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Wenn Winteraugen sich öffnen …
Texte aus Schreibgruppen
Wenn Winteraugen sich öffnen
wenn das Herz lauscht
leise tritt es über deine Schwelle
wenn das Herz lauscht
wenn Winteraugen sich öffnen
(Uta Uhlmann)
Die folgenden Texte entstanden im Zusammenhang von Seminaren für kreatives-biografisches-heilsames Schreiben.
Kreatives Schreiben verbunden mit Themen, die das Leben aufwirft.
Heilsames Schreiben in Zeiten von Trauer und Krisen.
Biografisches Schreiben mit Senioren, die ihre Erinnerungen zu Papier bringen wollen.
Schreiben ist eine vielseitige lebendige Tätigkeit. Es erleichtert. Es ordnet. Es führt durch chaotische oder verwirrende Phasen zu neuen Ideen, Erkenntnissen und Impulsen. Schreiben gibt Kraft, kann trösten, stärkt das Selbstbewusstsein und macht Freude. Beim schreiben lernen wir wieder zu lauschen und zu staunen.
Die Schreibgruppen werden angeleitet von Uta Uhlmann. (Personenbeschreibung und weitere Informationen am Ende dieses Artikels)
Text aus einer Seniorengruppe, in der Kindheitserinnerungen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit aufgeschrieben wurden
Unser schönster Weihnachtsbaum
Etwas Mitte November 1945 hatten wir unser zerschossenes Haus unter einem dürftigen Notdach soweit bewohnbar gemacht, dass wir, sieben Personen mit den Großeltern, einziehen konnten. Natürlich funktionierte die Zentralheizung wie manches andere noch nicht, denn erstens war sie beschädigt und zweitens gab es keinen Koks oder andere Kohlen. Andere Öfen hatten wir nicht, nur den großen Kachelherd in der Küche. Er konnte mit Reisig beheizt werden, das wir Kinder täglich körbeweise aus dem nahen Wald holten. Ein amtlicher Holzsammelschein berechtigte uns dazu. Dann gelang es meinen Eltern, einen kleinen transportablen Kachelofen zu kaufen und an den Schornstein anschließen zu lassen. Von der Försterei bekamen wir die schriftliche Erlaubnis, im Wald einen Baum als Brennholz zu fällen und abzutransportieren. Wie wir das machten, war unsere Sache. Also zogen wir, Vater, Mutter und drei Kinder, kurz vor Weihnachten mit einer Axt und einer Säge in den Wald. Der stand nicht auf ebenem Untergrund, sondern auf recht steilen sandigen Hügeln, was die Arbeit sehr erschwerte. Eine große Fichte, möglichst nah an unserem Grundstück, wurde ausgesucht, und meine Eltern, die in ihrem ganzen Leben noch nie einen Baum gefällt hatten, machten sich ans Werk. Wir Kinder hatten Abstand zu halten, weil nichts passieren sollte. Der Baum fiel aber tadellos dahin, wo er hinfallen sollte. Das Entasten und das Zersägen des Stammes in etwa 1 – 1,50 Meter lange Stücke nahm Stunden in Anspruch, meine Eltern arbeiteten bis zur Erschöpfung. Oft mussten sie die Säge aus dem angefangenen Schnitt wieder heraus nehmen, weil sie auf einen Granatsplitter gestoßen waren, und an einer anderen Stelle noch mal anfangen. Die einzelnen Stammenden trugen wir Kinder zweihundert bis dreihundert Meter weit auf unser Grundstück, dort wurden sie später nach Bedarf weiter zu Brennholz zerkleinert. Den dichten Wipfel aber stellten wir als Christbaum in dem einzigen, nun beheizbaren Zimmer auf. Es hatte anlässlich des Weihnachtsfestes eine kleine Sonderzuteilung von Kerzen gegeben, damit schmückten wir den Baum, anderen Schmuck hatten wir nicht. Aber dieser Weihnachtsbaum schmückte sich selbst in wunderbarer Weise. Er war ja kein junges Bäumchen, sondern ein ausgewachsener Baum, das heißt, er hatte reichlich Blütenknospen angesetzt. Die gingen nun in der Wärme des Zimmers auf, die Zweigspitzen waren über und über mit bräunlich-rötlichen Knübbelchen bedeckt, die sahen bildschön aus uns strömten obendrein einen geradezu betörenden Tannenduft aus.
Am Heiligen Abend, nach dem Gottesdienst in der Notschule (Kirche und Pfarrhaus lagen ja in Trümmern), setzten wir uns vor diesen Baum zu einem Festmahl nieder. Den ganzen Dezember lang hatten wir die Fleischmarken der siebenköpfigen Familie gespart, das reichte zu einem Hackbraten, und dazu gab es sogar Salzkartoffeln. Die Stimmung war nicht nur gelöst, sie war geradezu erlöst. Die Gespräche waren von Dankbarkeit und Hoffnung bestimmt. Auch kleine Geschenke gab es, für uns Mädchen zum Beispiel hatte die Großmutter aus Stoffresten je eine kleine Puppe genäht. – Es wurde nicht mehr geschossen, wir hatten überlebt, niemand fehlte, wir saßen im eigenen Haus, das Zimmer war warm, wir waren nach langer Zeit wieder einmal gesättigt, wir sahen in die Lichter und sangen Weihnachtslieder. Und der herrliche Baum strahlte und duftete.
Gott hat uns noch manches schöne Weihnachtsfest geschenkt, immer auch mit Tanne und Lichtern. Einen so wunderbaren Christbaum aber habe ich nie wieder gesehen.
Ursula Athenstaedt
Feliz Navidad
Beau wachte wie immer kurz nach Tagesanbruch auf. Hob den blauen Vorhang. Das erste Licht des Tages fiel auf ihr junges ebenmäßiges vom Schlaf leicht gerötetes Gesicht. Sie lag ihm zugewandt auf der Seite, die Knie angezogen, kaute am rechten Daumennagel. Die Spitzen ihres blonden halblangen Pferdeschwanzes lagen zwischen ihren kleinen Brüsten.
Draußen war es merkwürdig düster. Über dem Pacific lauerte eine stahlgraue Wolkenmasse; dahinter blitzte es pausenlos. Das Meer, eisengrau lag erstarrt in der unheimlichen Stille dieses 23. Dezember. Drei Vögel mit signalrotem Gefieder und samtschwarzen Flügeln stoben aus dem Hibiskus Strauch, dessen lachsrosa Blüten dem Gestern gehörten.
Leise erhob er sich vom gemeinsam zerwühlten Lager, eilte leichtfüßig über die Veranda ins gegenüberliegende Bad. Schloss die Tür, lehnte sich von innen dagegen. Im Spiegel begegnete ihm ein graues schmales Gesicht mit grünbraunen Augen, die erloschen schienen. Er registrierte mechanisch die schwarzen Ringe darunter, presste die vollen Lippen aufeinander. Eine steile Zornesfalte erschien auf seiner fast faltenlosen Stirn. Mit einem Stöhnen fuhr er sich mit beiden Händen durch die aschblonde Kurzhaarfrisur, wandte sich ab von seinem Spiegelbild und drehte den Duschhahn auf, ließ den kalten Strahl minutenlang auf die unbehaarte Brust und die muskulösen Arme und Schultern prallen.
Mit einem weinroten Badelaken um die Lenden gewickelt, setzte er sich an den großen hölzernen Tisch der Veranda. Die beiden Hängematten hingen bewegungslos und leer. Neben dem Heimtrainer stapelten sich ein paar Gewichte. Auf einem der beiden hölzernen kunstvoll geschnitzten Schaukelstühle lag ein Reiseführer über Costa Rica.
Die geräumige Lodge aus dunklem Tropenholz und grünem Wellblechdach stand ihm über die Feiertage allein zur Verfügung. Die drei anderen Mieter waren gestern abgereist; sein Kollege, der mit ihm in der Immobilienfirma arbeitete und die beiden anderen Kumpel, die Ökohäuser vermakelten. Sie waren zu ihren Familien nach New York und Honduras geflogen, würden erst nach Neujahr zurückkehren.
Beau öffnete sein Notebook. Unter Privates klickte er auf „Vögel“, eine Liste erschien. Er ergänzte in den entsprechenden Spalten: Escaleras 23.12., Nr. 113, Gloria (27) aus Orlando/Florida, USA, Note: 5. Schloss die Liste wieder.
Er holte sein Handy hervor. Gut, dass er es nicht abgemeldet hatte, telefonierte mit dem Flughafen in San José. Ja, ein Ticket nach Brisbane gäbe es noch, heute um 17.30 ginge die Maschine.
Dann rief er seine Mails ab. Erst die für die Immobilienfirma Kaltbrunner, für die er seit gut einem Jahr unten in Dominical von einem Büro aus auf Provisionsbasis arbeitete. Nichts. Nicht eine einzige Anfrage war auf die zahlreichen Verkaufsangebote von Apartments, Häusern und Grundstücken gekommen, die er im Internet, in der Tico Times und den drei spanischen Tageszeitungen La Nación, La República und La Prensa Libre geschaltet hatte.
Seine Exfrau schrieb kurz die zwei Formeln: Merry Chrismas and a Happy New Year. Eve.
Zum wiederholten Male klickte er auf die Mail seiner Mutter aus Brisbane, die vor einer Woche gekommen war. Er betrachtete versonnen die eingescannte Karte von Botticelli. Die Geburt Jesu im Stall war dargestellt, mit Ochs und Esel neben der Krippe und diesen Models ähnelnden schwebenden Engeln über dem Dach. Seine Mutter wünschte ihm Holy Chrismas, Mary. Ein stilles Lächeln erschien in seinen Mundwinkeln.
Er sah sie vor sich, wie sie die Weihnachtsgeschichte vorlas, mit dieser ihr eigenen ungekünstelten Stimme: „Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen“. Er konnte sie auswendig, diese seine erste Lieblingsgeschichte. Unglaublich für ihn als Kind und auch heute als Siebenunddreißigjähriger, dass ein König in einem Stall zur Welt gekommen sein sollte.
Zwei Arme legten sich von hinten um ihn. Gloria, die Nummer 113, legte ihren Kopf an seine Wange. „Oh, schreibt dir die Muttergottes persönlich zu Weihnachten?“ „Immer, jedes Jahr, seit ich denken kann“, konterte er, und mit wenigen Klicks war er abgemeldet und schloss sein Notebook, wandte sich ihr zu, strahlte sie an. „Gut, dass Du schon wach bist. Schlechte Nachrichten!“ Und sein Gesicht wurde schlagartig betrübt. „Ist nichts mit gemeinsam Weihnachten feiern hier in Escaleras, den treppenartigen Ausläufern der Cordillera de Talamanca und dem Spaziergang durch den Dschungel zu den Wasserfällen. Ich muss sofort nach San Isidro. Ein Klient, den ich seit Wochen bearbeite, erwartet mich. Er will noch heute das Apartment in Uvita kaufen und es seiner Frau zu Weihnachten schenken. Du musst verstehen, Geschäfte gehen vor. Ich lebe davon. Ich bringe dich zurück nach Dominical zu deinen Freundinnen.“ Ohne frisch gepressten Orangensaft, Schinken und Eier, deutschem Dinkelbrot und organic coffee aus Costa Rica zum Frühstück, wie gestern in der Bar Maracatú versprochen?“ Ihre Stimme klang fordernd und ihre Husky blauen Augen verdunkelten sich. „Ja, tut mir Leid, ich muss sofort zurück ins Büro, den Kaufvertrag aufsetzen. Der Käufer ist Frühaufsteher, er erwartet mich um acht Uhr dreißig, spätestens. Das ist hier üblich, man geht mit den Hühnern zu Bett und steht auch mit ihnen auf“, lachte er kurz und blickte sie mit jungenhaftem Charme an.
Ohne ihre Antwort abzuwarten, eilte er in sein Zimmer und kam nach nur drei Minuten fertig angekleidet in tannengrünen Bermudas, kurzärmeligen Hemd mit beige weißem Blumenmuster zurück auf die Veranda, wo sie eingehüllt in das Betttuch hoch aufgerichtet am Tisch saß und hinunter zum Pacific blickte. Der Duft reifer Mandarinen wehte zu ihnen herauf. „Es ist paradiesisch hier und so still, nur das Zwitschern der Vögel ist zu hören. Kann ich nicht hier bleiben und warten, bis Du zurückkommst? So einen Kaufvertrag zu unterschreiben kann ja nicht lange dauern?“ „Das dauert sicher den ganzen Tag. Der Kunde lebt in San Isidro oben im Gebirge und außerdem: der Vermieter dieser Lodge ist ein kanadischer Kauz, er könnte hereinschneien, dich hier vorfinden und mir den Vertrag kündigen. Ist unseren Vormietern so passiert. Ich hole dir einen Orangensaft, den kannst du auf der Fahrt trinken.“
Und schon eilte er gen Küche, ohne ihre Antwort abzuwarten. Er nahm eine Tetraeder Tüte mit angeklebtem Strohhalm aus dem Kühlschrank, zählte bis zwanzig, lugte um die Ecke. Sie saß nicht mehr am Tisch.
Sein Blick glitt über die Überschrift der Tico Times, die auf der Anrichte lag. „Ist eine Belebung des Immobilienmarktes auf dem Weg?“ Schön wär’s, ein ganzes Jahr lang, seit dieser Bankenkrise, hat er nichts, aber auch gar nichts verkauft. Er lebte seit Monaten vom Ersparten.
Sie kam in ihrem wadenlangen trägerlosen bordeaux roten Kleid, das ihm gestern in der Bar Maracatú so gefallen hatte. Mit ihren offenen blonden Haaren und den nackten Füßen hatte sie ihn an einen der Botticelli Engel auf der Weihnachtskarte seiner Mutter erinnert.
© Inga Czudnochowski-Pelz
Worte
sind Wesen mit Flügeln
wenn du ihnen
die Freiheit lässt
schenken sie dir
ihr geheimes Leben
Uta Uhlmann
Von einer, die sich aufmachte, das Leben zu finden
Sie suchte
Unter einem ausgedienten Sessel,
In blumiger schwerer Erde,
An weißen feuchten Meeresstränden,
In dunklen sperrigen Schubladen,
In tausend klugen Büchern,
In Kochrezepten dieser Welt,
In den hellen Augen ihrer Kinder,
In der Umarmung ihres Mannes,
Im fernen Flötenspiel des Windes,
Im stillen Zwiegespräch mit Sonne und Mond,
In schneeweißen wattigen Wolken am hellblauen Sommerhimmel,
In den leisen Worten ihrer Mutter,
Im Fortgehen ihres Vaters,
Im stillen Tod ihrer Großmutter,
Im lautlosen Abendlicht der Kapelle,
Im ersten Schrei ihrer Kinder,
In einem zarten Wildrosenstrauß in ihren Armen,
Im warmen Brotlaib, gehalten in ihren Händen,
In den treuen Augen ihres Hundes,
Im fernen Rufen des Bussards,
Im schlagenden Tosen der Winterbrandung,
Im zarten Meereswind,
Im fröhlichen Picken eines Spatzes,
Im Rauhreif der Dünengräser,
In den hellen Schneeflocken der Dämmerung,
Im Schweigen.
Sie hört ihr Herz schlagen.
Sie hört die Stille.
© Gisela Plöhn
Naturbeobachtung
In voller Blüte stehen sie da, aufrecht auf ihren zarten Stängeln. Vom Wind lassen sie sich wiegen, die spitz zulaufenden Blätter mit ihrer Oberseite immer zum Licht gerichtet. In gleichmäßig angeordneten Abständen entspringen zwei Blätter dem Stängel, die sich nach Nord und Süd ausbreiten. Die nächst höheren wenden sich nach Ost und West, so geht es immer im Wechsel, damit sie sich nicht gegenseitig im Licht stehen. Aus den Achselhöhlen der Blattansätze hängen in flockigen Trauben die Blütenstände, wie winzige hellgrüne Perlchen, sehr unauffällig als wollten sie nicht allzu deutlich kundtun, dass es da etwas Süßes zu holen gibt. Bei manchen Stängeln wachsen gleichzeitig aus den Achselhöhlen kleine neue Ablegerpflänzchen, die zum Teil sogar selbst schon wieder blühen in ihrer unauffälligen Weise. Vielleicht ist dies eine Notvermehrung falls der Stängel umknickt und auf den Boden sinkt. Es könnte sein, dass dann die kleinen Ableger Wurzen schlagen und eine neue Pflanze bilden. Der Duft, den die Blüten ausströmen, ist nicht zu beschreiben: herb, frisch, kräftig, etwas erdig auch. Er weht den Spaziergänger an im Vorübergehen, und wird doch nur von wenigen wahrgenommen. Von der Sonne beschienen zeigt diese Pflanze ihre besondere Schönheit. Die schlanken, rauen, spitz zulaufenden Blätter, an den Rändern gleichmäßig gezackt wie kleine Krokodilszähnchen, wirken durchscheinend im Sonnenlicht. In stiller Würde steht sie da, und ist doch viel geschmäht und ungeliebt von den Menschen. Im Park steht sie nur dort, wo sie von den Gärtnern übersehen wurde.
Sie weiß sich gut zu schützen und zu verteidigen. Mit ihren feinen Häärchen auf den Blättern kann sie erheblichen Schmerz zufügen. Außerdem ist sie durch die Rauigkeit der Blätter vor der Austrocknung geschützt. Ihre zarten gelblichen Wurzeln sind von einer enormen Festigkeit, und so schlank, dass sie in jede kleinste Ritze dringen können. Zähigkeit und Abwehrbereitschaft sind die besonderen Eigenschaften dieser Pflanze aber auch Grazie und Würde und eine in der Beständigkeit wurzelnde Kraft und Schönheit.
Ich mag sie sehr, die große schöne Brennnessel
Annette Kaufmann-Knopf
Die Blume
Nimm mich – sprach die Blume – nimm mich so, wie ich bin. Ich trage kein prächtiges buntes Kleid. Aber ich passe in diese Zeit. Ich bin braun. Ich bin grau. Ein wenig rötlich vielleicht. Mein Stil ist grün. Ich trage ein Kind an meiner Seite, das vielleicht nie erwachen wird. Aber es gehört zu mir. Es wächst aus mir. Ich habe großes vollbracht. Ich bin zu einer Blüte geworden mit weit gefächertem Gefieder. Die kleinen Blütenblätter puscheln sich auf. Sind bereit, Deinen Blick zu fangen. Nimm mich so wie ich bin. Denn so will ich sein. Ich bin stolz auf die kleine Blüte, die an meiner Seite wachsen will, aber ich lege keinen Ehrgeiz hinein, dass es geschieht. Ich bin eins mit mir. Ich bin entspannt und gelassen. Ich freue mich darüber, dass du mich betrachtest. Gerne öffne ich mich für Dich. Lass dich in mein Innerstes blicken. Heute bin ich für Dich da.
Dorit Meyer-Gastell
Texte aus einem Trauerseminar:
Allein und verbunden
Du bist das Wasser und wäschst mich täglich rein
Ich bin das Wasser und fließe um und in dich ein
Du bist das Wasser und wäschst mich täglich rein
Du bist die Erde und verbindest uns`ren Lebenslauf
Ich bin die Erde und nehme deine Asche auf
Du bist die Erde und verbindest uns`ren Lebenslauf
Du bist die Luft und immer für mich da
Ich bin die Luft und dir auf ewig nah
Du bist die Luft und immer für mich da
Du bist das Feuer und brennst für mich
Ich bin das Feuer und wärme dich
Du bist das Feuer und brennst für mich
Ich bin du – und – du bist ich
Und alles ewiglich
Amen.
Manchmal
Manchmal fühle ich mich auseinandergerissen, zerteilt, zerfurcht und erschöpft.
UND ICH MÖCHTE DOCH LEBEN UND LIEBE VERSCHENKEN.
Manchmal durchzuckt es mich schmerzhaft, schneidend ins rohe Mark, kraftlos.
UND ICH MÖCHTE DOCH LEBEN UND LIEBE VERSCHENKEN.
Manchmal dürstet es mich nach Trost und Schutz in meiner unendlichen Sorge noch einen geliebten Menschen zu verlieren.
UND ICH MÖCHTE DOCH LEBEN UND LIEBE VERSCHENKEN.
Manchmal fühle ich in tiefster Dunkelheit und Trauer eine Ruhe und Gelassenheit und dann weiß ich, dass
ICH LEBEN UND LIEBE SCHENKE, INDEM ICH EINFACH DA BIN.
Claudia Postel
Eine Geschichte für Kinder:
Geschenk für Sarah
Noah ist ein kleiner fünfjähriger Junge aus Afrika. Er ist fröhlich und sehr neugierig, was in seinem Dorf so alles zu finden und zu entdecken ist.
Heute hat er sich aufgemacht, aus einem ganz besonderen Grund. Heute morgen hat seine Mama ein Geschwisterchen, die kleine Sarah zur Welt gebracht. Er hat sich sehr gefreut über seine kleine Schwester und heute Nachmittag kommen alle aus dem Dorf zum großen Fest zusammen. Jeder wird der kleinen Sarah etwas mitbringen, das sie auf ihrem Lebensweg begleiten soll.
Noah zieht los. Er ist schon einige Zeit unterwegs. Viel Interessantes ist auf seinem Weg zu entdecken. Eine wunderschöne rote Blume und ein Hufeisen. Doch Noah möchte etwas ganz besonderes haben. Die kleine Sarah ist die erste Schwester, die er hat, neben seinen drei älteren Brüdern. Heute muss er weiter laufen als seine üblichen Pfade, das merkt er schon bald.
Als er gegen Mittag sich hinsetzt, um sich ein wenig auszuruhen, wird er geblendet. Was ist das, er kann gar nichts mehr sehen. Was ist das für ein heller Fleck? Seltsam. Noah steht auf, verlässt seinen sicheren Platz und geht dem Glitzern nach. Dann die Überraschung. An alles hätte Noah gedacht, eine Scherbe, ein Stück Blech, eine Glasmurmel. Aber was liegt da vor ihm? Ein Stein, ein Kristall. So glatt, sauber und doch schmutzig. Komisch, halb weiß und halb durchsichtig. Noah geht um den Stein herum. Er kniet sich, beugt sich und was ist das: Noah erkennt sich selbst in dem Stein. Dann traut sich Noah ganz nah heran. Er ist doch mutig und stark ist er auch, also hebt er den Stein auf. Nimmt ihn in die Hand. Der Stein ist warm, fast schon zu heiß zum anfassen. Doch als Noah den Stein flach auf seine beiden Hände legt, passiert es. Noah schaut in den durchsichtigen Teil des Steins und sieht:
Einen kleinen Roller aus Holz.
Einen Ball mit weißen und schwarzen Flecken, ein Fußball.
Und dann ein kleines Mädchen mit vielen schwarzen Zöpfen. Es lächelt ihn an. Ist das etwa Sarah?
Ja, Noah ist sich ganz sicher. Ein Zauberstein! Das ist sein Geschenk für Sarah!
Birgit Guzdiol
Uta Uhlmann bietet seit mehreren Jahren in Hamburg Schreibgruppen an, in Form von Seminaren über einen längeren Zeitraum oder als einzelne Tage. Die Veranstalter sind verschiedene Einrichtungen, z.B. die Begegnungsstätte Bergstedt, memento mori und die Familien-Lebensschule in Ahrensburg.
Dieses kreative-biografische-heilsame Schreiben richtet sich an alle, die sich auf einen Schreib-Prozess einlassen wollen – ohne literarische Ansprüche.
„In einer Gruppe mit anderen Menschen zu schreiben erweitert den eigenen Horizont, vertieft menschliches Verstehen, führt zu gemeinsamem Lachen – auch mal Weinen. Schreiben ist Leben.“
Uta Uhlmann hat Germanistik und ev. Theologie studiert; Lehrertätigkeit; Weiterbildung zur Erziehungs- und Lebensberaterin, in Biografiearbeit, kreativem biografischen Schreiben, Trauerbegleitung
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