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Veranstaltungen und Berichte aus Einrichtungen auf anthroposophischer Grundlage im Raum Hamburg

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Erziehungskunst heißt sich zu bewegen

Waldorfpädagogik heute in Ausbildung und Praxis

Interview mit Ingrid Rump und Dr. Frank Steinwachs, Leitung am Seminar für Waldorfpädagogik

Wie stehen heute Kinder und Jugendliche in einer Welt, in der die Technik und die digitale Einflussnahme dominieren? Kleine Kinder wollen sich mit der Welt, so wie sie ist, verbinden. Wie begleitet man sie dabei? Und bei Jugendlichen kann man in einem gemeinsamen Diskurs darüber sprechen: Die Welt ist vielleicht nicht nur gut, aber in der Schule lernen sie die Welt kennen und können dann verstehen, wo sie sich befinden, einbringen und handeln können. Am Ende der Schulzeit heißt es nämlich nicht mehr „Ich schaue in die Welt …“, sondern: „Ich gehe in die Welt …“.
Das und anderes sind Themen, mit denen sich die Waldorfpädagogik beschäftigen muss. Und die Ausbilder im Waldorfseminar achten darauf, dass zukünftige Lehrer/innen für diese Aufgaben vorbereitet werden.

Interviewpartner:
Ingrid Rump: Seit 2023 gemeinsam mit Frank Steinwachs in der Leitung des Waldorfseminars, mit dem Schwerpunkt Klassenlehrer/in, Einarbeitung / Mentorierung von Studierenden und Unterrichtenden. Davor hat sie 20 Jahre als Klassenlehrerin und Lehrerin für freien Religionsunterricht, sowie als Oberstufenlehrerin im Bereich Mathematik, Kunst u.a. in Graz/Österreich gearbeitet. Sie hat in Hermannstadt / Rumänien eine Waldorfschule gegründet und dort 7 Jahre gearbeitet. Seit insgesamt 33 Jahren tätig im Bereich Waldorfpädagogik. Seit 2015 ist sie in der Lehrer:innenbildung, seit 2022 am Hamburger Seminar, das seit 2023 ein neues duales Format für die Ausbildung anbietet.
Dr. Frank Steinwachs: Seit 2023 in der Leitung des Waldorfseminars, um den Masterstudiengang zu begleiten. 20 Jahre Oberstufenlehrer, zwei Jahre am Gymnasium, nach dem Referendariat unterrichtete er in der Waldorfschule Berlin-Mitte und Hitzacker Deutsch, Geschichte, Sozialkunde, phasenweise auch Geografie. Seit 2006 ist er in der Lehrer:innenbildung, seit 2020 am Hamburger Seminar, das seit 2023 ein neues duales Format für die Lehrer:innenbildung anbietet.

Christine Pflug: Wo stehen heute Kinder und Jugendliche, und dann in der Folge, was braucht das von der Schule?

Ingrid Rump: Ich beginne mit den kleinen Kindern: Sie kommen in eine Welt, die vielfältig ist. Die Natur steht nicht mehr so im Vordergrund, denn der Mensch hat sich seinen Platz in der Welt geschaffen. Hier geht es viel mehr um die digitale Ebene und die Technik, die das Leben vermeintlich erleichtern sollen. Die Kinder sind oft stark mit ihr verbunden. Sie müssen einen Zugang finden, wie sie mit der Technik und der virtuellen Welt, die jetzt neue Räume geöffnet haben, umgehen. Diese Welt stellt nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern oder Erziehungsberechtigten eine Herausforderung dar.

Auch die Erwachsenen suchen einen passenden Umgang. Die Technik eröffnet uns die unglaubliche Möglichkeit, endlos viele Informationen zu erhalten. Sie fordert von uns Erwachsenen, diese sinnvoll zu nutzen, aber selbstverständlich auch, uns diesem Sog zu entziehen. Ich sehe das nicht negativ, sondern als eine Aufgabe, die die Erwachsenen im Griff haben sollten. Dann können die Kinder einen passenden Zugang finden. Die Erwachsenen haben es bis jetzt kaum geschafft, weil die technische Entwicklung rasant vorangeschritten ist. Der Mensch rennt hinterher und hat kaum Möglichkeiten, sich kritisch mit der neuen Technik zu verbinden.

Frank Steinwachs: Die Generation der jetzt 30+-Jährigen ist die erste, die mit dem Selbstverständnis und einer Normalität von digitaler Welt, digitaler Einflussnahme und auch Übergriffen in Form von Werbung, der Ökonomisierung von Biografien in Datenform für Werbezwecke etc. aufgewachsen ist. Das waren damals Facebook, YouTube, jetzt TikTok usw., es sind die ökonomischen Interessen der großen Tec-Konzerne, wie es sich gerade im Moment gut beobachten lässt. Und diese Generation muss nun ihre Kinder in dieser digital eskalierenden, übergriffigen und manipulativen Welt begleiten.

Ich denke, es ist ein ganz wichtiger Punkt, Kindheit zu begleiten und Kindheit in einer greifbaren Wirklichkeit zu gestalten, indem wir in der Waldorfpädagogik, die von Ingrid Rump genannte Welt entwicklungsgemäß in die Schule bringen und dann auch wirklich aus dem Phänomen und aus der Realität heraus unterrichten. Damit schaffen wir auch Schutz- und Ruheräume für eine Entwicklung außerhalb einer virtuellen und meist (Pseudo-)Realität.

einen Zugang zur Welt ermöglichen

C. P.: Welche Themen sind noch virulent?

I. Rump: Die Kinder möchten sich mit unserer Welt verbinden, und die Aufgabe der Eltern und von uns Pädagog:innen besteht darin, diesen Prozess zu begleiten. Und da ist es wichtig, im Heute, in der Aktualität wirklich zu leben. Es ist ebenfalls wichtig, dass die Pädagogen und die Pädagoginnen Ideale haben, aber sie dürfen die Realität nicht vergessen, aber auch nicht verteufeln. Sonst vermitteln wir den Kindern eine zwiespältige Haltung: Du sollst in dieser Welt ankommen, aber die Welt ist schlecht. Das wäre pädagogisch fatal. Unsere Aufgabe ist es, einen Zugang zu ermöglichen. Sie werden diesen Zugang finden, wenn sie eine Begleitung haben, die nicht naiv und rückwärtsgewandt ist, sondern positiv in diese Welt schauen kann.

C. P.: Und wie geht man als Pädagoge positiv an die Technik und Digitalisierung heran?

F. Steinwachs: Es geht dabei auch um Moralität und Ethikentwicklung. Kindern ethische Werte mit auf den Weg geben, also anerziehen zu wollen, ist gefährlich, wenn man sagt: Das ist gut und das ist falsch. Ethik entsteht dadurch, und das ist auch ein wichtiger Aspekt der Waldorfpädagogik, dass sie wächst, indem man die Welt, wie sie sich zeigt, kennenlernt. Beispielsweise in der dritten Klasse: Die Kinder gehen auf einen ökologischen Bauernhof, lernen Tiere in einem extensiven landwirtschaftlichen Zusammenhang kennen, in dem das Tierwohl durch entsprechende Räume, Futter, Lebensbedingungen so gut wie möglich gepflegt wird. Hier erleben sie, dass Tiere Bedürfnisse haben, soziale Wesen sind und sie auch lieben (bspw. in der Kälberaufzucht) und dass man gut mit den Tieren umgeht. So wächst ganz natürlich eine nachhaltige Ethik durch das Erleben von Welt, und zwar auch dort, wo der Mensch eingreift. Wenn im Gegenteil aber eine „Bärchenmortadella-Mentalität“ der Supermärkte und darüber Massentierhaltung kritisiert wird und Kinder, ich überspitze es etwas, in Arbeitsblättern der Schulbuchverlage lernen sollen, dass das nicht richtig ist und man gut mit Tieren umgehen muss, wurde ja überhaupt keine Resonanz oder biografische Beziehung zum Thema aufgebaut. Das wird wohl niemanden nachhaltig davon abhalten, Fleisch aus Massentierhaltung zu konsumieren, das Leid der Tiere wird systematisch abgespalten. Resonanz und erlebte, individuell erlebte Relevanz der Weltbegegnung ist nachhaltige Bildung und Verantwortung gegenüber Mensch und Welt. Das beginnt in den unteren Klassen eher subtil und in der Oberstufe wird es stärker mit dem Bewusstsein gearbeitet.
In der Oberstufe können die Schüler:innen erst einmal auf die geschilderten Erfahrungen in der Klassenlehrer:innenzeit (Klasse 1 – 8) zurückgreifen und dann in einem gemeinsamen und bewusst reflexiven Diskurs auch darüber sprechen, dass die Welt nicht nur gut ist, es aber Orte und Räume gibt, in denen wir uns als Menschen einbringen können, um in dieser Welt etwas zu bewegen. Und um das zu können, müssen wir die Welt kennenlernen und uns fundierte Urteile bilden. So kann sich dann auch eine nachhaltige Ethik und Verantwortungshaltung entwickeln.
Im Moment haben wir ein Riesenproblem mit Autoritarismus, Rassismus und mit irgendwelchen Gruppierungen, die sich gar nicht so klar definieren, aber einen sehr destruktiven Einfluss auf das Zusammenleben der Menschen und den Umgang mit der Natur nehmen. Repräsentative Beispiele hierfür außerhalb der „Berufspolitik“ sind Menschen wie Elon Musk, Mark Zuckerberg oder Peter Thiel. Musk ist ein ganz besonders öffentliches Beispiel für diese Verbindung von rechtsautoritären Fantasien, ein Milliardär mit Macht- und Wirtschaftsinteressen, der mit Geld massiven Einfluss ausübt und zeigt, was passiert, wenn Kultur, Ethik und Sozialität absterben.
Wir setzen uns in den jeweiligen Fächern über die Phänomene und Symptome natürlich auch kritisch auseinander und gehen nicht davon aus, dass ein ‚ethischer Individualismus‘, so hat Steiner die nachhaltige Individuation und Bildung durch das bewusste und lernende Erleben von Welt bezeichnet, anerzogen werden kann, sondern er muss durch die Inhalte wachsen.

Wir müssen auch schauen, wo die aktuellen gesellschaftlichen Probleme sind.

Wir können nicht nur darüber sprechen, wie die Menschen zusammenkommen, wie sie sich in guten Gemeinschaften oder in der Aufklärung positiv entwickelt haben könnten, sondern wir müssen auch schauen, wo die aktuellen gesellschaftlichen Probleme sind. Es geht darum, die Schüler:innen mit der Welt in Begegnung zu bringen, ihnen zu helfen, sich mit ihr zu verbinden und sich darüber stark zu machen. Damit fördern wir idealiter das Bewusstsein: Das ist die Welt und das sind die Schwierigkeiten dieser Gesellschaft, damit muss ich umgehen lernen. Im Sinne einer auch in der Schule zu entwickelnden Selbstwirksamkeitserfahrung einer gefestigten Individualität sollte dann das Bewusstsein wachsen: „Ich kann es!“

I. Rump: Man kann sagen: Das Kennenlernen der Welt passiert langsam, die Kreise werden immer größer. Meine ganz kleine Welt in meiner Umgebung darf ich als Kind am Anfang „kennenlernen“, da ist die Familie, die gestaltete Umgebung, da die Pflanzen, die Ameisen am Boden etc., und diese kleine Welt erweitert sich, immer weiter und weiter. In der Schulzeit, in der Unterstufe oder Mittelstufe erschließen die Kinder durch die sie begleitenden Menschen und Fächer neue Zugänge, sie sind wie Türen, die geöffnet werden können und durch die sie die Welt und viele ihrer Details und Facetten ein bisschen mehr entdecken dürfen.
So gestaltet sich eine Landschaft, und auf dieser Landschaft darf ich mich als Kind bewegen und habe ständig Fragen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir diese Fragen, mit denen die Kinder in diese Welt kommen, ernst nehmen. Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben zu forschen, diese Welt zu entdecken und sie durch die Entdeckung kennenzulernen. Die Art, wie sie staunen, die Hingabe, die sie eigentlich von Natur aus mitbringen, der Respekte allem gegenüber und die Prozesse, die in Kindern stattfinden, soll man zulassen, damit sich das Kind passend mit der Welt verbindet.
In der Oberstufe geht man mit großer Geschwindigkeit noch einmal durch die ganze Landschaft und erweitert sie. Es entstehen unzählige neue Räume und es wird weiter hinterfragt.

F. Steinwachs: Ich glaube, das ist ein schönes Bild, wie wir in der Oberstufe, egal ob in Geografie, Biologie oder Geschichte, diese einzelnen Themen natürlich nicht nur aus einer Fachlichkeit heraus thematisieren, sondern auch im Rahmen einer sich über die gesamte Schulzeit hin entwickelnden und entwicklungsgemäßen Urteilsbildung und -fähigkeit. Es wird z. B. im Fach Biologie gefragt, was sind Gene und dann: Wo liegen die Chancen der Genetik. Genauso wird aber auch gefragt, wo sind jetzt möglicherweise Gefahren und wo positionieren wir uns, nicht als Klasse, sondern jeder für sich individuell. Das ist das, was ich vorhin mit dem ‚ethischen Individualismus‘ meinte, dass das Individuum sich durch die Unterrichtsinhalte auch ethisch entwickeln und später positionieren kann, zumindest dann, wenn wir diese Begleitung als Unterrichtende leisten können. Und dann passiert das im positiven Sinne, was Ingrid Rump gesagt hat, die Kreise vergrößern sich immer mehr, alters- oder besser entwicklungsgemäß.

I. Rump: Es ist absolut faszinierend, wie Kinder die Welt erkunden und eine Verbindung zu ihr aufbauen möchten. Wenn sie dabei von ihren Eltern oder den Pädagog:innen unterstützt werden, bildet sich eine starke innere Welt. Jetzt geht es los: Die Welt um dich herum und die Welt in dir werden gestaltet. Dieser Moment, dieser Prozess ist entscheidend, und wenn wir ihn aus den Augen verlieren, verlieren wir auch die Qualität, die uns als Menschen definiert.

intakte Kinder?

C. P.: Wenn ich euch höre, habe ich den Eindruck, trotz aller Probleme geht ihr von relativ intakten Kindern aus. Wie würdet ihr das sehen? Sind sie noch intakt, sind sie nicht auch handysüchtig oder anders schwierig?

I. Rump: Jedes Kindt trägt diese intakte Seite in sich. Es kann sein, dass aus irgendwelchen Gründen dieser Teil nicht sichtbar wird. Aber dort den Zugang zu finden, das ist sehr wichtig und wäre dann auch die Aufgabe der Pädagog:innen, und das ist für die Entwicklung des Kindes entscheidend.

F. Steinwachs: Und ein zweites ist die Frage: Was ist denn intakt? Ich finde es interessant, weil dieses schon Jahrtausende alte Lamento „Früher war es besser und einfacher“ immer auf die Kinder geschoben wird und die Schwierigkeit der Erwachsenen ganz oft darin besteht, adäquate Wege zu finden, auf aktuelle Situationen zu reagieren. Und wenn ich scheitere, dann ist es natürlich sehr einfach, das Kind zu pathologisieren und zu sagen, du bist nicht „intakt“ oder du brauchst jetzt eine Therapie, obwohl ‚ich‘ als Pädagoge versagt habe. Klar, das ist etwas überspitzt, aber leider kommt das vor. Und das thematisieren wir auch im Seminar.
Vielleicht ist gerade dies eine Dimension, die diesen Lehrerberuf auch so fordernd macht, weil wir zu den Menschen gehören, die institutionell auffangen müssen, was die mediale, die wirtschaftliche, die politische und die gesellschaftliche Entwicklung über die Kinder stülpt und vielfach verstörend heuchlerisch als moderne Entwicklung verkauft. Die Probleme, die wir in den 70er und in den 80er Jahren als kleine Kinder und Schüler:innen hatten, sind ganz, ganz andere, aber für die Pädagoginnen und Pädagogen damals auch sehr schwer zu handhaben. Wir waren weder einfacher noch sonst irgendwie intakter. Und da hieß es auch, die „kaputten Fernsehkinder“ oder die Rüpel, die machen draußen Randale, bei Demos fliegen Steine etc. Und heute sind es andere Themen, aber das Problem ist das gleiche. Und wir versuchen auch im Seminar mit den Studierenden ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass sie jetzt als angehende Lehrer:innen die neue Generation sind. Aber: In dem Moment, in dem sie dann vor den Schülern stehen, sind sie die ‚Alten‘ und haben eine maßgebliche Mitverantwortung für die Begleitung und Bildung der Heranwachsenden: Nun müssen sie als gesellschaftliche Akteure die Welt gestalten und als Pädagog:innen für die nächste Generation ins Klassenzimmer bringen. Das hat einmal etwas mit der professionellen pädagogischen Haltung zu tun, aber auch mit einer besonderen Form des verantwortungsbewussten Erwachsenwerdens.

C. P.: Bei allem, was ihr geschildert habt: Wie geht die Ausbildung damit um? Wie bereitet ihr die Lehrer vor?

F. Steinwachs: Es gibt verschiedene Wege. Wir haben jetzt gemerkt, dass die Studierenden und Auszubildenden möglichst schnell in die Praxis müssen.

Wir haben ein duales Ausbildungskonzept entwickelt, das seit 2023 läuft, wo es keine Praktika gibt, sondern wo sie vom ersten Tag an auch in der Schule sind. Dort erleben sie die Kinder, die Heranwachsenden, sie erleben die Schulwirklichkeit und eine ‚verwirklichte Waldorfpädagogik‘. Diese Formulierung finde ich deshalb passend, weil Waldorfpädagogik ein Gedanke, ein Impuls ist, der von den jeweiligen unterrichtenden Menschen und Kollegien praktiziert, weitergedacht und -entwickelt wird, wenn sie sich mit diesem Strom verbinden können – sie ist kein betoniertes Format und kann es auch nicht sein.

Jeder hat einen anderen Zugang zu der Idee der Waldorfpädagogik und ihren Inhalten.

Die Studenten:innen machen dann Praxiserfahrungen, kommen damit ins Seminar zurück, dann können sie Ihre Erfahrung rückkoppeln mit theoretischen Grundlagen allgemeiner Erziehungswissenschaften und theoretischen Grundlagen waldorfpädagogischer Anthropologie etc. Auf dieser Ebene können wir in den Kursen dann weiter darüber nachdenken, was sinnvoll für die Kinder ist und eine konkret begründete Pädagogik entwickeln. Natürlich bringen wir als Dozent:innen Impulse und Themen rein, wir ringen nur darum, die notwendigen Freiräume für die pädagogische Entwicklung der Studierenden/Auszubildenden fachlich wie innerlich zu begleiten und zu impulsieren.

I. Rump: Sehr wichtig ist, dass wir jetzt auf eine wesentlich intensivere Begleitung in der und in die Praxis setzen. Die Studierenden haben in der Schule Ausbildungslehr:innen, die dafür zuständig sind, einmal in der Woche Gespräche zu organisieren, Fragen zu beantworten und Unterrichtseinheiten sowie weitere Themen, die in der Praxis sichtbar werden, zu besprechen. Sie erhalten Input und Ideen, die sie dann in der Praxis ausprobieren und reflektieren.
Wir haben Kollege:innen von der Seminarseite, die diese Praxisphase ebenfalls pädagogisch und organisatorisch begleiten. So stellen wir sicher, dass der schon immer schwierige Realitäts- und Praxisschock aufgefangen wird. Es ist offensichtlich, dass jeder von uns einen anderen Zugang zu der Idee der Waldorfpädagogik und ihren Inhalten hat. Es ist klar, dass wir uns unterschiedlich mit den Bedürfnissen oder Notwendigkeiten der Kinder oder einer Klasse verbinden können. Und das sollte die Ausbildung begleiten und produktiv unterstützen.

akademischer und gleichermaßen praktischer Anspruch

F. Steinwachs: Das Ziel ist, wirklich zu einer Ausbildungsgemeinschaft zu kommen, die diesen gleichermaßen akademischen wie praktischen Anspruch unserer Ausbildung und unseres Studiums begleitet und umzusetzen sucht. Auf der anderen Seite steht aber auch die Praxisfähigkeit, dass wir nach zwei Jahren Menschen haben, die nicht nur wissen, wie man unterrichtet, sondern die wissen auch, wo sie als Pädagoginnen stehen und wo sie, auch an sich selbst, weiterarbeiten können. Die Erwartung ist, dass die angehenden Pädagog:innen nach der Ausbildung fachlich und als Lehrer:innenpersönlichkeiten dann so gefestigt sind, dass sie auch länger an den Schulen bleiben. Bei uns in Hamburg war das noch moderat, aber im Bundesdurchschnitt gibt es eine sehr hohe Abbrecherquote nach drei bis vier Jahren in der Praxis.

C. P.: Es wird mitunter beklagt, dass WaldorflehrerInnen heute gar keine Anthroposophen mehr sind. Wie seht ihr das? Ist das überhaupt so?

I. Rump: Ich möchte das in einem Bild darstellen. Vor mehr als 100 Jahren waren die Menschen von einer Idee sehr stark berührt. Sie waren offenkundig sehr begeistert von Rudolf Steiners Ideen.
Sie haben hart gearbeitet und diese Ideen in die Realität umgesetzt. Sie haben die Methoden in eine Form gegossen. Sie haben viele Jahre Erfahrung gesammelt, ausprobiert und am Anfang auch in Rücksprache mit Steiner etwas weiterentwickelt. In den ersten Jahren haben sie ein klares Konzept für die Waldorfpädagogik entwickelt. Und diese Methoden werden selbstverständlich bis heute weiter praktiziert. Manche sind wunderbare Instrumente, andere wurden weiterentwickelt, neue sind hinzugekommen. Trotzdem: die Anthroposophie ist der Keim, ist der Stamm, aus dem sich die Waldorfschule und die Waldorfpädagogik in den letzten 106 Jahren entwickelt haben.
Und womit haben wir es heute zu tun? Heute sehen wir eine Landschaft, in der die Früchte deutlich sichtbar sind und im Vordergrund stehen und der Stamm oder die Wurzel stehen nicht mehr im Vordergrund, sondern die Früchte. Viele Menschen sind von diesen Früchten angezogen. Sie sagen: „Das sind tolle Ergebnisse. Ich möchte auch Waldorflehrer werden, weil ich die Pracht dieses Berufes erkenne.“ Aber: Sie werden oft nicht zu dem Baum, Stamm oder der Wurzel, die diese Früchte hervorgebracht haben.
Die Frage stellt sich für uns: Wie bringen wir die Menschen dazu, sich auch mit der Idee zu beschäftigen, die diese Früchte hervorgebracht hat?

Was sind das für Ideen, was sind das für Impulse, was bedeutet das? Für uns? Heute?

F. Steinwachs: Wir können nur anbieten, die Impulse, auch aus Steiners Schriften, die wir natürlich auch aus einer gewissen historischen Distanz lesen müssen und wollen, zu betrachten. Was sind das für Ideen, was sind das für Impulse, was bedeutet das? Für uns? Heute? Das heißt, wir reden im Prinzip ausgehend von den Originalquellen der Waldorfpädagogik, und dann natürlich auch von vielen anderen. Und das ist eine Weiterentwicklung der Waldorfpädagogik, die wir, was sicherlich nur bis zu einem bestimmten Grad möglich ist, bekenntnisfrei machen. Man muss nicht sagen, ich bin Anthroposoph und jetzt werde ich Waldorflehrer, sondern ich setze mich mit dem Impuls auseinander.
Aber wenn ich von besagtem Baum nur diese Frucht nehme, wird man irgendwann merken: Jetzt hat der Baum keine Früchte mehr, jetzt wird es langweilig oder doof oder mir fehlt einfach der Sinn dieser Pädagogik. Wenn der Sinn nämlich nur in den Früchten besteht, entsteht kein Leben.

I. Rump: Es werden ausschließlich Methoden angewendet, die jeder anwenden kann. Mir ist klar, dass das Bewusstsein für das „warum“ und „wie“ keine selbstverständliche Grundlage mehr ist. Wir brauchen ein neu erarbeitetes und gründliches pädagogisches Bewusstsein, nicht nur eine Patina in Form von Methoden, organischer Architektur und Jahreszeitentischen. Wir brauchen mehr als nur neue Methoden und Didaktik. Wir brauchen dringend die „Allgemeine Menschenkunde“, also die pädagogische Anthropologie der Waldorfpädagogik, denn es ist zwingend notwendig, dass wir den Menschen und seine Entwicklungsprozesse verstehen, um pädagogisch nachhaltig zu wirken. Und genau das bieten wir an und versuchen, die Menschen bewusst in diesen Resonanzraum zu begleiten. In unseren Kursen und Gesprächen weisen wir immer wieder darauf hin: Sucht neu, denkt die Inhalte und bringt sie in eine passende Form. Wir erwarten schon, dass für die Studierenden am Ende die Frage da steht: „Wie ist mein Weg, wie meine Methode und aus welchen pädagogischen Gründen passt das, was ich tue, für die Kinder, mit denen ich arbeite?“

F. Steinwachs: Und dieses Kritische, was die Studierenden einbringen, ist auch ganz wichtig für den Ausbildungs- und Werdensprozess der angehenden Pädagog:innen. Zum Beispiel hat sich ein jüdischer Student deutlich geäußert, nachdem wir damit begonnen hatten, die „Allgemeine Menschenkunden“ zu lesen und zu reflektieren, was hat Steiner eigentlich in den Vorträgen ‚gesagt‘ hat. Er meinte dann: „Und wie ist das jetzt mit mir als Jude, der ich nicht christlich bin, und wie ist das, wenn ich nicht davon ausgehe, dass es Reinkarnation gibt?“ Das war ein sehr spannender Moment, wo viele Teilnehmer:innen aus ihren Selbstverständnissen und einer „ja,-aber-so-ist-es-doch-Haltung“ rausgerissen wurden und über seine Frage nachdachten und diskutierten – ich natürlich auch. Wenn solche oder ähnliche Fragen auftauchen, müssen sie ihren Raum haben, damit wir als pädagogischer Impuls gesellschaftlich relevant bleiben können, sprich: nicht in der Echo-Blase einer selbsterklärten Selbstverständlichkeit verharren und uns isolieren wollen. Letztlich lautete die Frage für die Studierenden: „Was kann ich für mich mitnehmen? Was kannst du (also die anderen) für dich mitnehmen?“ Und: Wie kannst du dich in diesem Thema bewegen und dich an ihm (als angehende:r Pädagog:in) entwickeln?“

Die Anthroposophie muss man kennenlernen, nicht Begriffe oder Ideen übernehmen.

I. Rump: Und das ist genau das, was Steiner als Begründer der Waldorfpädagogik auch sagte. Die Anthroposophie muss man kennenlernen, nicht Begriffe oder Ideen übernehmen. In diesem Prozess des Kennenlernens entsteht ein Dialog – und zwar zwischen dir und einer Idee oder zwischen dir und einer Summe von Behauptungen oder freundlicher gesagt: Annahmen. Wir sollen offen mit dieser Thematik umgehen, um mehr Verständnis zu schaffen. Wir entwickeln auf diesem Weg definitiv viel mehr Interesse, als wenn wir die Ausbildung über nur „Steiner- und Waldorferklärer“ sind, das ist weder zeitgemäß noch produktiv. Wir dürfen uns gerne von der Meinung lösen, dass wir immer nur das sagen können, was schon andere gesagt haben.
Die Ausbildung zum Pädagogen erfordert kein mechanisch anwendbares Wissen, sondern ein breites Spektrum von anthropologischen, pädagogischen, didaktischen und methodischen Kompetenzen. Wenn ich mir diese Fertigkeiten erarbeite, kann ich eine wertvolle Rolle im pädagogischen Bereich einnehmen und mich zum Erziehungskünstler entwickeln.

 

Wenn Sie Interesse haben, eine Ausbildung oder einem Studium zum/zur Waldorflehrer:in zu machen, dann melden Sie sich gerne per Mail an:

oder für eine direkte telefonische Beratung an Frank Steinwachs unter

0176/22766488

Weitere Informationen finden Sie unter:

https://www.waldorfseminar.de/lehrer-in-werden/weg-zu-uns/

Die neue Ausbildung/der neue Studiengang beginnt am 13.09.2025.

 

 

 

 

 

 

Anthroposophie gegen Rechtsradikalismus: Fakten und Argumente

Sieben Gründe warum Anthroposophie und Rechtsextremismus unvereinbar sind.
Zusammengestellt von Matthias Niedermann, 16.12.2023 ()

https://www.anthroposophie-gegen-rassismus.de/blog/sieben-gruende-warum-anthroposophie-und-rechtsextremismus-unvereinbar-sind

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