Interview mit Tabea Hattenhauer, Pfarrerin der Christengemeinschaft
Wir leben in einer bedrohlichen Zeit. Klimawandel, Kriege, es wird in allen Ländern aufgerüstet, es stehen Wahlen an, die keine gedeihlichen Folgen versprechen; besonders bei Jugendlichen zeigt sich, dass sie die Pandemie nicht verkraftet haben, die KI könnte uns überrollen, die Ressourcen gehen dem Ende zu – um nur einige Beispiels zu nennen. Das kann zu Ängsten führen, man kann das wiederum alles verdrängen oder ignorieren. Wie geht man damit um und stellt sich dazu? Welche Hinweise kann die Religion, das Christentum, dazu geben?
Interviewpartnerin: Tabea Hattenhauer, geb. Gössling, ist in Berlin in einer großen Musikerfamilie aufgewachsen. Sie besuchte dort die Waldorfschule und studierte zunächst Architektur. Später folgten eine Ausbildung am Waldorflehrerseminar und ein Studium am Priesterseminar der Christengemeinschaft in Hamburg. Seit 2010 ist Tabea Hattenhauer als Religionslehrerin tätig, 2017 wurde sie Pfarrerin der Christengemeinschaft. Ihre erste Berufserfahrung sammelte sie in Blankenese, seit 2018 arbeitet sie in der Markus-Gemeinde in Hamburg-Harburg. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Christine Pflug: Wie erleben Sie in Ihren Begegnungen und Gesprächen, wie Menschen mit der derzeitigen Lage umgehen?
Tabea Hattenhauer: Ja, die Weltlage ist auf vielen Ebenen eine bedrohliche geworden. Wir sprechen von einer Polykrise und meinen damit, dass es nicht nur eine einzelne Krise gibt, sondern dass sich momentan viele Bedrohungen und Probleme überlagern. Es ist schon schwer genug vorherzusagen, wie sich ein einzelnes Problem in der Zukunft entwickeln wird. Wenn aber mehrere Krisen sich durchdringen und gegenseitig beeinflussen, macht es das Ganze natürlich unendlich kompliziert und verwirrend.
Wie können wir eine neue Kultur des Zusammenlebens schaffen?
Zusammenfassung eines Vortrages von Christian Bartholl, Pfarrer
Die Atmosphäre in der Gesellschaft hat sich sehr verändert. Sie wird immer kälter – ganz im Gegensatz zu den äußeren Temperaturen. Wie können wir in der Gemeinschaft eine Art Klimawandel vollbringen? Wie können wir eine Atmosphäre schaffen, in der mehr Licht und Wärme entsteht?
Der Vortrag „Resonanz im Zwischenraum – Klimawandel in Gemeinschaften“ wurde gehalten am 14. September in der Lukas Kirche in der Themenreihe „Atmosphäre“. In dieser Reihe ging es um Fragen der Zukunft: wie wir leben wollen, die Wärme als Träger des Ichs, wie sich der Klimawandel in den Meeren auswirkt. Christian Bartholl wurde in Stade geboren und 2006 als Pfarrer geweiht. 5 Jahre war er in München tätig. Er arbeitet seit 12 Jahren in Hamburg-Volksdorf. Seit 6 Jahren trägt er Verantwortung für die Christengemeinschaft in Norddeutschland. Er war im früheren Beruf Grafik-Designer und arbeitete für Zeitschriften- und Buchverlage.
In der Art, wie wir derzeit zusammen leben, zeigt sich Finsternis, aber auch Licht. Unser Bild von der Welt ist geprägt von vielen das Gemüt verdunkelnden Schreckensmeldungen, die uns überwältigen. Im Kommunikationszeitalter kann fast jeder ganz einfach in alle Ecken der Welt Verbindung aufnehmen. Oft entsteht der Eindruck, dass dabei die Tiefe der Verbindung nicht stärker, sondern schwächer wird. Viel wird miteinander gesprochen, doch die Sprachlosigkeit nimmt zu. Kann ich auf den anderen hören, was er wirklich sagt, oder habe ich bereits eine so feste Meinung, dass ich etwas anderes nicht zulassen kann? Wer beispielsweise in Internet-Foren keinen Menschen mehr vor sich hat und deshalb ungehemmt all seine Wut und Frustration in Hassmails verpackt und in die Welt schickt, verdunkelt damit die geistige Atmosphäre.
Seit Kurzem steht das neueste Produkt transhumanistischer Technik auf der Tagesordnung für alle, die im gesellschaftlichen Austausch nicht abgehängt werden wollen, daran teilnehmen wollen – oder müssen: ChatGPT. Es ist seit kurzem auf Handys, Laptops oder PCs für die breite Öffentlichkeit verfügbar und benutzbar, von den einen als Bereicherung der Alltagskommunikation begrüßt, von anderen abgelehnt, weil es die Ausbildung eigenen Denkens durch Maschinen ersetze. Frage ist also, was ChatGPT ist und wie damit umgegangen werden kann.
Kai Ehlers, geb. 1944, studierte Geschichte, Publizistik und Theaterwissenschaften in Göttingen und Berlin, war aktiver Teilnehmer der außerparlamentarischen Opposition von 1968 (APO) in Berlin, lebt seit 1971 als politischer Journalist in Hamburg. Er ist als Buchautor tätig, als selbstständiger Radio- und Pressejournalist sowie Veranstalter von Vorträgen, Seminaren und Projekten www.kai-ehlers.de ; E-Mail:
Machen wir ein kleines Experiment: Wer ChatGPT auf seinem Handy, Laptops oder PC aufruft, wird von der Formel begrüßt: „Hallo Mensch, ich bin ein GPT-betriebener AI-Chatbot. Frag mich alles.“ Auf die Frage, wer das „Ich“ ist, das den Nutzer mit der Anrede „Mensch“ derart jovial anspricht, antwortet dieses „Ich“: „Hallo! ChatGPT ist ein fortschrittliches KI-Modell, das entwickelt wurde, um menschenähnliche Konversation zu führen. Es basiert auf der GPT-3-Architektur und verwendet maschinelles Lernen, um auf Fragen und Anfragen zu antworten. Es ist darauf ausgelegt, natürliche Sprache zu verstehen und kontextbezogene Antworten zu generieren. Bitte beachte jedoch, dass ich ein AI-Assistent bin und meine Antworten auf vorherigem Training basieren.“
Interview mit Ulrich Meier, Pfarrer der Christengemeinschaft und in der Leitung des Priesterseminars
Humor und Religion – zwei Dinge, die nicht zusammenpassen? Sind in der Religion nur der Ernst und das Tragische zu finden? Humor und Spaß sind wichtige Bestandteile des Lebens. An welcher Stelle haben sie auch im Religiösen ihren Platz?
Interviewpartner: Ulrich Meier, Pfarrer der Christengemeinschaft seit 1990. Davor Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher und zwei Jahre Tätigkeit im Landschulheim Schloss Hamborn. 16 Jahre Gemeindepfarrer in Hannover, seit 2006 in Hamburg Mitarbeit in der Leitung des Priesterseminars und Gemeindepfarrer in Hamburg-Mitte. Redakteur der Zeitschrift „Die Christengemeinschaft“.
Christine Pflug: Die Frage nach dem Humor und der Freude in der Religion hat sich mir regelrecht aufgedrängt, als wir vor etlichen Jahren in die Bretagne fuhren und unterwegs in kleinen Orten die Kirchen anschauten. Es war in einem anderen Land und dadurch quasi der distanzierte Blick von außen. Überall auf Bildern und Skulpturen sah ich Gräber und Tod, Menschen mit Schmerzen, weinende Frauen, Trauer, Leid, alles voller Tristesse und Verzweiflung.
„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Dieser weisheitsvolle Ausspruch von Albert Einstein stand für mich im Hintergrund, als ich die folgenden Autorinnen und Autoren bat, einen kleinen Beitrag zu schreiben.
Wir leben in einer Zeit vielfacher Krisen: Umwelt- und Klimaschäden, die Pandemie und ihre Folgen, es gibt Krieg in Europa, Flüchtlinge … alles das ist nur vordergründig sichtbar, es lässt sich ahnen, was im Hintergrund schwelt. „Wie kommt das Neue in die Welt?“ – diese Frage drängt sich auf. Es reicht nicht, Flickschusterei oder Aktionen zu veranstalten, „alten Wein in neuen Schläuche“ zu gießen, wie Christoph Bernhardt schreibt.
Wie aber finden wir einen Zugang zu diesem radikal Neuen?
Die Autorinnen und Autoren der folgenden Beiträge zeigen auf vielen Ebenen, wie das möglich ist. Dankenswerterweise reicht die Palette von der philosophischen, religiösen, künstlerischen Sicht bis zur ganz praktischen Ebene. Das alles braucht es. Und wie gut, dass Menschen einerseits den Ansatz für das Neue gedanklich fassen und in Sprache bringen können und andererseits Neues in der alltäglichen Arbeit mit viel Engagement und Idealismus praktizieren.
Mit Matthias Bölts, Musiker und Ulrich Meier, Pfarrer
Gerade jetzt am Jahresende erleben wir die Zeit sehr verschieden. In unserer Zivilisation verläuft die Vorweihnachtszeit meistens hektisch, danach sollte Stille eintreten. Am Jahresende blicken wir auf das vergangene Jahr zurück und denken über die Zukunft nach. Die 12 Heiligen Nächte gelten als ein besonderer, herausgehobener Zeitraum.
Wie können wir mit Zeit schöpferisch umgehen, ihr gegenüber ein aktives Verhältnis gewinnen? Wie gehen wir angemessen mit Vergangenem, Zukünftigem und Gegenwärtigem um? Welche Dimension hat Zeit in der Meditation?
Matthias Bölts und Ulrich Meier hatten in diesem Jahr im Rudolf Steiner Haus zwei Seminare zum Thema „Zeitbewusstsein entwickeln“ gegeben. Ein drittes wird in 2023 folgen.
Interviewpartner: Ulrich Meier, Pfarrer der Christengemeinschaft seit 1990. Davor Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher und zwei Jahre Tätigkeit im Landschulheim Schloss Hamborn. 16 Jahre Gemeindepfarrer in Hannover, seit 2006 in Hamburg Mitarbeit in der Leitung des Priesterseminars und Gemeindepfarrer in Hamburg-Mitte. Redakteur der Zeitschrift „Die Christengemeinschaft“.
Matthias Bölts: Musiker; Orgel-, Chorleitungs- und Kompositionsstudium in Berlin; Mitarbeit in der Leitung von MenschMusik Hamburg; Dozent für Musikalische Phänomenologie und Musiktheorie; Seminare und Publikationen zu Fragen des inneren Lebens und der anthroposophischen Meditation; Matthias Bölts lebt mit seiner Familie in Hamburg.
Christine Pflug: Gerade jetzt am Jahresende erleben wir unterschiedliche Zeitqualitäten: Die Vorweihnachtszeit ist im Allgemeinen stressig, danach kommt Ruhe. Man kann das mit äußeren Umständen begründen, aber ist das die einzige Ursache? Wie kann man an diesem Jahresabschnitt festmachen, dass wir Zeit so verschieden erleben?
Texte aus der Werkstatt für biografisch-kreatives Schreiben
Wie kann man dem eigenen Leben auf die Spur kommen? Biografisch-kreatives Schreiben ist dafür eine Möglichkeit. Letzten Sommer begannen wir mit unserer Schreibwerkstatt, die dann in verschiedenen Formen bis April dieses Jahres fortdauerte. Die Teilnehmer:innen schrieben Geschichten aus ihrem Leben, es wurden immer wieder neue Aspekte und Aufgaben gegeben. Wir Kursleiterinnen vermittelten „Erzählelemente“, wie man beispielsweise Dialoge einbaut, Szenen ausführt, in bildhaft-sinnliche Beschreibungen eintaucht, aus verschiedenen Perspektiven schreibt und vieles mehr. Jede:r hatte eine begrenzte Zeit für die jeweilige Geschichte, im anschließenden Gespräch vertieften wir die Erfahrungen. Wir begannen mit der Kindheit („Eine Kinderfreundschaft“), wir erinnerten uns an eine wichtige Lehrerpersönlichkeit, an einen „besonderen Ort“, an ein „Wagnis“. Beim erwachsenen Leben haben wir beispielweise geschrieben über Umbrüche, prägende Impulse, eine Reise oder einen Lieblingsort, „Wo habe ich Heimat erlebt?“ „Wann ist mir Welt begegnet?“ Schreibend tauchten Erinnerungen und scheinbar Vergessenes wieder auf. Manches erschien in einem neuen Licht und konnte durch das Schreiben wie „befreit“, neu eingeordnet und mitunter sogar versöhnt werden. In dieser Werkstatt sind manchmal tiefgehende, manchmal humorvolle, erstaunliche oder abenteuerliche kleine literarische Kunstwerke entstanden. Sie sind es wert, veröffentlicht zu werden. Vielleicht, liebe Leser:innen, werden Sie durch diese Lektüre inspiriert, an einem freien Sommertag auch in Ihre biografischen Erinnerungen einzutauchen. Die Blumenbilder des Hamburger Malers Patrick Hanke mögen Sie in dieser (hoffentlich) launigen Sommerzeit ebenfalls anregen und erfreuen. (Leitung der Werkstatt: Christine Pflug und Maria Schulenburg)
Artikel von Jörg Kirschmann, Pfarrer der Christengemeinschaft
Im vergangenen Jahr wurde an vielen Orten Joseph Beuys‘ und seines Werkes gedacht anlässlich der 100. Wiederkehr seines Geburtstages. Zahlreiche Ausstellungen wurden ausgerichtet, die die Möglichkeit boten, sein Werk auf Aktualität hin zu befragen. Die Ausstellungen trugen Titel wie „Joseph Beuys und die Schamanen“, „Die unsichtbare Skulptur“, „Denken ist Plastik“, „Der Erfinder der Elektrizität/Joseph Beuys und der Christusimpuls“, um nur wenige Beispiele zu nennen, die auf die Spannbreite Beuysscher „Themen“ und die damit verbundene Erweiterung des Kunstbegriffs verweisen mögen. Was bleibt?
Neben einem überaus umfangreichen zeichnerischen Werk, einer Reihe von Plastiken vor allem aus der Frühzeit seines Schaffens, kann man gerade in den Ausstellungen vielen Arbeiten begegnen, die im Zusammenhang mit Aktionen entstanden sind, die doch ursprünglich ganz von der Anwesenheit Beuys‘ und den daran teilnehmenden Menschen lebten. Nun sind sie gleichsam Relikte, die trotz intensiver Betrachtung oftmals rätselhaft erscheinen. Und doch kann das Erlebnis eintreten, dass sie aus einer gewissen Entfernung zur konkreten Wahrnehmung in einer Art Nachbild plötzlich anfangen zu „sprechen“, verständlich zu werden, wenn nicht sogar auffordern, selbst Teil dieses Kunstwerkes zu werden.
Interview mit Luke Barr, Pfarrer der Christengemeinschaft
Wir alle haben in unserem Leben Rituale, auf die eine oder andere Weise. Beispielsweise wie wir morgens in den Tag kommen, familiäre Abläufe und Feiern gestalten, und gerade jetzt, in der dunklen Jahreszeit und auf das Ende des Jahres zu, begehen wir viele Rituale. Sie können einen religiösen Charakter haben, können Gewohnheiten sein, sind Brauchtum und Ausdruck verschiedener Kulturen. Diese festen Handlungsabläufe verleihen unserem Leben Struktur, geben uns ein Gefühl der Sicherheit und binden uns an etwas an, das über uns steht.
Beiträge von Tille Barkhoff, Elmar Lampson, Amadeus Templeton, Joachim Heppner, Roswitha Meyer-Wahl, Ulrich Rölfing
Dass die Kunst, bzw. die KünstlerInnen in den letzten eineinhalb Jahren gelitten haben, ist uns allen bekannt. Auch wenn jetzt wieder ein Aufschwung kommt, ist es unsicher, ob das kulturelle Leben weitergehen wird. Die Umsatzeinbußen durch Corona in der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland können sich durch die Absage von zahlreichen Veranstaltungen und der Schließung von Kunst- und Kulturstätten in 2020 bis zu 28 Milliarden Euro belaufen. Wie erleben das die KünstlerInnen selbst, deren Arbeit als nicht systemrelevant eingestuft wird? Und was macht das mit uns als Gesellschaft, wenn wir die Kunst nicht mehr haben?
Zum Beispiel aus Nordafrika, Asien und Südosteuropa
Von Micaela Sauber, Erzählkünstlerin und Initiatorin von „Erzähler ohne Grenzen"
Überall auf der Welt, wo Menschen sind, sind auch Märchen, Legenden, Mythen und Sagen entstanden und wurden über Jahrhunderte weiter erzählt. Ich möchte Sie zu einem kleinen Streifzug mit zwei Märchenerzählungen in den Mittelmeerraum und nach Rumänien einladen. Es ist Sommer. Die Sehnsucht zieht mit der Sonne, den Wolken, dem Wind und den Sternen in die Ferne. Zahllos wie Sterne sind die Märchen der Welt. Der Himmel, an dem die Sterne leuchten, ist ihre gemeinsame Heimat und die Sternbilder der Fixsterne, der Charakter der Wandelsterne können vielfach gedeutet werden. Die Richtung und der Grund, von dem aus wir schauen, bestimmen die Sichtweise.
Auch dort, wo die digitalen Medien sich in den Seelen der Menschen längst breit gemacht haben, versammeln sich wieder Menschen, um direkt vom Mund ins Ohr Märchen zu erzählen, und zwar nicht nur für Kinder. In der Anthologie „Im Auge des Sturms – Schlüsselgeschichten von Erzähler ohne Grenzen“ berichten 35 AutorInnen von der Wirksamkeit des mündlichen Erzählens von Märchen.
Der Entschluss zum Meditieren beinhaltet den Entschluss, sich auf einen Weg des inneren Übens zu begeben. Und wenn der Weg, wenn das Üben beginnt, dann beginnt damit auch ein Prozess, in welchem das Vor-Setzen in das Um-Setzen übergeht. Dies ist oft mit dem Zauber und Rückenwind des Anfangs, aber auch mit manchen Widerständen verbunden. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis die Motivation nachlässt und erste Anzeichen von Ermüdung auftauchen: Wie lange noch? Wann kann ich eine Pause machen? Oder anders gefragt: Woher nehme ich die Kraft, dranzubleiben, nicht aufzugeben und abzulassen von dem Vorgenommenen? Die nachfolgenden Gesichtspunkte sind aus der Überzeugung und der Erfahrung entstanden, dass Ausdauer als Kraft schrittweise ausbildbar ist. Ausdauer hat verschiedene Facetten und entspringt unterschiedlichen Quellorten. Diese Darstellung möge den Leser anregen, seine diesbezüglichen Gedanken zu überprüfen und seine eigene Ausdauerkraft Schritt für Schritt zu steigern.Weiterlesen „„Aus-Dauer“ Kraftquelle für Meditation und inneres Leben“
Vor 150 Jahren wurde Ernst Barlach in Wedel geboren. Gerade in Norddeutschland und speziell in Hamburg hat er seine künstlerischen Spuren hinterlassen, z. B. im Barlach-Haus im Jenisch-Park, im Ernst Barlach Museum in Wedel, die Barlach-Stele in der Nähe des Jungfernstiegs. Barlachs Arbeiten setzen sich mit dem Menschen, seinen Lebensbedingungen und seinen Haltungen zum Leben auseinander. Es sind vor allem seine markanten Holzplastiken und Bronzen, seine „Gestalten auf der Bühne des Menschseins“, die einen starken Eindruck erwecken. (Dieser Artikel enthält u. a. Auszüge aus einem Vortrag von Jörg Kirschmann, Pfarrer der Christengemeinschaft in Lübeck, der im August dieses Jahres einen Vortrag über Ernst Barlach in der Michaels-Kirche in Blankenese hielt.)
Wie Engel heute führen oder warum eine Führung „von oben“ nicht mehr klappt!
Interview mit Dr. Hans-Bernd Neumann, Pfarrer
Heute ist das Thema Engel wieder populär, nachdem es im 20. Jahrhundert nur von wenigen Literaten beachtet wurde. Seit einigen Jahrzehnten gibt es viele Bücher, Veröffentlichungen, sogar Kongresse dazu. Welche Wesen sind die Engel? Wie wirken sie? Wie können wir uns an sie wenden? Vielleicht gewinnen solche Fragen in Krisenzeiten wie der jetzigen an Bedeutung.
Der Vortrag von Herrn Dr. Neumann mit dem Titel „Engel – sie sind niemals sentimental. Wie Engel heute führen oder warum eine Führung „von oben“ nicht mehr klappt. Von der Ressourcennutzungs- zur Potentialentfaltungsgemeinschaft“ fand statt am 4. Juni 2020 in der Lukas-Kirche in Volksdorf.
Interviewpartner: Hans-Bernd Neumann, verheiratet, 4 erwachsene Kinder. 1999 wurde er zum Pfarrer geweiht, er arbeitete in Bielefeld, Tübingen und jetzt in Reutlingen. Im ersten Beruf Dr. der Physik, an sechs Universitäten studiert, „eigentlich wollte ich die Universitätskarriere durchziehen“. Als er bei DESY („Deutsches Elektronen-Synchroton“) in Hamburg als Physiker arbeitete, lernte er die Christengemeinschaft kennen. „Ich habe nie mit der Physik gebrochen, ich war dort nie frustriert, aber ich lernte in meiner Hamburger Zeit, dass es noch einen anderen Bereich des Seins zu entdecken gibt. Ich habe die Theologie mehr als eine Erweiterung der Physik erlebt und nicht als eine Begrenzung.“
Christine Pflug: Engel werden von Dichtern und in anderer Literatur mitunter als furchterregend beschrieben, z. B. heißt es bei Rilke: „Jeder Engel ist schrecklich“ oder „… und gingen wie Erzürnte durch das Haus und griffen dich als ob sie dich erschüfen und brächen dich aus deiner Form heraus.“ Wie sind Engel?
„Gibt es eine bestimmte Sache für mich zu tun?“ Dieser Satz stammt aus dem Briefwechsel zwischen Edith Maryon und Rudolf Steiner (Brief 3 GA 363). Ganz tief aus ihrem inneren Streben heraus stellte Edith Maryon diese Frage an Rudolf Steiner. Das war der Beginn, ihren bisherigen Weg noch weiter zu vertiefen durch den neuen Kunstimpuls, der damals von der Anthroposophie ausging.
Edith Maryon war eine der ersten Mitarbeiterinnen am ersten Goetheanum, dem Bau in Dornach, der „das Haus des Wortes“ werden sollte. Menschen aus neunzehn Nationen wirkten an seiner Entstehung mit. Dieses war etwas ganz Besonderes, da die Menschen aus freien Stücken kamen, um daran zu arbeiten – obwohl die Welt um sie herum brodelte und dieses Brodeln schließlich zum ersten Weltkrieg führte.
Beginn ihres Künstlerlebens
Louisa Edith Church Maryon kam in London am 9. Februar 1872 zur Welt.
Ihr Vater John Siemeon Maryon war Schneidermeister, ebenso wie sein Vater vor ihm. Ihre Mutter Louisa Church Maryon stammt aus einer Pfarrersfamilie aus Chelsea, ein Stadtteil Londons. Edith Maryon wuchs als zweites von sechs Kindern in London auf.
Die erste Schule, die Edith Maryon besuchte, war eine Mädchenschule, nicht weit entfernt von ihrem Elternhaus im Stadtteil St. Pancras, in der Nähe des Britischen Museums. Aus der Schulzeit ist bekannt, dass sie dort Französisch gelernt hatte; auch wurden hier ihre Begabungen für Poesie und Kunst angelegt. Nach Beendigung ihrer Schulzeit schickten ihre Eltern Edith nach Genf in die französische Schweiz, damit sie dort ihre Französischkenntnisse vertiefte.
Als Edith wieder nach England zurückkehrte, ließen ihre Eltern sie auf die Central School of Design gehen, da sie ihre künstlerische Begabung erkannten. Für junge Frauen war das zur damaligen Zeit nicht selbstverständlich. Schon ihr Bruder war zuvor Bildhauer geworden. So war die Kunst nichts Fremdes in ihrem Elternhaus.
Es wurde in dieser Kunstschule sehr viel Wert auf die Erlernung von praktischen Fertigkeiten gelegt, Edith Maryon lernte dort zeichnen, modellieren, holzschnitzen, steinhauen sowie den Umgang mit Gips und anderen Materialien. Darüber hinaus konnte sie die Herstellung von Bronzeguss erlernen. Edith wurde im Stil der Neoklassik unterrichtet, dieser Stil war damals sehr modern. 1896 wurde diese Ausbildungsstätte zum „Royal College of Art“ umbenannt.
Nach ihrer Ausbildungszeit arbeitete sie als freie Bildhauerin in England und Italien.
Bekannt ist, dass Edith Maryon dreimal in Assisi weilte, um dort die Malerei Giottos zu studieren. Auch richtete sie ihr Augenmerk auf die architektonischen Besonderheiten, die diese Stadt beherbergte. Schon Goethe schwärmte von diesem schönen Städtchen, welches etwas erhöht am Hang liegt. Vom Tal kommend strahlt der Diana Tempel uns in seiner vollen Pracht entgegen. Edith Maryon setzte sich in Italien mit der Schönheit und Anmut der dortigen Kunst auseinander.
Ihren Lebensunterhalt bestritt sie durch Aufträge, Ausstellungen und Wettbewerbe. Sie konnte ihre Werke unter anderem in der Royal Academy in London und der Walker Gallery in Liverpool auch in Glasgow im Royal Institut of fine -Arts ausstellen. Alle ihre Werke sind entweder freistehende Figuren oder Reliefplastiken. Porträts fertigte sie unter anderem von Lord Alfred Tucker und Queen Victoria an.
1898 wurde in Glasgow ein Modell aus Gips von ihr für ein öffentliches Gebäude gezeigt mit dem Titel: „Bekleide dich mit der ganzen Rüstung Gottes“ (Epheser, neues Testament). Sie war 27 Jahre alt!
Ihr Aufbruch
1912 nahm ihr bisheriges Leben eine Wendung an. Auf Anregung ihres Arztes, Herr Robert William Felkin, der Esoteriker war und von Rudolf Steiners Wirken wusste, sollte sie mit Dr. Steiner Kontakt aufnehmen, da sich ihr Krankheitszustand immer mehr und mehr
verschlechterte (Erst sehr viel später wurde festgestellt, dass sie an Schwindsucht litt.) Am 16. Oktober 1912 verfasste Edith Maryon den ersten Brief, verwies darin auf Herrn Felkin und bat Rudolf Steiner um eine Unterredung. Als sie keine Antwort erhielt, forderte Herr Felkin Edith Maryon auf, Rudolf Steiner ein Foto von ihrer letzten künstlerischen Arbeit zuzusenden. Sie schickte ihm ein Foto des Frieses: „Vom Sucher nach göttlicher Weisheit“. Auf diesem Fries sind vier Säulen mit ägyptischen Kapitellen zu sehen, in der Mitte steht erhöht der segnende Christus, um ihn herum sind neun Personen gruppiert. Auffällig ist die Bildgeometrie, eine Dreiecksform, die diesem Fries zu Grunde gelegt wurde.
Nach vier Wochen etwa schickte sie den zweiten Brief. Als sie auch auf den zweiten Brief keine Antwort erhielt, wandte sie sich an Herrn Collison, der Mitglied in der Theosophischen Gesellschaft war. Bei ihm hatte Edith Maryon bereits die Grundlagen der Theosophie (Anthroposophie) erhalten. Herr Collison wandte sich an Marie von Sivers (Steiner) und bat sie, für Maryon ein Gespräch mit Rudolf Steiner zu ermöglichen. Dabei sollte Marie von Sivers dolmetschen. Darauf kam Edith Maryon am 10. Dezember 1912 in Berlin an. Dort konnte sie sich kurz mit Rudolf Steiner besprechen, um ein Datum festzulegen, an welchem das eigentliche Gespräch stattfinden konnte. Sie verabredeten sich zum 31. Dezember 1912 in Köln. Es ist nicht überliefert, was in diesem Gespräch gesagt wurde, aber kurz danach schrieb Edith in einem Briefwechsel diesen Satz an Rudolf Steiner: „Gibt es eine bestimmte Sache für mich zu tun?“
An diesem selben Tag fand ein Vortrag statt, zu dem auch Gäste aus Russland
angereist waren. Es waren Assja Turgenieff (eine russisch-schweizerische Grafikerin, Glasschleiferin und Eurythmistin) und Andrej Bjelyj (ein russischer Dichter und Theoretiker des Symbolismus). Dies war der Beginn einer interessanten künstlerischen Zusammenarbeit für die Drei.
Für Edith Maryon stand danach fest, dass sie von England nach Deutschland umsiedeln wollte, um weiter den Kontakt mit Rudolf Steiner und Marie von Sivers zu vertiefen. Sie schaffte es, in kürzester Zeit die deutsche Sprache zu erlernen. Im Winter 1912/ 1913 gründete sich die Anthroposophische Gesellschaft aus der Theosophische Gesellschaft heraus. Edith wurde Mitglied und setzte nun ihr ganzes künstlerisches Schaffen für die anthroposophische Bewegung ein. Sie spielte bei den Mysteriendramen in München mit und zog schließlich in die Motzstrasse in Berlin ein, in der damals Rudolf Steiner und auch andere Menschen aus dem anthroposophischen Umfeld wohnten.
Dornach
Am 28. Januar 1914 traf Edith Maryon in Dornach ein. Etwa dreihundert Arbeiter waren am Bau des ersten Goetheanums beteiligt. Bis Ostern blieb sie in Dornach und widmete sich in dieser Zeit den Baumodellen und der Entstehung der bunten Glasfenster. In diesem Jahr wurde Edith Maryon zweiundvierzig Jahre alt.
Aus gesundheitlichen Gründen musste sie ihren Aufenthalt in Dornach unterbrechen und reiste nach England zurück. Unter Dr. Felkins Behandlung wurde sie wieder gesund. Im Sommer 1914 war es ihr wieder möglich, nach Dornach zurückzukehren.
Dort waren die Bautätigkeiten in vollem Gange. Das Goetheanum wurde noch von einem Baugerüst umschlossen. Im Inneren hatte man begonnen, die kleine Kuppel auszumalen. Zeitgleich begann die Arbeit am Menschheitsrepräsentanten, dessen Platz in dieser kleinen Kuppel im Osten des Bühnenraums sein sollte. („Der Menschheitsrepräsentant zwischen Luzifer und Ahriman“ ist eine mehr als 8 m hohe von Rudolf Steiner entworfene und gemeinsam mit der Bildhauerin Edith Maryon für das erste Goetheanum in Dornach geschaffene Holzskulptur. Aus: Anthro Wiki)
Bevor mit den eigentlichen Schnitzarbeiten an der Holzfigurengruppe begonnen wurde, entstanden zuvor sechs Gipsmodelle. Bis auf den ersten Entwurf, der ausschließlich von Edith Maryon entworfen wurde, sind alle folgenden Gipsmodelle von Dr. Steiner und ihr signiert.
Für die Entstehung dieser Figurengruppe aus Holz waren mehr als zwanzig Tonnen Ulmenholz nötig. Dessen Beschaffung war ein Glücksfall während der herrschenden Kriegszeit. Acht Jahre ihres Lebens war Edith Maryon ununterbrochen damit beschäftigt, diese plastische Figurengruppe zu gestalten. Stets hielt sie ihre schützenden Hände über diese Gruppe, damit sie nicht zu Schaden kam. Wenn Rudolf Steiner sich auf Reisen befand, übertrug er ihr die Leitung des Ateliers. Edith Maryon standen zahlreiche Helfer zur Seite. So half ihr Herr Stuten, Assja Turgenieff, ihre Schwester Frau Pozzi und andere Menschen bei diesem großen Vorhaben. Edith Maryon alleine war es vorbehalten, an der Christusgestalt zu arbeiten.
Entstehung der Eurythmie Figuren
Die Eurythmie hatte sie das erste Mal bei den Mysterienspielen gesehen. Edith Maryon war begeistert über diese “bewegte Skulptur“. Die Idee reifte in ihr, zu der Eurythmie Figuren zu gestalten. Zuerst begann sie, die Eurythmie-Figuren, vorwiegend zu den Vokalen, dreidimensional in Gips herzustellen.
Durch die Anregung Rudolf Steiner gestaltet sie dann die Figuren zweidimensional. Während der Entstehungszeit ging sie von schwarz/weiß-Zeichnungen zu farbigen Skizzen über, so entstanden Umrissformen aus Sperrholz für die Gebärden. In dieser Darstellung der Figuren zeigen sich die Bewegung, das Gefühl und der Charakter der Geste. Die Bewegung wird sichtbar durch den physischen Leib, in dem der Lebensleib wirkt. Das Seelische zeigt sich in der Schleierbewegung und dessen Farbe, der Charakter durch die Tätigkeit des Ich im Menschen, was an der Muskelspannung der Arme abzulesen ist. Bevor Rudolf Steiner am 17. August 1923 seinen Vortrag in Ilkley begann, stellte er voller Freude die neu entstandenen Eurythmie-Figuren der Öffentlichkeit vor und dankte Edith Maryon für ihre wunderbare Arbeit.
Entstehung der Bauten in Arlesheim und Dornach
Als Edith in die missliche Lage kam, ihre Wohnung aufgeben zu müssen und sah, dass es den anderen Arbeiter des Goetheanums ähnlich ging, entschloss sie sich zu handeln. Sie fasste den Plan, für die sogenannten Eurythmiehäuser, eine Gruppe von drei Wohngebäuden unterhalb des Goetheanums gelegen, einen Entwurf anzufertigen. In diesen Häusern gibt es nur Einzelzimmer, auf jeweils einer Etage befand sich eine Küche, die von allen genutzt werden konnte. Jedes Haus hatte nur eine Badewanne im Keller. Dieser Entwurf wurde vom Schweizer Architekt Herr Bay umgesetzt. Sie heißen deswegen Eurythmiehäuser, weil die meisten Eurythmisten, die in Dornach wirkten, dort lebten. Auch sie wohnte in einem dieser Häuser, immer in einem kleinen Zimmer, bis zu ihrem Tod.
Elisabeth Vreede und Edith Maryon waren sehr gut befreundet. Sie hatten sich in den Niederlanden kennengelernt. So lag es für Frau Vreede nahe, ein Haus für sich und ihre Eltern von Edith Maryon entwerfen zu lassen, welches in Arlesheim erbaut werden sollte. Edith Maryon war zwar keine Architektin, aber Bildhauerin mit überdurchschnittlichem Sinn für die Baukunst. Durch ihre langjährige Bildhauertätigkeit hatte sie sich ein Wissen für die Baukörper und deren Proportionen angeeignet.
Ein Bild vom Baumodell ist noch vorhanden, sowie das Haus selbst, welches in Arlesheim zu finden ist. Vreedes waren sehr dankbar und ihre Freude war sehr groß. Edith gestaltete auch das Haus van Blommestein.
Ihr Bemühen
Edith Maryon nahm sich noch anderer Aufgabengebieten an, die ihre Verbundenheit mit der Geisteswissenschaft deutlich zeigten. Auf ihre Intention hin wurde es möglich, dass 1921 eine große Pädagogische Tagung am Goetheanum stattfinden konnte, zu der viele Lehrerinnen und Lehrer aus England anreisten. Aber auch das Zustandekommen von Vorträgen Rudolf Steiners in England, wie in Ilkley, Pennmaenmawr, Oxford, Torquay und London in den Jahren1922, 1923, 1924 gingen auf ihr Bemühen zurück.
Ihr Schutz
Bevor das Goetheanum ein Raub der Flammen wurde, hatte Edith Maryon kurz zuvor die Bitte Assja Turgenieffs ausgeschlagen, den Menschheitsrepräsentanten auf seinen Platz in der kleinen Kuppel zu stellen. Sie war der Ansicht, dass der Zeitpunkt für den Umzug noch nicht der richtige war. Wie Recht sie hatte, zeigte sich am Silvesterabend 1922 auf 1923, an dem durch Brandstiftung
das Goetheanum in Flammen aufging.
Edith Maryon befand sich im Vorraum in einem der Eurythmie Häuser, in dem sie wohnte. Vor Aufregung stand sie wie gelähmt! Sie ging dann in die Richtung des brennenden Goetheanums und fand Dr. Steiner vor der Schreinerei. Die Flammen waren sogar bis Freiburg zu sehen!
Der Ausklang ihres reichen Künstlerlebens
Edith Maryon sah in dieser Brandnacht fast alles zerstört, woran so viele Menschen mitgewirkt hatten; das versetzte ihr einen solchen Schock, so dass ihr altes Leiden wieder in ihr aufflammte. Über ein Jahr war sie ans Bett gefesselt. Trotzdem versuchte sie, vom Krankenlager aus noch künstlerisch tätig zu sein.
Der Charakter ihrer Zusammenarbeit wurde an der Weihnachtstagung 1923 deutlich. Dr. Steiner übertrug ihr die Leitung der Sektion für die Bildende Künste am Goetheanum. Diese Funktion war ihr inne bis zu ihrem Tod am 2. Mai 1924. Sie wurde zweiundfünfzig Jahre alt. In den letzten Tagen ihres Lebens ließ sie sich einen Spruch des Jesus Christus aus Matthäus11.28 am Bett befestigen: „Kommet zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“.
Am 6. Mai 1924 fand die Kremation statt, zu der Dr. Steiner die Ansprache für Edith hielt. Zu diesem Anlass schilderte er, was sich einmal im Atelier ereignet hatte, noch am Anfang ihres bildhauerischen Wirkens in Dornach: Sie befanden sich beide auf dem Gerüst des Menschheitsrepräsentanten, um dort am Modell zu arbeiten. Es passierte, dass Rudolf Steiner durch eine Öffnung des Gerüstes herunter zu stürzen drohte und von einer scharfen Spitze, die sich an einem Pfeiler befand, aufgespießt zu werden. Edith Maryon gelang es, seinen Fall aufzufangen. Edith Maryon schwieg und erzählte niemanden darüber etwas. Erst am Tage ihres Abschieds schilderte Rudolf Steiner diese Begebenheit.
Es war bezeichnend für sie, dass sie schwieg, denn das war ihre Wesenseigenschaft, so wie ihre besonnene, ruhige, humorvolle Art. Edith Maryons umsichtiges Verhalten und ihr treues Wirken zeichneten sie aus und die Bereitschaft, dem Wort Gottes durch die Kunst zu dienen.
Artikel von Miriam Kessler, ehemalige Studentin der Kunstakademie Hamburg, z. Zt. in Ausbildung zur Kunsttherapeutin
Interview mit Dr. Ernst Schuberth, Mitbegründer der Freien Hochschule für anthroposophische Pädagogik in Mannheim
Mehr zu erfahren als das, was ich mit meinen Sinnen wahrnehmen kann – eigentlich ist das für jeden Menschen ein verstehbares und manchmal auch wünschenswertes Erlebnis. Einweihung war schon in alten Kulturen und auch heute ein Weg, durch gezielte Schulung das eigene Bewusstsein für übersinnliche Bereiche zu erweitern. Und, so betont Rudolf Steiner immer wieder, bei manchen Menschen geschieht diese Einweihung in ihrem alltäglichen Leben, weil Erfahrungen und Lebensverhältnisse ihnen besondere Kräfte abfordern.
Man kann sich dem, was als das „Böse“ bezeichnet wird, von vielen Seiten nähern – philosophisch, religiös, künstlerisch, in unterschiedlichen Kulturen und Zeitepochen hat es verschiedene Färbungen. Auch die Literatur hat sich immer wieder damit beschäftigt. Spannend ist dabei die Frage: Wie und wo findet sich das Böse in der heutigen Zeit? Weiterlesen „Das Böse“
Interview mit Michael Knöbel, Oberstufenlehrer für Naturwissenschaften
Advent Reichlich senkt sich der Schnee. Erde erblindet. Unter der himmlischen Last Weißer Vergessenheit Schwindet ihr Leben. Tod wird Licht.
Stiller blicken die Augen auf, Wenn Mitternachts Das überfüllte Firmament Zahllos geistige Flammen schießt. Gestirne rücken zusammen, Abermals, zu unendlichem Kräftenetz. Demütig kreist Inmitten die Erde, Der trübe, auserwählte Stern, Im scheuen Glanz noch junger Strahlen. Erde, geringe Krippe! Wieder bettet sich Gott, Das Kind, in dich, Im Angesicht der seligsten Planeten.
Karl Thylmann
Wird es Winter, haben wir das Gefühl, dass die Natur erstirbt. Aber es passiert etwas in der Erde. Die Prozesse von Salz, Schwefel und Quecksilber, so führt Rudolf Steiner in seiner Weihnachtsimagination aus, verändern sich. Und damit helfen sie dem Menschen, zu einem inneren Erleben zu kommen.
Interviewpartner: Michael Knöbel, Diplom Biologe; seit über 30 Jahren Lehrer an der Rudolf Steiner Schule Nienstedten in der Oberstufe mit den Fächern Biologie, Chemie, Geographie. Seit vielen Jahren Dozent am Lehrerseminar für Waldorfpädagogik.
Christine Pflug: Sie haben zur Veranschaulichung das Adventsgedicht von Karl Thylmann gewählt. Warum gerade dieses?
Michael Knöbel: Es sind darin verschiedene Aspekt enthalten, die ich wichtig finde: Im Winter schaut man besonders auf den Sternenhimmel, der viel deutlicher und länger da ist. Der Dichter wendet dann den Blick, dass man nämlich von außen auf die Erde schaut – es ist wie ein globales Welterleben, „die Erde kreist demütig“ im Weltraum. Dies führt dann zu der Sicht, dass in der Winterzeit eine Christgeburt stattfinden kann. Es liegt der Gedanke zugrunde, dass der Makrokosmos und der Mikrokosmos einen Bezug haben, also das Weltall und der einzelne Mensch.
Von außen auf die Welt schauen
C. P.: Dieses Gedicht bringt das auf künstlerische Weise zum Ausdruck. Rudolf Steiner hat das in seiner Weihnachtsimagination (GA 229, Vortrag vom 6. Oktober 1923) mit der Beschreibung von chemisch-alchemistische Prozessen getan. Wie kann man diese allgemeinverständlich ausdrücken?
M. Knöbel: Steiner macht zunächst etwas ganz Ähnliches: Er schaut von außen auf die Welt und sagt, sie sei eigentlich ein Wassertropfen im Weltall.
C. P.: Was heißt auf die Welt von außen schauen: Ist das imaginativ oder könnte man das beispielsweise auch von einer Raumstation, wie der ISS aus sehen?
M. Knöbel: Steiner und auch Karl Thylmann machen das imaginativ, denn damals gab es noch keine Raumfahrt. Aber es gibt ja heute tatsächlich Menschen, die dieses Erlebnis real haben und davon auch berichten. Zudem zeichnet das, was Steiner als „Wassertropfen“ beschreibt, die Erde besonders aus. Es werden viele Forschungsgelder investiert, um im Weltraum Wasser zu suchen, und bisher haben wir den Kenntnisstand, dass die Lebensprozesse, auch die geologischen Prozesse, nur mit Wasser stattfinden können. Und nur die Erde ist es, auf der das passiert.
Die drei Weltprinzipien – „tria Principia“
Dann aber geht Steiner weiter und sagt, man könne die Erde als Quecksilbertropfen bezeichnen. Dies erscheint zunächst höchst unverständlich, aber ich glaube, er bezieht sich hier auf die alten Alchemisten, z.B. Paracelsus, der drei Weltprinzipien hatte – „tria Principia“. Das erste Prinzip hängt zusammen mit Wärme, Verbrennung, Auflösung und Zerstörung – das ist der Schwefel, bzw. Sulfur. Das zweite, was mit Kälte, Verhärtung, Verfestigung, Erstarrung zusammenhängt, ist das Salprinzip, also Salz. Das sind zwei polare Prinzipien, die vermittelt werden durch das dritte, den Mercur – und das ist das Quecksilber, um das es hier besonders geht.
Alle drei Prozesse sind qualitativ zu sehen und nicht als die Stoffe, die sie sind – wobei die Stoffe sehr gute Symbole dafür sind. Schwefel ist die einzige, nichtorganische Substanz, die brennbar ist. Schwefelablagerungen aus einem Vulkan können wir einfach mit einem Streichholz anzünden. Salz ist eine chemische Verbindung, aber auch eine Manifestation von Kristallisierung und Formbildung – wie man zum Beispiel bei einem Salzwürfel sieht.
Mercur, also Quecksilber, zeigt sich in den Kräften des Wassers, die auf der Erde das Leben von Tieren, Pflanzen und Menschen ermöglichen, und es sind die verbindenden Kräfte, die zwischen den beiden anderen Polen einen Ausgleich schaffen.
Diese drei Prinzipien benutzt Steiner, um die Jahreszeiten zu betrachten: im Sommer sind sie anders als im Winter.
Diese drei Prinzipien im Sommer und im Winter
C. P.: Wie kann man das erkennen, wenn man nicht hellsichtig ist?
M. Knöbel: Beispielsweise an dem Prozess, der ganz wesentlich für unsere Erde sind, nämlich die Photosynthese. Sie ist an die grünen Blätter gebunden: Mit dem Chlorophyll wird die Energie gesammelt, und es werden unter Aufnahme von Kohlendioxid die Stoffe gebildet, die wir brauchen für die Nahrungsmittel, aber auch für das Holz, aus dem wir etwas bauen. Diese organischen, nahrhaften Stoffe bilden nur die Pflanzen, und Tier und Mensch leben davon. Für dieses Wachstum der Pflanze sind einerseits die Mineralsalze des Bodens notwendig, die müssen mit den Wurzeln mobilisiert werden. Es ist auch die Wärme nötig, damit sich die Blätter entfalten, um dann das Licht zu sammeln. Und in dem ganzen Pflanzenkörper strömt das Wasser. Rudolf Steiner führt in seiner Jahreszeiten-Imagination aus, dass diese drei Prinzipien im Sommer durchmischt sind: In der Pflanze steigen Salze auf, bzw. werden mit dem Wasser aufgenommen, Luft und Wärme gehen bis in die Wurzeln und in die Erde herein. Licht und Wärme führen zur Entfaltung der Blüten und zur Reife der Früchte. Und das Wasser verbindet das alles. Das ist eine Durchmischung, wie sie im Sommer stattfindet und die insgesamt das Leben der Erde kennzeichnet.
C. P.: Was passiert mit diesen drei Prinzipien Sulfur, Salz und Wasser, bzw. Mercur im Winter?
M. Knöbel: Rudolf Steiner zeichnet für den Winter folgendes Bild: Es trennen sich diese Prozesse. Durch die tief stehende Sonne ist keine Wärme mehr da, auch das Licht ist ganz anders. Die Pflanzen ziehen in den Boden ein, die Blätter werden dürr und fallen trocken und erstarrt ab. Die Mineralien werden nicht mehr von der Pflanze mobilisiert, sondern sammeln sich im Boden. Das Wasser kann in der Kälte die Salze nicht mehr aufzunehmen und steigt auch nicht mehr so stark auf, weil es vielleicht gefriert oder es sogar zu Schnee kommt. Gerade in der Schneedecke können wir nach Steiner etwas entdecken, wenn wir beispielsweise bei den Dächern, Zaunpfählen und Ästen auf die abgerundeten weißen Schneehauben schauen. Hier zeigt sich der Mercur, die (halb-)kugelige Form ist ein Symbolum für den sich abrundenden Quecksilbertropfen.
Es vermittelt zwischen leicht und schwer und erstarrt selbst nicht
C. P.: Was Sie zu Salz und Schwefel, bzw. Erstarrung und Auflösung sagen, ist nachvollziehbar. Aber wie kommt Rudolf Steiner darauf, dass Quecksilber in diesen Vorgängen steckt?
M. Knöbel: Er sagt zwar, dass Quecksilber überall in feinster Verteilung vorhanden ist, was ja durch unsere technische Handhabung der Stoffe heute leider durchaus zu konstatieren ist. Ich glaube aber m. E. nicht, dass Steiner das meint, und es geht auch nicht darum hier wieder etwas zu beweisen. Es geht vielmehr darum die Prozesse auf der Empfindungsebene zu verstehen: Der alte griechische Name zu Quecksilber ist auch Hydrangyrum: „flüssiges Silber“. Die Alchemisten haben in den Substanzen die physiognomische Bedeutung gesucht, d.h. welche Weltzusammenhänge sich in dem Stoff zeigen. Und da kann man feststellen: Quecksilber ist das einzige auf der Erde natürlich vorkommende chemische Element, das flüssig ist. Es ist ein ganz merkwürdiges Metall, weil es einerseits unglaublich schwer ist: 13,5 Gramm pro Kubikzentimeter, fast doppelt so schwer wie Eisen. Aber neben dieser Schwere, die eine Eisenkugel nur zur Hälfte eingetaucht in ihm schwimmen lässt, trägt es gleichzeitig eine „Leichte“ in sich, die ihm erlaubt aufzusteigen, zu verdunsten, zu sublimieren, sodass wir seine giftigen Dämpfe fürchten müssen. Hier zeigt es eine Polarität, es vermittelt zwischen leicht und schwer und erstarrt selbst nicht. Wenn wir dies nachempfinden wollen, können wir auch erfassen, dass es zwischen irdischen und geistigen Kräften vermittelt, dass es trotz seiner Schwere uns kosmische Impulse – sagen wir – spiegelt!
Was die Alchemisten versucht haben
C. P.: Können Sie zu einem besseren Verständnis an dieser Stelle noch einmal erklären, um was es den Alchemisten ging?
M. Knöbel: Die Alchemisten haben versucht, in chemischen Experimenten quasi symbolhaft Prozesse zu bewerkstelligen, die dann auch auf ihr Seelisches zurückwirkten. Beispielsweise haben sie destilliert: Aus einem vergorenen Produkt kam ein aufsteigendes, feines Gas, was dann hinterher ganz klar war. Früher nannte man Alkohol auch Geist. Diesen Prozess der Destillation suchten sie als Läuterung auch im Seelischen auf. Das andere Beispiel ist das Herstellen von Gold. Man sagt manchmal, die Alchemisten seien dekadent, weil sie das nicht hinbekommen hätten, aber eigentlich ging es auch da um das Prinzip: Wie schafft man es, aus wertlosen Substanzen etwas zu kreieren, was dann glänzt. Oder auch: wie kann ich mein seelisches Wirrwarr so läutern, dass ich als Mensch hinterher besser bin und „glänze“?
In diesem Sinne haben die Alchemisten doppelt gesucht: einerseits, was man mit den Stoffen machen kann und andererseits, wie man sich innerlich durch diese Tätigkeit verwandeln kann, und zwar in einer Korrespondenz zu den Stoffen.
In diesem Sinne verstehe ich auch das mit dem Quecksilber, dass einerseits von dem Stoff die Rede ist, andererseits von dem Wirkungsprinzip.
Hier sind aus einer anderen Sicht sehr ähnliche Weltzusammenhänge beschrieben
C. P.: Gibt es in anderen Kulturen auch solche Prinzipien?
M. Knöbel: Ja, sicher, und sie sind besser bekannt als die der Alchemie. In der alten chinesischen Medizin und Philosophie gibt es Yin und Yang: Das ist die Polarität zwischen dunkel und hell, kalt und heiß. Viele kennen das Symbol dieser sich gegenseitig bedingenden Gegensätze, und es gibt auch den Mercur – das sind die zwei Punkte in den jeweiligen Feldern. Ich glaube, hier sind aus einer anderen Sicht sehr ähnliche Weltzusammenhänge beschrieben. Heute kommt es darauf an, diese uralten Weisheiten zu verstehen und damit kulturelle Gegensätze zu überwinden. Denn wir wissen heute nur zu gut, dass wir alle auf einer Erde leben, ihre offenbaren und eher geheimen Zusammenhänge gelten für alle Menschen.
Die Wirkung auf den Menschen
C. P.: Wenn man sich dann die Vorgänge dieser drei Substanzen im Winter vorstellt, stößt man auf die Frage: Wirkt das auf den Menschen? Was kann er daran erleben?
M. Knöbel: Das, was sich draußen in der Natur als Trennung der drei Prinzipien zeigt, das finden wir auch im Menschen.
Mit unserer Sinneswahrnehmung stehen wir im Winter ganz anders in der Welt: Beispielsweise erleben wir die Sonne durch ihren tiefen Stand über dem Horizont völlig anders, sie ist uns quasi ein Gegenüber, wenn sie in unser Zimmer scheint und Schattenrisse an die Wand zeichnet. Auch unser Stoffwechsel ist verändert, was wir dadurch merken, dass wir mehr Schlaf brauchen und vielleicht auch leichter krank werden.
Besonders deutlich wird das im mittleren Menschen, dem ja das verbindende Merkurprinzip entspricht!
Im Winter lebt man mehr im Haus, geschützt vor der Kälte, hat Zeit nachzudenken, zu lesen, Kerzen anzuzünden – man ist nicht mehr so auf die Außenwelt orientiert, die Tage sind kurz. Natürlicherweise sind wir nicht mehr so mit der Welt und anderen Menschen verbunden wie im Sommer. Dadurch kommt man zu sich und hat mehr Achtsamkeit für die eigenen, inneren Empfindungen. Das Seelische ist mehr für sich. Äußerlich erleben wir den Tod der Natur, innerlich erleben wir einen Reichtum an tiefen Gedanken und Empfindungen, denen wir im Sommer gar keine Beachtung schenken konnten. Das ist für mich in der dunklen Jahreszeit mit ihren langen kalten Nächten das Urerlebnis von Weihnachten. Dem entspricht das Bild der Christ-Geburt im Stall, der Maria mit dem Kind.
In seiner Weihnachtsimagination weist Rudolf Steiner gerade auf das Bild der Sixtinischen Madonna von Raffael hin, dem er eine besonders hohe Erkenntnis der alten Zeit zuschreibt. Hier findet er in dem Gemälde die Signatur der getrennten Prinzipien von Sal und Sulfur und Mercur in der Herzregion der Maria.
Der Vorhang bei der Sixtinischen Madonna
C. P.: Wie zeigen sich diese drei Prinzipien bei der Sixtinischen Madonna?
M. Knöbel: Dieses Gemälde ist vielfältig zu deuten, aber einen Aspekt möchte ich herausgreifen. Man kann darüber nachdenken: Was bedeutet in diesem Bild der merkwürdige Vorhang, der zur Seite gezogen ist? Wenn man das äußere Tagesgeschehen ein Stück weit wegschiebt und sich dem inneren Erleben zuwendet, dann kann eine Stimmung der Zuversicht, der inneren Erneuerung und Verlebendigung stattfinden.
C. P.: Ist hier wieder die Verbindung zu dem Gedicht von Karl Thylmann?
Tod wird Licht
M. Knöbel: Er sagt: Tod wird Licht. Das heißt, die Natur erstirbt, das Grüne, Lebendige wird „zur Seite gezogen“, wir haben in der äußeren Welt nur noch diese verhärtenden, salartigen Prozesse in den dürren Blättern und den kahlen Baumsilhouetten . Im Inneren kann es im Mensch empfindsam, hell und warm werden, wie eine Geburt des inneren Kindes.
Ist das heute zeitgemäß?
C. P.: Ist das alles heute zeitgemäß? Jeder hat Erfahrungen, dass gerade in der Weihnachtszeit mitunter Gegenteiliges passiert …
M. Knöbel: Es gibt diese alten Bilder, die man als traditionell oder sogar als verkitscht ansehen kann, aber ich glaube, sie sind trotz seiner weltlichen Korrumpierung hochaktuell. Dieses Innenleben und innere Wahrnehmen wird von dem zeitgenössischen Philosophen Peter Trawny (* 17. Dezember 1964 in Gelsenkirchen) ist ein deutscher Philosoph und Hochschullehrer an der Bergischen Universität Wuppertal) in seinem Büchlein „Ins Wasser geschrieben“ gefordert: „Wenn ich mich von dem abwende, was mich nicht zu mir kommen lässt, was mich mir entzieht, mich mir entwendet, mich dir raubt. Ich bin bei dir, wenn ich bei mir bin, bei mir, wenn ich bei dir bin.“ Er bezeichnet diesen inneren Raum als Intimität, an anderer Stelle auch als „Innigkeit“, die unser wahres Menschsein ausmacht: „Das Innerste ist Ort der Gottesbegegnung“. Er zitiert Augustinus: „Geh nicht nach draußen, kehr wieder ein bei dir selbst. Im inneren Menschen wohnt die Wahrheit“ … „Dabei geht es nicht so sehr um die innere Erfahrung“, als um die Entdeckung eines „inneren Menschen“. Was der Mensch ist, lässt sich nicht draußen in der Welt erfassen, dort zerstreut er sich in und mit Tätigkeiten, die von der Wahrheit ablenken. Der Mensch ist nur zu erkennen, wenn er in sich geht.“
In der Weihnachtszeit, der Tiefwinterzeit, fällt es uns naturgemäß leichter, diesen inneren Menschen zu erleben, aber gleichzeitig ist auf der Südhalbkugel Sommer! Wir sind heute von der Natur so gelöst und emanzipiert, dass wir prinzipiell diesen Prozess in uns selbst ergreifen und hervorrufen können – und müssen, unabhängig von der Jahreszeit.
Unser gegenwärtiges Leben hat die Tendenz, und das kritisiert Trawny, dass es uns in der technisch medialen Kultur zu sehr nach draußen zieht und wir diese innere Achtsamkeit vergessen. Da kommt wieder das Mercur-Prinzip: Wir müssen aktiv wechseln zwischen der Tätigkeit in der äußeren Welt und dem Besinnen im Inneren, um selbstbewusst und verantwortlich zu handeln
Die Weihnachtsbilder, und auch die Sixtinische Madonna, sind ein Ausdruck des inneren Menschen. Gerade in der heutigen Zeit, wo sich Religionen bekämpfen, ist es wichtig, darauf einen globalen Blick zu richten. Die Erde als „Quecksilbertropfen im Weltall“ birgt die Möglichkeit, dass sich im Menschen der ganze Kosmos spiegelt, Geistiges und Physisches sich verbinden. Und wenn das geschieht, dann wird es Weihnachten.
„Wenn ein Leben abgeschlossen ist, zeigt es im Rückblick eine ganz neue Gestalt.“ Dem Hamburger Maler Ulrich Rölfing ist es gelungen, nach dem Tod seiner Mutter diese Bedeutung auf künstlerische Weise auszudrücken.
„Nur ein Unterricht, der die Formen und Inhalte kindlicher Welterkundung respektiert und zum Ausgangspunkt seiner pädagogischen Bemühungen werden lässt, gibt der Schule die nötige Rechtfertigung, Teil des Lebens der Kinder und Jugendlichen zu sein. Einseitige Belehrung macht unkenntlich, worum es eigentlich geht und entzieht den Kindern die Aufmerksamkeit dafür, worüber man sie unterrichten will.“
Martin Wagenschein, deutscher Physiker und Pädagoge
Schwingende Steine, tanzendes Wasser, geheimnisvoll tönende Röhren – besucht man Erich Bäuerles Installationen im Wendland, kommt man ins Staunen und Experimentieren. In einer großen Klangschale hüpft das Wasser tänzerisch in die Höhe, in einem Drehzylinder bildet der Sand blütenartige Muster, als Pendel aufgehängte Steine schwingen miteinander in geordneter Weise. Hinter allem stehen physikalische Gesetze. Es ist das Anliegen von Erich Bäuerle, die Menschen, vor allem die Kinder, zuerst mit Spaß und Lust ans Tun heranzuführen. Durch die sinnliche Erfahrung offenbaren sich dann die zugrunde liegenden Prinzipien.
Mit Beiträgen von Christine Pflug, Tille Barkhoff, Elmar Lampson, SchülerInnen der 11. Klasse Rudolf Steiner Schule Wandsbek
Am 5. Juni wurde in den Schnittke-Akademie das 30-jährige Jubiläum des hinweis gefeiert, zu dem Sie, als LeserInnen, auch die AnzeigenkundInnen, Interviewpartner und Vertreter der Einrichtungen eingeladen waren. Es war eine gelungene, heitere Feier mit über 100 BesucherInnen, musikalisch begleitet von dem a-cappella-Terzett Livella Kadó.
Zu dem Motto „Kultur leben“ gab es verschiedene Beiträge. Sie zeigten den großen Umfang und die Impulse des anthroposophischen Kulturlebens in Hamburg auf, von den Anfängen, kraftvollen und krisenhaften Zeiten bis in die Gegenwart und mit Wünschen für die Zukunft.
In der alten Kunst waren Kirchen die Hauptauftragsgeber für die Künstler. Die menschliche Individualität spielte keine Rolle, die Werke der Malerei und Plastik stellten religiöse Themen dar. Im 19. Jahrhundert war Éduard Manet ein großer Aufräumer alter Malgewohnheiten. Er macht uns aufmerksam darauf, dass das Ich hinter der Rolle, dem Beruf, dem Stand, der Herkunft zu erahnen ist. Er weckt Menscheninteresse, er fängt an, dem einzelnen Ich Raum zu geben und uns dafür zu interessieren. Weiterlesen „Die Emanzipation der Kunst von der Religion“
Interview mit Jörg Andrees, Regisseur und Schauspieltrainer
Gelungen ist Theater dann, wenn etwas Neues zwischen dem Zuschauer und der Bühne entsteht. Inwiefern ist der Schauspieler Künstler, wenn der Text und die Handlungen vorgegeben sind? Kann ein Schauspieler, in einer guten oder bösen Rolle, etwas vermitteln, was sein eigen-künstlerisches Verständnis der Welt und des Lebens spiegelt? Das wäre ein wesentlicher Aspekt der Kunst des Schauspielers. Weiterlesen „Ein verdichtetes Bild des Seins“
Karl Ballmer – Philosoph und Künstler, Anthroposoph und Einzelgänger. Seine Begegnung mit Rudolf Steiner 1917 war lebenserhaltend, dabei blieb er aber immer ein kritischer Individualist. Hamburg war seine Wahlheimat, bis er unter dem Nationalsozialismus in die Schweiz fliehen musste. In Hamburg schuf der Avantgardist, der sich um 1930 der Hamburgischen Sezession anschloss, eine Kunst, die nach Essenz sucht und ins Universelle weist. In ihrer eigenwilligen Verschränkung von Intellekt und Intuition faszinierte Ballmers Malerei schon namhafte Zeitgenossen: Der Schriftsteller Samuel Beckett zeigte sich bei einem Hamburgbesuch 1936 nachhaltig beeindruckt, und Max Sauerlandt, der progressive Direktor des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe, zählte schon früh zu Ballmers überzeugten Förderern und Freunden. Anerkennend schrieb er über dessen Bilder: „Die phänomenale Wirklichkeit eines Augenerlebnisses ist anschaubare Empfindung, anschaubare Idee geworden.“ Weiterlesen „Kopf und Herz“
Am 10. Dezember werden alljährlich in Stockholm und Oslo die Nobelpreise verliehen. Am 10. Dezember 1966, ihrem 75. Geburtstag, war Nelly Sachs die erste deutschsprachige Dichterin, die den Literaturnobelpreis erhielt.
In den Jahren der NS-Herrschaft beschäftigte sie sich mit jüdischer Mystik, aus der Kabbala bezog sie wesentliche Grundelemente ihrer Dichtung und ihrer Weltsicht. Nachdem sie 1940 nach Schweden geflohen war, ging es ihr um die Neugeburt der verlorenen Sprache, aber nicht minder auch um die Erschaffung einer neuen Welt, durch eine neu gewordene Sprache.
Vom 9.- 10. Dezember, an ihrem 125. Geburtstag, geht es in einer Tagung um das Werk der jüdischen Dichterin. (Siehe Ende dieses Artikels und Terminteil.)
Am 10. Dezember werden alljährlich in Stockholm und Oslo die Nobelpreise verliehen. Insbesondere der Literatur- und der Friedensnobelpreis stehen im Fokus des öffentlichen Interesses, mit Spannung wird jedes Jahr die Bekanntgabe der Preisträger erwartet. Weiterlesen „„Ich habe kein Land und im Grunde auch keine Sprache““
Interview mit Professor Elmar Lampson, Präsident der Hamburger Musikhochschule
Musik erleben wir heute als eine ständige Beschallung, unabhängig von Ort und Zeit, mittels elektronischer Technik. Dazwischen versuchen Künstler mit ihren Live-Angeboten Räume und Aufmerksamkeit zu finden, um einem Publikum ihre Musik vorzuspielen. Elmar Lampson gestaltet als Präsident der Musikhochschule die Ausbildungsbedingungen so, dass Musikstudenten zwischen diesen Anforderungen ihren Weg finden und dass sie ihren Beruf immer als einen Teil Pionierarbeit verstehen und realisieren können. Weiterlesen „Spannungsfelder der Musik“
Wie geht ein Künstler damit um, dass heutzutage in der Kunst schon so vieles existiert und er nicht alles neu erschaffen kann? Wie positioniert er sich in den Strömungen der heutigen Zeit? Schon immer waren Künstler Repräsentanten oder gar Vorläufer ihrer Epoche – inwiefern steht eine Aufgabe oder Verantwortung dahinter? Gerade am Ende dieses Jahres stellen sich in Anbetracht der politischen und sozialen Lage solche Fragen mit großer Dringlichkeit. Weiterlesen „Kunst – zwischen Vergangenheit und zeitgenössischem Schaffen“
Heilendes finden und schenken durch Erzählen von Märchen
von Micaela Sauber, Hamburg, Märchenerzählerin und Initiatorin von Erzähler ohne Grenzen
Der Dichter Novalis hat Märchen und Träume miteinander in Zusammenhang gebracht und von einer heimatlichen Welt gesprochen, aus der sie stammen. Überall und nirgends sei sie. Heißt das, sie sind immer da und doch nicht? Vertraut und doch nicht von selber zu erreichen?
Wir sind in diesen Wochen und Monaten mit einer verheerenden humanitären Situation von vielen Millionen Menschen konfrontiert, die ihre Heimat verlassen haben, weil es dort nicht mehr möglich ist, zu leben. Wer selber seine Heimat aufgab, weiß, wie es ist, wenn Zukunft total im Ungewissen liegt ohne irgendeine Sicherheit und Voraussehbarkeit. Weiterlesen „„Märchen sind Träume einer heimatlichen Welt, die überall und nirgends ist““
Interview mit Rüdiger Sünner und Dr. Volker Harlan
„Der Film „Zeige deine Wunde“ nimmt uns mit auf eine Reise zum „verwundeten Heiler“ Beuys, zu Orten und Landschaften seiner Kindheit sowie nach Irland und Schottland, wo er wichtige Impulse durch die keltische Kultur empfing. Vor allem aber zu seinen Hauptwerken, die gerade in unserer auf Effizienz und ökonomische Verwertbarkeit ausgerichteten Zeit erneut zu Objekten der Meditation werden können.“
Am 25. April wird der Film mit einem anschließenden Gespräch im Rudolf Steiner Haus gezeigt. Weiterlesen „Zeige Deine Wunde“
Braucht man ein Kind nicht in die Schule zu schicken, wenn man darauf vertraut, dass sich die Entwicklung des Kindes von allein vollzieht? Werden in der Bildungslandschaft, bei uns in der Folge der Pisa-Studien, die Kinder so in eine Richtung gezogen, dass sie sich lediglich den Erfordernissen der Gesellschaft anpassen?
Arno Stern lässt seit 70 Jahren Kinder in seinem „Malort“ malen. Seine Mission ist das Vertrauen in die Entwicklung des Kindes: Man muss nicht von außen „ziehen“, sondern darf sicher sein, wenn man für das Kind einen Raum schafft, dass die Entwicklung von alleine passiert, und zwar durch einen kreativen Prozess. Aus diesem unendlichen Vertrauen in diese Entwicklung hat Arno Stern seinen Sohn André nicht in die Schule geschickt. Heute ist André Stern als Freibildungsexperte ein gefragter Referent, der sich international an der Seite von zukunftsorientierten Akteuren der Bildungslandschaft bewegt. Weiterlesen „Lernen und Leben aus Begeisterung“
Artikel von Tabea Hattenhauer, Studentin am Priesterseminar
„Das Wohnen in einer von Flucht und Heimatlosigkeit geprägten Biografie. Die Schafwolldecke als einzig verlässliche, schützende Hülle. Durch welche Tiefen Hilde Domin gehen musste, um zu ihrer Ausdrucksfähigkeit zu kommen, lassen ihre Worte zunächst kaum erahnen.“ Weiterlesen „Heimat im geschenkten Wort“
– in einem „Schiff“, das zu Lande und zu Wasser fährt!
Artikel von Micaela Sauber
Im zweiten Jahr geht es vom 20.-28. Juli, auf eine ungewöhnliche Reise, auf der Suche nach dem Glanz des Goldes vom Fell des Widders aus Kolchis, nach der Fülle des heiligen Grales aus Wolframs Erzählungen, auf den Spuren von Rainer Maria Rilke in Duino und zu Dantes Höhle in Tolmin. Zu heiligen Plätzen in der Natur, von Menschen geadelt, in „Terra Parzival“/ Slowenien, Norditalien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina. Weiterlesen „Mythologische Reisekultur“
Interview mit Rüdiger Sünner, Filmemacher und Frank Hörtreiter, Pfarrer der Christengemeinschaft
„Mystik und Widerstand“ ist der Titel des neuen Films von Rüdiger Sünner über die evangelische Theologin Dorothee Sölle (1929-2003). Sie war nicht nur bekannt für ihr politisches und feministisches Engagement, sondern beschäftigte sich auch zeitlebens mit den großen Mystikern. Als zeitgemäße Spiritualität konnte sie sich nur eine individuelle Gotteserfahrung jenseits von blind übernommenen Traditionen vorstellen. Mystik und Widerstand, so Sölles Entdeckung, müssen keine Gegensätze sein: gerade die Erfahrung des „göttlichen Funkens“ kann ein Impuls für soziales und politisches Engagement werden. Weiterlesen „Mystik und Widerstand“
Dies soll ein kleiner Weihnachtsgruß sein. Warum dazu das Bild eines Heuschobers, wie wir ihn gar nicht mehr kennen, gemalt 1891 von Monet? (siehe Seite 6)
Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist ein Weihnachtsgruß auch ein Neujahrsgruß, bei dem man auf das vergangene Jahr schaut und auf den Jahreswechsel selber. Weiterlesen „Monets Heuschober und der Beginn aller Schöpfung“
zur Notfallpädagogik bei kriegstraumatisierten Kindern
Artikel von Micaela Sauber, Märchenerzählerin
Seit vielen Jahren reist Micalea Sauber mit Märchen und Geschichten im Gepäck durch die Lande, erzählt den Menschen Märchen von überall und manchmal lässt sie sie staunen über ihre eigenen Märchen, die sie selber längst vergessen haben.
Märchen machen Kinder mutig für ihre eigene Zukunft. Sie sind ein Zaubermittel, das Erwachsene wieder an das zu erinnern vermag, was sie eigentlich wollten, es aber nicht mehr erkennen konnten. Weiterlesen „Märchenhaft unterwegs“
Zusammenfassung eines Vortrages von Martin Straube, Arzt
Zu einem besseren Verständnis dieses Vortrages dienen die Gemälde, wie sie in der pdf-Ausgabe im Archiv zu sehen sind.
Es ist nicht leicht, sich selber in den Blick zu nehmen. Der Weg der Selbstreflexion steht in dem Spannungsfeld von zu viel Selbstkritik einerseits oder Selbstverliebtheit anderseits. Manches, was wir über uns ahnen, ist schwer in Worte zu kleiden, aber es ist leichter in Bildern zum Ausdruck zu bringen. So sind die Selbstbildnisse in der Kunst Reflexionen über das Bild, das der Künstler von sich selber hat. Weiterlesen „Die Suche nach dem eigenen Ich, Teil I und II“
Rüdiger Sünner zu seinem Film über Carl Gustav Jung
Anlässlich des 50. Todesjahres von Carl Gustav Jung präsentiert der Filmemacher Rüdiger Sünner einen Film über die Biographie und das Werk von Jung. „In vielen Mythen muss der Held eine „Nachtmeerfahrt“ durchmachen, in der er rätselhafte Wesen und gefährliche Situationen begegnet. Der Psychologe Carl Gustav Jung (1875-1961) ging selbst auf eine solche Entdeckungsreise und befragte die Welt der Symbole und Archetypen auf ihre Bedeutung für unser Leben. Wie sehen heutige Nachtmeerfahrten aus? Welche Gefährdungen liegen auf ihrem Weg und welche Potentiale? Was erzählt unsere „Anima“ und unser „Schatten“ dabei? Enthalten die Bilder des Unbewussten auch spirituelle Botschaften? Eine filmische Reise in die Biographie C. G. Jungs und in die wirkmächtige Welt der Mythen, Träume und Symbole.“ (Aus dem Vorspann des Filmes). Weiterlesen „Nachtmeerfahrten“
Muss Naturwissenschaft und Spiritualität ein Gegensatz sein? Auch wenn das in Schulbüchern so dargestellt wird und die meisten Naturwissenschaftler davon ausgehen, haben heute einige seriöse Forscher auf ihren Gebieten erarbeitet, dass in der Evolution ein geistiger Sinn liegt. Der Filmemacher Rüdiger Sünner lässt 14 Wissenschaftler auf ihren unterschiedlichen Gebieten darstellen, wie ein „Gott“ oder „Geist“ innerhalb der Entwicklungsprozesse wirksam ist. Es sind Christen darunter, Anthroposophen, Sympathisanten des Buddhismus, aber auch Forscher, die in der Natur selbst eine alles Rationale übersteigende „heilige“ Kreativität erblicken. Der Film zeigt auch, wie die Natur selbst in ihren Farben und Formen eine Künstlerin ist und wie dieses Mysterium des Schöpferischen Gefühle von Staunen und Achtung wach ruft. Weiterlesen „„Das kreative Universum““
Alles, was existiert, ist aus einem Gestaltbildungsprozess hervorgegangen, ob man das nun Schöpfer, Evolution oder wie auch immer nennen mag. Wenn das Gestaltbildungen sind, die eine schöpferische oder künstlerische Logik in sich tragen, dann liegt dem auch ein schöpferisches Wesen zugrunde.
Heute ist der Mensch aufgefordert, diese Schöpfung der Götter fortzusetzen, bis in die kleinsten Bereiche des Zusammenlebens hier auf unserer Erde, weil sie uns betreffen. Joseph Beuys war auf die simple Tatsache gestoßen, dass Kunst immer aus einem Chaos mittels Bewegung und Arbeit in eine Form, Gestalt führt. Dieses Prinzip gilt für jedes Feld, in dem Dinge und Prozesse zu gestalten sind, was dann in seiner Gänze zur „Sozialen Plastik“ führt. Das ist die Idee des „Erweiterten Kunstbegriffs“. Weiterlesen „Die Kunst – wer ist das eigentlich?“
Wenn Winteraugen sich öffnen wenn das Herz lauscht leise tritt es über deine Schwelle wenn das Herz lauscht wenn Winteraugen sich öffnen (Uta Uhlmann)
Die folgenden Texte entstanden im Zusammenhang von Seminaren für kreatives-biografisches-heilsames Schreiben.
Kreatives Schreiben verbunden mit Themen, die das Leben aufwirft.
Heilsames Schreiben in Zeiten von Trauer und Krisen.
Biografisches Schreiben mit Senioren, die ihre Erinnerungen zu Papier bringen wollen. Weiterlesen „Wenn Winteraugen sich öffnen …“
„Über den bedeutenden, am 12. Dezember 1863 in Norwegen geborenen, Maler Edvard Munch ist bereits viel geschrieben worden und seine Hauptwerke wie „Der Schrei“ oder seine „Madonna“ dürften den meisten bekannt sein. In jeder wirklichen Kunst liegt ein Geheimnis verborgen, und so scheint es auch in seinem Werk etwas zu geben, was noch erschlossen werden will. Einen Hinweis darauf findet man in der Munch-Biographie von Otto Benesch: ‚Es gibt „eine Seite in Munchs Kunst, der die Wissenschaft gern aus dem Wege gegangen ist …: die denkerische, metaphysisch spekulative.“ Die seelische Komponente dieses Malers des Seelenlebens des modernen Menschen wurde bisher vor allem auf psychologischem Wege ausgelotet. Relativ wenig findet man über die seelisch-geistigen Inhalte in seinen Werken, denen man mit Hilfe z. B. der anthroposophischen Geisteswissenschaft etwas näher kommen kann. Es scheint mir, dass dort noch ein großer „Schatz“ darauf wartet, gehoben zu werden. Und so möchte ich auch meine Arbeiten darüber als ganz am Anfang stehend betrachten.“ (Frank Wilbrandt)
Der Autor dieses Artikels, den er auf Anfrage für den HINWEIS verfasste, hielt am 4. Oktober in Bergstedt einen Dia-Vortrag zu diesem Thema. Veranstalter war die Initiative „Kultur im Wohldorfer Damm“ von der sozialtherapeutischen Einrichtung GemeinsamLeben und ZusammenLeben e.V. Weiterlesen „Leben und Werk des Malers Edvard Munch“
Interview mit Dr. med. Heidje Duhme, Feldenkrais-Pädagogin, Christiane Hagemann, Heileurythmistin, Michael Werner, Schuleurythmist und Berater
„Der Mensch entsteht durch Bewegung“ – das ist ein Grundsatz in der Eurythmie. „ Über die Bewegung kann der Mensch sein Selbstkonzept und seine Lebens-Haltung ändern“ – davon geht man in Feldenkrais aus. Diese beiden Bewegungsarten helfen dem Menschen sich zu revitalisieren, zu heilen oder eigene Bewegungsfreiheiten zu erkunden und auszuprobieren.
Feldenkrais arbeitet mehr auf der Grundlage der gesetzmäßigen Wirkung der Schwerkraft auf die Bewegung, in der Eurythmie ist die gestaltete Bewegung der Laute ein wichtiges Moment. Trotz dieser unterschiedlichen Ausprägungen entsteht beides aus ähnlicher Quelle. Ebenfalls auf ähnliche Beobachtungen stoßen die drei Interviewpartner, wenn sie feststellen, auf welche Weise heute Kinder und Erwachsene Unterstützung bei ihren Bewegungsabläufen brauchen.
InterviewpartnerInnen:
Dr. med. Heidje Duhme, Ärztin, seit 1984 mit Feldenkrais beschäftigt. Seit 1988 Feldenkraislehrerin für Gruppen und Einzelpersonen, bietet feldenkraisbezogene Fortbildungen an. Ist außerdem tätig in einer psychosozialen Beratungsstelle, in der sie systemisch arbeitet.
Christiane Hagemann: arbeitet seit 1981 mit der Eurythmie, mittlerweile als Heileurythmistin mit Kindern und Erwachsenen; gibt Kurse in Vital-Eurythmie; Dozentin in der Eurythmie-Ausbildung 4.D.
Michael Werner: in der Eurythmie tätig seit 1989, unterrichtet Eurythmie in der Rudolf Steiner Schule Hamburg Bergstedt, ist Berater für Organisationsentwicklung und Dozent in der Eurythmieausbildung 4.D.
Christine Pflug: Was macht man bei Feldenkrais?
Dr. med. Heidje Duhme: Essenziel geht es darum, sich zu bewegen und dabei zu spüren, wie das geschieht. Das gehört untrennbar zusammen. Die Bewegung selbst ist das Medium, um herauszufinden, wie bei einem selbst die Klarheit und Leichtigkeit des Ablaufes, das Denken und im weitesten Sinne das Handeln zusammenpasst. Wir haben einen Kanon mit vorgegebenen Bewegungen, z. B. geht es um die phylogenetische Entwicklung von Bewegung (die Stammesgeschichte von Lebewesen betreffend; auf die biologisch-ökologische Entwicklungsgeschichte der Menschheit, menschlicher Rassen und Völkerstämme bezogen. Aus: Wikipedia). Wie hat sich die Bewegung des Menschen stammesgeschichtlich entwickelt, z. B. rollen, robben, kriechen, krabbeln, wie kommt man von da aus zum Sitzen und zum Stehen? Das sind Entwicklungen in der Bewegung, die jeder Mensch stammesgeschichtlich durchgemacht hat und auch individuell in Abhängigkeit von der jeweiligen Umgebung. Damit beschäftigen wir uns, das untersuchen wir auf unser individuelles Muster hin, erleben es nach und entdecken Variationsmöglichkeiten dazu, die dem gegenwärtigen Bedürfnissen gerechter werden. Damit können schmerzfreie Bewegungsabläufe und geschmeidigere Haltungen sich neu im Zentralnervensystem bahnen.
Feldenkrais ist aber auch für die berufliche Situation hilfreich: Was braucht man als Musiker, Sportler, Schauspieler, Friseur etc. um den Körper, bzw. sich selbst, optimal einzusetzen? Wie kann sich eine bessere Stressbewältigung etablieren?
Es gibt eine aktive Form der Feldenkraisarbeit, in der wir Bewegungsformen wie Zeitlupenstudien anleiten. Wie macht man es beispielsweise, sich im Sitzen aufzurichten? Welche Stellung hat dabei das Becken, was machen die Füße am Boden? Gibt es dabei Verhärtungen, die verhindern, dass man die Aufrichte findet? Es gibt Vereinseitigungen in der Bewegung, Verhärtungen, Blockaden, die sich durch aufmerksame Eigenbeobachtung auflösen können.
Meistens arbeiten wir im Liegen, weil der Körper dabei vom Kopf bis zu den Füssen Unterstützung findet und nicht mit seinen gewohnten Gleichgewichtsreaktionen antwortet. Das gibt dem Menschen viel Sicherheit und die nötige Lernfreiheit.
Wenn ein Mensch ein Bewusstsein von dem eigenen körperlichen Schwerpunkt hat, kann er sich halten und erhalten
C. P.: Wie ist die Feldenkrais-Methode entstanden?
H. Duhme: Sie ist nicht im Labor, sondern aus eigener Betroffenheit entstanden. Moshé Feldenkrais Moshé Feldenkrais (* 6. Mai 1904 in Slawuta, Ukraine; † 1. Juli 1984 in Tel Aviv, Israel, war Physiker und Judolehrer. Er ging davon aus, dass ein Mensch nach dem Bild handelt, das er sich von sich macht. Er sagt, dass dieses Bild („self image“) teils ererbt, teils anerzogen und zu einem dritten Teil durch Selbsterziehung zustande kommt. Aus: Wikipedia) hatte durch einen Unfall am Knie einen Defekt, und es war nicht sicher, ob eine Operation erfolgreich sein würde. Er hat als Naturwissenschaftler erst mal nur unter physikalischen Gesichtspunkten beobachtet: Wie gehe ich mit der Schwerkraft um, wie wirkt die Biomechanik und welche Bedeutung hat das Skelett für die Aufrichtung und Bewegung usw.? Über die feine Beobachtung seiner selbst hat er so geforscht mit dem Resultat, dass er wieder schmerzfrei war. Da war für ihn eine Verknüpfung naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeit und deren konkrete Anwendung auf das sich selbst wahrnehmende Subjekt gegeben, die ihn zu weiterem Forschen motiviert hat. Er war auch Judo-Kämpfer und von daher war ihm vertraut, dass Bewegung und Angst eine sehr tiefe Verbindung haben und dass derjenige, der Angst hat, seine Beweglichkeit bzw. seine persönlichen Potentiale nicht entfalten kann. Wenn ein Mensch ein Bewusstsein von dem eigenen körperlichen Schwerpunkt hat, bleibt er im Gleichgewicht flexibel, kann sich spüren, halten und auch er-halten.
Christiane Hagemann: Vor etwa 15 Jahren hatte ich einen Bandscheibenvorfall und war bei einer Feldenkrais-Pädagogin in Behandlung. Bedingt durch den Bandscheibenvorfall hatte ich vor bestimmten Bewegungen Angst. Ich fand es eine bereichernde Erfahrung, in diese Körperbereiche hineinzuspüren, alternative Bewegungen auszuprobieren, dabei die Unterschiede der einzelnen Körperpartien genau zu spüren etc. Das Strömende, das dabei entstehen kann, empfand ich als sehr eindrucksvoll.
H. Duhme: Hinter dem, was Sie beschreiben, verbirgt sich auch das didaktische Konzept. Lernen ist, so Feldenkrais, bewusst Unterschiede wahrzunehmen. Z.B. das Bild der einen Körperhälfte zu erkennen und dann über das aufmerksame Tun oder das Tun in der Vorstellung auf die andere Körperseite zu übertragen. Unsere Hirnstrukturen sind so, dass sie die bewusste Wahrnehmung von der einen Seite durch Bewegung auf die andere Seite übertragen.
C. Hagemann: Wir gehen in der Eurythmie davon aus, dass der Mensch aus dem urschöpferischen Kräfte-Prinzip von Bewegung entstanden ist. Diese Bewegungen sind permanent als Bildekräfte und Vitalität in der menschlichen Gestalt enthalten und wirksam. Damit arbeiten und gestalten wir in der Eurythmie. Es gibt Kräfte, die in ihrer Dynamik zum Beispiel etwas in Fluss bringen und anregen. Andere Kräfte grenzen ab, regen eine Differenzierung an oder beruhigen einen Prozess. Für mich sind diese Lebenskräfte das, was Paracelsus als den ‚inwendigen Arzt‘ bezeichnet hat. Diese Gestaltungskräfte des Lebendigen äußern sich in den Bewegungen der Laute, wie wir die Kraftseite der Buchstaben nennen.
Ich hatte damals bei Feldenkrais das Gefühl, dass meine strömenden Kräfte angesprochen wurden, was mir gut getan hat.
C. Hagemann: In der Eurythmie werden diese Kräfte bewusst gestaltet. Wir bewegen verschiedene Laute: „t“ klingt anders als „m“, drückt sich also durch eine ganz andere Bewegung aus. Es gibt Laute, die sind hart oder weich, bringen ins Fließen, stocken ab, bringen den Menschen zu sich, lösen usw. In der Heileurythmie wird diese lebendige und regenerierende Kraft der einzelnen Laute gezielt eingesetzt.
Außer in der Therapie wird Eurythmie in der Pädagogik, im darstellenden und im sozialen Bereich angewendet.
Außerdem gibt es den Bereich der Vital-Eurythmie. Sie ist speziell dafür entwickelt worden, Stress zu verarbeiten, die Vitalität und Regenerationsprozesse gezielt zu unterstützen und wird präventiv eingesetzt.
Stress verarbeiten
Michael Werner: So ein Thema kann beispielsweise Stress sein. Wenn man Druck von außen oder auch von innen nicht bewältigt bekommt, können geführte, langsame Bewegungen – ein ähnliches Phänomen wie bei Feldenkrais – uns die eigenen Bewegungsmuster wieder neu zugänglich und sichtbar werden. Man geht dann mit dem eigenen Bewusstsein sozusagen in die Bewegung rein die man konkret ausführt. Bei vielen körperlichen Symptomen, die von Stress oder auch mit Haltungsschäden des Körpers zu tun haben, kann man mit Lauten und anderen eurythmischen Elementen systematisch anregen und revitalisieren und somit die Regeneration und Erholung eigenaktiv fördern.
C. P.: Was wird im Eurythmieunterricht in der Schule gemacht?
M. Werner: Das ist sehr vielfältig, da das Fach die ganze Schulzeit über unterrichtet wird und jeweils altersspezifisch sehr unterschiedliche Ziele, Aufgaben und Methoden zum Einsatz kommen. Grundsätzlich sitzen die Schüler während ihrer Schulkarriere und vollziehen dabei viel Kopfarbeit. Das ist auch in der Waldorfschule so, trotz vieler künstlerischer Fächer und Elemente, die dort den Schulalltag durchdringen. Der Eurythmieunterricht ist in diesem Zusammenhang Bewegung- pur. Auch für Schüler (übrigens auch für Lehrer!) ist das Thema Stressabbau, Regeneration und Revitalisierung ein zunehmend wichtiger Punkt. Speziell dafür habe ich in den letzten Jahren Vitaleurythmie- Übungen für die Pädagogik entwickelt und erprobt.
In unserer Zeit herrscht allgemein eine körperlich ungesunde Bewegungsarmut. Einige Schüler können schon nicht mehr richtig stehen und kommen dabei in eine verspannte Körperhaltung und Ungeschicklichkeit. Leider müssen heute immer mehr Kinder in den unteren Klassen sogar das Geradeaus-Laufen erst lernen! Dabei kommt auch der Eurythmieunterricht zum Zuge. Hilfreich kann dabei ein gemeinsames, entspanntes und konzentriert ausgeführtes Gehen zu Musik sein.
In der Schule erleben Schüler auch immer wieder, dass sie bestimmte Dinge nicht oder noch nicht können. Daher ist hier eine zentrale Aufgabe, dem eigenen Lernen auf die Spur zu kommen, wozu sich bestimmte Elemente des Eurythmie ganz besonders eignen.
Einige Ergebnisse des Eurythmieunterrichts werden an Monatsfeiern auf der Bühne präsentiert. Dabei geht es dann speziell um einen künstlerischen Ausdruck im Sinne des Werkes. Doch gerade bei dem Thema Lernen kann die Eurythmie, das dort gepflegte achtsame Verfolgen der eigenen Bewegungen, ein sehr hilfreicher Partner sein.
einen inneren Dialog mit sich selbst anregen
H. Duhme: Eine Gemeinsamkeit zwischen Feldenkrais und Eurythmie scheint mir zu sein, einen inneren Dialog mit sich selbst anzuregen, wobei die Fragestellungen sich explizit auf die Art des Bewegens richten, implizit geht es auf der Metaebene um das Selbstbild und das Selbsterleben und darüber stellt sich auch die Frage nach dem Dialog, den der Einzelne mit den Menschen in seiner Umgebung entwickeln kann oder wie er sein Handeln gestaltet.
Ich finde das mit dem Bewegen der Buchstaben auch sehr interessant, und auch da scheint eine Analogie zu Feldenkrais zu liegen: die alten Anatomen haben die Gelenke als „Articulatio“ bezeichnet. Im medizinischen Sprachgebrauch ist das Schultergelenk z.B. die Articulatio humeroscapularis, und wir artikulieren unsere Gedanken letztlich durch Sprache. Aus einer klareren Beweglichkeit kommen auch klarere Gedankengänge und eine klare Sprache ist wesentlich Bestandteil des Selbstausdrucks.
C. Hagemann: Es gibt diesbezüglich in der Eurythmie zwei Ausprägungen: einzelnen Laute werden in der Heileurythmie und auch in der Vital-Eurythmie gemacht. Aber bei eurythmischen Bühnenaufführungen sind das nicht einzelne Buchstaben, sondern ganze Gedichte, bei denen nicht buchstabiert, sondern die Gesamtheit der Sprache in eurythmischer Bewegung ausgedrückt wird. Das ist dann eine andere seelische Aktivität, als wenn man mit den einzelnen Lauten achtsam umgeht.
C. P.: Michael, welche Übungen machst Du im Eurythmieunterricht in der Schule?
M. Werner: Dabei ist grundsätzlich wesentlich, dass man viel bewegt und sich übt anhand von Rhythmen der Sprache und life- Musik, dazu ist auch immer ein Pianist im Unterricht anwesend. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Gehörschulung, d. h. die Schüler verfolgen Stimmen, klatschten und gehen und gestalten diese. Dabei ist eine präzise Bewegungsführung und passender Ausdruck essentiell. Dann muss man während des Bewegens auch aktuell hörend in den Bewegungsstrom der Gruppe einsteigen. Das erfordert in hohem Maße eine Teamfähigkeit.
Sie merken, Eurythmie ist für die Schüler ein sehr komplexes und sehr anspruchsvolles Fach! Man sieht besonders bei den Quereinsteigern, die bisher keine Eurythmie hatten, was dieses Fach im Bewegungsvermögen bei den Schülern bewirken kann.
Zum Beispiel ist das eurythmische Alphabet, ein sehr vielfältiger, komplexer Bewegungskanon: für jeden Buchstaben (Laut) eine spezifische Bewegung, die man allerdings unterschiedlich ausführen kann. Man kann sie „klassisch“ darstellen oder variieren, wie man es eben situativ im Unterricht einer Klassenstufe braucht (wir haben in Bergstedt ein Eurythmieposter gemacht mit allen Buchstaben). Die Schüler lernen sich bei einer traurigen oder ernsten Geschichte mental in diese hineinzuversetzen und sie dann bewegend lautlich differenziert zu artikulieren.
Oder: Im Hauptunterricht einer fünften Klasse wird die Kulturgeschichte des alten Indien behandelt. Im Eurythmieunterricht gestalten wir dann ein entsprechendes Gedicht aus den Upanischaden.
man kann zur Unterstützung des Konzentrationsvermögens und des Selbstbewusstseins eurythmisch viel beitragen
Oder in der Pubertät wird von den Jugendlichen alles hinterfragt, neu entdeckt und eben auch ihre eigene Bewegungen. Man kann in diesem Alter zur Unterstützung des Konzentrationsvermögens und des Selbstbewusstseins eurythmisch viel beitragen, indem man sich einen zunehmend komplexen Bewegungskanon aufbaut und daran übt am Faden zu bleiben. Das alles sind Beispiele dafür, wie der Eurythmieunterricht die Entwicklung der Kinder und Jungendlichen und auch den sonstigen Unterricht mit Bewegung aufgreift und so mit andren Fächern korrespondiert.
Seit einigen Jahren mache ich phasenweise spezielle Übungen auf dem Boden, das gab es früher gar nicht. Hier sind ganz andere, Bewegungssequenzen möglich als im Stehen oder Gehen. Auf dem Boden kann man anders auf sich und sein Gleichgewicht achten, kann auf dem Rücken liegend anders auf seine Armbewegungen achten und auch spezielle Muskelpartien stärken (z.B. den Rücken, Schultern, Arme und Beine) und gleichzeitig andere bewusst entspannen. Das erscheint mir unter Anderem dafür geeignet, um mit dem Thema Angst umzugehen. Das Entspannen und Loslassen- Können ist im Stehen oder Gehen viel schwieriger als im Liegen und ein wesentliches Element eurythmischer Bewegung.
H. Duhme: Das ist etwas, was die Kinder heute mehr denn je brauchen: die Sicherheit des Bodens und die Erfahrung von vielfältiger Beweglichkeit. Neurologisch geht es dabei um die Stimulierung der Propriozeptoren. (Propriozeptoren gewährleisten die Wahrnehmung der Stellung und Bewegung des Körpers im Raum. Durch sie gelangen Informationen über Muskelspannung, Muskellänge, Gelenkstellung und Bewegung zum Kleinhirn und zum Cortex wo diese unbewusst verarbeitet werden. Aus: Wikipedia) Über die neurologischen Strukturen werden dem Gehirn Informationen gegeben über die Beziehung der Körperteile zueinander. Das bedeutet, dass im alltäglichen Tun des Kindes ein Sich- selbst- Begreifen geschieht, das ein Kind in gutem Sinn selbstbewusst werden lässt. Im Feldenkrais lässt man diese Erfahrung spürbar werden durch Langsamkeit oder auch durch eine vorgestellte Bewegung bei geschlossenen Augen. Die Nähe von Denken und Tun wird dadurch bewusst. Das ist für viele Menschen ein großer Lernschritt, bei dem sie auch ihr Selbstbild überprüfen und ändern können. Sie merken, dass die eigene Bewegungsentwicklung nicht mit dem abgeschlossen ist, was sie in der Kindheit Familie gelernt haben, sondern sie können jetzt etwas Eigenes finden und ausprobieren.
uns interessiert es, die Selbstheilungskräfte anzuregen
C. P.: Frau Duhme, wer kommt zu Ihnen und warum?
H. Duhme: Das ist verschieden bei Gruppen- und Einzelstunden. In die Einzelstunden kommen Menschen mit akuten Beschwerden, z. B. Schmerzen an Rücken, Schulter, Hüfte, Knie usw. Ihre Versuche mit anderen Verfahren sind oft schon gescheitert. Sie haben gehört, dass sie bei Feldenkrais die ihnen passend erscheinenden individuellen Möglichkeiten ausprobieren können, weil gerade das Ergebnisoffene, Absichtsfreie neue Lösungen zutage treten lässt. Ca 20% kommen, um ihre persönliche Entwicklung fortzusetzen.
In die Gruppe kommen Teilnehmer, die nicht so schwerwiegende Bewegungseinschränkungen haben und die für sich etwas Neues ausprobieren wollen, beispielsweise Stress bewältigen, sich sammeln, eine neue Beziehung zu sich selbst zu finden etc. Wir arbeiten nicht am Problem oder Symptom; uns interessiert es, die Selbstheilungskräfte anzuregen. Es wird mit alten Menschen, mit Kleinkindern und Kindern gearbeitet, auch solche mit ADHS-Störungen.
C. P.: Welche Beispiele lassen sich aus der Heileurythmie darstellen?
C. Hagemann: Ich schaue auf den ganzen Menschen: wie ist zum Beispiel das Verhältnis von oben – unten, innen – außen, gespannt – locker? Ist das jemand, der sehr in der Peripherie und außer sich lebt und nicht mehr in seiner Senkrechten, seinem äußeren oder inneren Lot ist? Da könnte man helfen, eine Grenze zu bilden: „Wo höre ich eigentlich auf?“ Oft lebt diese Fragestellung, die sich im Physischen zeigt, auch im Seelischen. In der Eurythmie gibt es Übungen, die dann unterstützen, dass sich ein Mensch zum Beispiel an seinen hinteren Raum anschließen kann, dann wird er nicht mehr so stark nach vorne aus sich rausgehen. Das kann man beispielsweise über den Laut „B“ machen: der gibt Hülle und bildet eine Grenze.
In der Heileurythmie arbeitet man mit einem Arzt zusammen. Als Heileurythmistin sehe ich besonders auf die Bewegungen eines Menschen und bemühe mich, dadurch zu einem Bild, zu einem Verständnis dafür zu kommen, welche Kraft- Dynamiken durch das Eurythmisieren bestimmter Laute anzuregen, zu aktivieren sind. Der Arzt stellt von der medizinischen Seite das, was sich in dem Krankheitsbild dieses individuellen Menschen ausspricht, dazu.
So dass von diesen beiden und zusammen mit dem Patienten daran gearbeitet wird, diese aus einem harmonischen Zusammenspiel der Lebenskräfte vereinseitigten Tendenzen, die sich noch als funktionelle Störung oder schon in einer manifesten Erkrankung zeigen, zu einem körperlichen und/oder seelischen Heilungsprozess zu führen.
C. P.: Zunächst basiert Feldenkrais auf einer geschulten, sorgsamen, gezielten Wahrnehmung. Steht außerdem ein bestimmtes Menschenbild dahinter?
„Wir handeln dem Bild nach, das wir uns von uns machen.“
H. Duhme: Der zentrale einleitende Satz in dem Standardbuch von Moshé Feldenkrais heißt: „Wir handeln dem Bild nach, das wir uns von uns machen.“ Und wir halten dieses Bild meistens für stabil. Wenn der Mensch dieses Bild stabil hält, wird er nur die Situationen aufsuchen, die ihm vertraut sind und sich von daher auf einen immer schmaleren Pfad begeben. Die Alternative ist, dass er aufsucht, welche Fähigkeiten er noch entwickeln kann und wer er außerdem noch ist. „The sky is open“, sagt meine Trainerin. Alles, was man bewegen kann, kann man auch bewusst bewegen, d. h. man kann es erforschen. Es beschreibt die Vielfalt dessen, was wir als Potential in uns tragen und was wir entfalten können. Dieses Erforschen verursacht eine tiefgreifende Veränderung des Selbstbildes und verbessert die Qualität der Gerichtetheit des Selbst.
Feldenkrais trennt nie das körperliche Ich vom Fühlen und Denken. Jeder wählt aus seinen Erfahrungen das für seine Denk- und Vorstellungswelt aus, was in ihm jetzt die stärkste Resonanz erzeugt.
M. Werner: In der Eurythmie und im anthroposophischen Verständnis begreift man den Menschen als ganzheitliches Wesen – so wie ich einige anregende Aspekte der Vielfältigkeit von Ihnen bei Feldenkrais gehört habe. Wir unterscheiden eine Körperlichkeit, eine seelische und auch geistige Verfasstheit und gehen in der Eurythmie davon aus, dass das alles miteinander kommuniziert, sich gegenseitig beeinflusst. Körperlichkeit wird ebenfalls nicht isoliert für sich betrachtet, sondern kontextbezogen, wie er mit dem inneren Selbstbild, Empfinden, Erleben, Begreifen-können zusammenhängt. Eurythmisten können daher dazu beitragen, diese verschiedenen Dimensionen zu erfassen und damit zu gestalten.
Peter Michael Hamel, geboren 1947 in München, gehört zu den vielseitigsten Komponisten und Musikern der Gegenwart. In den 70er Jahren hatte er sich als Mitbegründer der Improvisationsgruppe „Between“ einen Dialog der Kulturen sowie die Überwindung der Spaltung zwischen der so genannten klassischen und der Unterhaltungsmusik zum Ziel gesetzt. Musikwissenschaftliche Studien führten ihn nach Indien, Tibet, Afghanistan, in den Jemen und den Irak – aber auch nach Darmstadt zu den berühmten „Ferienkursen für Neue Musik“, wo er die internationale Avantgarde kennen lernte. Als Autor wurde er einem breiteren Publikum 1976 durch sein Buch „Durch Musik zum Selbst“ bekannt, in dem er dem Zusammenhang von Musik und menschlichem Bewusstsein auf dem Hintergrund umfangreicher Kenntnisse der Weltmusik und der Musikgeschichte nachgeht. Weiterlesen „Ein Bayer aus Indien“