den Vorträgen von Rudolf Steiner selbst zu tun zu haben und nur noch partiell mit der Sekundärliteratur. Früher war es noch interessant, welcher Mensch sich gerade etwas erarbeitet hatte und das als Sekundärliteratur veröffentlichte; mittlerweile ist es aber so schnell, so viel und vielfältig geworden, dass ich mehr das Bedürfnis habe, mich stärker der Quelle zuzuwenden. Für mich ist Anthroposophie keine Lehre, die ich als Gesprächspartnerin oder Buchhändlerin vermitteln möchte, sondern ich möchte es so verinnerlichen und damit in einen Prozess kommen, dass ich es bin.
C. P.: Felicia, Du hast die Michaeli-Tagung, die in Dornach stattfand, von Hamburg aus mit vorbereitet. Wie war das dort für dich?
eine sehr abgeschlossene Welt?
F. Lampson: Die Vorbereitungszeit war sehr schön und bereichernd für mich, weil wir in der Vorbereitungsgruppe intensiv darüber nachgedacht haben, wie aus dieser Tagung etwas Besonderes werden könnte. Mit der Tagung in Dornach hatte ich dann aber Schwierigkeiten. Ich weiß nicht, ob es an mir lag oder an der Tagung, aber ich hatte das Gefühl, in eine sehr abgeschlossene Welt zu kommen. Allerdings haben die munteren Kinder, die auf dem Gelände des Goetheanums gespielt haben, einen besonderen Eindruck auf mich gemacht.
C. P.: Wenn man das zusammenfasst, kann man feststellen, dass die 80-er Jahre Zeiten des Aufbruchs waren, in denen die damals jungen Menschen viele Initiativen begonnen haben. Jetzt, in 2011, scheint die Sachlage eine andere zu sein. Was haben wir Anthroposophen erreicht, was haben wir versäumt, in der Kultur, im Sozialen etc.?
B. Philipp: Im Positiven könnte man sagen, dass die Anthroposophie Anstöße gegeben hat für die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die Waldorfpädagogik, die Medizin, Heilpädagogik, auch bis in die Architektur hinein etc. Jetzt, in unserer Zeit, haben wir es aber unter Umständen mit dem Klischee der damals gefundenen Formen zu tun. Wir stehen an einem Punkt, wo wir uns nochmal neu besinnen sollten, was dran ist und ob wir bei den Strukturen etc. bleiben wollen oder ob wir aus dem Ideellen heraus uns noch einmal umgestalten.
das ist bei einer breiten Menge der Bevölkerung inzwischen irgendwie angekommen
J. Heppner: Anthroposophie ist in der Gegenwart unterschwellig präsent. Man kann Menschen treffen, von denen man nie glauben würde, dass sie etwas mit Anthroposophie zu tun haben, und doch gibt es oft Berührungspunkte. Diese Berührungspunkte sind heute so vielfältig, dass es mich immer wundert, wo und wie etwas von Rudolf Steiner im Denken der Menschen auftaucht. Da spielen die Ausbildungen und Einrichtungen in der Pädagogik, Landwirtschaft, Medizin etc., aber auch die große Sekundärliteratur eine wichtige Rolle. Und es ist nicht immer als Anthroposophie etikettiert was den Inhalten nach verbreitet wird.
Es sind ja immer Menschen, nicht „die Anthroposophie als solche“, die etwas erreicht haben. Wenn man beispielsweise die Wirksamkeit von Joseph Beuys anschaut, ist die sehr breit: Es wurde soziale Dreigliederung intensiv diskutiert und dass Kunst ein Quellort für Zukunft ist etc. Das ist bei einer breiten Menge der Bevölkerung inzwischen irgendwie angekommen.
M. Werner: Auf die Frage „Was haben wir erreicht?“ würde ich sagen: ein nicht abreißender konstruktiver Diskussionsprozess der Kulturerneuerung. Wir bewegen uns gesellschaftlich einerseits in einer gewissen Nische, weil es in Masse nicht so viele Anthroposophen gibt. Die fachlichen Diskussionen von Architekten, Pädagogen, Medizinern, Künstlern, Ökonomen in der Zivilgesellschaft laufen ruhig weiter, auch wenn gleichzeitig im Eliant-Projekt eine Million Unterschriften in Europa gesammelt werden! Die Fachdiskussionen sind so gesehen subversiv-dynamisch, und sie werden, wie in anderen Branchen auch, von Spezialisten in einem eigenen Vokabular geführt. Allein von Eurythmisten wurden in den letzten fünf Jahren über 80 wissenschaftliche und künstlerische Publikationen verfasst. So etwas war vor wenigen Jahren noch gar nicht auf der Agenda. Hier läuft auf der Fachebene ein spannender, neuer Diskurs. Da ist richtig was los, auch wenn man das leider öffentlich noch nicht deutlich genug sieht und wir noch nicht dort sind, wo wir hinwollen!
die Form-Konservativität im Verhältnis zu Innovation
Im Gegensatz dazu sind die Waldorfschulen ein Beispiel für einen sehr erfolgreichen und öffentlich gut sichtbaren Zweig der Anthroposophie. In Deutschland arbeiten heute ca. 207 Waldorf-Schulen, die praktisch alle mit Steiners Anregungen zur Pädagogik umgehen und diese kontinuierlich weiterentwickeln. Das ist ohne Frage ein Erfolg in der Breite, auch wenn Steiner selbst nicht die Intention hatte, eine spezielle pädagogische Szene mit eigenen Seminaren zu begründen, sondern vielmehr das pädagogische Denken selbst zu erweiterten trachtete. Natürlich ist hier das Verhältnis von Verharrungsvermögen, die Form-Konservativität im Verhältnis zu Innovation ein echtes Problemfeld, ohne Frage. Andrerseits wird man als Lehrer von den Kindern und Jugendlichen ja immer wieder frisch gemacht und bekommt auch gelegentlich den Kopf gewaschen. Die Waldorfpädagogik ist heute gesellschaftlich nicht mehr in derselben Nische wie in den 70-igern, als ich zur Schule ging, es ist viel offener geworden. Damals haben nur Anthroposophen ihre Kinder in diese Schule geschickt, das ist heute gar nicht mehr so. Es hat heute jeder einigermaßen gebildete Mensch in Deutschland von Waldorf gehört, und sei es nur, dass die dort „ihren Namen tanzen“ können. Auch viele bekannte Unternehmen wie Weleda, Hauschka, dm setzen ausdrücklich auf Steiners Anregungen, treten in der breiten Öffentlichkeit auf und setzen ebenfalls in ihren Bereichen jeweils Maßstäbe. Die Probleme sind nicht unbedingt weniger geworden, aber angesichts der Größe der Szene eben andere als früher.
C. P.: Trotz der breiten Öffentlichkeit: Der Altersdurchschnitt der Anthroposophischen Gesellschaft ist etwa Mitte 60, die Zahl der Studenten in den Ausbildungsstätten geht zurück, manche Ausbildungsstätten müssen schließen, die finanziellen Mittel sinken immer mehr. Was ist los? Wie geht es weiter?
Es steht ein massiver Generationswechsel an
M. Werner: Wir sind heute intern vielfach in einer Phase des Innehaltens und Neubesinnens. Es vollzieht sich ein massiver Umbruch in unserer gesamten westlichen Kultur und daran arbeiten auch Anthroposophen engagiert mit, nicht nur in Ägypten. Vieles, was früher einfach so lief, geht eben nicht mehr, auch das betrifft nicht nur Anthroposophen, da sind wir alle im gleichen Boot und wissen noch nicht, wie es ausgeht!
Es steht ein massiver Generationswechsel an. In den Waldorfschulen gehen in den nächsten Jahren über die Hälfte der Lehrerschaft in Rente, in manchen Schulen auch mehr! Die jüngere Generation ist da, ist aber in Bezug auf das Einsteigen in „etablierte“ anthroposophische Einrichtungen durchaus wählerisch, da es auch an anderer Stelle viele interessante Möglichkeiten gibt. Man wird heute nicht mehr so schnell Mitglied in einem Verein, das Problem hat Food-Watch übrigens auch. Es ist unternehmerisch herausfordernd, eine gesellschaftliche Unterstützung für Projekte zu mobilisieren und junge Leute, Nachfolger aufzubauen.
Zum Beispiel in den Eurythmieausbildungen gingen vor 10 Jahren die Studentenzahlen weltweit massiv nach unten, die Anzahl der Aufführungen nahm ab, die Waldorfschulen können den Bedarf nicht recht decken… In Hamburg haben wir vor einigen Jahren Konsequenzen gezogen, ein ganz neues Ausbildungskonzept entwickelt und die Ausbildung bei 4.D auf ganz neue Füße gestellt. Eine neue Generation Eurythmisten ist jetzt auch da, ist sehr anders, stellt neue Fragen, will und kann was! Aber andrerseits können grundlegende Dinge nicht auf die Schnelle verändert werden, auch wenn das wünschenswert wäre, das braucht Zeit und viel Nerven. Die Dozenten sind, neben dem Aufbau und dem Unterrichten, auch mit der eigenen MA-Qualifikation beschäftigt, und die muss aber auch erst mal verdaut werden. Manche Prozesse dauern viel länger als es einem recht ist, aber man muss sie trotzdem leben!
es kann sein, dass man dann eine ganz neue Form dafür findet
B. Philipp: Man kann es auch noch etwas drastischer sagen: Es ist ein Sterbevorgang. In gewisser Hinsicht ist es ein Sterbevorgang einer Pioniergeneration; solche starken Persönlichkeiten, wie beispielsweise Jörgen Smit, haben wir nicht mehr. Man hat sie anderswo auch nicht mehr, beispielsweise in der Politik, als Vorbilder oder „Macher“.
In der Anthroposophie gab es früher dieses, wie Felicia andeutete, Gelehrtentum; man hat die Dinge gelesen und studiert, aber heute wollen die Menschen am Anderen eine Authentizität erleben. In vielen Institutionen lebt vieles aus der Form: „das macht man so!“ Man muss aber noch einmal an die Urgründe und an die Motivation gehen: warum eigentlich?! Es kann sein, dass man dann eine ganz neue Form dafür findet, dass die Form nicht das Wesentliche ist, sondern dass sie sich ergibt, wie die einzelnen Menschen es für richtig halten. Die Frage, wie schaffe ich etwas um, wie ernsthaft gehe ich dabei an die Wurzeln, wie radikal und authentisch bin ich darin – das sind die Forderungen.
offen für alles und für jeden sein und in einer Auseinandersetzung mit allem leben
C. P.: Felicia, was müssten „wir Anthroposophen“ machen, damit es dich begeistern würde, du es überzeugend fändest?
F. Lampson: „Ihr“ solltet offen für alles und jeden sein und in einer Auseinandersetzung mit allem leben. So, wie ich die Anthroposophische Gesellschaft in Dornach kennengelernt habe, ist sie mir fremd. Ich habe die Inhalte der Anthroposophie selbst noch wenig studiert, habe sie aber als Lebenshaltung kennen gelernt. Das finde ich im Moment viel interessanter. Ich ertappe mich manchmal dabei, wenn ich in einer öffentlichen Schule unterrichte, dass ich die Waldorfschule ja viel „besser“ finde. Aber es interessiert mich auch zu sehen, was eine andere Schule gut macht, und das vielleicht mit Waldorfpädagogik zusammenzubringen.
J. Heppner: Man muss unterscheiden zwischen Anthroposophischer Gesellschaft und anthroposophischer Bewegung. Anthroposophische Gesellschaft ist etwas Begrenztes und Bewahrendes geworden und hat vielleicht in der Zukunft die Aufgabe, eine Art Kernbildung zu sein. Das wird dann einfach zahlenmäßig nicht groß werden. Aber die anthroposophische Bewegung, und damit meine ich jetzt auch die Hochschule und die Sektionen – die soll groß werden. Die ist vielfältig und taucht überall unter oder auch auf, aus den Menschen und aus den Arbeitsfeldern. Das Problem ist, dass man die Anthroposophie nur mit der Anthroposophischen Gesellschaft identifiziert und dann glaubt, es sei absterbend. Vielleicht ist das Gesellschaftsdenken absterbend, weil es formal ist oder weil das Modell eines e.V. heute nicht mehr adäquat ist – aber die Bewegung ist nicht absterbend, die ist zukünftig und je mehr sich die Anthroposophische Gesellschaft ändert, wird sie an dieser Zukunft teilhaben.
mit 60 Jahren machte er noch mal einen Neustart
C. P.: Welche Ideen und Aspekte habt Ihr für die Zukunft?
M. Werner: Was ich an Rudolf Steiner menschlich und intellektuell richtig gut finde, ist, dass er viele Male neu angefangen hat, Rückschläge einstecken konnte und auch mit 60 Jahren noch mal einen Neustart machte und die Anthroposophie und seine Initiativen ganz neu formulierte! Darin drückt sich für mich ein dynamischer Kerngedanke aus: Bin ich bereit zum Innehalten und zu fragen, was jetzt noch passt und weiterführt und was nicht? Oder ist jetzt etwas ganz Neues angesagt? Manche Dinge, die mir bisher Sicherheit gegeben haben, die ich vielleicht auch mag, muss ich loslassen und dann den neuen Weg konsequent und entspannt gehen.
Ich glaube, dass in der Zukunft dabei innerer Mut eine immer größere Rolle spielen wird. Aus dieser Quelle heraus ist ein Neuanfang einer neuen Generation möglich und ich bin zuversichtlich dass der auch kommt. Ich für meinen Teil arbeite daran!
Worauf begründet sich ein Neuanfang?
B. Philipp: Ich finde das wunderschön beschrieben, aber für mich wäre noch die Quelle eines solchen Neuanfangs wichtig. Worauf begründet sich ein Neuanfang? Der muss sich auf etwas stellen. Das ist das, was ich anfangs meinte: Wie werde ich das? Wie bringe ich das Wissen, das außerhalb von mir ist, in ein lebendiges Werden, so dass sich der Neuanfang daraus schöpft? Hat man das schon so zu fassen bekommen, dass man dazu die adäquate Form finden kann?
Kann ich das Geistige real erfassen?
J. Heppner: Essentiell ist doch die Frage: Schaffe ich es, zum Geistigen in mir durchzudringen? Kann ich mich als geistiger Mensch real verstehen und das leben? Damit hängen alle Fragen und aller Neuanfang zusammen. Kann man das konkret nehmen, dass der Mensch ein geistiges Wesen ist? Dann habe ich eine Revolution in mir selbst und auch in der Gesellschaft. Dann kann Medizin, Pädagogik, Kunst nicht so weitergehen, wie sie war. Quelle ist für mich immer die Frage: Kann ich das Geistige real erfassen? Das ist zukünftig!
Alles, was existiert, ist aus einem Gestaltbildungsprozess hervorgegangen, ob man das nun Schöpfer, Evolution oder wie auch immer nennen mag. Wenn das Gestaltbildungen sind, die eine schöpferische oder künstlerische Logik in sich tragen, dann liegt dem auch ein schöpferisches Wesen zugrunde.
Heute ist der Mensch aufgefordert, diese Schöpfung der Götter fortzusetzen, bis in die kleinsten Bereiche des Zusammenlebens hier auf unserer Erde, weil sie uns betreffen. Joseph Beuys war auf die simple Tatsache gestoßen, dass Kunst immer aus einem Chaos mittels Bewegung und Arbeit in eine Form, Gestalt führt. Dieses Prinzip gilt für jedes Feld, in dem Dinge und Prozesse zu gestalten sind, was dann in seiner Gänze zur „Sozialen Plastik“ führt. Das ist die Idee des „Erweiterten Kunstbegriffs“. Weiterlesen „Die Kunst – wer ist das eigentlich?“
Interview mit Gerhard Ertlmaier, Pfarrer der Christengemeinschaft
Wann hat ein Mensch Interesse zu beten oder zu meditieren? Wenn er spürt: „Es gibt noch etwas anderes, das ich bisher nicht kannte, was aber existenziell zu mir gehört.“ Außer dieser äußeren Welt gibt es noch eine andere Welt, und mit der möchte man in Kontakt kommen.
Übungen zur Selbsterziehung sind eine Vorbereitung zur Mediation und helfen aber auch, den Alltag an bestimmten Punkten selbst zu gestalten und nicht allem ausgeliefert zu sein. Weiterlesen „Meditation, Gebet, Selbsterziehung …“
Interview mit Wolfgang Weirauch, Herausgeber der Flensburger Hefte
Die Naturwesen sagen: Wir müssen wieder mit den Menschen sprechen! Durch die Vermittlung einer Frau, die es über Jahre gelernt hat, mit Naturgeistern zu sprechen, konnten in Interviews verschiedenste Wesen befragt werden. Wolfgang Weirauch interviewt auf diese Weise seit mehreren Jahren viele Naturgeister. Ihnen ist die Weiterentwicklung der Erde und die Zusammenarbeit mit den Menschen ein dringendes Anliegen. „Es gibt keine Gruppen, die gegeneinander arbeiten, hier die Menschen und dort die geistigen Wesen, sondern wir alle wirken mit am Projekt Erde und an der Menschheitsentwicklung. Von daher ist es nahezu unstatthaft, dass wir aneinander vorbeireden.“ Weiterlesen „Mit Naturgeistern sprechen“
Medizinische Fakten und ein Erfahrungsbericht zu Nahtoderfahrungen
Zusammenfassung eines Vortrages von Pim Van Lommel und Sabine Mehne
„Das Bewusstsein hört nach dem Tod nicht auf zu existieren – es besteht weiter und ist unabhängig von Gehirnfunktionen“, so die These, die der holländische Kardiologe Pim van Lommel in wissenschaftlichen Langzeitstudien erforschte. Er hat mit 344Patienten, die einen Herzstillstand überlebt hatten, diese Forschungsstudie durchgeführt. Damit kommt er zu ganz anderen Ergebnissen über Leben und Tod, als sie in der herkömmlichen medizinischen Auffassung üblich sind.
Sabine Mehne berichtet über ihre eigenen Nahtoderfahrungen. Erlebnisse mit Licht, ein Lebensrückblick, ein Bewusstsein jenseits von Zeit und Raum, ohne die Enge des physischen Körpers haben ihr Leben nachhaltig verändert. Weiterlesen „Endloses Bewusstsein“
Interview mit Dr. Günther Dellbrügger, Pfarrer der Christengemeinschaft
Dieses Interview wurde angeregt durch Dr. Günther Dellbrüggers gleichnamiges Buch, das kürzlich erschienen ist. Er befasst sich darin mit der herausfordernden Botschaft des Paulus: „Leget an die Waffenrüstung Gottes…“. Wir brauchen diese „Stärkung des Inneren“ um die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen.
Das folgende Gespräch reflektiert die gegenwärtige Lage im Hinblick auf den einzelnen Menschen: Was kann gegen die globale Betäubung und Lähmung unseres Bewusstseins getan werden? Wie können wir (unsere) Ängste erkennen und überwinden? Wo gibt es Hilfen? Was bedeutet in diesem Zusammenhang Religion?
Interviewpartner: Dr. Günther Dellbrügger, geb. 1949, Studium der Philosophie, Slawistik und Geschichte; Promotion über Hegels Religionsphilosophie. Seit 1978 Pfarrer der Christengemeinschaft, seit 1990 in der Priesterausbildung tätig, ab 2000 Mitbegründer des Priesterseminars in Hamburg; seit 2006 in der Gemeinde München-Mitte.
C. P.: Warum haben Sie dieses Buch geschrieben?
Dr. Günther Dellbrügger: Das Thema beschäftigt mich seit vielen Jahren. Ich möchte mit diesem Buch wach machen, den Mut im Leser stärken und Hoffnung vermitteln. Hinter den Kulissen unserer Zeit findet eine geistige Auseinandersetzung statt, die wir erkennen müssen.
Der Text des Paulus, den ich meinem Buch zugrunde lege, spricht von einer solchen Auseinandersetzung, obwohl er schon 2000 Jahre alt ist. Rudolf Steiner hat darauf hingewiesen, dass manches aus den Paulusbriefen für zukünftige Zeiten geschrieben ist. Vielleicht auch die markante Stelle aus dem Epheserbrief:
„Wache auf, der du schläfst,
aufersteh von den Toten.“
Unser normales, gegenwärtiges Bewusstsein ist ja keineswegs eine volle Wachheit, es ist – geistig gesehen – eher ein Schlaf. Uns fehlt die Fähigkeit der Aufmerksamkeit auf allen Wahrnehmungsgebieten. Lebe ich oder werde ich gelebt? Bin ich „tot“ und weiß es nicht? Das Pauluswort ist krass – aber ist es nicht wahr?
C. P.: Wie zeigt es sich denn, dass wir alle „schlafen“? Gibt es auch weckende Stimmen in unserer Zeit?
Dr. G. Dellbrügger: Heinrich Heine hat 1844 Deutschland „Ein Wintermärchen“ genannt hat: fleißig, aber verschlafen, pünktlich, aber folgsam. Die allgemeine Schläfrigkeit bezeichnet Rudolf Steiner als das Einfallstor der Mächte, die letztlich den 1. Weltkrieg bewirkt haben. Es gab im 20. Jahrhundert weltweit einzelne, weckende und warnende Stimmen, wie z. B. Rachel Carson mit ihrem bahnbrechenden Buch „Der stumme Frühling“, die Gefährdung der Umwelt betreffend, oder Alfred Anders mit der Warnung vor der Atombedrohung und seiner Aufforderung zu ihrer täglichen Bewusstmachung. An ihnen kann uns unsere Schläfrigkeit bewusst werden.
heute haben wir ideologische Ausreden dazu entwickelt, um weiterzuschlafen
Der verstorbene Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker veröffentlichte 1983 eine Zusammenfassung seiner weltpolitischen Prognosen unter dem Titel „Der bedrohte Frieden“. Ein sehr lesenswertes Buch. Der Zusammenbruch des Kommunismus, weltweite Arbeitslosigkeit, das Versagen der Sozialsysteme – alles wird vorausgesagt bis hin zum unkontrollierten Kapitalismus, der als Gesellschaftssystem vor nichts zurückschrecken wird, um seine eigene Macht zu erhalten. Weizsäcker wusste zugleich, dass sein Buch keinen weckenden Einfluss haben würde. Im Gegenteil, heute haben wir ideologische Ausreden dazu entwickelt, um weiterzuschlafen: „Krisen gab es schon immer! Die Technik wird auch das lösen!“ usw.
Benediktus Hardorp (Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Vertreter der Dreigliederung Rudolf Steiners) spricht von drei Möglichkeiten des Verhaltens, wenn ein Schiff auf einen Eisberg zusteuert:
1. „Wir werden den Eisberg rammen und zerbrechen.“
2. „Es gibt keinen Eisberg.“
3. „Wir ändern mit aller Kraft den Kurs.“
Zu einer Kursänderung will ich mit meinem Buch beitragen.
der spirituelle Hintergrund des Bösen
C. P.: Sie schreiben von „Waffen“ und „Rüstung“. Wie ist das zu übertragen?
Dr. G. Dellbrügger: „Waffen“ und „Rüstung“ sind natürlich ganz in einem spirituellen Sinne gemeint. Paulus spricht im Epheserbrief von einem Kampf gegen hierarchische Wesen, gegen Hierarchien des Bösen. Nirgends im Neuen Testament wird auf die spirituellen Hintergründe des Bösen so deutlich hingewiesen wie in diesem Kapitel, außer in der Apokalypse des Johannes. Von diesem Kampf, der nicht irgendwo draußen, sondern auf dem Grund der Seele des Menschen stattfindet, spricht auch Rudolf Steiner Pfingsten 1915 in dem Spruch „Wo Sinneswissen endet …“. Es kann ermutigend wirken, dass er dort formuliert, dass sich die Seele durch eigene Aktivität den Schlüssel schaffen kann, mit dem sie sich den Zugang zu den wahren „Lebenswirklichkeiten“ eröffnet. Diesen Vorgang kleidet Paulus in das Bild einer Waffenrüstung, die der Mensch sich schmieden muss für den Kampf gegen die überragend starken geistigen Mächte, die unser Menschentum gefährden. Das Christentum ist eine Kraftquelle zur Stärkung des inneren Menschen.
man bildet sich eine zweite Leiblichkeit, die schützt
Indem er sich mit dem lebendigen Christus durchdringt und verbindet, bildet er sich eine zweite Leiblichkeit, die ihn schützt. Gedanken der Wahrheit werden zu einem schützenden Gurt, den man vor der Rüstung anlegt. Wille zur Gerechtigkeit zu einem Brustpanzer usw.
C. P.: Kann der Paulustext den Menschen die Angst nehmen?
Dr. G. Dellbrügger: Ich konnte erleben, dass diese Worte im längeren Umgehen mit ihnen eine starke Kraft entfalten. Werden sie regelmäßig gesprochen, bildet sich eine Schutzhülle. Ich denke, Paulus spricht aus authentischer Erfahrung. Wie oft war er angegriffen und befand sich in Todesgefahr. Aber er ist unerschrocken, furchtlos seinen Weg gegangen. Das konnte er, weil ihm das Erlebnis vor Damaskus „Nicht ich, sondern der Christus in mir“ tiefe Sicherheit und Vertrauen in die Gegenwart des Geistes gab und ihn angstfrei machte. Paulus besaß auch große gedankliche Schärfe („das Schwert des Geiste“), was ihm die Erkenntnis der Widersachermächte ermöglichte. Seinen Briefen kann abgelesen werden, dass er eine ringende Seele war und gerade darin – scheint mir – macht er uns Mut!
Auch die drei Bilderzyklen von Maren Glockmann zeigen – so meine ich – die Dramatik der Auseinandersetzung mit dem Bösen und zugleich das Mut spendende Licht der Stärke.
„Zeitungeister“
C. P.: Welche Rolle spielen die Zeitgeister und „Zeitungeister“, bzw. Gegenmächte in diesem geistigen Kampf? Wie kann man sie beschreiben?
Dr. G. Dellbrügger: Meinem Eindruck nach wirken die Gegenmächte des Menschen so, dass sie die höheren Erkenntniskräfte, die jetzt im Menschen zu erwachen beginnen, abfangen und verführen. Die Fähigkeit, z. B. die Wirklichkeit in Wahrbildern, in Imaginationen zu erschauen, wird von einer Flut von massiv wirksamen Scheinbildern vereinnahmt.
Bei Kindern und Jugendlichen erlebe ich, dass höhere Erkenntniskräfte erwachen. Sie sprechen von geistigen Erfahrungen, die für sie so real sind wie die Sinneswelt – eine Thematik, die auch im Film (z. B. „Sixth sense“) breit aufgegriffen worden ist.
die Bilder können von der Seele nicht in ruhiger Aktivität aufgebaut werden
Die Bilder können von der Seele nicht in ruhiger Aktivität aufgebaut werden und lebendige Wahrheiten vermitteln, sondern stürzen auf den Menschen ein – etwa bei Videoclips – und überfordern das Bewusstsein. Der omnipräsente Zugang zu diesen virtuellen Bilderwelten wird uns als Zuwachs an Freiheit angeboten. Ist das so? Wird es nicht immer schwieriger, sich ein klares Bild von einem Problem zu machen? Kennen ist nicht Erkennen! Unsere Urteilskraft ist bedroht.
Fördert diese Sache wirklich die Freiwerdung des Menschen?
Das methodisch raffinierte der Zeitungeister scheint mir zu sein, dass sie an echte fortschrittliche Impulse anknüpfen, diese dann aber für ihre eigenen Interessen missbrauchen. Sie benutzen die Sehnsucht des Menschen nach einer vertieften Wahrnehmung im Sehen und Hören, führen sie aber mit technischen Mitteln in eine Scheinwelt. Diese schwächt den Menschen, statt ihn zu stärken, macht ihn tendenziell abhängig, statt seine Freiheit zu fördern.
Folgende zwei Fragen sind mir hilfreiche Führer zur Urteilsfindung in unserer schwer überschaubaren Zeitsituation geworden: Fördert diese Sache wirklich die Freiwerdung des Menschen und seine Würde? Was regt in ihm soziale, mitmenschliche Impulse an?
Glaube ist schöpferische, verändernde Kraft
C. P.: Was kann der Glaube heute positiv zur Situation beitragen?
Dr. G. Dellbügger: Aus dem Vorhergehenden ist – denke ich – deutlich geworden, dass Glaube im Sinne des Paulus etwas ganz anderes ist als ein blasses „Für-wahr-halten“. Glaube ist schöpferische, verändernde Kraft. Sie fließt aus der Erkenntnis, dass der lebendige Christus gegenwärtig ist und uns stärkt. Uns stärkt für die Ideale des Christentums, zu der auch die Hoffnung zählt. Obama wurde mit seinem „Yes, we can“ zum Hoffnungsträger in unserer erstarrten und bedrohten Welt. Wir haben große Möglichkeiten, die Zukunft der Menschheit und der Erde in andere Bahnen zu lenken. Nichts wird uns in den Schoß fallen, aber mit Geist, Herzensmut und Bereitschaft zur Kursänderung können wir Zukunft gestalten. Folgende Worte Vergils habe ich meinem Buch als Motto vorangestellt:
„Weiche den Übeln nicht,
geh mutiger ihnen entgegen!“
Das kann in Zivilcourage, im Engagement für die Friedensbewegung, im Umweltschutz geschehen, in der Mitarbeit in einer der vielen Gruppen und Netzwerke, z. B. bedingungsloses Grundeinkommen, die zusammen arbeiten in der Gewissheit „Eine bessere Welt ist möglich!“
„Die geistige Waffenrüstung – Ein Weg zur Stärkung des Inneren“ Günther Dellbrügger; Urachhaus. ISBN 978-3-8251-7664-8
Mit 18 farb. Grafiken von Maren Glockmann.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Urachaus Verlages
Beiträge von Cornelia Schrader, Brigitte Olle, Michaela Mayer
Maria Magdalena ist eine Frau im Evangelium, die gerade in der Osterzeit besonders bedeutungsvoll ist. Aber auch unabhängig davon ist auf sie, die vor der Begegnung mit Jesus Christus nach manchen Aussagen eine Prostituierte gewesen sein soll, ein starkes Interesse gerichtet. In Romanen, in esoterischer Literatur, in einem Kinofilm wird ihr Verhältnis zu Jesus Christus als erotisches, sogar sexuelles Verhältnis ausgelegt. Wer war diese Frau? Welche Verwandlungen hat sie in ihrer Biografie vollzogen? Findet sie so sehr unsere Beachtung, weil sie eine weibliche Komponente in das Christentum einbringt? Das alles sind Fragen, die nicht nur durch Wissen alleine beantwortet werden können. Weiterlesen „Maria Magdalena“
Interview mit Hartmut Warm, Forscher für planetarische Bewegungsstrukturen und Naturästhetik
Immer steigt im Geist ein großes Vertrauen, eine starke Zuversicht auf, wenn eine Ordnung zutage tritt. (Johannes Kepler)
Die Grundidee einer Sphärenharmonie ist die Suche nach dem gemeinsamen Band, welches Geometrie, musikalische Harmonie und Astronomie verknüpft.
Hartmut Warm konnte mit modernen astronomischen Verfahren nachweisen, dass im Sonnensystem in der Tat äußerst verblüffende musikalische und geometrische Zusammenhänge verborgen sind. In den raumzeitlichen Ordnungsstrukturen des Planetensystems kommen Urbilder zum Ausdruck, die sich in der Kunst, im menschlichen Körperbau und in vielen Formen der Natur wieder finden. Weiterlesen „Die Harmonie der Sphären“
Artikel von Hans Bonneval, Initiator und Dozent der Denkschule
Hans Bonneval, Jahrgang 1948 , geprägt von der 68-iger Protest-Bewegung. Beat-Musiker der ersten Stunde, als Sänger, Komponist und Textdichter tätig. Ausbildung zum Industrie-Kaufmann im Fachbereich Musik und Veranstaltungen. Studiert die heiligen Schriften der Welt und trifft dabei auf Rudolf Steiner. Seit Anfang der Achtziger Jahre Studium der Anthroposophie. 1996 Gründung der Denkschule in Hamburg. Seither als freier Anthroposoph, Dozent und Autor. Veröffentlichte bisher zwei Bücher und diverse Artikel. Ab 2004 Herausgabe der Zeitschrift „ProSophia“. Ab 2008 Veranstalter für die Forum-Initiative Weiterlesen „Wahrheit heilt – schöpferisches Denken vitalisiert“
Interview mit Jörgen Day, Pfarrer der Christengemeinschaft
Alzheimer und Demenz nehmen epidemisch zu. Auch wenn uns das Thema unangenehm ist und Angst macht, kommen wir nicht darum, uns damit zu beschäftigen. Selbst wenn man nicht vor der überfordernden Aufgabe steht, einen Angehörigen zu pflegen, so sollte man sich vielleicht präventiv mit dem Thema beschäftigen. Denn dass diese Krankheit zunimmt, hängt mit kulturellen Faktoren unserer heutigen Zeit zusammen. So wie der Abbau des Gehirns bei Alzheimer in gewisser Sicht eine „Verholzung“ ist, kann man durch die eigene Lebensführung solche verholzenden Tendenzen verstärken oder ihnen entgegenwirken. Weiterlesen „„Das Ich lebt nur noch im Umkreis des Leibes““
Zusammenfassung eines Vortrages von Dr. med. Olaf Koob
Angst ist ein Gefühl, das heute in unserer westlichen Kultur in verschiedenen Bereichen auftaucht. Sie kann gesellschaftliche oder persönliche Ursachenhaben. Die Anlässe sind vielschichtig: politische Ereignisse und die Auseinandersetzung mit Zerstörung können Auslöser sein. Oft steht das Ohnmachtsgefühl dahinter, die Dinge nicht mehr in den Griff zu bekommen, und letztlich gibt es auch leibliche Ursachen für die Angst.
Scham gehört in polarer Weise zur Angst dazu. Scham entsteht, wenn der Mensch zu einer Individualität wird und aus der Harmonie mit den anderen heraustritt. Angst und Scham können in einer pathologischen und in einer gesunden Funktion auftreten.
In der Auseinandersetzung mit der Angst kann und soll der Mensch das Böse, „die Widersachermächte“, verwandeln. Das ist die Signatur für die der Zukunft und die eigentliche Aufgabe der Angst. Weiterlesen „„Angst und Scham – zur Psychopathologie der Gegenwart““
Gespräch mit Engelbert Fischer, Pfarrer der Christengemeinschaft und Jürgen Wisch, evangelischer Pastor
Der Frühling kommt und es naht der Wonnemonat Mai – traditionell eine Zeit, in der Paare heiraten. Aber warum sollte man das tun? Oder warum kann man es tun? … zumal heute eine bunte Palette an Lebensformen zwischen Partnern möglich ist.
Trotzdem haben Menschen immer wieder den Wunsch – mehr oder weniger klar – ihrer Partnerschaft eine religiöse Dimension hinzuzufügen.
Wie ist diese spirituelle Tat einer Eheschließung zu sehen? Welche Möglichkeiten gibt es dafür? Wie streng sollte man das handhaben oder wie weit den aktuellen Verhältnissen entgegen kommen? In welchem Kontext steht die Ehe als Sakrament in der Christengemeinschaft oder als Kasualie – Kirche bei Gelegenheit – in der evangelischen Landeskirche? Das alles sind bewegende Fragen, nicht nur für Frau und Mann, sondern auch für die Kirchen und die Pfarrer selbst. Weiterlesen „DER HINWEIS-DIALOG: Ehe – mit Ritualen, Segen oder Sakrament? Teil I und II“
- und ihr Zusammenhang mit der neuen Kindergeneration
Interview mit Siegfried Woitinas
Leiter der Stuttgarter Forschungsgruppe und Mitglied der „International Association For Near-Death Studies“ (IANDS)
„Alles verändert sich im Himmel und auf der Erde, seit der Christus in der ätherischen Welt zu wirken begonnen hat“. Die Bedeutung dieses Satzes, den Rudolf Steiner vor fast 100 ausgesprochen hat, kann man in seiner umfassenden Dimension durch die Nahtodeserfahrungen mancher Menschen ermessen. Wenn diese Menschen nach – in unserem Sinne – relativ kurzer Zeit wiederbelebt werden, sind sie durch immense spirituelle Sphären gegangen. Sie kommen verwandelt und mit einer anderen leiblichen Konstitution zurück. Interessanterweise findet man eine ähnliche Konstitution, und zwar nicht durch das Erleben eines Nahtodes hervorgerufen, seit der Jahrtausendwende in der neuen Kindergeneration. Weiterlesen „Nahtoderfahrungen“
Interview mit Linda Thomas, Reinigungsfachfrau und Gründerin einer ökologischen Putzfirma
Die alltäglichen Arbeiten lieben lernen und ihnen bewusst eine andere Ebene geben – das ist das Motto, mit dem Putzen zu einem spirituellen Weg werden kann. Linda Thomas gibt Seminare, in denen sie lehrt, wie man einen Raum pflegen und durchlichten kann, die Wesenheiten darin unterstützten kann, aber vor allem, mit welcher inneren Haltung man das alles bewirkt.
Ihre Vorträge und Seminare sind sehr gefragt, sie reist damit durch viele Länder und Städte. „Die Menschen suchen heute diese praktische Spiritualität, die, wenn sie ausgeführt wird, in vielen Lebensbereichen Wirkungen zeigt.“ Weiterlesen „Der Alltag als spiritueller Weg“